Wiederaufnahme wegen Rezidiv

  • Hallo Forum,

    Folgender Fall:

    stat. Aufnahme eines 7jährigen Mädchen wegen Erysipel re. U.-Schenkel. Entlassung am 9.ten Tag, nach Abklingen der Symptomatik u. Normalisierung der Entzündungsparameter, mit weiterer Therapieempfehlung oraler Antibiotika-Einnahme. Eine Indikation für einen weiteren stat. Aufenthalt bestand nicht mehr.

    Nach 8 Tagen Wiederaufnahme wegen gleicher Symptomatik,wiederum Antibiose, Bettruhe etc., Entlassung nach 13 Tagen.

    Die Kasse möchte diese beiden Fälle zusammenführen, weil sie die gleiche HD (ICD-A46)haben und die obere Grenzverweildauer von 21 Tagen in diesen Zeitraum fällt.
    M.E. ist die Neuaufnahme als Rezidiv zu werten, weil weder eine Komplikation, noch eine andere Grunderkrankung vorliegt, sondern einfach das Wiederauftreten einer Erkrankung. Ich würde es als neuen Fall abrechnen!

    Wie sieht das Forum den Vorgang?? und wer kann mir sagen wo es diesbezüglich verbindliche Hinweise/Paragraphen gibt, als Argumentation für die Kasse.

    Viele Grüße aus der z.Zt. heißesten Ecke Deutschlands!

    Frau Wika

  • Schönen guten Tag Frau Wilka und alle anderen!

    Wäre ich bei der Kasse oder dem MDK, würde ich argumentieren, dass beim erste Aufenthalt nicht ausreichend behandelt und deshalb die Wiederaufnahme notwendig wurde. Es würde sich dann durchaus um eine Komplikation der (nicht ausreichenden) Behandlung handeln. Natürlich käme es möglicherweise auf Details des Falles an. Es bleibt auch außer Acht, dass der MDK vor DRG-Abrechnung unbeschadet der Notwendigkeit zur Wiederaufnahme beim ersten Fall möglicherweise schon viel früher eine ambulante Weiterbehandlung für ausreichend erachtet hätte (vermutlich werden sich auch auf Krankenhausseite Verhalten bzw Argumentation vor und nach DRG-Abrechnung unterscheiden).

    Ich glaube, in dem Grenzbereich zwischen Rezidiv und Komplikation werden sicherlich häufiger die Gerichte bemüht werden müssen.

    Schönen Tag noch,
    --
    Reinhard Schaffert

    Medizincontroller
    Facharzt für Chirurgie
    Krankenhausbetriebswirt(VWA)
    Kliniken des Wetteraukreises

  • Hallo Frau Wilka und andere Leser,

    ich fürchte, da werden Sie vor Gericht nicht punkten können. Das einzige Argument, das ich als bedingt stichhaltig ansehen würde ist das Antibiogramm des Keims:

    Handelt es sich um einen Keim, der offensichtlich einer völlig anderen Familie als der erste angehört, könnte man behaupten es sei eine völlig neue Erkrankung.

    Wenn das nicht der Fall ist (uns das ist wahrscheinlich) ist die Krankheit nie wirklich geheilt gewesen, sondern der Keim hat die Gelegenheit bekommen eine Resistenz gegen das eingesetzte Antibiotikum zu entwickeln (zum Beispiel weil man vergaß, die Tabletten zu nehmen?).

    Tut mir leid, aber ich sehe da schwarz...
    Trotzdem herzliche Grüße

    R. Salomé
    Anästhesist - Medizincontroller
    Coswig

  • Hallo,

    ich kann mich Hr. Salome nur anschließen, sowas klingt nach mangelnder Compliance (der Eltern) oder vieleicht auch mangelnder Aufklärung über die Antibiotikaanwendung und das Risiko trägt künftig (leider) immer das Krankenhaus.

    Interessant ist die Frage, wie das bei eindeutiger (und forensisch hieb- und stichfester Dokumentation) Non-Compliance des Patienten aussieht...

    Dafür ist nach meinem Rechtsempfinden ausschließlich der Patient haftbar, aber wie ist das denn nun wirklich juristisch?

    Könnte man in solchen Fällen den Patienten haftbar machen und zur Zahlung der Differenz verpflichten?

    MFG


    --
    Thomas Lückert
    Medizincontrolling
    Johanniter-Krankenhaus im Fläming

    Thomas Lückert
    Stabsstelle Medizincontrolling
    Unfallkrankenhaus Berlin

  • Hallo, ich glaube kaum, dass hier der Patient zur Kasse gebeten werden kann. Sollte hier ein Regress möglich sein, so wäre das auch bei Suchterkrankungen, vorsätzliche Selbstverstümmelung (ungeachtet der psych. Gründe), "gefährlichem Sport" ..... möglich. Aber wo soll die Grenze festgelegt werden? Muss jeder Kunde für spätere Regressfälle vorher einen IQ-Test absolvieren, bevor er einen Versicherungsvertrag oder Mitgliedsantrag unterschreibt? "Dummheit oder Unfähigkeit" schützt hier vor Strafe.

    Gruß Harmsen
    --
    Gruß Harmsen

    Gruß Harmsen

  • Schönen guten Tag allerseits!

    Nur als ein Hinweis zu dem Thema:

    Zitat


    § 52 SGB V
    Leistungsbeschränkung bei Selbstverschulden

    Haben sich Versicherte eine Krankheit vorsätzlich oder bei einem von ihnen begangenen Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehen zugezogen, kann die Krankenkasse sie an den Kosten der Leistungen in angemessener Höhe beteiligen und das Krankengeld ganz oder teilweise für die Dauer dieser Krankheit versagen und zurückfordern


    Schönen Tag noch,
    --
    Reinhard Schaffert

    Medizincontroller
    Facharzt für Chirurgie
    Krankenhausbetriebswirt(VWA)
    Kliniken des Wetteraukreises

  • Hallo Forum, hallo Herr Schaffert,

    der § 52 SGB V ist zwar sehr interessant, meiner Ansicht nach aber außer bei Selbstmordversuchen oder Selbstschädigungen im Rahmen einer illegalen/strafbaren Handlung nicht anwendbar.

    Nehmen wir das Beispiel Fallschirmspringer (sorry, aber mir fällt kein besseres ein). Zweifellos eine lebensgefährliche Risikosportart - ABER - § 52 käme hier nur zur Anwendung, wenn ich bewusst meinen Fallschirm nicht öffne, um mir VORSÄTZLICH Schaden zuzufügen.

    Alle anderen Unfälle wären fahrlässig bzw. grob fahrlässig.

    Zum Ausgangsbeispiel. Fehlende Compliance der Eltern halte ich für grob fahrlässig, wenn sie halbwegs intelligent sind und vom Behandler gehörig aufgeklärt wurden. Denn nur dann kann man ihnen unterstellen, dass sie die negativen Folgen zumindest billigend in Kauf genommen haben.

    Sind sie aber nicht ganz so helle oder mit der Situation überfordert, oder ignorieren die ärztlichen Hinweise, weil sie es "nur gut mit dem Kind meinen", indem sie dieses nebenwirkungsträchtige Medikament absetzen, sobald die Symptome abklingen, so können sie die Folgen ihres Handelns nicht einschätzen und handeln fahrlässig.

    Beim Vorsatz jedenfalls müsste man den Eltern beweisen, dass sie ihr Kind vorsätzlich haben schädigen wollen...

    Fazit: Regress gegen Patienten/Eltern meiner Ansicht nach ausgeschlossen.

    Gruß,


    ToDo

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)

  • Hallo,

    war auch etwas provokant gesagt, klar bis dato trug dieses Risiko die Krankenkasse....und der Beweis von Vorsatz ist ja quasi nie zu erbringen...

    Also wenn ich das richtig verstanden habe muss künftig das Krankenhaus die Kosten von Non-Compliance tragen, darüberhinaus heben diese Fälle natürlich die Komplikationsquoten in der QS....

    Es ist also sicher von nutzen sich mal Gedanken über die Verbesserung der Compliance zu machen....

    Noch eine schönes (leicht provokantes!) erdachtes Fallbeispiel (das leider doch so vorkommt)..

    Was ist denn wenn der Hausarzt (sagen wir mal wegen des Weglassens sehr teuerer Medikation) das im Krankenhaus erreichte Behandlungsergebnis soweit wieder verschlechtert, das eine Wiederaufnahme wegen derselben Erkrankung nötig wird.


    Mal abgesehen von der schwierigen Beweislast, wäre das dann auch das reine finanzielle Risiko des Krankenhauses?

    MFG

    --
    Thomas Lückert
    Medizincontrolling
    Johanniter-Krankenhaus im Fläming

    Thomas Lückert
    Stabsstelle Medizincontrolling
    Unfallkrankenhaus Berlin

  • Guten Morgen, Herr Schaffert. Der § 52 SGB V zieht nicht. Zum einen kann das KH sich nicht auf § 52 SGB V berufen, da diese gesetzliche Grundlage nicht Bestandteil des Vertrages zwischen Patient und KH ist. Und selbst die KK hat Probleme, den § 52 SGB V anzuwenden. Im Beispiel von TODO könnte mann/frau sagen, dass hier der Kunde zu dem Zeitpunkt geistig nicht zurechnungsfähig war - und somit ist der § 52 SGB V schon ausgehebelt. Nur absolut grober Vorsatz könnte u. U. reichen, um überhaupt einen Ersatzanspruch geltend zu machen - wenn z. B. ein Rollifahrer regelmäßig seinen Rollstuhl bewußt zu "Schrott" fährt - aber da dürfte jeder gute Rechtsanwalt wieder auf die zum "Tatzeitpunkt" nicht volle Zurechnungsfähigkeit des patienten hinweisen. Die Folge für KH und KK - zahlen und freundlich sein.

    Gruß Harmsen
    --
    Gruß Harmsen

    Gruß Harmsen

  • Hallo Forum,
    ich kann die Argumentation für die Riskoübernahme durch das Krankenhaus so nicht nachvollziehen.:no:
    Wer sagt denn, dass das Krankenhaus auch für Komplikationen der ambulanten Folgebehandlung gerade stehen muss.
    Im Fallpauschalenänderungsgesetz heißt es:
    :vertrag:
    Wird ein Patient, für den zuvor eine Fallpauschale berechnet wurde, im Zeitraum von der Entlassung bis zur Grenzverweildauer der abgerechneten Fallpauschale wegen einerKomplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung wieder in dasselbe Krankenhaus aufgenommen, darf eine Fallpauschale nicht erneut berechnet werden; nach Überschreitung der oberen Grenzverweildauer dürfen die entsprechenden belegungstagesbezogenen Entgelte berechnet werden.

    Auch wenn es nicht wörtlich so ausformuliert ist, handelt es sich bei der durchgeführten Leistung um die von der Kasse vergütete, also die Krankenhausleistung.
    Kann ich nachweisen, dass ich eine Erkrankung lege artis behandelt habe und der Patient bei regulärem Verlauf in einem ambulant therapierbaren abgeheilten Zustand entlassen wurde, kann dem Krankenhaus niemand das Risko für die mit der Nachbehandlung behafteten Unwägbarkeiten, welche vom KH nicht zu beinflussen sind, übertragen.
    Wird ein Behandlungsfehler in der stationären Phase oder eine zu zeitige Entlassung nachgewiesen, sieht die Sache natürlich anders aus.
    Dann und nur dann ist das Rezidiv eine Komplikation im Zusammenhang mit der erbrachten (Krankenhaus-!)Leistung.
    Oder ist das Krankenhaus auch finanziell verantwortlich für den stationär primär stabil eingestellten Diabetiker, der nach geburtstäglichem Sahnetortenabusus hyperglykämisch wieder aufgenommen werden muss
    ?(

    Viele Grüße aus Halle
    (seit Wochen [oder Monaten?] erstmals wieder Regen)

    Steffen Zacher
    Medizinmanager/HNO-Arzt
    Staedtisches KH Martha-Maria Halle-Dölau

  • Hallo,

    natürlich haben Sie formal recht, nur wie ist das mit der Beweislast..
    wenn Sie den 'Sahnetortenabusus'-Patienten wieder aufnehmen (natürlich innerhalb der OGVD) dann wird es schwierig den Beweis anzutreten (der Patient leugnet alles, weil es ihm peinlich ist) und dann ist die Frage, ob die Kasse dies Ihnen nicht noch vorwirft (mangelnde oder unwirksame Patientenschulung).

    Ich glaube da wird es noch den ein oder anderen Streitfall geben, da die gesetzliche Regelung nicht eindeutig genug sind. Eine Lösung wäre z.B. im INEK oder einer anderen Stelle die aufkommenden Streitfälle (Komplikation ja/nein) zu sammeln und eindeutige Regeln aufzustellen, die dann für alle Seiten rechtsverbindlich werden...

    Die Einigung der Selbstverwaltungen halte ich nur für gangbar, wenn diese bei Scheitern bis zu einem festgelegten Termin durch Rechtsverordnung ersetzt wird, da es ansonsten zur selben Situation kommt wie bei dem alten FP/SE-system, man einigt sich eben nicht...
    bis dann die Gerichte (Jahre später...) die ersten Regeln determinieren (Ich erinnere nur an die leidige Bi-und Trimalleoläre US-Fraktur-Thema)...

    MFG


    --
    Thomas Lückert
    Medizincontrolling
    Johanniter-Krankenhaus im Fläming

    Thomas Lückert
    Stabsstelle Medizincontrolling
    Unfallkrankenhaus Berlin