medizinisch ein Fall - obere GVWD

  • Hallo myDRG-Board,

    Wie gehen Sie in Ihren Haeusern bei folgenden Fallkonstellationen vor?

    betrifft Faelle 2003

    1. Carcinompatient wir zwischen Therapien entlassen. (Chirurgie / Strahlentherapie z.B.). Dafuer gibt es viele und gute Gruende. Regelmaessig gehen bei uns alle diese Faelle zum MDK, der folgendes schreibt: "Es handelt sich zwar nicht um eine Wiederaufnahme nach §§...., jedoch medizinisch um einen Fall. Die Behandlung haette auch durchgehend erfolgen koennen." (wer Onkologien kennt, weiß, was es fuer Patienten heisst, "nach Hause zu durfen"). Meinung des MDK oder Gesetzestext?

    2. Bei Ueberschreitung der oberen GVWD laesst der MDK oft folgendes los: "bei besserem medizinischen Management haette die Behandlung auch innerhalb der GVWD abgeschlossen werden koennen". Mag ja sein - bei uns laeuft halt auch vieles nicht optimal, aber: ist diese Argumentation korrekt oder kommt es nur darauf an, ob der Patient bei Erreichen der OGVWD entlassungsfaehig war. (Die Spitze: ein Neurologe-MDK meinte, bei einer Patientin welche knapp 3 Wochen bei uns stationaer war, er haette alles ambulant an einem Vormittag erledigt.)

    Wie gehen Sie die 2 Probleme argumentativ an?

    mit freundlichen gruessen

    tgregl

  • Schönen guten Tag Herr Gregel!

    Meine Meinung:

    [*] auch der MDK muss seine Schlussfolgerung Begründung
    [*] dabei muss er die Umstände des Einzelfalles einbeziehen
    [*] und den Fall aus der Sichtweise des Krankenhausaztes mit seinen jeweiligen Erkenntnismöglichkeiten (ex ante) beurteilen.

    (Vgl. u.a. BSG vom 13.12.2001, B3 KR 11/01 R)

    Da die Gutachten des MDK bei uns zunehmend nur noch aus einer Nacherzählung unseres Entlassungsberichtes bestehen, an die als sogenannte Schlussfolgerung nur noch ein unbegründeter Satz wie z. B. oben zitiert angehängt wird, sehe ich diese Voraussetzungen nicht als erfüllt an.

    Laut Bundessozialgericht müssen die Entscheidungen des Krankenhausarztes (zur stationären Behandlung, wäre aber meiner Ansicht nach auch auf die Entscheidung zur zwischenzeitlichen Entlassung anwendbar) lediglich "vertretbar" und nicht, wie vom MDK meistens dargestellt "zwingend medizinisch erforderlich" sein.

    So wie es aussieht muss in Zukunft diese Auffassung jedoch in jedem Einzelfall über den Rechtsweg durchgesetzt werden.

    Schönen Tag noch,
    --
    [center]Reinhard Schaffert

    Medizincontroller
    [f1]Facharzt für Chirurgie
    Krankenhausbetriebswirt(VWA)[/f1]
    Kliniken des Wetteraukreises[/center]

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,


    Zitat


    Original von Gregl:
    1. Carcinompatient wird zwischen Therapien entlassen. (Chirurgie / Strahlentherapie z.B.). Dafuer gibt es viele und gute Gruende ....


    Vorbemerkung: Ich setze voraus, dass Sie ihre Behandlung aus med. Gründen in mehreren Schritten durchführen.

    Erforderlich ist hier anhand der Krankenakte die individuelle Beurteilung.
    Ist dieses vom Gutachter erfolgt?

    Pauschale Forderungen sind für die individuelle Beurteilung des diagnostisch/therapeutischen Vorgehens bei einem onkologischen Patienten nicht geeignet.

    Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten muß beachtet werden. Gemeinsam mit dem Patienten werden Therapieschritte besprochen und durchgeführt.
    Psycho-onkologische Überlegungen sind zu berücksichtigen.

    Worum geht es eigentlich?
    Ethische und moralische Grundsätze in der Arzt-Patientenbeziehung sind zu beachten. Was ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus med. Sicht zu verantworten, welche Maßnahmen sind (vorerst) zu unterlassen.

    (Blinder) Aktionismus lediglich basierend auf einer kostengünstigen Vereinheitlichung tangiert ethisch moralische Grundsätze. Es ist das Denken des Gutachters, dass in die falsche Richtung geht. Es ist zwingend geboten, dieser Haltung zu widersprechen. Gesehen wird nicht mehr das Individuum, dessen Leid man lindern möchte, sondern nur Kosten die gesenkt werden sollen.

    Mein Fazit:
    Es besteht der Verdacht auf fehlende onkologische Kompetenz
    Es fehlen elementare sittliche Voraussetzungen, wenn ein begründetes (!!) individuelles Therapiekonzept pauschal (!) nur unter Kostengesichtspunkten beurteilt wird.


    Zitat


    Original von Gregl:
    2. .....(Die Spitze: ein Neurologe-MDK meinte, bei einer Patientin welche knapp 3 Wochen bei uns stationaer war, er haette alles ambulant an einem Vormittag erledigt.)


    Diese Behauptung ist „kühn“, somit müssen Sie sich den versteckten Vorwurf gefallen lassen 3 Wochen einen Patienten der Freiheit beraubt zu haben...

    Vgl.: Strafgesetzbuch
    § 239
    Freiheitsberaubung
    (1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
    (2) Der Versuch ist strafbar.
    .....


    Hier scheinen Mindestanforderungen an ein Gutachten nicht erfüllt zu sein.


    Gruß
    Eberhard Rembs

  • Nana, Herr Rembs,

    so sehr ich Ihre Beiträge schätze, ja sogar manchmal bewundere, so scheinen Sie sich doch hier in Ihrem letzten Abschnitt vergaloppiert zu haben. Wenn die Krankenkassen, wie hier in dem Fall maßgeblich, die primäre Fehlbelegung prüfen, so geschieht das nicht als Staatsanwalt. Das setzt ja nicht nur die Berechtigung, sondern außerdem die fehlende Einwilligung des Patienten voraus. Bei der Betrachtung kommt es ja nicht auf die Dauer der "Freiheitsberaubung" an. Die stationäre Dauer der Behandlung kann nicht als Indiz für die Notwendigkeit derselben herhalten. Das wäre ja schon praktikabel: Stationär > n bedeutet Prüfung unzulässig. Wobei ich in diesem Fall nicht dafür gerade stehen will, dass sich der MDK hier nicht vergriffen hat.

    Ich erinnere aber hier nur an die leidige Geschichte der 10-tägigen Infusionstherapie bei Tinnitus etc. Der Versicherte weiß es nicht anders, als der Notwendigkeit stationärer Aufnahme zu folgen. Gleichwohl wird diese Behandlung nach meiner Kenntnis nur in Deutschland häufiger stationär erbracht. Eine Behandlung, die bei nicht emotionsbeladener Erörterung mit den Ärzten als ambulant behandelbar klassifiziert wird.

    Ich glaube, es war Cato, seinen Zeitgenossen an Eloquenz und Gedankentiefe weit überlegen, dem hinterhältigerweise entgegen gehalten wurde: si tacuisses, philosophus mansisses. ;)
    --
    Gruß
    Dieter R
    MA einer KK

    Gruß
    Dieter R
    MA einer KK

  • Zitat


    Original von DR:
    Ich glaube, es war Cato, seinen Zeitgenossen an Eloquenz und Gedankentiefe weit überlegen, dem hinterhältigerweise entgegen gehalten wurde: si tacuisses, philosophus mansisses. ;)


    Quelle des Zitats:
    Anicius Manlius Severinus Boethius – "Consolatio Philosophiae" (Trost der Philosophie), ca. 525 n. Chr.

    M. Porcius Cato lebte bereits 234-149 v. Chr. und hatte vorwiegend etwas gegen Karthago ("Ceterum censeo Karthaginem esse delendam“)

    Also musste Cato nicht schweigen... ;D

    MfG
    --
    R. Balling
    Chirurgische Klinik, 82229 Seefeld

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. med. Roland Balling

    Chirurg
    Medizincontroller
    "Ärztliches Qualitätsmanagement"
    Chirurgische Klinik, 82229 Seefeld

  • Hallo Herr Balling,

    nachdem ich gepostet hatte,hatte ich bei meinem nächtlichen Spaziergang mit dem Hund gleich ein ungutes Gefühl. Obwohl ich sowas mal studiert habe, ist mir der Boethius nicht in den Sinn gekommen. Ich weiß es aber jetzt genau: Die historisch erste dokumentierte Kenntnisnahme erfolgte durch Asterix und Obelix in Caesars Kerker.

    :jay:
    --
    Gruß
    Dieter R
    MA einer KK

    Gruß
    Dieter R
    MA einer KK

  • Moin !
    Ich möchte mich gleich bei der 1. Stellungnahme bei mydrg als MDK- Gutachter outen, der während der klinischen Tätigkeit einige Jahre Studien zu Ca´s mitbetreut hat. Ich bilde mir ein, auch die andere Seite ( Kh-Arzt) noch nicht vergessen zu haben...
    Bei der Frage, ob abrechnungstechnisch ein Behandlungsfall vorgelegen hat oder nicht, geht es ums Geld, klar. Es geht nicht um Ethik o.ä. Es ist schon ein bißchen zu einfach, wenn die mehrmalige Entlassung und Wiederaufnahme eines Krebskranken mit moralischen Erwägungen begründet wird. Zumal wenn diese "Moral" auch noch zufällig die Einnahmen des Khs erheblich steigert! Das Khs darf doch auch innerhalb der einen DRG den Patienten beurlauben, muß dies dann allerdings auf der Rechnung ausweisen( §8 KHEntgG ).
    Die Begründung des MDK im zweiten Fall ist natürlich sehr dünn. Sofern das Gutachten hier von der Krankenkasse nicht verkürzt wiedergegeben sein sollte, würde ich als KHS mich damit auch nicht zufrieden geben...

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Zitat


    Original von Breitmeier:
    Moin !
    Ich möchte mich gleich bei der 1. Stellungnahme bei mydrg als MDK- Gutachter outen, der während der klinischen Tätigkeit einige Jahre Studien zu Ca´s mitbetreut hat. Ich bilde mir ein, auch die andere Seite ( Kh-Arzt) noch nicht vergessen zu haben...


    Herzlich Willkommen im myDRG Forum Herr Breitmeier.

    Nachdem auch zahlreiche Kassenvertreter hier posten, finde ich es eine gute Bereicherung, wenn nun auch MDK Ärzte sich hier zu Wort melden.
    Sicher lesen Sie schon eine zeitlang mit und wissen, das hier im Forum gesittet zu geht.
    In diesem Sinne wünsche ich mir zahlreiche Wortmeldungen von Ihnen.

    mit herzlichen Willkommensgrüßen
    Ihr


    --
    Kurt Mies

    Kurt Mies

    • Offizieller Beitrag

    Guten Abend Herr

    Breitmeier
    Hallo Forum


    Welcome !!!

    Zitat


    Original von Kmies:
    In diesem Sinne wünsche ich mir zahlreiche

    Wortmeldungen von Ihnen.


    Ich schliesse mich diesen Wünschen an.
    Vielen Dank für Ihren Beitrag!
    Ich finde es gut,

    daß Sie sich „outen“ und hier Ihre Meinung zur Diskussion stellen.


    Zitat


    Original von Breitmeier:
    Es geht

    nicht um Ethik o.ä. ....


    Da bin ich (!) anderer Meinung.

    Weshalb kann der Gutachter im konkreten Beispiel

    behaupten (siehe erstes posting von Herrn Gregl), es handelt sich - medizinisch gesehen - um einen Fall?


    Wenn es sich um ein

    med.(!) begründetes Fallsplitting handelt, dass durch die Abrechnungsregeln legitimiert ist (Onkolog. DRG), dann gelten die

    Abrechnungsregeln.
    Med. Ethik und Business Ethik (Abrechnung) unterscheiden sich m. E nicht, es geht um persönliche Integrität und

    Rechtschaffenheit.


    Wiederaufnahme
    „Dagegen sollen bereits heute bestehende, sinnvolle Behandlungsketten mit mehreren

    Krankenhausaufenthalten durch entsprechende Kennzeichnung im Fallpauschalenkatalog von dieser Regelung ausgenommen werden, diese Ausnahmen

    gelten insbesondere für die Bereiche Geburtshilfe, Onkologie, HIV-Behandlung und Dialyse.“

    Seite 140, Tuschen,

    Krankenhausentgeltgesetz, Kohlhammer 2004


    Wer entscheidet was sinnvoll ist?
    Also geht es doch um ethische

    Beurteilungen!
    Medizin ohne Ethik ist keine gute Medizin.


    Danach folgt die Abrechnungssicht.


    Siehe

    auch:

    Die Therapiefreiheit des Arztes wird gemeinhin als Wesensmerkmal der ärztlichen Freiberuflichkeit begriffen. Sie umfaßt

    verschiedene Elemente wie die Entscheidung des "ob" und des "wie" der Therapiedurchführung sowie auch das Weigerungsrecht hinsichtlich

    solcher Methoden, die dem Gewissen des Arztes widersprechen
    Frauenarzt 2001


    Der MDK hat die ärztliche Therapiefreiheit zu

    respektieren. Sind beispielsweise zwei verschiedene Methoden zur stationären Therapie einer Erkrankung gleichermaßen anerkannt, von denen

    eine zu längeren, die andere zu kürzeren Behandlungszeiten führt, ist vom MDK und von der Krankenkasse auch die länger dauernde Behandlung zu

    akzeptieren

    SG Hannover, Urt. v. 28. 8. 2001 - S 11 KR 480/00


    Zitat


    Original von Breitmeier:
    Das

    Khs darf doch auch innerhalb der einen DRG den Patienten beurlauben, muß dies dann allerdings auf der Rechnung ausweisen( §8 KHEntgG ).


    Zum Thema Beurlaubung wird immer wieder auf die zweiseitigen Verträge §112 verwiesen
    Bsp. (Bayern): Vertrag gemäß

    §112 Abs. 1 SGB V -Allg. Bedingungen der Krankenhausbehandlung


    §11 Beurlaubung
    (1) Mit einer somatischen

    Krankenhausbehandlung ist eine Beurlaubung in der Regel nicht vereinbar.


    Gruß
    E

    Rembs

  • Guten

    Morgen!
    Wir neigen wahrscheinlich zu einer selektiven Wahrnehmung, je nachdem auf welcher man steht. Die Khs- Mitarbeiter bekommen sicher

    nur die negativen MDK- Gutachten zu sehen, der MDK erhält seine Fälle von der KK "vorgefiltert" ( jedenfalls sollte es so sein..), so daß

    hier dann in einem relativ hohen Prozentsatz Beanstandungen zu finden sind.
    Ich gestehe Ihnen Herr Rembs gerne zu, daß es medizinische

    Begründungen für eine Unterbrechung der stat. Behandlung gibt, insbesondere bei den zitierten schwer Kranken ( CA- Patienten, HIV...). Dann

    muß diese Begründung aber auch aus dem E-Brief oder den sonstigen Unterlagen hervorgehen.
    In der Mehrzahl der Fälle kann ich aber keine

    medizinische Begründung für ein Fallsplitting erkennen, sondern nur reine Gewinnmaximierung. Typisches Beispiel: Stat. Aufnahme einer Frau

    mit vaginalen Blutungen, Durchführung einer Ausschabung und präoperative Diagnostik, dann Entlassung am Freitag, Wiederaufnahme Montag zur

    Hysterektomie.
    Ich bezweifele auch weiterhin, daß medizinische und Business-Ethik in der Realität wirklich viel miteinander zu tun haben.

    Gerade die Khs in meinem Bereich, die bisher ihre operierten Patienten ( außer die FP )aus "medizinischen" Gründen länger stationär

    behandelten, haben jetzt auffallend kurze/ optimale Liegezeiten. Sollte sich hier unbemerkt wirklich in kürzester Zeit das perioperative

    Management so verbesset haben ??

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo,
    da ja hier die Chance besteht einen MDK-Gutachter direkt zu fragen...

    Wo steht

    geschrieben, dass diese Informationen im Arztbrief stehen müssen (genau wie ICD-10 und OPS-Codes, die auch im Arztbrief nichts zu suchen

    haben)?

    Eigentlich dient der Arztbrief doch alleinig zur Information des weiterbehandelnden Arztes?
    Also sind alle Informationen

    darüberhinaus komplett verzichtbar und müssen nur in der Krankenakte vollständig dokumentiert sein?

    Damit reicht natürlich eine

    Beurteilung des Falles alleine mit dem Arztbrief generell nicht aus...

    Wie ist hier die Rechtslage?

    Oder sehe ich da was

    falsch?

    Gruß
    --
    Thomas Lückert
    Medizincontrolling
    Johanniter-Krankenhaus im

    Fläming

    Thomas Lückert
    Stabsstelle Medizincontrolling
    Unfallkrankenhaus Berlin