Anämie und kein Ende

  • Hallo allerseits,

    ich habe lange gesucht und viel zum Thema Anämie gefunden, aber aus zweierlei Gründen muss ich doch ein neues Schlachtfeld eröffnen:

    1. Ich habe in vorangegangenen Diskussionen die Variante gelesen, dass eine Prozedur für Transfusion kodiert wird, ggf. aber nicht die D62 als Nebendiagnose. In meinem aktuellen Fall ist es umgekehrt - D62 ist angegeben ohne entsprechende Prozedur.

    2. Die Diagnose D62 wird weder bei der Aufnahme noch bei Entlassung kodiert, sondern uns erst mit der Rechnung übermittelt.

    Fallkonstellation:

    99jährige Patientin erhält Totalendoprothese (5-820.01) bei Schenkelhalsfraktur (S72.01); ND: I25.9, F03, I10

    Durch die Kodierung der D62 rutscht die Patientin von DRG I03C in I03B - Mehrerlös über € 3.000,-.

    Kann mir jemand bestätigen, dass der Fall überprüfungswürdig ist, bzw. kann mir jemand erklären, warum die Diagnose erst nach Ende der Behandlung kodiert werden kann und ob sie ohne erfolgte Transfusion dennoch die ND-Kriterien erfüllen kann?

    Vorab vielen Dank,


    ToDo

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)

  • Hallo ToDo,

    das ist relativ einfach gesagt: In der Endoprothetik ist die intraoperative Tranfusion von 1-2 EKs die Regel. Prozeduren, die regelhaft in bestimmten Konstellationen vorkommen, sollen nicht extra kodiert werden. Wenn also in einem Krankenhaus bei der Hüft-TEP routinemäßig 2 EKs gegeben werden, sollen diese nicht extra kodiert werden, sie KR P014A.
    Diese Regelung hat so ihre Probleme: Woher soll die Kasse wissen, was denn welche Prozedur in welchem Krankenhaus alles "routinemäßig" enthält? Dazu kommt: Auf Seiten der Diagnosen greift dieser Mechanismus nicht, denn man kann ja nicht folgern, dass die Diagnose "Koxarthrose" in jedem Fall die Diagnose "Anämie" beinhaltet. Jedenfalls müsste mir erstmal jemand die Kodierrichtlinie zeigen, nach der ich die Anämie in dem genannten Fall nicht verschlüsseln darf.

    Gruß aus Hamburg
    --
    Manfred Nast
    Medizincontrolling Bethesda AK Bergedorf Hamburg

    Manfred Nast

  • Hallo ToDo,

    es gibt Patienten, die keine Bluttransfusion haben wollen oder dürfen. Trotzdem oder eben deswegen haben sie eine Anämie, die eben auf andere Weise behandelt wird, z.B. mit Eisenpräparaten. Die akute Blutungsanämie D62 kann z.B. bei inneren Blutungen auftreten oder bei Verletzungen, aber bestimmte Personen tragen einen Ausweis bei sich, der sicher stellen soll, daß ihnen auch bei einem Unfall kein Blut gegeben wird!

    --
    Freundlichen Gruß vom MDA aus Schorndorf

    [size=12]Freundlichen Gruß vom Schorndorfer MDA.

  • Sehr geehrter ToDo,

    da ich mich gerade ein wenig mit dem §301 beschäftige:

    Unter 2. sagen Sie, die D62 werde nicht bei der Entlassung, sondern erst mit der Rechnung übermittelt. Heißt dies, daß Sie zusätzlich zur Meldung bei Entlassung (+ 72 Stunden) noch eine Korrekturmeldung vor Rechnungsstellung erhalten haben?

    Viele Grüße,

    V. Blaschke
    --
    _____________________
    Dr. med. Volker Blaschke
    Medizincontroller
    Klinikum Gütersloh

    _____________________
    Dr. med. Volker Blaschke

  • N´abend zusammen,

    danke erst mal für die Antworten.

    @ Herr Nast, Herr Konzelmann:

    Leuchtet mir soweit alles ein. Nur warum liegt die Diagnose bei Entlassung noch nicht vor??? (Meine laienhafte Idee wäre gewesen, dass die Diagnose vielleicht aus einem Laborbefund resultieren könnte, der erst nach Entlassung vorlag - ist sowas möglich oder plausibel?)

    @ Hallo Herr Blaschke:

    Eben nicht. Das Krankenhaus hat mir (böse, böse) die Daten in Papierform übermittelt. Eine Korrektur zur Entlassungsmeldung gab es nicht.

    Aber genau das ist mein Problem (ACHTUNG, jetzt bettel ich wieder um Verständnis für die armen Kassenmitarbeiter):

    Warum erscheint ausgerechnet die Nebendiagnose, die den Schweregrad und damit erheblich den Erlös erhöht, erst nachträglich? Muss ich nicht denken, da wird bei Rechnungserstellung gegroupt, bis das gewünschte Ergebnis herauskommt? Oder weniger bösartig - wie soll ich an den paar Daten nach § 301 den Fall als medizinischer Laie beurteilen können?

    Dankbar für die bisherigen und weiteren Meinungen aber immer noch nicht klüger,


    ToDo

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)

  • Naja, aus meiner Sicht gibt es die Möglichkeit, daß der Medizincontroller seinen wöchentlichen Rundgang über die Stationen hinter sich hat und aufgrund der Fallschilderung durch den Stationsarzt die Anämie noch in die Verschlüsselung aufgenommen hat...

    Viele Grüße,

    V. Blaschke

    --
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    Dr. med. Volker Blaschke
    Medizincontroller
    Klinikum Gütersloh

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    Dr. med. Volker Blaschke

  • Hallo Herr Blaschke,

    ich kann Ihnen folgen, aber leider nur bis zum "naja"...

    ;)

    Gruß,

    ToDo (der Misstrauische)

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)

  • Also gut, dann nochmal...

    In gewissen Kliniken gehen die Medizincontroller die entlassenen Fällen nochmal mit den Stationsärzten durch und codieren nach. Aufgrund der Größe der Kliniken können nicht alle Abteilungen täglich besucht werden, sondern in einem Rhythmus. Es "könnte" also sein, daß der Medizincontroller den Fall nochmal nachvollzogen hat (nach Versand der Entlassanzeige) und bei der Besprechung zu dem Schluß gekommen ist, daß die Anämie eine codierenswerte Nebendiagnose ist. Vom zeitlichen Ablauf ist das sicherlich ein gewisses Problem, vor dem ich auch stehe (72 Stunden...), aber Sie können nicht alle entlassenen Fäller der Klinik an einem Tag mit allen durchsprechen.

    Wie gesagt, ist nur eine Vermutung meinerseits.

    Viele Grüße,

    V. Blaschke

    --
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    Dr. med. Volker Blaschke
    Medizincontroller
    Klinikum Gütersloh

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    Dr. med. Volker Blaschke

  • Schönen guten Tag allerseits und insbesondere ToDo!

    Es kann schon einmal passieren, dass bei Entlassung eine Diagnose vergessen wird und erst später (z.B. bei Kontrolle durch den Medizincontroller, dafür sind sie zum Teil da) auffällt.

    Auch dass die Anämie nicht unbedingt eine Transfusion zur Folge, sondern eine andere diagnostische oder theraputische Konsequenz hatte, ist durchaus möglich.

    Aber letzten Endes sind das alles Spekulationen. Wenn Sie wirklich wissen wollen, ob die Diagnose gerechtfertigt ist, lassen Sie den Fall überprüfen. Ihre hier angegebenen Bedenken könnte ich durchaus aus Begründung für eine Überprüfung akzeptieren.

    Schönen Tag noch,
    --
    [center]Reinhard Schaffert

    Medizincontroller
    [f1]Facharzt für Chirurgie
    Krankenhausbetriebswirt(VWA)[/f1]
    Kliniken des Wetteraukreises[/center]

  • Hallo Todo,

    oftmals kommt es auch beim Diktieren des entgültigen Entlassbriefes zu einer "Erleuchtung", da man sich ausgiebig mit der Akte beschäftigt (beschäftigen muss/endlich beschäftigen kann). Dies sollte sicher nicht so sein, aber ist oft auf Grund der Arbeitsüberlastung Tatsache - vielleicht hat "irgendein" Kollege hastig kodiert (der Zuständige im Dienstfrei... Möglichkeiten gibt es viele).:besen:

    Ansonsten schließe ich mich meinen Vorrednern an.

    Ein schönes Wochenende allen, bei herrlicher Bergsicht und frühlingshaften Temperaturen :dance1:

    Laupi