Wer hat Interesse gemeinsame Standards zu erstellen ?

  • Liebe NG-ler,
    den Ansatz, durch eine einheitliche Kodierung vergleichbarer Patienten zum einen eine solide Datengrundlage für Vergleiche zu schaffen, zum anderen aber auch gegenüber den Kostenträgern mit einer gemeinsamen Stimme aufzutreten, halte ich für sehr sinnvoll. Die Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Kinderkrankenhäuser in Deutschland GKind erarbeitet einen solchen Kodierleitfaden bereits seit zwei Jahren und meines Wissens orientieren sich die meisten der deutschen Kinderkliniken an dem bislang veröffentlichten Material. Die Kodierarbeit vereinfacht sich bei den häufigsten Diagnosen erheblich, zumal auch die relevanten Prozeduren mit aufgeführt werden. Eine Implantation in eines der gängigen ICD- und OPS-Suchprogramme (Kodip, Diacos) ist geplant und wird die Kodierpraxis weiter erleichtern. Bei Interesse bin ich gerne bereit, mit den zuständigen Kollegen über eine Bereitstellung dieser Kodiertipps zu sprechen, derzeit liegt das Copyright bei der GKind.
    Eigentlich bin ich eher erstaunt, dass in den anderen Fachgebieten diesbezüglich nicht bereits seit längerem an solchen Kodierstandards gearbeitet wird, zumal ich sicher bin, dass in den meisten Kliniken bereits intern erarbeitete Handzettel, Merkblätter oder gar -bücher kursieren und bei der Entwicklung derselben natürlich sehr viel Arbeitskraft gebunden wird.
    --
    S. Siefert
    Hamburg
    http://www.dr-siefert.de

    wertschätzende Grüße an
    alle Gesundmacher(innen)
    und Gesundmacher(innen)bezahler(innen),
    Dr. S. Siefert
    Medizinmanagement und Arzt
    Kath. Kinderkrankenhaus Wilhelmstift
    Freie und Hansestadt Hamburg

  • :look: Ich glaube jetzt hab ich`s verstanden...

    Der Ausdruck "vorformulierten Diagnose- und Prozedurenkombinationen" war doch etwas zu irreführend für mich.

    Ich denke, woran Viele Interesse hätten, wäre eine umfangreiche Sammlung von Kodierhinweisen, auf die per "Erkrankungsbezeichnung" oder "Behandlungsgrund" zugegriffen werden kann, und in die die derzeitigen Kodierrichtlinien interpretiert eingearbeitet wurden, am besten noch mit den zugehörigen kompletten relevanten ICD- und OPS-Kapitelabschnitten, damit man nicht doch noch parallel suchen muss... - sozusagen das Kodierhandbuch!

    Der Kodierende, der vor dem Problem steht z.B. die aufwandserhöhenden Residuen eines Schlaganfalles kodieren zu wollen, wird hier umfassend über die einschlägigen DKRs und anhand typischer Beispielkodierungen informiert, und kann im Optimalfall allein mit diesen Informationen seine Kodierung vornehmen. DKR, ICD, OPS und das beste DRG-Forum Deutschlands (natürlich myDRG) müssten nicht bemüht werden... .

    :rolleyes: bestechende Vision ?

    Let`s go !

    mfG

    Christoph Hirschberg

  • Lieber Herr Hirschberg,
    liebe Kolleginnen und Kollegen,

    ich halte die vorgeschlagene Idee für eine sinnvolle Ergänzung und könnte mir durchaus vorstellen, dass eine Strukturierung in der genannten Form den Kodieraufwand erleichtern könnte, der Umfang sollte allerdings überschaubar bleiben. Kodierhinweise nach "Erkrankungs- oder Behandlungsgründen" zu klassifizieren heißt ein alphabetisches Register zu erstellen. Zumindest für die Prozedurenkodes gibt es eine entsprechendes Verzeichnis (OPS-301, Sonderauflage der Asklepios Kliniken GmbH, ISBN 3-935713-11-8), das natürlich nur einen Partialaspekt abdeckt.

    Mein Vorschlag war eigentlich sehr ähnlich, ich hätte jedoch als "ersten Filter" das Fachgebiet gewählt, da so eine bessere Übersicht gegeben ist. (Welcher Urologe interessiert sich beispielsweise für die Kodierung von vorzeitigen Wehen ?) Innerhalb des Fachgebiets könnte man dann "typische Varianten" beispielsweise des Schlaganfalls und seiner aufwandserhöhenden Symptome nachlesen und an den individuellen Fall adaptieren. Zumindest könnte somit gewährleistet sein, dass die wichtigsten Aspekte nicht nur behandelt, sondern auch bei der Kodierung berücksichtigt werden. Zudem sind Unsicherheiten und "Interpretationsgrauzonen" durch eine größere Anzahl von Kliniken besser abgesichert, auch wenn durch ein entsprechendes Verfahren natürlich keine absolute Rechtssicherheit geschaffen wird, aber das dürfte auch kaum unsere Aufgabe sein. Diese besteht ja u. a. eher in einem Wissenstransfer an die klinisch tätigen und damit kodierenden KollegInnen und der Klärung von Unklarheiten.

    Aus meiner Sicht sollten wir eine sehr übersichtliche und praxisorientierte Übersicht erstellen, die wertvolle Zeit (und Kosten) spart. Daher hatte ich angeregt, einige zwingende (möglicherweise erlösrelevante) Daten bereitzustellen, mit einer optionalen Ergänzung in freier Formulierung (z. B. Schwierigkeiten, Besonderheiten, Abgrezungsprobleme, weitere Hinweise). Die strukturierten Daten könnten sich an die Kodipsets anlehnen und sukzessive eingepflegt werden.

    Die kodierenden KollegInnen könnten dann gewissermaßen prima vista eine Modellkodierung abrufen und auf fallindividuelle Relevanz prüfen. Letztlich ist das DRG-System eben doch ein Hand- und kein Hexenwerk, auch wenn es eine umfangreiche Liste von Raritäten bereithält (shuddering attacks, ragged red fibre/MERRF-Syndrom, Young-Syndrom ...), die in der ärztlichen Realität wohl seltener auftreten als im 2. Staatsexamen. Daher sollten wir mit einer Modellkodierung von häufigen Erkrankungen beginnen, immer unter Beachtung des auch hier gültigen Pareto-Prinzips.

    Bestehende Vision(en) ?

    Let`s go

    H. Popp (dr.popp@web.de)

  • Zitat


    Original von HPopp (vom 21.12.2001):
    Wir sollten vielleicht auch überlegen, in welcher Form wir den Austausch strukturieren. Wollen wir dies öffentlich für alle Beteiligten, Unbeteiligten und Selbstverwaltungs"partnern" anbieten oder sollte der zugangsberechtigte Personenkreis limitiert bleiben ?
    Vom Grundsatz her dürfte dieses Vorhaben lege artis, qualitätsfördernd und sogar kostensenkend sein, wenn nicht jede Klinik bei jedem Fall das (Kodierungs- und Dokumentations-) Rad neu erfinden müsste. Zudem weist der Gedanke Übereinstimmungen mit den allgemein akzeptierten Behandlungsleitlinien und evidenzbasierter Medizin auf.
    Vielleicht können auch Vertreter der Fachgesellschaften mitarbeiten ?

    Hallo Herr Popp,

    ideal für die Verbreitung solcher "Standards" ist m. E. das Internet, z. B. als Forum.

    Man könnte die Gliederung der DRGs nach MDCs und Partitionen beibehalten und sollte in einem ersten Schritt darstellen, welche Hauptdiagnosen in welche MDC führen (Definitionsmanual). Als nächstes sollte die Definition der Basis-DRG angegeben werden (Definitionsmanual).

    Dann sollte bei jeder DRG eine Häufigkeitsangabe für jede verwendete Hauptdiagnose angegeben werden, basierend auf einer 100%-Erhebung eines Jahres (clinical profile).

    Nach dieser Häufigkeit sollte sortiert werden (Paretoprinzip). Hinzu kommen andere demographische Angaben (clinical profile).

    Damit diese Zahlen repräsentativ sind, wird wohl nicht Herr Sommerhäuser dieses Forum führen (obwohl wir hier in myDRG darüber sehr glücklich wären), sondern es müsste sich wohl Prof. Dr. Jürgen Fritze als Geschäftsführer des InEK-Instituts dieser Aufgabe annehmen.
    http://www.dkgev.de/1_fin/fin_119.htm

    Falls er Fragen hat, könnte er einmal die Australier fragen.
    http://www.health.gov.au/casemix/index.htm

    Um noch einmal auf Ihren Beitrag zurückzukommen: Die Australier haben mit einem öffentlichen Austausch dieser Daten offenbar kein Problem. Ganz im Gegenteil:
    Link bei Herrn Haberkorn (http://dedi694.your-server.de/mydrgj/apboard…=1&quote=2000):

    http://www.cchs.usyd.edu.au/ncch/

    "NCCH vision

    The National Centre for Classification in Health (NCCH) believes that health information services should be regarded as public domain and part of the national health information stock."

    Und zum Datenschutz: Personalien von Patienten sind in keiner der genannten Tabellen enthalten.

    Es ist dann auch nicht erforderlich, "den zugangsberechtigten Personenkreis zu limitieren".

    Aber es müßte schon etwas "Amtliches" sein. Damit eben nicht alle das Rad neu erfinden müssen. Durch die 100%-Erhebung (clinical profile) wären aber alle beteiligt. Die Fachgesellschaften müssten moderieren und jährlich das Refinement "absegnen".

    Zitat


    Original von Hab-StElisabeth:
    Der Knackpunkt des Ganzen: müsste sich mal einer drum kümmern...

    B. Scholz

    [center] Bernhard Scholz [/center]

  • :lickout:

    [ Dieser Beitrag wurde von Scholz am 04.01.2002 editiert. ]

    [center] Bernhard Scholz [/center]

  • Sehr geehrter Dr. Scholz,

    was hat das ganze denn mit "Standards" zu tun ?

    mfG

    Christoph Hirschberg

  • Zitat


    Original von C-Hirschberg:
    Sehr geehrter Dr. Scholz,

    was hat das ganze denn mit "Standards" zu tun ?

    mfG

    Christoph Hirschberg

    Hallo Herr Hirschberg,

    irgendwie haben Sie ja recht, ich liege slightly OT (off topic) mit meinem Posting, weil ich versucht habe, einer Sache Sinn zu geben, an die ich selber nicht recht glauben kann.

    Gegenfrage: Was ist ein Standard-Patient, was ist ein Standard-Fall, was ein Standard-Arzt?

    Mein Beitrag zu dieser Frage ist, dass es lediglich beobachtbare Häufigkeiten gibt, dass es durch die Beobachtung des realen Kodierverhaltens aller Ärzte (100%-Erfassung) möglich sein wird, eine Struktur im System zu erkennen, sofern eine Struktur vorhanden ist.

    Möglicherweise läuft Herrn Popp Gefahr, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Über den DRG-Kompass stand einmal folgende putzige Kritik zu lesen (ich müsste suchen, wo ich es gelesen habe - sinngemäß): "Während die meisten Krankenhäuser noch mühsam versuchen, ihre Dokumentation DRG-tauglich zu machen, wird in M-Schwabing bereits versucht "rückwärts" zu kodieren..."

    Ich sehe in Leitlinien, Richtlinien und Standards auch die Gefahr der Bevormundung von Patient und Therapeut und umgekehrt den Verlust von selbstverantwortlichem Handeln zugunsten einer oft kostspieligen Sicherheitsmedizin.

    Ich meine, wir sollten das DRG-System so ausgestalten, dass wir es jedem einzelnen Arzt überlassen können, wie ausführlich er kodiert (auf sein wirtschaftliches Risiko). Ich halte sehr viel von freier Arztwahl und Therapiefreiheit, natürlich in voller Verantwortung des Arztes und informiertem Einverständnis des Patienten. Und ich sehe Dokumentation und Kodierung lediglich als Werkzeug, sich fachlich adäquat ausdrücken zu können und ärztliches Handeln nachvollziehbar, also transparent zu machen. Wenn wir nun schon mit DRGs arbeiten wollen, sollten m. E. vor allem technische Standards der Dokumentation und Kodierung bereitgestellt werden, die dazu dienen, diese Freiheit des Handelns und des sprachlichen Ausdrucks beizubehalten oder sogar zu fördern. Abzulehnen sind m. E. "Standards", die das Schubladendenken fördern. Mir fällt auf, dass gerade DRGs manche Zeitgenossen dazu verleiten, ein "Schubladendenken" aufzubauen. Richtig ist, dass durch die Begrenzung auf eine endliche Zahl von abrechenbaren Fallpauschalen verbunden mit einem 100%-Ansatz letztlich jeder Behandlungsfall in einer Schublade landen muss, aber doch nur ökonomisch gesehen! Und der Preis und möglicherweise auch die DRG-Definition gilt nur solange, bis wieder neu kalkuliert wurde.

    Medizinisch gesehen bietet das DRG-System (so wie ich es verstehe) dagegen die grenzenlose kombinatorische Vielfalt absolut individueller Fallbeschreibungen, mit einzigartiger ICD- und OPS-Sammlung je Patient. Und hieran gibt es m. E. nichts, aber auch gar nichts zu "standardisieren". Es ist nicht nötig, bereits die "Rohdaten" zu vereinheitlichen, ein Grouper muss so funktionieren, dass er sämtliche ICD- und OPS-Kombinationen verarbeiten kann, im Zweifelsfall per Fehler- und Resteklassen. Gerne würde ich über die "Standards" diskutieren, nach denen ein Grouper (DRG-Algorithmus) aufgebaut werden sollte, aber der Arzt sollte frei bleiben.

    Diese Sicht der Dinge ist zugegebenerweise etwas anderes, als dogmatisch Standardfälle zu definieren und dann per Schulung alle Beteiligten dazu zu bringen, vermeintlich gleiche Fälle identisch zu kodieren (und zu behandeln etc.). Versuchen Sie es doch, ich bin überzeugt, dass es zu einer Nivellierung des Ausdrucks und einem Informationsverlust führen wird. Und das fände ich schade, weil der Arbeitsaufwand, der für die Dokumentations anfällt, vermutlich nicht wesentlich reduziert, aber der erzielbare Nutzen derartig nivellierter Daten deutlich sinken würde. Ein Wissenszuwachs wird erschwert. "Nicht-Standard-Patienten" werden möglicherweise nicht erkannt und falsch, weil "standardisiert" behandelt.

    Wie wollen Sie den Erfolg Ihrer Standardisierungsbemühungen messen? Fahren Sie mit einem Dutzend "Standardpatienten" durch deutsche Krankenhäuser und sehen Sie nach, ob alle "Standardärzte" das Gleiche mit diesen Patienten machen und dieses Tun zudem gleich kodieren? Wozu? Fragen Sie lieber, ob der Patient mit der Behandlung zufrieden war...

    Wir haben es mit Menschen zu tun, mit biologischen Systemen, wir bauen keine Autos...

    Um mich individuell auszudrücken, halte ich Kodierhilfen durchaus für sinnvoll. Dazu gibt es ja KODIP und DIACOS etc., vielleicht funktioniert das Kodieren auch bald vollautomatisch. Entscheidend ist für mich die Möglichkeit, dass meine dokumentierten ICD- und OPS-Kodes meinen individuellen Patienten so beschreiben, dass ich ihn anhand dieser Listen (medizinisch) wiedererkennen würde und gleichzeitig via Grouper der Fall in eine (ökonomisch) plausible DRG überführt wird.

    Vielleicht nähern wir uns dem Problem nur von verschiedenen Seiten? Für die Arbeitsgemeinschaft "DRG-Standards" bin ich offenbar (noch?) kein überzeugtes Mitglied.

    MfG

    Dr. Bernhard Scholz

    [center] Bernhard Scholz [/center]

  • I) I) I) Lieber Herr Scholz,

    arbeiten wir nicht alle nach Standards? Haben wir nicht alle in den ersten Jahren unseres "Arztseins" über "Diffusion" die Standards der Abteilung übernommen, in der wir arbeiteten? Dürfen wir diese nicht aufschreiben? Vergleichen? Diskutieren? und vor allem immer wieder korrigieren? Entbindet ein Standard den gewissenhaften Arzt von der Verantwortung?
    Ich denke, Sie meinen eigentlich alle das gleiche: wir alle haben Sorgen, dass es irgendwie jetzt eine Medizin von der Stange gibt und vorher wurde maßgeschneidert. Nur: wurde vorher wirklich maßgeschneidert? In jeder Abteilung? (oder, zynischer ausgedrückt: saß der maßgeschneiderte Anzug nicht oft genug schlecht oder hatte Löcher?). Dieses System wird die Medizin nicht vereinfachen (oder besser gesagt: theoretisch darf es die Medizin nicht vereinfachen, wenn das System so angewandt wird, wie es aufgebaut ist: arbeiten- kodieren- kalkulieren-bezahlen. Die Deutschen sortieren ja gerade um: kalkulieren-kodieren-arbeiten-bezahlen.), aber es wird die medizin transparenter und damit vergleichbarer machen. Inwieweit der Output die Kassen wirklich interessiert und sie nicht einfach nur den Input vermindern möchten (mit ziemlich viel Put-Put im Moment) sei mal dahingetellt.
    Ich denke nur, dass Ärzte Hilfen an die Hand brauchen bezüglich der Kodierungen, genauso wie man den Daschner in der Kitteltasche hat. Was sollte daran falsch sein?
    (Mutiere ich gerade von der alten Hexe zur faulen Schnecke?)
    Gruss patricia

    --
    Patricia Klein

    Patricia Klein

  • Zitat


    Original von PatKlein:
    I) I) I) Lieber Herr Scholz,

    arbeiten wir nicht alle nach Standards? Haben wir nicht alle in den ersten Jahren unseres "Arztseins" über "Diffusion" die Standards der Abteilung übernommen, in der wir arbeiteten? Dürfen wir diese nicht aufschreiben? Vergleichen? Diskutieren? und vor allem immer wieder korrigieren? Entbindet ein Standard den gewissenhaften Arzt von der Verantwortung?

    Liebe Frau Klein,

    ich gebe Ihnen recht, Standards sind sicherlich ein probates Mittel zum Zweck, Abläufe zu erlernen, zu beschleunigen und zu verbessern. QM etc. lassen grüßen, ich will mich gar nicht dagegen aussprechen.

    Ich bekenne also erneut OT zu sein, halte aber weiterhin den Gedanken der Therapiefreiheit und des individuellen sprachlichen Ausdrucks für sehr wichtig.

    Was mich also bei aller Sinnhaftigkeit von Pathways und Kodierstandards bewegt, ist, darauf hinzuweisen, dass es mit geringen technischen Mitteln (EPA, Individualtext) möglich wäre, diese Individualität auf der untersten Ebene der Datenerhebung zu erhalten, ohne damit das DRG-System in Frage zu stellen. Ich werde niemanden daran hindern (können), Standards aus der Kitteltasche zu verwenden, aber es besteht sehr wohl durch zu kritiklose Anwendung vereinfachender Datenerfassung die Gefahr der Verflachung der Information und damit einer Entwertung der Rohdaten.

    Damit klarer wird, was ich meine, folgendes konkrete Beispiel:

    KODIP ermöglicht die Anlage und Pflege eines Hauskataloges und bietet bereits in der Grundausstattung die Möglichkeit, Synonyma aus dem Diagnosenthesaurus auszuwählen. Unser KIS übernimmt aber lediglich die ICD-Ziffer und versieht diese mit dem Systematiktext des DIMDI. Damit wird der gesamte Differenzierungsaufwand von Thesaurus und Hauskatalog hinfällig, weil diese Texte vom KIS eben gar nicht abgespeichert werden.

    Jetzt könnte man einwenden, die differenzierte Diagnose stehe ja irgendwo in der Dokumentation (z. B. handschriftlich). Für eine EDV-Recherche steht sie damit aber natürlich nicht zur Verfügung.

    Sie sehen, ich bin wirklich OT bzgl. Standards der Behandlung oder der ärztlichen Kodierung, da bin ich auch gar nicht prinzipiell dagegen, ich leide dagegen unter fehlenden technischen Standards der Rohdatenerfassung und Übermittlung. Diese sind m. E. aber enorm wichtig, um eine aussagekräftige Verarbeitung der mühsam erhobenen Daten nicht nur zu Abrechnungszwecken zu ermöglichen. Eine entsprechende Anpassung der offiziellen Datensatzbeschreibung um Individualtext (Einzelheiten s. andere Postings von mir) würde die KIS-Hersteller dazu veranlassen, den ärztlichen Teil der Dokumentation endlich genauso stark zu berücksichtigen, wie sie bisher nur den abrechnungstechnischen Teil berücksichtigt haben. Technisch gesehen ist das Ganze ja wohl problemlos zu realisieren.

    Dass auch der Grouper nur die ICD-Ziffern verarbeitet, ist mir durchaus bewusst, aber die Lesbarkeit der Diagnosen und Prozeduren für Menschen, z. B. die Übernahme der Diagnosen in Entlassungsbriefe oder andere Dokumente ist doch nur durch diese von mir gewünschte Detailverbesserung möglich. Es geht hier auch nicht so sehr um die externe Weiterverarbeitung der Daten, als vielmehr um die interne Verwendung der Daten als Informationsquelle für den Arzt (und damit um die Akzeptanz der Verschlüsselei durch Schaffung eines erheblichen Zusatznutzens).

    Eine weitere Verwendung dieser Individualtexte wäre das Refinement der ICD- und OPS-Kataloge selbst. (s. andere Postings von mir)
    http://dedi694.your-server.de/mydrgj/apboard…rt=16&BoardID=1

    Möglicherweise schieße ich nur weit über das Ziel hinaus. Ich meine eben nur, dass es wesentlich einfacher wäre, auch um die von Herrn Popp angeregten Standards zu erhalten, meinen Vorschlag sozusagen als Basis zu verwenden, dann eine Menge an Rohdaten mit valider Aussagekraft zu erhalten (ich kann jederzeit die Frage stellen: "Was hat der Doktor denn mit ICD XY eigentlich gemeint?") um damit quasi "halbautomatisch" edv-gestützt die sonst wohl nur sehr mühsam "manuell" zu erarbeitenden Pathways zu generieren. Vor allem wenn es darum geht, z. B. jährlich eine Anpassung der Pathways an sich verändernde Verhältnisse zu erarbeiten, sollte mein Vorschlag noch einmal bedacht werden.

    Die Begeisterung, Pathways und Kodierstandards dauernd manuell zu überarbeiten, ist nach meiner Erfahrung nicht sehr groß (siehe die Überarbeitungszykluszeiten von Gebührenordnungen).

    Dass das Ganze irgendwie in eine EDV-Erfassung einfliessen muss, sollte uns inzwischen allen klar sein. Eigentlich steckt die gewünschte Information (was soll wie kodiert werden?) doch genauestens definiert im DRG-Handbuch und im Grouper-Algorithmus.

    Irgendwann werden wir die ja mal lesbar zu Gesicht bekommen, oder?

    Mit freundlichen Grüßen

    Bernhard Scholz

    [center] Bernhard Scholz [/center]

  • Guten Morgen!

    Für mich bedeutet Standards nicht "Fallsammlung", sondern eine Definitionssammlung und Erweiterung der Kodierregeln. Details diskutieren wir doch schon dauernd in diversen Threads.
    In Zukunft wird der MDK garantiert versuchen, lukrative ND wie "Senilität" möglichst restriktiv zu definieren, dem muß eine medizinisch sinnvolle und möglichst "objektive" Definition gegenübergestellt werden.
    Anderes Beispiel: Ist eine Harninkontinenz immer noch dieselbe ICD, wenn der Pat. einen DK hat und damit pflegeleichter wird?
    Auch hier sollten die Kodierenden einheitlich arbeiten.

    Die Logik: so, wie bei der Datenerhebung kodiert wird, muß auch später bei Anwendung dieser Daten kodiert werden!

    Wir würden uns sicher einen Gefallen tun, selbst diese Regeln nach med. Sachverstand aufzustellen und zu formulieren. Kernpunkte aus meiner Sicht:
    - die 2000+ PCCL-relevanten ND: welche sind schwierig zu objektivieren? (z.B. Altersschwäche) -> Regeln machen!
    - welche Verfahren gehören zum Standard anderer Verfahren? Welche sind zusätzlich zu kodieren?

    Die allgemeine Stimmung scheint häufig zu sein: je mehr ich (als Individuum) kodiere, desto eher habe ich einen finanziellen Vorteil. Problematisch hierbei auch das Pseudoqualitätskriterium Diagnosen/Fall, auf das jeder Chef schielt. Der "Kodiergemeinschaft" wird hierbei wegen der Zunahme des Aufwands kein Gefallen getan.

    Die Definitionen sollten daher möglichst so gefaßt werden, daß nur tatsächlich signifikant "ressourcenhungrige" Aspekte eines Falles erfaßt werden.

    Und weiterhin: ...müßte sich mal einer...

    Jan Haberkorn
    Internist/Medizincontroller
    St. Elisabeth-Krankenhaus Köln