• Liebes Forum,
    auf unserer neonatologischen Station stellte sich gestern folgende Frage. Gemäß der Definitionskriterien der Asphyxie-Codes kommen diese für viele der Frühgeborenen in Frage. D.h. viele Kollegen sehen diesen Kode und geben ihn an, um möglichst vollständig zu kodieren.
    Nun ist aber gerade der Begriff der Asphyxie ja auch mit ggf. juristischen Folgeproblemen behaftet.
    Hat jemand Erfahrung, wie man in diesen Fällen sinnvoll kodiert?
    Sandra Marzian

  • Hallo Sandra,

    wir kennen die Asphyxie-Diskussion aus vielen Gesprächen mit unseren Gynäkologen, die die Diagnose "Asphyxie" verständlicherweise nicht so gerne lesen.

    Definitionen des Begriffes gibt es (leider) fast wie Sand am Meer, ob man sich nun an Virginia Apgar orientiert, am Nabelarterien-pH oder an Organmanifstationen. Dennoch denke ich, daß die Kodierung sich grundsätzlich an den Kodierrichtlinien zu orientieren hat, und da sind juristische Implikationen zunächst nachrangig. Wenn die Kodierrichtlinien nun mal weiche Kriterien vorgeben, dann erfüllen eben auch mehr Kinder diese Kriterien. Glücklicherweise hat es für die Allermeisten von ihnen ja keine Konsequenz.

    Viele Grüße
    Michael Kratz

  • Hier wird ein grundsätzliches Problem deutlich.

    Wenn ich den (unausgesprochenen) Grundsatz(?) befolge, die nach der duch die DKR vorgegebene Bewertung kodierten Diagnosen unverändert in den Arztbrief als Entlassungsdiagnosen zu übernehmen, dann erspare ich mir neben Nachdenken auch so manchen Gewissenskonflikt.

    Ein (fiktives) Beispiel aus der Praxis:

    Neugeborenes, APGAR nach einer Minute 7, auffällige Atmung, bessert sich unter Stimulation schnell, nach 1,5-2 Minuten dann voll fit (APGAR 9), im weiteren Verlauf keine Probleme (APGAR nach 5/10 min: 10/10), unauffällig bis zur Entlassung.

    Asphyxie ja oder nein? Die unter P21.- genannten Kriterien sind erfüllt. Also wäre der Fall mit P21.1 zu verschlüsseln. War dieser Verlauf, unabhängig von den Vorgaben unter P21.- betrachtet wirklich ein asphyktisches Ereignis? Würde ich diese Diagnose so auch in den Arztbrief schreiben oder - in Abhängigkeit von weitern Parametern, z.B. NA-pH - das ganze als Anpassungsstörung (P22.8?, P96.8?) bezeichnen?

    Wie ist die Meinung der anderen Forenteilnehmer?

    Grüße,
    M. Achenbach

  • Hallo Zusammen,

    ich glaube, kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee, dieses Ereignis im Arztbrief als Asphyxie zu bezeichnen. Womit wir aber wieder bei dem Problem der diskrepanten Definitionen des Begriffs "Asphyxie" sind. Andererseits: Wer sich täglich neben anderen Dingen mit ICDs, OPS, DRGs und der manchmal befremdlichen systemimmanenten Logik befasst, hat Glauben und Vertrauen auf den gesunden Menschenverstand sowieso schon verloren.

    In diesem Sinne
    M. Kratz

  • Genau so sehe ich das auch. Also verschlüsselt man dann aber Diagnosen, die nicht im Arztbrief genannt werden und macht sich und dem MDK im Einzelfall das Leben etwas schwerer. ;)

    Gerade halte ich einen Verlegungsbrief in der Hand, in welchem als letzte der Diagnosen "Einling; Geburt im Krankenhaus (Z38.0)" genannt ist. Vor 2 Jahren hätte das niemand als Diagnose in einen Verlegungsbrief geschrieben. Wozu auch, insbesondere bei einer Rückverlegung? Wieder ein schönes Beispiel für die Gleichsetzung von Diagnosen in Arztbrief und Verschlüsselung.

    Aber im Ernst. Wie verfährt man mit der P21.1 in dem fiktiven Fall? Den finanziellen Unterschied zeigt der Grouper: P67D versus P67C (Relativgewichte 0,297 bzw. 0,722).

    Grüße,
    M. Achenbach

  • Hallo erneut,

    wenn denn die Kodierrichtlinien den Begriff so weich definieren, dann habe ich kein Problem damit, diese Diagnose als solche zu dokumentieren, auch wenn ich sie im Arztbrief nicht unbedingt separat aufführe. Für den MDK sind nun mal die DKR maßgebend, und nicht irgendeine weitere optionale Definition. Schon der 1-Min-Apgar von 7 zeigt ja dem Erfahrenen, daß offensichtlich Startschwierigkeiten bestanden. Und die Umgruppierung von P67D nach P67C gibt es auch schon für die OPS 8-010.3 (Applikation von Lösungen/Medikamenten bei Neugeborenen - das Kind hatte einen Infusion während des stat. Aufenthalts?) oder 8-560.2 (Phototherapie - auch im Kinderzimmer der Entbindungsstation!). Aber wie gesagt, das mit dem gesundem Menschenverstand gilt weiter.

    Schönes Wochenende einstweilen, ausnahmsweise mit der Familie (juhu)
    M. Kratz

  • Genau. Und wenn der MDK uns dann vorhält, daß das doch medizinisch unsinnig ist, dann halten wir entgegen, uns streng nach den DKR gerichtet zu haben. :-p

    Zugegeben: das Beispiel war kostruiert und schlecht gewählt. Weil Neugeborene, die in eine Kinderklinik verlegt werden müssen, durch andere Maßnahmen quasi fast immer mindestens in die P67C gelangen. Ich warne nur nur vor dieser stillschweigenden Gleichsetzung von Kodierungsdiagnosen und im Arztbrief genannten Entlassungsdiagnosen.

    Anderes Beispiel: die CF.

    Neugeborenes mit Mekoniumpfropf - erfolgreich behandelt. Lt. DKR ist die CF als Entlassungsdiagnose zu verschlüsseln, da nicht ausgeschlossen und nicht bewiesen, Behandlung (des Symptoms) hat stattgefunden. Im Brief würde ich nicht unbedingt dick "V.a. CF" schreiben sondern eher in der Beurteilung darauf hinweisen, daß man differentialdiagnostisch daran dachte, die entsprechende Diagnostik aber noch nicht durchgeführt wurde (Schweißtest) bzw. das Ergebnis noch aussteht (soweit ich einen Anlaß für die Molekulargenetik hatte).

    Wir haben was gemeinsam: das Familienwochenende! :D
    M. Achenbach

  • Hallo Forum,

    wir haben eine kleine Meinungsverschiedenheit mit den Pädiatern. Folgender Sachverhalt lt. Brief: "Die Übernahme aus dem gynäkologischen OP erfolgte bei schwerer primärer Asphyxie nach Sectio caesarea am xx.xx.xxxx um xx.xx Uhr in der 38 + 4 SSW nach schwieriger Entwicklung. Bei initial schlaffen Kind ohne sicheren Herzschlag erfolgte Basisreanimation mit Herzdruckmassage, Sauerstoffvorlage, Maskenbeatmung. Nach ca. 3 Minuten kam es zur Spontanatmung und Schreien. Es erfolgte die Atemunterstützung durch CPAP für weitere 10 Minuten."

    Laut DKR 0903a (Herzstillstand) ist hier unserer Meinung nach zusätzlich I46.0 zu kodieren. Die Pädiater sind der Meinung, dass der Herzstillstand in der Asphyxie inkludiert wäre und I46.0 nicht zu kodieren sei. Die DKR für Neugeborene setzt unserer Meinung nach aber die DKR 0903a (Herzstillstand) nicht außer Kraft. Wie wird das von den anderen Forumsteilnehmern gesehen?

    MfG findus

    MfG findus