Sepsis oder Kniegelenksempyem ...?

  • Hallo NG,

    mal wieder eine Kodierfrage zur DKR 1905a für die nicht aufhörenden Schulungen:

    Wie kodieren Sie die folgende Situation ?

    Patient kommt mit Sepsis bei Kniegelenksempyem aufgrund offener Kniegelenksverletzung mit Staphylokokkennachweis.

    HD: offene Wunde Knie (S81.0)
    ND: komplizierte Wunde (T89.0)
    Staphylokokken-Infekt (B95.8)
    Sepis (A41.9)
    RG 0,42

    oder HD: Kniegelenksempyem
    ND: offene Wunde Knie
    komplizierte Wunde
    Staphylokokken-Infekt
    Sepsis
    RG 2,38

    oder HD: Sepsis
    ND: offene Wunde
    Komplizierte WUnde
    Staphylokokken-Infekt
    Kniegelenksempyem
    RG 2,47

    Nach Ursachendefinition wäre ja eigentlich die offene Wunde die auslösende Erkrankung. Die Sepsis bei Aufnahme wiederum könnte aber auch als eigenständige systemische Erkrankung definiert werden ?
    Ich würde mich im Zweifel für die ökonomisch beste Lösung entscheiden oder hat jemand eine eindeutige Interpretation ?

    Vielen Dank für Ihre Hilfe
    Jörg Noetzel

    --
    FA für Chirurgie, Medizincontrolling, Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart

    FA für Chirurgie, Leiter Medizincontrolling, Klinikum Stuttgart, Vorstand DGfM

  • Guten Morgen Herr Noetzel, liebe KollegInen,

    D002a:

    Zwei oder mehr Diagnosen, die gleichermaßen der Definition der
    Hauptdiagnose entsprechen

    Wenn zwei oder mehrere Diagnosen in Bezug zu Aufnahme, Untersuchungsbefunden und/oder
    der durchgeführten Therapie gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose erfüllen und
    ICD-10-Verzeichnisse und Kodierrichtlinien keine Verschlüsselungsanweisungen geben, muss
    vom behandelnden Arzt entschieden werden, welche Diagnose am besten der Hauptdiagnose-
    Definition entspricht. Nur in diesem Fall ist vom behandelnden Arzt diejenige auszuwählen, die
    für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht hat.

    Also :

    HD = Sepsis

    Viele Gruesse

    M. Thieme


    [ Dieser Beitrag wurde von mthieme am 12.12.2001 editiert. ]

  • Hallo,

    so einen ähnlichen Fall habe ich gerade gestern in der Berliner Krankenhausgesellschaft-Fortbildung zu den DKR.

    Die Meinungen gingen auseinander und leider gibts es hier (wie leider in vielen Fällen)keine Eindeutigkeit, also wie Sie schon sagten im zweifelsfall....

    Ich sehe hier allerdings (und der meinung sind leider viele Kollegen)schon jetzt ein riesiges Streitpotential mit dem MDK auf alle Krankenhäuser zukommen, viele der Teilnehmer befürchten, das letztendlich darüber die Gerichte entscheiden und eine nicht gekannte Klagewelle ins rollen kommen wird.

    Gruß
    --
    Thomas Lückert
    Stabsstelle Medizinisches Controlling
    Krankenhaus Reinickendorf
    ein Haus der Vivantes

    Thomas Lückert
    Stabsstelle Medizincontrolling
    Unfallkrankenhaus Berlin

  • Zitat


    Original von Lueckert:
    ...Ich sehe hier allerdings (und der meinung sind leider viele Kollegen)schon jetzt ein riesiges Streitpotential mit dem MDK auf alle Krankenhäuser zukommen, viele der Teilnehmer befürchten, das letztendlich darüber die Gerichte entscheiden und eine nicht gekannte Klagewelle ins rollen kommen wird.


    Vielen Dank für die Antworten. So habe ich es auch in der Schulung erzählt. War mir aber nicht sicher.
    Die DKRs werden sicher an der einen oder anderen Stelle in Zukunft medizinische Definitionen liefern müssen.

    Gruß
    Noetzel

    FA für Chirurgie, Leiter Medizincontrolling, Klinikum Stuttgart, Vorstand DGfM

  • :( Wenn die Sepsis schon bei Aufnahme bestand, finde ich es ja noch alles halbwegs logisch. Aber wenn die Sepsis erst während des Verlaufes auftrat? Dann wäre es doch wohl das Kniegeleksempyem, die Sepsis ND.

    Als Verfechter des gesunden Menschenverstandes interpretiert man natürlich andrs als die Verfechter der Erlösoptimierung. Muss ich mich doch beim MDK bewerben?????

    Uff
    Patricia
    --
    Patricia Klein

    Patricia Klein

  • Schönen guten Morgen allerseits! :)

    Zitat


    Original von PatKlein:
    :( Wenn die Sepsis schon bei Aufnahme bestand, finde ich es ja noch alles halbwegs logisch. Aber wenn die Sepsis erst während des Verlaufes auftrat? Dann wäre es doch wohl das Kniegeleksempyem, die Sepsis ND.

    Ich sehe das auch so. Allerdings bleibt trotzdem oft genug noch Spielraum: Bestand bei Aufnahme vielleicht Fieber, das als erstes Anzeichen der Sepsis interpretiert werden könnte? Ich würde mich in solchen Grenzfällen den Kassen oder dem MDK gegenüber immer auf die in den DKR festgelegte Entscheidungsfreiheit des behandelnden Arztes berufen.

    Aber natürlich ist die Dokumentation das A und :shock2: ! Wenn bei Aufnahme nichts dokumentiert ist, was auf eine Sepsis hinweist und sie erst im Verlauf manifest wird, kann man sie meiner Interpretation nach nicht abrechnen.

    Schönen Tag wünscht
    Reinhard Schaffert

  • Zu diesem Fall kann man noch viel mehr diskutieren!

    1) B95._ darf nicht als Sekundärkode (!) zu Sepsis onA (A41.9) oder gar A41.2 kodiert werden. Daraus ergibt sich nicht die Einstufung nach T60A sondern nur T60B mit cw=1,33, falls Sepsis als Hauptdiagnose festgelegt wird.

    2) Die Festlegung Kniegelenkempyem (M00.96) als Hauptdiagnose wäre völlig korrekt und logisch (I67B, cw=1,25), wenn die Sepsis erst nach der stat. Aufnahme auftritt. Es handelt sich dann bei der Sepsis um eine Komplikation (CCL=3), die nach I67A höherstuft (cw=2,38)

    3)Offene Wund Knie (S81.0) wäre unter keinen Umständen eine infrage kommende Hauptdiagnose "nach Analyse" und würde auch zu keiner dem Schweregrad des Krankheitsbildes entsprechenden DRG führen (X60C, cw=0,42).Es geht nicht um die "Ursache/Kausalität" der Erkrankung, sondern den Behandlungsanlass.

    4)richtig spannend wird es, wenn man die (unter Chirurgen) übliche Behandlung durchgeführt hat und kodiert, z.B. "Arthroskopische Gelenkrevision, Spülung, Drainage 5-810.1h)
    Dann erhält man bei der Hauptdiagnose "Sepsis" die DRG T01B (cw=2,64), bei der HD Knieempyem I12B (cw=2,68) und bei der HD Offene Wunde Knie X04A (cw=2,88). Letztere DRG würde jetzt also den höchsten Erlös bringen, die Unterschiede sind aber recht gering.

    Faszit: Bei korrekter Anwendung aller Regeln ist das System doch immer wieder überraschend robust, aber die Fehlermöglichkeiten sind immens mit inakzeptablen ökonomischen Folgen. Ursache sind die zugrunde liegenden Klassifikationen, die die unterschiedlichen kostenrelevanten Schweregrade ungenügend abbilden. Es hat sich daher bereits in Australien gezeigt, dass die leistungsgerechte Abrechnung mit DRG´s nur durch Kodierregeln sicherzustellen ist, die allerdings in die klassifikatorische Logik der ICD-10 und OPS-301 erheblich eingreifen und zu einem extrem komplizierten und fehlerträchtigen Kodiervorgang führen. Dieses Forum beweist, dass selbst für die kleine Schar der deutschen Kodierexperten ein großer Interpretationsspielraum und Diskussionsbedarf (ohne offiziellen Schiedsrichter) besteht. Es klingt wie Hohn, wenn bei Fehlkodierungen bzw. Fehlabrechnungen Strafzahlungen angedroht werden.

    MfG
    Dr. Rolf Bartkowski
    Arzt f. Chirurgie / Medizinische Informatik
    Bartkowski-Berlin@T-online.de

    Dr. Rolf Bartkowski
    Arzt f. Chirurgie, Med. Informatik
    Berlin

  • Zitat


    3)Offene Wund Knie (S81.0) wäre unter keinen Umständen eine infrage kommende Hauptdiagnose "nach Analyse" und würde auch zu keiner dem Schweregrad des Krankheitsbildes entsprechenden DRG führen (X60C, cw=0,42).Es geht nicht um die "Ursache/Kausalität" der Erkrankung, sondern den Behandlungsanlass.

    Tatsächlich? Wenn ich mir die DKR zum Thema Diabetes ansehe, dann ist doch hier immer die "Ursache" als HD zu wählen. Sollte es beim Kniegelenksempyem anders sein?

    :D
    Timm Büttner

    Gruß aus Oberbayern

    Timm Büttner

  • Hallo allerseits,

    Zitat


    Original von T_Buettner:

    Tatsächlich? Wenn ich mir die DKR zum Thema Diabetes ansehe, dann ist doch hier immer die "Ursache" als HD zu wählen. Sollte es beim Kniegelenksempyem anders sein?

    Grmbl. X(

    [Sarkasmus]
    Vielleicht sollte man weniger schulen und mehr lesen.
    [/Sarkasmus]

    Definition der Hauptdiagnose:
    „Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhaus-aufenthaltes des Patienten verantwortlich ist.”

    Hier geht es doch nicht um mehr oder minder komplexe medizinische Ursache-Wirkungsketten (dann müsste z.B. statt Bronchialkarzinom oft Z72.0 kodiert werden), sondern um die Erkrankung, die unmittelbar für den stationären Aufenthalt verantwortlich ist.

    Und das ist in diesem Fall meines Erachtens nach ganz einfach:

    - kommt der Patient mit einer Sepsis zur Aufnahme, dann ist die Sepsis die HD, bestand "nur" ein Empyem, dann wird eben dieses kodiert.

    Mit freundlichen Grüßen,

    Markus Hollerbach