EUGH Urteil Arbeitszeit

  • Hallo und guten Morgen,

    ToDo darf sich rühmen, mich als jahrelangen stillen Leser des geschätzten Forums zur Registrierung veranlasst zu haben, damit ich auf diese Ungeheuerlichkeit antworten darf. Ich finde es immer klasse, wenn sich Personen zu einer Sache äußern, von der sie mangels eigener Erfahrung (oder doch?) absolut nichts verstehen. Ein ähnliches Gefühl hatte ich gestern abend bei den Nachrichten, als sich der allseits beliebte Prof. Lauterbach zum Thema äußern durfte und wie immer mit der zu langen Verweildauer argumentierte. Natürlich hat er damit prinzipiell recht. Aber einen Bezug zwischen Verweildauerverkürzung und Einhaltung gesetzlicher Arbeitszeiten herzustellen, das hat mich laut lachen lassen, zeigt es doch dass es außer ToDo noch andere schlaue Leute in Deutschland gibt :x , die etwas von ärztlicher Arbeitsbelastung zu verstehen glauben. Ich empfehle beiden dringend, mal einen Sonntag in der Notaufnahme eines Kreiskrankenhauses mit dem diensthabenden Chirurgen mitzulaufen. Ich für mich habe das Interesse an anderen Berufsfeldern auch aus dem Frust über die unglaublichen Bedingungen in deutschen Krankenhäusern heraus aufgebaut und mich aus der Chirurgie vorerst verabschiedet.
    Außerdem glaube ich, dass die ganze Diskussion nicht so hochgekocht wäre, wenn die Politik, die Kassen, die Krankenhausverwaltungen, ... sich bemüht hätten, Bedingungen zu schaffen, das vorhandene deutsche Arbeitszeitgesetz umzusetzen. Solange Gewerbeaufsichtsämter zwar in die Krankenhäuser gehen und kontrollieren, daraus jedoch wie in unserem Fall keinerlei Konsequenzen folgen bei bis zu 15 (ja- FÜNFZEHN) Bereitschaftsdiensten im Monat, wird auch das gestrige Urteil ein Witz bleiben.

    Ich mach mich jetzt wieder an die Arbeit:bounce:

  • Lieber ToDo,
    als Assistenzarzt mit Approbation 1985 kann ich Ihnen gerne etwas über Bereitschaftsdienste aus eigener Anschauung erzählen:
    als Berufsanfänger nach einer Woche den ersten 56 Stunden Dienst in der Geburtshilfe (Samstag früh bis Monatg abend...), bis zu 37 Dienste im Jahr an einem Wochenende (Samstag oder Sonntag...), bis zu 12 Bereitschaftsdienste an Werktagen im Monat. Eine Müdigkeit, mit der sie beim Schreiben von Befunden einschlafen, mit nächtlichen Diktaten von Briefen, bei denen die Stimme nicht mehr verständlich ist, als Notarzt für 24 Stunden, bei denen ihre Fahrer 2 oder 3 mal wechseln, sie aber bis zu 16 Einsätze fahren (inklusive 3 oder 4 Reanimationen, auch bei Säuglingen...ich will da gar nicht von posttraumatischen Stressdisorders anfangen...)...und ein Gefühl der Ohnmacht, diesen Verhältnissen ausgeliefert zu sein (trotz verdi und Mitbestimmung und und und...). Auch als Oberarzt oder Chef ändert sich da wenig, es nennt sich nur anders.
    Diese Knochenmühle überleben ist das oberste Ziel und ich hätte mit 40 Jahren aufgehört, als Arzt zu arbeiten, wenn ich weiter Bereitschaftsdienste hätte machen müssen...da geht die eigene Kerze einfach aus.
    Halten wir fest: gleiches Recht wie bei anderen Berufsgruppen, auch wenn es zu einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit kommen wird. Die Betriebsleitungen der Krankenhäuser müssen mit den Kostentragern vernünftige Lösungen finden...so überraschend ist das Urteil ja auch nicht

    Grüße Poschmann


    war es mein oberstes Ziel, mit 40 Jahren keinen Bereitschaftsdienst mehr zu machen

    Poschmann

  • Hallo forum,
    auf den Hinweis von Herr Glocker hin habe ich mal versucht den Artikel im Deut. Ärzteblatt zu verstehen. Der aus meiner wichtigste Teil findet sich ganz am Ende:
    Einen unmittelbaren Handlungsauftrag an den Gesetzgeber wird aber das zu erwartende Urteil des EuGH in der Sache „Jäger“ als Vorabentscheidung nicht enthalten. Vielmehr erzeugt es ausschließlich unmittelbare Wirkungen zwischen den dortigen Parteien. Von daher lässt sich schwer voraussagen, ob und, wenn ja, wann der deutsche Gesetzgeber nach einer die SIMAP-Rechtsprechung aller Wahrscheinlichkeit nach bestätigenden Entscheidung des EuGH im Fall Jäger eine Anpassung des Arbeitszeitgesetzes an die Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie vornehmen wird. Mit einer sofortigen Änderung ist nicht zu rechnen.
    Insoweit sind auch die nichtstaatlichen Krankenhäuser und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens nicht verpflichtet, ihre derzeitige Handhabung der Arbeitszeiten beziehungsweise Bereitschaftsdienste zu ändern. Es ist dann allein Angelegenheit der betroffenen Ärzte, in jedem Einzelfall Rechte zu suchen, wenn die Krankenhäuser weiterhin die erwarteten Feststellungen des EuGH nicht umsetzen.
    Hervorzuheben ist, dass für die Anwendung des privaten Arbeitsrechts weder die bisherige SIMAP-Rechtsprechung noch die erwartete Entscheidung im Fall Jäger durch den EuGH unmittelbare Folgen herbeiführen kann. Die Auslegung von Arbeitsverträgen, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Tarifverträgen bestimmt sich nach allgemeinen Grundsätzen, unter anderem auch nach den Definitionen der Parteien. So werden zum Beispiel bereits nach geltendem Tarifrecht des öffentlichen Dienstes die Begriffe Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft unterschiedlich definiert. Folgen hat die Beurteilung von Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes deshalb nur, wenn die arbeitsvertraglich an sich zulässige Anordnung von Bereitschaftsdienst zu einer Überschreitung der höchstzulässigen Arbeitszeit, Nichteinhaltung von Ruhepausen oder Ruhezeiten führt. Der Arbeitnehmer kann insoweit ein Leistungsverweigerungsrecht geltend machen, der Betriebsrat einen nach öffentlichem Recht unzulässigen Dienstplan ablehnen. Für die arbeitsvertraglichen Entgeltansprüche ist die Frage dagegen unerheblich. Sie richten sich ausschließlich nach den anzuwendenden Bestimmungen. Hieran wird auch die zu erwartende Entscheidung des EuGH im Fall Jäger nichts ändern.
    Wenn ich das richtig verstanden habe ändert sich wahrscheinlich erstmal wenig bis gar nichts. Nur dann, wenn sich "vor Ort" jemand auf das Urteil beruft (Muß dann erneut geklagt werden?)gibts Handlungsbedarf. Und, was sicher auch nicht ganz unwichtig ist, selbst wenn der Bereitschaftsdienst arbeitszeitrechtlich als Arbeitszeit gilt, muss das für die Bezahlung noch lange nicht gelten.
    Gruß aus Wü
    T.Menzel

  • Hallo allerseits,

    ich bin entzückt über so viel Zuspruch.

    Aber machen Sie sich doch bitte nicht die Mühe, in meinen kurzen Beitrag so viel mehr an Boshaftigkeit gegen die Ärztezunft hinein zu interpretieren als ohnehin schon drin war.

    Ich fasse für alle hochemotionalisierten Betroffenen noch einmal zusammen:

    Ich schrieb abgesehen von der Umsetzung und davon, ob es für Ärzte und Patienten besser ist...

    Das bedeutet, ich zweifle alle Ihre Beiträge nicht im geringsten an und habe Verständnis. Ich werde aber langsam müde zu erwähnen, dass ich sehr wohl die praktische Érfahrung (wenn auch nur kurz) habe, die mir hier in jedem zweiten Post abgesprochen wird.

    Kritisieren Sie mich also - von mir aus beschimpfen Sie mich auch, aber das ändert nichts an meiner Kritik an dem klagenden Arzt, der ja offenbar auch (erst mal) nur eine feine Einzellösung für sich selbst gefunden hat.

    Den Einwand, der Verwaltungsaufwand führt zu diesen Arbeitsbedingungen, sollte sicherlich ein Scherz sein - und die Behauptung, Absolventen wissen nicht, was DRG sind, bzw. ahnen nicht, was für Arbeitszeiten auf sie zukommen, sollte doch auch nur die ganze Diskussion mit etwas Humor beleben, oder???

    Ich jedenfalls habe mich vor der Berufswahl über meinen späteren Beruf informiert...

    Gruß,


    ToDo

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)

  • Zitat


    Original von ToDo:

    Ein Arzt, der die Verhältnisse und Arbeitsbedingungen in deutschen Krankenhäusern kennt und diese bei seiner Berufswahl billigend in Kauf nimmt, klagt gegen eben diese und stellt ein ganzes System auf den Kopf...

    Mir fällt da nur ein Vergleich ein:

    Ich kaufe mir ein Häuschen unmittelbar an der Autobahn. Und wenn ich erst mal da wohne, erwirke ich vor Gericht ein Fahrverbot wegen Lärmbelästigung...

    Herr Todo,

    ich glaube diesmal haben Sie es wirklich geschafft sich unbeliebt zu machen, aber das bin ich aus meinem Bekanntenkreis gewöhnt:

    Ich glaube, niemand der noch nicht Dienste in einer Ambulanz gemacht hat, kann sich hier ein Urteil erlauben (und da meine nicht die Schwesterndienste, die meist noch relativ konform mit dem Arbeitszeitgesetz laufen, oder kann mir jemand erklären, warum die Schwersterndienste einer Ambulanz als Arbeitszeit laufen, der Mediziner aber Bereitschaftdienst hat, obwohl er die Stationen mitbetreuen muss???), genauso wenig wie sich ein Medizinstudent ein Bild über die (auch psychische) Belastung machen kann, die hier über Jahre entsteht, nur weil er mal mitgeholfen hat. Mir haben meine ersten Dienste auch fast Spaß gemacht, alles war neu, endlich etwas Verantwortung etc., aber nicht umsonst liegt z. B: die Lebenserwartung bei Chirurgen deutlich unter dem allgemeinen Durchschnitt und das sagt einem bei Studiumbeginn niemand!!! Dazu kommt noch der Irrglaube vom hohen Gehalt, da kann ich als Assistent nur drüber lachen, ein Daimlermitarbeiter im Schichtdienst verdient mehr!

    Und was passiert, wenn man einmal Arzt ist (und die nüchternde Wahrheit erlebt): Wie man an den Statistik sieht, wandern viele in andere Berufgruppen ab oder gehen ins Ausland...
    Und wenn man 24h am Stück arbeiten muss, kämpft man halt auch schon mal vor Gericht um Anerkennung der Arbeitszeit, ich denke, den wenigsten geht es tatsächlich darum , ihre Arbeitszeit auf die tariflichen 38.5 h zu drücken!

    Gruß, Laupi

  • Hallo, Forum, verehrter Herr ToDo

    ich empfehle Euch allen, diesen Tread zu beenden. Ich möchte nicht wissen, wieviele Forumsmitglieder, die in QM und MedCo arbeiten, auch wegen der Arbeitsbedingungen diesen Weg gewählt haben. Sie alle haben die Erfahrung gemacht, dass man den wunderbaren Arztberuf auch mit dem Wissen um notwenige Nacht-und Feiertagsarbeit gewählt hat. Wie es sich aber wirklich des nachts und vor allem am nächsten Tag ANFÜHLT, wenn man nicht einmal sein Recht auf Einhaltung der bisherigen Gesetze geltend machen kann, weiß man erst nach längerer Erfahrung. Die haben sicher die meisten aus dem Forum. Insofern ist es eigentlich unsinnig, dies jetzt hier weiter auszubreiten, ich hör ja auch schon auf damit.
    Abschließend kann ich nur hoffen, dass diese Selbstverständlichkeit - um nichts anderes handelt sich nämlich bei dem Urteil - nun auch mal anderen Leuten viele, viele so richtig lange schlaflose Nächte breiten wird.:uhr:

    Gruß
    Matz

  • Ich stimme dem zu, wir solten diesen Thread beenden. Die Aussagen von ToDo zu diesem Thema sind erstens nur dummes Geschwätz und zweitens finde ich es unterstes Niveau, Ärzte die für eine Verbesserung Ihrer unwürdigen Arbeitsbedingungen kämpfen, auf diese Weise mit abfälligen Kommentaren zu belegen. Diskussionen über vernüftige Arbeitszeitmodelle für große und kleine Krankenhäuser sind da schon wesentlich sinnvoller.

    Broeker

  • Zitat


    Original von Laupi:
    ....oder kann mir jemand erklären, warum die Schwersterndienste einer Ambulanz als Arbeitszeit laufen, der Mediziner aber Bereitschaftdienst hat, obwohl er die Stationen mitbetreuen muss???)...

    nun.....zunächst mal deshalb, weil ein arzt anordnet und die schwester ausführt, oder?
    daraus ergeben sich völlig andere arbeitsabläufe. abgesehen davon sind bereitschaftsdienste in einer ambulanz auch beim pflegepersonal nicht unüblich.

  • Hallo Forum,

    auch ich bin dafür, diese Diskussion zu beenden. Dass ich Sie verstehen kann und Ihnen die Umsetzung des Urteils gönne, konnte ich mit zwei Beiträgen offenbar nicht rüberbringen.

    Ich bedanke mich für die trotzdem überwiegend sachlichen Antworten und anschaulichen Schilderungen.

    An die Adresse derer, die mich für eine Frage, mit der ich niemanden persönlich beleidigt habe, als "Dummschwätzer" bezeichnen, sei gesagt:

    Unterstes Niveau ist meiner Ansicht nach, wenn jemandem argumentativ die Puste ausgeht und er dann persönlich wird. Beim Lesen Ihres Beitrags ist mir etwas aufgefallen: Der klagende Kollege hat Ihnen noch etwas voraus. Sie sprechen hier von "kämfenden Ärzten"? Teilen Sie mir doch - gerne im persönlichen Mail - mit, an welchen Fronten Sie so für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen Ihres Berufsstandes gekämpft haben.

    Mich beschleicht eher das dumpfe Gefühl, dass Sie hier auf die Pauke hauen und sich in Wahrheit im Erfolg zu suhlen, den andere für Sie erkämpft haben.

    Und für dieses Verhalten hätte ich reichlich Begriffe, die mich aber auf Ihr kommunikatives Niveau bringen würden, deshalb nur ein Tipp: erst lesen, dann denken und dann antworten,

    Gruß,


    ToDo

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)

  • Na, na, jetzt vertragen Sie sich mal wieder :baby:

    ToDo: ich persönlich konnte eigentlich über Ihre ersten Posts nur empört grinsen, das mit dem "Dummschwätzer" halte auch ich in diesem Forum für arg unpassend (Obwohl mir auch manchmal die Zügel 'durchgehen).

    Peace :banane:

    CH

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,

    bevor es in diesem Thread eskaliert, möchte ich daran erinnern:

    Das Forum myDRG ist eine Plattform für Diskussion, Gedankenaustausch, der "gesitteten Streitkultur" und Kommunikation.
    Gegenseitige Beschimpfungen sind nicht nur unproduktiv, sondern hier auch nicht erwünscht.

    Ich bitte darum, sich hier wieder auf einer sachlichen Ebene zu begegnen und persönliche Anfeindungen zu unterlassen.

    Gruß

    D. D. Selter
    Administrator myDRG