Tetraplegie

  • :mdk:
    Folgender Fall:

    34jährige Pat. war über 21 Tage stationär zur Abklärung einer bds. Recurrenzparese bei V.a. Botox-Nebenwirkung(T88.7).Bei der Pat. besteht ein Zustand nach postvaccinaler Encephalitis nach Pockenimpfung mit Tetraspastik und progredienten Kontrakturen (G82.40).
    Diese ND will der MDK mit folgender Begründung nicht akzeptieren:

    "Aus Sicht des MDK liegt hier ein erhebliches Kodierproblem vor, da der ICD-10 keine Tetraparesen, Teraspastik od. beids. Hemiparesen für cerebrale Erkrankungen zulässt. Alle Tetraplegien, Tetraparesen beziehen sich auf Erkrankungen/Verletzungen des Rückenmarkes bzw. der WS. Da dies in diesem Fall eindeutig nicht zutreffend war, sondern die neurologischen Ausfallserscheinungen an allen 4 Extremitäten Folge einer Encephalitis nach Pockenschutzimpfung sind, kann aus Sicht des MDK-Gutachters die G82.40 nicht zutreffen."

    Unser Grouping-Ergebnis ist B60A mit Rel.-Gewicht: 2,231; Der MDK ermittelt X63A , RG: 0,783

    Welche Alternative habe ich, um die Tetraspastik abzubilden?
    Schon jetzt herzlichen Dank und viele Grüße aus dem verschneiten Saarland!

    Frau Wika

    Frau Wika

  • Hallo Frau Wika,

    der Argumentation des MDK kann ich nicht ganz folgen. In G82.- steht:

    G82.- Paraplegie und Tetraplegie
    Hinw.: Diese Kategorie soll nur benutzt werden, wenn die aufgeführten Krankheitszustände nicht näher bezeichnet sind oder wenn sie alt sind oder länger bestehen und die Ursache nicht näher bezeichnet ist.

    Diese Kategorie dient auch zur multiplen Verschlüsselung, um diese durch eine beliebige Ursache hervorgerufenen Krankheitszustände zu kennzeichnen.

    und in den DKR finde ich Folgendes:

    0603c Tetraplegie und Paraplegie, nicht traumatisch
    Die Krankheit als Hauptdiagnose, z.B.
    G04.9 Diffuse Myelitis
    und einen Kode aus
    G82.– Paraparese und Paraplegie, Tetraparese und Tetraplegie.

    In Ihrem Falle wäre also m.E. die Enzephalitis mit der Tetraplegie G82.- zu codieren.


    --
    Freundlichen Gruß vom MDA aus Schorndorf

    [size=12]Freundlichen Gruß vom Schorndorfer MDA.

  • Hallo Frau Wika,

    Ihre Sorgen kann man auflösen. Ich würde der Reihe nach vorgehen und die Angaben von Herrn Konzelmann noch etwas präzisieren.

    Es gab eine Encephalitis nach einer Impfung. Die wäre mit T88.0 zu codieren, wenn sie nicht in den Exclusiva zu T88.1 wörtlich stehen würde.

    In den Exclusiva zur T88.1 wird auf die G04.0 verwiesen.

    Dort steht sie im Kleingedruckten ebenfalls wörtlich.

    Damit gilt ein Folgezustand nach Impfung in Form einer Encephalitis nicht als Verletzung/Vergiftung im Sinne der ICD.

    Demzufolge ist der Spätzustand der postvaccinalen Encephalitis mit der G09 zu codieren.

    Zuzüglich kommt daher völlig legal bei der spastischen Tetraparese bei 2003er Patienten ein Kode aus G82.4 (Hinweis: Die Kategorie dient auch....) wahrscheinlich 1 oder 2 als 5. Stelle, bei 2004er Patienten G82.4 (5. Stelle 7 oder 8 zuzüglich G82.60!-62!).

    Die Höhenangabe bezieht sich nicht auf den Ort der Erkrankung sondern auf das erste Segment mit Ausfällen.

    Ich hoffe, der MDK ist mit dieser Erklärung zufrieden.

    Mit freundlichen Grüßen
    Thomas Winter
    Berlin

    • Offizieller Beitrag

    Guten Abend


    Zitat


    Original von wika:

    "Aus Sicht des MDK liegt hier ein erhebliches Kodierproblem vor,..."


    Auf welchem Weg ist der Gutachter zu der von ihm gefundenen Schlussfolgerung gelangt?
    Diese elementare Handwerksregel ist hier nicht zu erkennen.
    Nachvollziehbarkeit („unvollständiges Bücherwissen“?) und Transparenz der Beurteilung sind hier nicht gegeben.

    Persönliches Fazit:
    Minimalstandards an eine Begutachtung werden nicht erfüllt.


    Gruß

    E Rembs

  • Hallo,

    selbstverständlich liegt hier ein Minderwissen beim MDK vor.
    Bis 31.12.2003 Kodierung der zentralen Tetraspastik über G82.40 (5. Stelle 0-"nicht näher bezeichnet"). In der neuen Klassifikation ist die 5. Stelle eine 9, "nicht näher bezeichnet/zerebrale Ursache" für alle etwas deutlicher gemacht, die es noch nicht wußten.
    Im Grouper 2003 ist damit die B60A richtig ermittelt, da die G82 auch als Nebendiagnose durch den Sondertatbestand immer zur B60 führte.

    Meiner Meinung nach lautet die richtige Verschlüsselung:
    1.G52.2 Krankheiten des N. vagus für die Recurrensparese,
    2. G97.8 Sonst. Krankheiten des Nervensystems nach medizinischen Maßnahmen,
    3. G82.40
    4. G09

    Gruß

    B. Domurath
    Bad Wildungen

  • Hallo Frau Wika und Herr Domurath,

    bisher ging die Diskussion nicht über die Codierung des ganzen Vorganges sondern nur über die Tetraspastik.

    Wenn es aber um den ganzen Vorgang geht, fehlen noch eine Reihe von Angaben um ihn korrekt codieren zu können und die richtige HD wählen zu können. Darum möchte ich meinen ersten Beitrag noch ergänzen.

    Wurde der Patient wegen des Zwischenfalles aufgenommen?
    Wenn ja, war es eine Wiederaufnahme?
    Wenn ja, innerhalb der GVD und 2004 innerhalb der 30 Tageregel?
    Geschah(en) die Botoxinjektion(en) alio loko (andernorts)?
    Wenn die Aufnahme wegen der Kontrakturbehandlung (welche Gelenke?) stattfand, und die Botoxinjektion(en) in der eigenen Klinik erfolgte(n), erfolgte die Behandlung dann nur wegen einer der Kontrakturen (dann ist die eine die HD, oder infolge mehrerer Kontrakturen (dann wäre die Tetraspastik die HD und die einzelnen Kontrakturen ND´s)? Somit wäre auch der Zwischenfall genauso wie die Ursache der Tetraspastik "nur" eine Comorbidität oder Komplikation. Auch wenn die Kontrakturen keine HD sein sollten, Nebendiagnosen wären sie in jedem Fall, denn sie haben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Pflegeaufwand erhöht. Das Gleiche gilt ab 2004 auch für den Barthel/FIM-Index (Kapitel "U").
    Usw.usw. es gibt noch viel mehr zu fragen.

    Aber, alle sind Fragen, die zur korrekten Codierung und HD-Definition vorher beantwortet sein müssen. Und dies ist von außen nicht möglich.

    Für die Codierung des Zwischenfalles selbst fehlt noch die Noxe zu den beiden Codes G52.2 und G97.8.

    Botox ist ein Clostridium Botolinum Toxin A Präparat und wird als Muskelrelaxans eingesetzt und wirkt an den neuromuskulären Endplatten. Es handelt sich somit um einen neuromuskulären Blocker. Eine Vergiftung damit wird mit T48.1 codiert.

    Zur Debatte stehen aber auch infolge an anderer Stelle stehender Exclusiva (G70) der Code A05.1. Durch dieses Exclusivum ist - auch wenn man die A05.1 nicht (eventuell aber doch zum Wiederfinden zusätzlich) nimmt, weil es ursächlich ein Medikament war - ist auch, da die ICD für neuromuskuläre Übertragungsschäden eine eigenen Codegruppe (G70ff) vorhält, der Code G52.2 in Frage gestellt und nur über die neurologischen Befunde bezüglich der Schädigungsstelle in der Krankengeschichte zu klären, eine "Parese" kann viele Ursachen haben. Bei dieser Gelegenheit kann dann auch gleich die Höhe des ersten Segmentes mit neurologischen Erscheinungen bezüglich der Tetraspastik für die 5. Stelle der Codierung festgestellt werden.

    Fazit: es fehlen noch etliche Daten, um von außen den Fall korrekt in Codes umsetzen zu können.

    Ich hoffe, nicht zu sehr verwirrt zu haben, aber ohne den gesamten Hintergrund zu kennen, kann man nicht korrekt codieren, Das gilt ganz besonders für die Orthopädie und noch viel mehr, wenn auch die Neurologie mit hineinspielt. Vielleicht kommt ein Neurologe noch zu ganz anderen Überlegungen, denn nichts ist interessanter als eine Diskussion zwischen zwei oder noch mehr Fachgebieten.

    Mit freundlichen Grüßen
    Thomas Winter
    Berlin

  • "bisher ging die Diskussion nicht über die Codierung des ganzen Vorganges sondern nur über die Tetraspastik......"
    "Wenn es aber um den ganzen Vorgang geht, fehlen noch eine Reihe von Angaben um ihn korrekt codieren zu können und die richtige HD wählen zu können......."

    Hallo Herr Winter,

    sorry für das verzögerte Replay(brauchte Erholung von ICD-10, OPS, DRG..);

    zur Ergänzung des Falles:
    Die stat. Übernahme dieser 34jährigen Pat. erfolgte aus der HNO-Klinik in die Neurologie wegen akutem Stridor und Schluckbeschwerden a.e. als Medikamentennebenwirkung i.S.e. endoskopisch gesicherten beidseitigen Recurrenzpares bei antispastischer Therapie mit Botulinumtoxin i.R.e. Tetraspastik mit progredienten Kontrakturen nach Pockenimpfencephalitis (im 2.Lebensjahr); Bei der Aufnahme lag eine Tetraspastik mit hochgradigen Kontrakturen aller Extremitäten vor. Der Schluckakt war deutlich eingeschränkt, Ernährung mittels Magensonde. Die Pat. war zuvor nicht unserer Klinik bekannt. Stat. Aufenthalt: 20Tage

    Kodierung MDK:

    HD: T88.8
    ND: G09 (Folgen entz. Krh. des ZNS)
    F07.1 (postenceph. Syndrom)
    G83.8 (Sonstige n.n. Lähmungssyndrome) wir: G82.40 (spast. Tetraplegie)
    M62.40 Muskelkontraktur. meh. Lokalis.)
    J31.2 (chron. Pharyngitis)
    R13 (Dysphagie)

    OPS:
    8-015.0 (enterale Ernährung)
    5-431.2 (PEG)

    Mit dem MDK besteht Konsens zu allen Codes, außer G82.40. Hier wünscht er G83.8 und gelangt in DRG X63A;

    Vielleicht kommen Sie mit diesen Erläuterungen weiter und können mir Hilfe geben, wie dem MDK zu widersprechen wäre. U.E. erfüllt G82.40 die Kriterien einer ND;

    MfG
    wika

    Frau Wika

  • Hallo,


    man beachte den Kommentar zur
    G83.8 Sonstige näher bezeichnete Lähmungssyndrome

    = "Todd-Paralyse (postiktal)"
    dies trifft m. E. hier n i c h t zu.


    Gruß

    Roger

  • Die Kodes aus G82.- wurden ja nicht ganz umsonst für das Jahr 2004 überarbeitet, da einerseits unklar war, ob sie denn auch zur Kodierung zerebraler Lähmungen anwendbar seien, und andererseits medizinisch unsinnige Kodekombinationen wie die "lumbale Tetraplegie" enthalten waren.

    Die wesentlichen Argumente dafür, daß Ihre Kodierung korrekt ist, wurden bereits genannt:

    - In den Hinweisen der ICD-10 (und zwar auch schon in der Version 2.0) zu G82.- heißt es, diese Kategorie diene der Kodierung entsprechender Krankheitszustände, wenn sie durch eine beliebige Ursache hervorgerufen sind.

    - In der Version 2004 ist jetzt die zerebrale Ursache explizit genannt, sie ist in der fünften Stelle mit .9 zu kodieren.

    Weder in der ICD noch in den DKR findet sich auch nur ein konkreter Hinweis darauf, daß die Kodes aus G82.- nicht zur Kodierung zerebraler Paresen bzw. Plegien herangezogen werden dürfen - dies gilt auch für die im Jahr 2003 gültigen Versionen. Die Behauptung des MDK, "alle Tetraplegien, Tetraparesen beziehen sich auf Erkrankungen/Verletzungen des Rückenmarkes bzw. der WS", ist daher m.E. schlicht falsch!

    Ggf. könnte eine Anfrage beim Dimdi für endgültige Klarheit sorgen.

    Mit freundlichen Grüßen,

    Markus Hollerbach

  • Hallo Wika,

    auch ich muß mich für die Verzögerungen entschuldigen, aber nun will ich versuchen, alles unter einen Hut zu bringen.

    postvaccinale Encephalitis (Spätzustand) G09
    spastische Tetraparese (keine ICP) G82.47 oder G82.48
    + G82.60/61 oder 62
    diverse Muskelkontrakturen M62.40
    Bei der Tetraspastik kommt mit an Sicherheit
    grenzender Wahrscheinlichkeit ab 1.1.04 noch
    mindestens ein Code aus U50/51ff
    hinzu
    Ferner: Dysphagie R13
    Zur J31.2 kann ich nichts sagen, die haben Sie im
    Text nicht beschrieben. Auch zur F07.1 kann ich
    nichts sagen, denn nach der Beschreibung der F07.1
    soll der Zustand reversibel sein, aber nach 32 Jahren?
    Die Rekurrensparese würde ich mit der toxischen
    neuromuskulären Erkrankung G70.1 + Y59.9
    zusammen mit der T48.1
    Vergiftung mit einem neuromuskulären
    Blocker und einer näher bezeichneten
    Komplikation nach Injektion (Botox wird
    injeziert) T80.8
    codieren.
    Zum Wiederfinden einer derart seltenen
    Erkrankung würde ich die A05.1
    hinzunehmen und - wenn Sie die Möglichkeit
    dazu haben - vom Groupen ausschließen.

    HD wäre je nach Aufwand die T48.1 oder die G70.1

    Zu den Prozeduren:
    War es wirklich eine PEG oder nur eine normale Magensonde?
    Die (Sonden-)Ernährung ist mit 8-015.0
    ok.
    Was ist mit dem endoskopischen Nachweis der
    Rekurrensparese? 1-20ff + 1-6ff

    Hoffentlich habe ich nichts vergessen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Thomas Winter
    Berlin

  • Ehrlich gesagt frage ich mich, wer denn den Patienten behandelt, wenn alle beim Kodieren sind? Dieses Beispiel zeigt mal wieder deutlich, dass die vielbeschworene "Vergleichbarkeit" und "Transparenz", die durchs Kodieren entstehen soll, relativ ist.
    Kalt ists in Deutschland - und vor allem in Bayern
    Susanne :roll:

    Susanne in München :i_drink: