• Hallo liebes Forum,

    wir haben aufgrund unserer Nähe zur Landesfachklinik für Psychiatrie immer mal verlegte Patienten, die dort zum Entzug bzw. zur Entwöhnung sind oder gerade fertig damit sind. Unsere Ärzte verschlüsseln meist als Nebendiagnose die F10.2, aber ich weiß nicht, ob das gerechtfertigt ist. Der Aufwand besteht lediglich darin, alle Gaben alkoholhaltiger Stoffe zu vermeiden. :drink:
    Über das Bestehen der Diagnose an sich bin ich mir auch nicht so ganz klar: Wie lange nach einer abgeschlossenen Behandlung gilt diese Diagnose noch und ab wann nimmt man Z86.4 Mißbrauch ... in der Eigenanamnese?
    Wie sind die Erfahrungen bei Ihnen?

    Freundliche Grüße aus dem windigen Brandenburg


    Elisabeth Kosche

  • Liebe Frau Kosche,

    ich interpretiere den ICD (siehe Vorkapitel der F10ff. Dg.) folgender Maßen:

    Es geht um den schädlichen Gebrauch der psychotropen Substanzen, damit könnte bei einem "trocknen" Alkoholiker die F10.2 nicht kodiert werden, auch wenn er natürlich suchtkrank bleibt.
    Kann jemand mehr dazu sagen (Psychiater vor....)?
    Liebe Grüße
    Patricia Klein

  • Hallo zusammen,
    damit nicht alle extra nachschlagen müssen:

    F10.3 impliziert F10.2, d.h. jeder entzügige Patient ist abhängig, und F10.2 impliziert F10.1.
    Schon für F10.1 sind Gesundheitsschädigungen Voraussetzung. Die Grenzen zu F10.2 sind sicher fließend; die o.g. ICD-Definition hilft hier sicher weiter. F10.3 kodiere ich, wenn körperliche Entzugserscheinungen auftreten (Zittern, Kaltschweiß usw.). Spätestens dann wird es auch Zeit, einen Psychiater hinzuzuziehen..
    (ich bin übrigens keiner).

    Im beschriebenen Fall (Pat. kommt frisch aus der Entgiftung) ist in der Regel die F10.2 korrekt, da bei "schädlichem Gebrauch" ohne die .2-Kriterien in der Regel keine stationäre Entgiftung durchgeführt wird.

    Andere Meinungen ?

    Schönen Gruß, P. Leonhardt

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


    I'd rather have a full bottle in front of me than a full frontal lobotomy

  • Hallo Forumsmitglieder ,

    Zitat

    F10.3 impliziert F10.2, d.h. jeder entzügige Patient ist abhängig, und F10.2 impliziert F10.1.
    Schon für F10.1 sind Gesundheitsschädigungen Voraussetzung.

    Vom logischen Menschenverstand ausgehend mag es sicherlich so sein , daß jeder entzügige Patient abhängig ist .
    Die DKR (nicht immer logisch ;)) sagen dazu jedoch Folgendes :

    Wenn mehr als eine vierte Stelle aus F10-F19 kodierbar ist (z.B. „akute Intoxikation [akuter Rausch]“, „Abhängigkeit“ oder „psychotische Störung“), so sind alle kombinierbaren Kodes
    zuzuweisen .

    Das heißt , daß die Kodierung des Entzugssyndroms nicht automatisch das Abhängigkeitssyndrom einschließt .

    Eine vierte Stelle mit „.1“ wird nicht zugewiesen , wenn eine spezifische drogen-/alkoholbezogene Krankheit existiert , insbesondere ein Abhängigkeitssyndrom oder eine psychotische Störung .

    siehe auch : " DRG: Verschlüsseln leicht gemacht " von A. Zaiß

    Beispiel B05.02
    Ein Pat. wird wegen eines akuten Rausches aufgenommen und anschließend zum Alkoholentzug stationär in der Klinik belassen . Während des Entzugs leidet er an einem Entzugssyndrom .

    HD : F10.2 Abhängigkeitssyndrom
    ND : F10.3 Alkoholentzugssyndrom

    Wird der Patient zum stat. Alkoholentzug in eine psychiatr. Klinik verlegt , ist der Anlass für die stat. Aufnahme nicht mehr die akute Alk.-Intoxikation , sondern das Abhängigkeitssyndrom .

    Beispiel B05.04
    Ein Patient wird wegen einer akuten Pankreatitis stat. aufgenommen . Der Patient ist alkoholabhängig . Er wird zum Alkoholentzug stationär in der Klinik belassen . Während des Entzugs entwickelt er ein Entzugssyndrom mit Delir .

    HD : K85 akute Pankreatitis
    ND : F10.2 Abhängigkeitssyndrom
    F10.4 Entzugssyndrom mit Delir


    Fazit:
    Wenn mehr als eine vierte Stelle aus F10-F19 kodierbar ist (z.B. akute Intoxikation , Abhängigkeit , Entzugssyndrom , Entzugssyndrom mit Delir), so sind alle kombinierbaren Kodes zuzuweisen .


    Mit freundlichen Grüßen
    Mario Schädlich