"Nicht"-Kodierrichtlinie DKR 0042

  • Hallo NG, sehr geehrter Herr Sommerhäuser! Wäre es nicht besser, die jetzt ohnehin nicht mehr umkehrbare DRG-Einführung dazu zu benutzen, neben den zweifellos benötigten Abrechnungsinformationen auch valide medizinische Daten zu erheben? Dies erscheint selbstverständlich, wurde auch von den meisten Ärzten so erwartet, es zeigt sich jedoch, dass die Entwicklung in eine völlig andere Richtung zu gehen droht! Aus rein abrechnungstechnischen Gründen wird die Erhebung brauchbarer medizinischer Daten geradezu verhindert, es erschienen bereits die ersten offiziellen "Nicht"-Kodierrichtlinien (DKR 0042). Anstatt den Schlüssel dem medizinischen Alltag anzupassen, bleibt es nun jedem einzelnen Arzt oder Krankenhaus überlassen, - wie er etwa eine Statistik über die Anzahl der angelegten Gipsverbände - oder einen Ausbildungsnachweis über die erfolgten Sonografien erstellt, - wie er später recherchiert, ob ein Zusammenhang zwischen dem Legen einer Magensonde und der Häufigkeit von Krankenhausinfektionen bestand, - wie oft das Legen eines Blasenkatheters zur Erhöhung des Pflegeaufwandes führte, - wie oft externe Konsile nötig waren, etc., etc. - Sogar die tausendfach durchgeführten Heparininjektionen ließen sich letztlich zeitsparender über eine entsprechende OPS-Ziffer am Computer dokumentieren als in der Papierakte. Diejenigen, die weiterhin ausschließlich mit Papierakte dokumentieren wollen, müssten diese Prozeduren ja nicht unbedingt kodieren, aber diejenigen, die wirklich rationalisieren wollen, sollten daran auch nicht gehindert werden. Ab wann der allgemeine Ausrüstungsstand deutscher Krankenhäuser mit Computern es zuläßt, die Verschlüsselung solch häufiger oder meistens (?!) aus anderen Angaben erschließbarer Prozeduren auch zur Pflicht zu machen, ist eine ganz andere Frage. Wann das sein wird hängt aber nach meiner Einschätzung nicht vom Vorhandensein der Hardware ab, sondern von klaren Vorgaben für die Programmierer, und die DKR 0042 ist mit Sicherheit in dieser Beziehung keine Hilfe!! In einer Übergangszeit kann durch sehr einfache Maßnahmen ein Nebeneinander von weitgehend per EDV dokumentierenden Krankenhäusern (A) und sonstigen (B) ermöglicht werden, indem die DKR 0042 zur Kannbestimmung gemacht wird, nachdem alle dort genannten Prozeduren eine amtliche Schlüsselnummer erhalten haben. Die Anzahl der verpflichtend zu dokumentierenden Prozeduren kann dann schrittweise erhöht werden. Die für Abrechnungszwecke nicht verpflichtend zu dokumentierenden Prozeduren erhalten ein Kennzeichen, und werden, um den Vergleich zwischen A und B zu ermöglichen, bei der Abrechnung nicht berücksichtigt. Diese Idee der schrittweisen Verfeinerung ist schließlich ein Kernpunkt des DRG-Systems. Auf eine Diskussion freut sich Dr. Bernhard Scholz Chirurg DRG-Beauftragter der Kliniken gGmbH des Landkreises FRG

    [center] Bernhard Scholz [/center]

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Scholz:... Aus rein abrechnungstechnischen Gründen wird die Erhebung brauchbarer medizinischer Daten geradezu verhindert, es erschienen bereits die ersten offiziellen "Nicht"-Kodierrichtlinien (DKR 0042).

    ICD und OPS sind Krankheits-/ Prozeduren-Klassifikationssysteme und per se nicht für Abrechnungsfrtagen geschaffen, werden aber in Ermangelung anderer "Leistungsnachweise" faktisch dazu verwendet. In der DKR 0042 findet man ja auch den Hinweis [...]werden nicht verschlüsselt, da sich der Aufwand für diese Prozeduren in der Diagnose oder in den anderen angewandten Prozeduren widerspiegelt[...]

    Zitat

    Anstatt den Schlüssel dem medizinischen Alltag anzupassen, bleibt es nun jedem einzelnen Arzt oder Krankenhaus überlassen, - wie er etwa eine Statistik über die Anzahl der angelegten Gipsverbände

    Welchen Wert hat diese Erkenntnis ? Sie fordern beinahe eine Leistungserfassung für eine KT-Stückrechnung. Die Kosten für eine solche Leistungserfassung übersteigen bestimmt schnell den Nutzen. Das kann nicht sinnvoll sein, da die Krankenhäuser zu wirtschaftlichem Arbeiten verpflichtet sind.

    Zitat

    - oder einen Ausbildungsnachweis über die erfolgten Sonografien erstellt,

    Sinnvoll wäre das als Ausbildungsnachweis doch nur, wenn auch der Befund und die Fragestellung bei besagten Sonos mit abrufbar wären oder nicht ? Ansonsten erhalten Sie womöglich eine Liste mit 500 Sonographie-Codes, die von Dr. XYZ durchgeführt wurden. Als Ausbildungsnachweis etwas dürftig, wie ich finde...

    Zitat

    - wie er später recherchiert, ob ein Zusammenhang zwischen dem Legen einer Magensonde und der Häufigkeit von Krankenhausinfektionen bestand,

    Dazu müßten Sie die Kausalität zwischen beiden Variablen feststellen können (vielleicht hatte der Patient ja schon eine Infektion und bekam aus anderen Gründen eine Magensonde ?). Abgesehen davon, sollte man gewahr sein, daß die Daten Ihr Haus ja auch verlassen...

    Zitat

    - Sogar die tausendfach durchgeführten Heparininjektionen ließen sich letztlich zeitsparender über eine entsprechende OPS-Ziffer am Computer dokumentieren als in der Papierakte.

    Das - mit Verlaub - glaube ich nicht. Sicher korrelliert dies auch mit der dann zu verwendenden EDV-Lösung...:-)

    Zitat

    diejenigen, die weiterhin ausschließlich mit Papierakte dokumentieren wollen, müssten diese Prozeduren ja nicht unbedingt kodieren, aber diejenigen, die wirklich rationalisieren wollen, sollten daran auch nicht gehindert werden.

    Es hindert Sie ja auch niemand daran und - wo es sinnvoll, resp. praktikabel zu machen ist - stimme ich Ihnen auch zu. Allerdings halte ich es für illusorisch, zu versuchen, die papiergebundene Akte wegfallen lassen zu wollen, resp. zu können. Es sei denn, der zuständige Richter, z.B. in einem Arzthaftungsprozess ließe sich darauf ein, dass Sie ihm Ihre Festplatten als Beweismittel zuschicken... :)

    Zitat

    ...sondern von klaren Vorgaben für die Programmierer...

    Wie wahr, eigentlich sollte hinter jedem Programmierer ein(e) Arzt(in) / Pfleger(in) stehen, der die Programme erstmal auf Bedienbarkeit und Sinnhaftigkeit testet.

    Zitat

    ...Die Anzahl der verpflichtend zu dokumentierenden Prozeduren kann dann schrittweise erhöht werden. Die für Abrechnungszwecke nicht verpflichtend zu dokumentierenden Prozeduren erhalten ein Kennzeichen, und werden, um den Vergleich zwischen A und B zu ermöglichen, bei der Abrechnung nicht berücksichtigt...

    Wenn Sie Ihre Kollegen dahin knechten :) wollen, müssen Sie sich bestimmt irgendwann fragen lassen, wo der Nutzen ist (und diesen auch nachweisen) und ob der Stellenplan der jeweiligen Abteilung noch zeitgemäß ist (s. aktuelle Diskussion z. Arbeitszeitgesetz). Herzliche Grüße B. Sommerhäuser [ Dieser Beitrag wurde von Admin am 03.05.2001 editiert. ]

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag Herr Scholz und Herr Sommerhäuser,

    die Kritik an den Diagnosen-/Prozeduren Katalogen, sowie den Kodierrichtlinien ist berechtigt. Wenn man bedenkt, dass ca. 1.000 neue Schlüssel ausgereicht hätten, um den Ansprüchen des AR-DRG Systems zu genügen und im Bereich der Prozeduren alleine ca. 18.000 eingefügt wurden, stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit. Besonders dann, wenn extrem unsinnige Kodes, wie z.B. 1-100 = klinische Untersuchung, mit aufgenommen wurden. Der Hinweis von DIMDI, diesen Schlüssel nur dann zu benutzen, wenn einem Patienten kein anderer OPS-301 Kode zugewiesen werden kann, ist doch äußerst humorlos. Mann kann also z.B. keine Gipsverbände oder Röntgenaufnahmen bei Frakturen verschlüsseln (Gott sei dank!), da die Diagnose bereits diese Prozeduren impliziert. Aber die stationäre Aufnahme eines Patienten impliziert doch wohl mindestens genauso klar eine klinische Untersuchung, dies soll aber trotzdem verschlüsselt werden? Diese Arbeit erspare ich gerne den Ärzten/-innen unserer Kliniken.
    Ein weiteres Beispiel für ABM für kodierende Ärzte ist die Versorgung von Verbrennungen mittels Verband. Verbände sind nur kodierbar, wenn es sich um Verbrennungswunden handelt. Verbände, die vom Aufwand (und idealerweise vom Material) identisch sind, die Wunde jedoch nicht thermischen Ursprungs ist, können nicht verschlüsselt werden. Sinn? Das Vorliegen der Allgemeinen Kodierrichtlinien hilft da nicht wirklich, ob die Speziellen Kodierrichtlinien (wenn es sie überhaupt noch dieses Jahr geben sollte) alle offenen Fragen beantworten werden, dürfte doch eher unwahrscheinlich sein. Es zeigt sich z.B. auch ein Fehler in der nicht-zu-kodieren-Regel 0042: die Atemgasanalyse wird in der Tabelle als nicht kodierbar ausgewiesen. Das ist falsch, der Schlüssel existiert = 8-934.
    Diese unerbaulichen Zustände sind jedoch erklärbar: Die Zeitvorgabe für die Einführung der DRG-Systematik ist doch, gelinde gesagt, als sehr ehrgeizig anzusehen. Allein die Tatsache, dass die erhobenen Daten des laufenden Jahres zur Kalkulation herangezogen werden sollen, ist praktisch nicht durchführbar. Dies aus dem einfachen Grund, da faktisch noch keine Kodierrichtlinien vorliegen, die dem AR-DRG System zugeordnet sind. Die zur Zeit noch gültigen Richtlinien definieren die Hauptdiagnose deutlich anders, als die kommende Definition. Die Kodierrichtlinien werden aber erst dann verbindlich eingeführt, wenn auch die Speziellen Kodierrichtlinien vorliegen. Der logische Schluß daraus ist, dass erst Daten für die Kalkulation herangezogen werden können, die auf den gleichen Grundlagen (Definitionen, Kodierregeln) beruhen. Dies dürfte jedoch frühestens im letzten Quartal 2001 gewährleistet sein, wenn nicht sogar erst im Jahr 2002. Damit aber überhaupt mit dem DRG-System gearbeitet werden kann, mußten die Schlüsselkataloge angepaßt werden. Hier kommen die Fachgesellschaften ins Spiel. Die Angst im DRG-System unterbewertet zu werden, trieb vereinzelte FGs dazu, möglichst viele Leistungen abbildbar zu machen. Dadurch wurde der OPS-301 unsinnig aufgeblasen, was keinen wirklich glücklich gemacht hat. Wenn man bedenkt, dass es noch einige Platzhalterschlüssel gibt, die in den nächsten Versionen differenziert werden sollen, wird es noch eine Zunahme der Schlüsselanzahl geben. Im nächste Jahr werden wir mit Sicherheit wieder neue Kataloge vorliegen haben. Es ist zu hoffen, dass nicht nur Schlüssel hinzugefügt werden (was teilweise auch sinnvoll ist), sondern auch eine \"Gesundschrumpfung\" durchgeführt wird. Jeder kann Vorschläge und Kritik bei DIMDI hierzu einreichen. Man muß sich aber auch eindeutig vor Augen halten, wie Herr Sommerhäuser bereits erwähnte, dass die ICD-/OPS-Schlüssel nicht zur Kostenrechnung entwickelt wurden und diesem Anspruch auch nie genügen können. Anästhetische Leistungen sind z.B. eigentlich nicht abbildbar, also wäre über diesen Weg auch keine Darstellung der Patienten-/Diagnosen-/Prozeduren-bezogenen Leistungen möglich, daraus folgend keine Darstellung der Kosten.
    In meinen Augen sind die neuen Kataloge unreflektiertes Stückwerk, es blieb dafür aber auch nicht wirklich Zeit. Die Kodierrichtlinien sollten schon zu Anfang dieses Jahres vorliegen, aber auch dieser Termin konnte nicht eingehalten werden (wie eigentlich alle Termine, mit Ausnahme der termingerechten Einigung auf das AR-DRG System). Damit aber überhaupt den Häusern etwas an die Hand gegeben werden kann, sind die Allgemeinen Kodierrichtlinien verabschiedet und veröffentlicht, ohne jedoch, in Abwesenheit der Speziellen Kodierrichtlinien, verbindlich zu sein. Mittlerweile wird auch verhältnismäßig laut auf allen Ebenen über die Verlängerung der \"Budgetneutrale-Einführungsphase\" um ein weiteres Jahr nachgedacht. Meines Erachtens die logische Konsequenz aus den Terminschwierigkeiten.
    Es wird noch einige Zeit dauern, bis wir nicht mehr versuchen \"Australien\" zu spielen und unser G-DRG System über Try-And-Error entwickeln werden.

    Mit freundlichen Grüßen
    D. D. Selter
    Arzt, Leiter Med. Cont. Kliniken des MTK GmbH

  • Hallo NG, sehr geehrter Herr Sommerhäuser!

    Zitat

    Original von Admin:ICD und OPS sind Krankheits-/ Prozeduren-Klassifikationssysteme und per se nicht für Abrechnungsfrtagen geschaffen, werden aber in Ermangelung anderer "Leistungsnachweise" faktisch dazu verwendet.

    Ist mir bekannt. Nebenher verwenden wir zusätzlich EBM und GOÄ. Ein Katalog für alles wäre mir lieber.

    Zitat

    Sie fordern beinahe eine Leistungserfassung für eine KT-Stückrechnung.

    Das ist in einigen Krankenhäusern so üblich und erfolgt dann über einen extern (leider) nicht vergleichbaren Hauskatalog.

    Zitat

    Die Kosten für eine solche Leistungserfassung übersteigen bestimmt schnell den Nutzen.

    Das hängt natürlich vom verwendeten System der Leistungserfassung ab. Fragen Sie mal in der Industrie nach, wie es gehen könnte.

    Zitat

    Sinnvoll wäre das als Ausbildungsnachweis doch nur, wenn auch der Befund und die Fragestellung bei besagten Sonos mit abrufbar wären oder nicht?

    Richtig, so hätte ich das auch gemeint, durch Verwendung einer integrierten Software sollte das kein Problem sein.

    Zitat

    Original von Admin: Dazu müßten Sie die Kausalität zwischen beiden Variablen feststellen können (vielleicht hatte der Patient ja schon eine Infektion und bekam aus anderen Gründen eine Magensonde ?).

    Richtig, da schau ich dann nach ...

    Zitat

    Abgesehen davon, sollte man gewahr sein, daß die Daten Ihr Haus ja auch verlassen...

    Das ist jetzt eine längere Geschichte. Ich bin der Meinung, die Daten müssen das Haus nur unter bestimmten Voraussetzungen verlassen. Eine Änderung der §§ 295 und 301 SGB V ist aus Datenschutzgründen dringend erforderlich. Andererseits gibt es den § 137 SGB V über die QS bei FP/SE, wonach ich solche Daten sehr wohl anonymisiert weitergeben will und muss.

    Zitat

    Original von Admin:Das - mit Verlaub - glaube ich nicht. Sicher korrelliert dies auch mit der dann zu verwendenden EDV-Lösung...:-)

    Ich schon :) Nachdem Sie, lieber Herr Sommerhäuser, so eine gute Arbeit am Computer leisten, überrascht mich Ihre Einstellung etwas.

    Zitat

    Allerdings halte ich es für illusorisch, zu versuchen, die papiergebundene Akte wegfallen lassen zu wollen, resp. zu können. Es sei denn, der zuständige Richter, z.B. in einem Arzthaftungsprozess ließe sich darauf ein, dass Sie ihm Ihre Festplatten als Beweismittel zuschicken... :)

    Ich weiß, dass das ein heikles Thema ist, mehr dazu z. B. unter http://www.epa.de Wir müssen aber nicht jahrzentelang den Papierakten hinterhertrauern.

    Zitat

    Original von Admin:Wenn Sie Ihre Kollegen dahin knechten :) wollen, müssen Sie sich bestimmt irgendwann fragen lassen, wo der Nutzen ist (und diesen auch nachweisen) und ob der Stellenplan der jeweiligen Abteilung noch zeitgemäß ist (s. aktuelle Diskussion z. Arbeitszeitgesetz).

    Erstens rede ich von einer Kannlösung, das hat etwas mit freier Entscheidung zu tun und zweitens muss die Erfassung nicht immer der Arzt machen, auch wenn er die Verantwortung trägt. Mit freundlichen Grüssen Dr. Bernhard Scholz Chirurg DRG-Beauftragter der Kliniken gGmbH des Landkreises FRG

    [center] Bernhard Scholz [/center]

  • Sehr geehrter Herr Selter, Frage: Haben Sie die gültigen Schlüssel alle im Kopf? Können Sie sich weigern, zu verschlüsseln? Was ist unangenehmer und zeitaufwendiger: aus einem Katalog mit wohlsortierten 100.000 Endpunkten auf Anhieb den gewünschten Schlüssel zu finden oder in einem Schlüssel mit 10.000 Endpunkten nichts zu finden, und dann nach längerer Suche einen nichtssagenden Ersatzschlüssel oder eine Kombination mehrerer Schlüssel verwenden zu müssen, die so außer Ihnen niemand benutzt? Schauen Sie sich doch die Fragen in der DIMDI-ICD-10-Newsgroup an, womit haben die Kollegen denn ihre Probleme? Damit, dass sie nicht wissen, wie sie das, was sie ausdrücken wollen, verschlüsseln sollen. Antwort DIMDI: "es gibt dafür im OPS keinen Kode", "Die hier aufgelisteten diagnostischen Maßnahmen können und sollen mit dem OPS-301 nicht kodiert werden." etc. Wenn die Datenqualität aber so schlecht sein soll, dann würde ich doch gleich das folgende Verfahren empfehlen: Hängen Sie die Liste der vereinbarten 800 DRGs ins Arztzimmer und überlassen Sie es der Entscheidung des Arztes, den Patienten einer DRG zuzuordnen. Denken Sie über diesen Vorschlag einmal in Ruhe nach und erklären Sie mir dann, warum diese, zugegeben einfache Lösung nicht gewählt wurde. Weil das dann nichts mehr mit DRGs zu tun hätte, belesen Sie sich bitte, warum nicht. Dann bräuchten Sie allerdings auch keinen Grouper, könnten das System nicht verfeinern, alle würden Bescheid wissen, keiner würde Daten haben, so wie jetzt auch und das G-DRG-Experiment würde in ca 5 bis 7 Jahren unter laufendem Deckel beendet werden. Das hatten wir mit Fallpauschalen und Sonderentgelten doch alles schon einmal, oder? Deswegen mein Vorschlag: wenn schon diesen Riesenaufwand, dann bitte gleich richtig! Sehen S i e eigentlich irgendwelche Vorteile in einem DRG-System? Ich bisher eigentlich schon. Aber wie ich die Entwicklung so beobachte, wird aus meinen Hoffnungen wohl nicht viel werden. Mit freundlichen Grüßen Dr. Bernhard Scholz Chirurg DRG-Beauftragter der Kliniken gGmbH des Landkreises FRG

    [center] Bernhard Scholz [/center]

    • Offizieller Beitrag

    Sehr geehrter Herr Scholz,

    im Folgenden gehe ich auf Teile Ihres Beitrags direkt ein:

    ( Haben Sie die gültigen Schlüssel alle im Kopf? und: Können Sie
    sich weigern, zu verschlüsseln? )

    Ich glaube, dass sich die Antwort erübrigt.

    (Was ist unangenehmer und zeitaufwendiger: aus einem Katalog mit
    wohlsortierten 100.000 Endpunkten auf Anhieb den gewünschten
    Schlüssel zu finden oder in einem Schlüssel mit 10.000 Endpunkten
    nichts zu finden, und dann nach längerer Suche einen nichtssagenden
    Ersatzschlüssel oder eine Kombination mehrerer Schlüssel verwenden
    zu müssen, die so außer Ihnen niemand benutzt? Schauen Sie sich
    doch die Fragen in der DIMDI-ICD-10-Newsgroup an, womit haben die
    Kollegen denn ihre Probleme? Damit, dass sie nicht wissen, wie sie
    das, was sie ausdrücken wollen, verschlüsseln sollen. Antwort
    DIMDI: "es gibt dafür im OPS keinen Kode", "Die hier aufgelisteten
    diagnostischen Maßnahmen können und sollen mit dem OPS-301 nicht
    kodiert werden.")

    Sie haben mich anscheinend nicht richtig verstanden.
    Ich habe nicht von einer simplen Minimierung der Kataloge gesprochen, sondern von einer sinnigen Reduzierung um die völlig überflüssigen Kodes, bei gleichzeitiger Einfügung wichtiger fehlender Schlüssel. Wir widersprechen uns doch eigentlich gar nicht?!
    Haben Sie nicht die Erfahrung der doch eher eingeschränkten Akzeptanz gegenüber der neuen Kataloge in Ihrer Klinik gemacht? Diese resultiert genau aus der von mir beschriebenen Situation, dass völlig überflüssige Kodes vorhanden sind (z.B.1-100 und die meisten x./.y Kodes, die nur zur, von Ihnen schon angesprochenen, schlechten Datenqualität verleitet)und gleichzeitig kostenaufwendige Prozeduren nicht kodierbar sind. Darunter leidet letztlich die Motivation, da ja wohl unbestritten sein dürfte, dass der Arbeitsaufwand der Ärzte im administrativen Sektor deutlich zunimmt. Diese Erfahrung habe ich nicht nur in unseren Häusern gemacht, sondern in allen Kliniken in denen ich bis heute Vorträge oder Seminare über die neuen Kataloge und Kodierrichtlinien gehalten habe.
    Der von Ihnen angesprochene `wohlsortierte Katalog mit 100.000 Kodes` dürfte wohl noch ein bißchen auf sich warten lassen.

    (Wenn die Datenqualität aber so schlecht sein soll, dann würde ich
    doch gleich das folgende Verfahren empfehlen: Hängen Sie die Liste
    der vereinbarten 800 DRGs ins Arztzimmer und überlassen Sie es der
    Entscheidung des Arztes, den Patienten einer DRG zuzuordnen.)

    Die Datenqualität nimmt doch nur dann zu, wenn die Ärzte es wollen! Dies führt doch nur über den Weg der Motivation, also im ersten Schritt über die schon erwähnte Akzeptanz. Nur mit dem erhobenen Zeigefinger drohen:
    "Auch Ihr Arbeitsplatz hängt in Zukunft von der Datenqualität ab" kommt man nicht an das erwünschte Ziel.
    Datenqualität hängt aber auch direkt mit Datenquantität zusammen. Sollten wir auf die Idee kommen, nur noch die Prozeduren und Nebendiagnosen verschlüsseln zu lassen, die im AR-DRG System abrechnungsrelevant sind, werden wir immer nur dieses System reproduzieren und nie dem G-DRG System auf die Sprünge helfen. Da sind wir dann aber wieder beim Thema "Guter Katalog-Schlechter Katalog". Ich glaube aber, dass wir uns darüber einig sind.
    Abgesehen davon, haben die meisten Kliniken auch schon begriffen, dass neue Strukturen geschaffen werden müssen, um eine höchst mögliche Datenqualität zu erreichen. Ich in meiner und Sie in Ihrer Position sind Beispiele dafür.

    Glauben Sie an 800 DRGs??? Bis 2003 sollen die DRGs und Relativgewichte kalkuliert sein, trotz aller Terminverschiebungen. Da dürfen wir froh sein, wenn wir die 661 schaffen. Abgesehen von all den anderen offenen Fragen!

    Die Ärzte sind primär für die Leistungserfassung zuständig, bedeutet, Erhebung und Definition der Hauptdiagnose, Erfassung der relevanten Nebendiagnosen und der Prozeduren. Neben der noch immer existenten Versorgung der Patienten eine ausreichende Beschäftigung. Ich gehe mal davon aus, dass ihr Haus auch nicht auf die Idee kommen wird, die Ärzte DRGs festlegen zu lassen. So wird in anderen Ländern auch nicht verfahren, es wäre auch wenig ratsam.

    (Deswegen mein Vorschlag: wenn schon diesen Riesenaufwand, dann
    bitte gleich richtig! Sehen S i e eigentlich irgendwelche
    Vorteile in einem DRG-System? Ich bisher eigentlich schon. Aber wie
    ich die Entwicklung so beobachte, wird aus meinen Hoffnungen wohl
    nicht viel werden.)

    Ich denke, auch Sie wissen über die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen in den `großen DRG-Ländern` USA und Australien Bescheid. Die USA wundert sich darüber, dass andere Länder zur Kostenreduzierung ihr System übernehmen, wobei sie die weltweit höchsten Kosten in diesem Sektor haben und Australien freut sich darauf, an unseren kommenden Erfahrungen teilhaben zu dürfen.
    Es dürfte klar sein, dass es nun mal Einsparpotential in unserem Gesundheitswesen gibt. Die Hoffnung bleibt, das die Einführung des DRG-Systems die Guten belohnt, die Schlechten eben nicht. Aber in diesem Zusammenhang sollte man bedenken, dass nicht automatisch ein Haus mit suffizienter Datenlage medizinisch bessere Leistung erbringt, als ein Haus mit minderer Datenqualität. Natürlich ist aber letztlich jedes Haus selbst dafür verantwortlich und die Einführung der DRGs soll ja nun auch den Sozialdarwinismus in die Kliniklandschaft bringen.
    Das unser bisheriges System unzulänglich ist dürfte für niemanden eine neue Erkenntnis sein. Das DRG-System fordert ökonomisches Handeln, die Behandlungsqualität soll darunter aber nicht leiden.
    Es gibt sich doch aber eigentlich keiner der Illusion hin, dass die Kliniken in Zukunft mehr Geld bekommen werden, weil sie einen hohen CMI haben und im Vergleich zum bisherigen Budget DRG-bezogen mehr erhalten würden. Es läuft doch darauf hinaus, dass die "Guten" ausweislich ja schon vorher mit ihrem Budget ausgekommen sind und deswegen eben keine DRG-Budgeterhöhung erwarten können ( wo soll den bitte auf einmal das Geld herkommen, das ja nun mal eingespart werden soll? ). Die "Schlechten" haben aber freilich mit Budgetkürzungen zu rechnen (oder ärgerem).
    Eine einfache Umverteilung der Gelder würde keine Einsparung provozieren.
    Man muß auch bedenken, dass der Anspruch alle Leistungen in DRGs zu packen und abzurechnen in keinem Land der Welt in dieser Ausprägung existiert. Wie wir damit umgehen ist doch niemandem letztlich klar.
    Wir werden außerdem in Zukunft die Patienten früher entlassen, ein Verweildauerrückgang ist bis jetzt überall mit der DRG-Einführung einhergegangen. Die diese Patienten auffangenden Strukturen müssen ebenfalls dieser Entwicklung angepasst werden. Dies bedeutet automatisch eine höhere Kostenentwicklung in diesem Bereich.

    Ob die Einführung der DRGs wirklich den erhofften einsparenden Effekt haben wird, bleibt abzuwarten. In den USA hat es jedenfalls nicht dazu geführt. Falls Sie noch nicht den Krankenhaus-Report 2000 gelesen haben sollten, finden Sie interessante Meinungen und Daten hierzu besonders in Kapitel 3 (3.3.3.). Selbstverständlich haben wir andere Strukturen als in den USA, dennoch informativ.

    Ich glaube, wir sind prinzipiell der gleichen Meinung oder nicht?

    Mit freundlichen Grüßen
    D. D. Selter

  • Sehr geehrter Herr Selter,

    vielen Dank für die ausführliche (wenn auch nicht vollständige) Antwort.
    Meine Fragen sollen Sie bitte nicht so verstehen, dass ich dem DRG-System ablehnend gegenüber stehen würde. Ich bin nur sehr verwundert, wie schwer es doch ist, eine an sich so simple Idee in die Praxis umzusetzen. Irgendwie haben ja sehr viele Leute geradezu mit Begeisterung reagiert, als die DRGs angekündigt wurden, aber gegenwärtig herrscht offenbar eher Ratlosigkeit vor. Meine Frage, welche Vorteile Sie persönlich im DRG-System sehen, haben Sie in Ihrem Beitrag leider nicht beantwortet.

    Ich bin der Meinung, wir sollten uns als Ärzte gar nicht so sehr verunsichern lassen, sondern lieber eine gute Arbeit machen und zusehen, dass wir geeignete Kataloge an die Hand bekommen, um unsere Leistungen angemessen und vor allen Dingen eindeutig dokumentieren zu können. Alles andere sollte automatisch ablaufen. Das kann es aber nur, wenn die zugrunde gelegten Daten über jeden Zweifel hinsichtlich ihrer Qualität, also ihres Informationsgehaltes erhaben sind. Hier liegt die Verantwortung der Ärzte und hierauf lege ich bei meinen Schulungen auch den größten Wert. Solange die Rohdaten nicht eindeutig sind, kann man auch jede Auswertung anzweifeln und damit wird die Datenerhebung als Ganzes unbrauchbar und damit ist jede Motivation in Frage gestellt.

    Ich denke auch, dass Sie genau wie ich spüren, dass da etwas mit dem OPS-Schlüssel noch nicht stimmt. Trotzdem meine ich, dass ich meinen Standpunkt noch etwas genauer erklären sollte. Wenn Sie sich grundsätzlich entschieden haben, medizinische Daten aller Art (hier meine ich jetzt die geamte Krankengeschichte) in einer zeitgemässen Form zu erfassen, werden Sie einen Computer zu Hilfe nehmen. Davon gehe ich für meine Person jedenfalls aus. Sobald Sie eine Struktur in die Daten bringen wollen, werden Sie etwas anderes tun, als Papierdokumente nur einscannen oder Volltext speichern. Sie wollen z. B. ihre Dokumente inhaltlich miteinander vergleichen. Sehr hilfreich sind hier Schlagwörter. Man kann z. B. eine riesige Menge Ja/Nein-Abfragen machen, aber üblicherweise versucht man Listen zu verwenden, die selbst einer gewissen Systematik folgen, um eine Vielzahl von Ausprägungen recherchierbar zu machen. In unserem Fall Diagnosen und Prozeduren. Ich mache das primär nicht, um abzurechnen, sondern um medizinische Daten in eine verarbeitbare Form zu bringen. Ich mache das, um mit minimalem Aufwand meine Dokumentation nach Informationen durchsuchen zu können, um letztlich dann, wenn ich einen neuen Fall habe, sozusagen auf Knopfdruck eine Liste von früheren Fällen aufrufen zu können, die in möglichst vielen Merkmalen mit dem aktuellen Fall übereinstimmen und die ich dann mit ihren Volltextdokumenten ansehe.

    Und ich habe mir gedacht, dass dafür ein „guter“ Schlüssel nötig ist, also ein eindeutiger Schlüssel, aber auch ein vollständiger Schlüssel. Für Eindeutigkeit sorgt eine exakte, möglicherweise mehrzeilige Definition (da, wo es nötig ist, hier muß aber oftmals das KIS erst geändert werden, um diese Definitionen auch anzeigen zu können) und die Schaffung einer Referenz, die für alle beteiligten Ärzte immer verfügbar ist. Das könnte wie bei den Telefonbüchern durch jährlichen Austausch bewerkstelligt werden, sinnvoller wäre sicherlich die Verbreitung über EDV-Programme bzw. die Bereitstellung im Internet, so wie es das DIMDI seit geraumer Zeit tut. Damit das ganze anwenderbezogen funktioniert, könnte eine ziffernbezogene Kommentierung nach dem Beispiel einer Newsgroup zur Anwendung kommen, so dass beispielsweise jedes Jahr an einem Stichtag die Fachgesellschaften einen Überblick über „Wünsche und Anträge“ der Anwenderschaft hätte und damit die nächste Version amtlich machen könnte. Vollständigkeit kann ich zwar nie ganz erreichen, aber ich kann den Schlüssel bei Bedarf erweitern, wobei es selbstverständlich ist, auch für neue Schlüssel die vorgegebene Systematik der Begriffe zu beachten, um Schlüssel wiederzufinden. Das ist ja auch alles nicht neu. Wie oft genug bemängelt, hing die mögliche Verschlüsselungstiefe aber bisher davon ab, wie weit die jeweilige Fachgesellschaft sich engagiert hat. Wenn sie es nicht tat, haben sich einzelne Ärzte/Krankenhäuser mit individuellen Erweiterungen aus der Affäre gezogen, wobei vergleichende Auswertungen mit anderen Ärzten/krankenhäusern dann aber fast nicht mehr möglich sind.

    Bedenklicher als die Tatsache, dass bestimmte Schlüssel noch differenzierter werden müssten, halte ich die Tatsache, dass ganze Kapitel des ICPM für den OPS nicht zur Verfügung stehen. Hier wäre auf einen Schlag eine sehr sinnvolle Erweiterung möglich, ebenso mit den ggf. so im OPS noch nicht berücksichtigten Prozeduren, für die es EBM- und/oder GOÄ-Ziffern gibt.

    Das Kriterium für die Aufnahme- oder Nichtaufnahme eines Tatbestandes in den Schlüssel kann nur der Bezug zur ärztlichen Tätigkeit sein. Eine Grenze für die Verschlüsselungstiefe vorher festzulegen, ist nach meiner Ansicht sehr problematisch und sogar falsch. Auch die Frage, wie viele Anwender nun diesen Schlüssel benötigen ist nebensächlich, wer ihn nicht benötigt, muss ihn ja nicht benutzen (vorausgesetzt, man erspart sich so unsinnige Kodierregeln, dass jeder jeden möglichen Schlüssel benutzen muß!). Das soll nicht heißen, dass es beliebig wäre, was der Einzelne verschlüsselt.

    Die Regel sollte lauten: Was geeignet ist, die DRG zu begründen, d a r f verschlüsselt werden, wenn es den Tatsachen entspricht.

    Daraus folgt zwingend, dass ich den Grouperalgorithmus jedem Arzt zugänglich machen muss, damit er selber sieht, ob der in Frage stehende Schlüssel abrechnungsrelevant ist. Abrechnungsrelevant sind doch je nach DRG andere Diagnosen und Prozeduren. Auch die CCL-Listen müssen offen liegen. Alles das muß wie der Schlüssel regelmäßig aktualisiert werden. Ein neuer Schlüssel führt aber nicht zwangsläufig zu einem anderen Grouperalgorithmus. In den meisten Fällen dient er nur der Klarheit und Strukturierung der medizinischen Dokumentation. Auf statistischem Wege ließe sich natürlich prüfen, ob zu einer gegebenen DRG bestimmte weitere Informationen auffällig sind, z. B. Diagnosen oder Prozeduren, die im Rahmen der Qualitätssicherung erfasst werden mussten. Diese sollten nach meinem Dafürhalten ebenso verschlüsselt und dem DRG-Institut zugeschickt werden und würden damit eine gesonderte Datenerfassung im Prinzip erübrigen (die Auswertungen würden etwas anders aufgebaut werden als derzeit für § 137).

    Für die Verschlüsselung von Diagnosen und Prozeduren können ausser der Erlösrelevanz eine Reihe von Gründen sprechen: Kostenrelevanz (was nicht identisch mit Erlösrelevanz ist), Qualitätssicherungsvorschriften, klinische Studien, Behandlungspfade (Richtlinien/Leitlinien), Ausbildungskataloge. Warum soll hier jedesmal ein anderes System verwendet werden? Es macht doch viel eher Sinn, eine einheitliche Sprache zu sprechen, nämlich die der Mediziner.

    Wenn man nun den Ärzten noch die Möglichkeit gibt, mit den von Ihnen selbst erfassten Daten auch zu arbeiten, d. h. Ergebnisse zu sehen, wenn es möglich wird, einen besseren Informationsfluß, eine bessere Verfügbarkeit der Daten zu gewährleisten, läßt sich auch die Motivation verbessern, ich denke sogar, dass dann eine Verbesserung der Dokumentation erstens überhaupt möglich und zweitens sogar von den Ärzten selbst gewollt wird.

    Vielleicht habe ich ihnen hiermit nur Selbstverständlichkeiten erzählt, aber falls es sich um Selbstverständlichkeiten handeln sollte, sollte man sie auch in die Praxis, d. h. in die Software umsetzen.

    Wir müssen nicht unbedingt der gleichen Meinung sein, aber vielleicht stimmen Sie mir in den genannten Punkten zu.

    Mit freundlichen Grüssen

    Bernhard Scholz

    [center] Bernhard Scholz [/center]

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag Herr Scholz,

    nachdem eben meine bereits verfaßte Antwort auf Ihren letzten Beitrag gelöscht wurde und ich nur durch sofort eingeleitete orientalische Atemtechniken eine direkte und finale Attacke auf meinen PC verhindern konnte, beginne ich nun von vorne.X(

    Sie erwähnten zum Schluß mögliche Selbstverständlichkeiten. hier liegt schon eines der Hauptprobleme: Sie gibt es nicht!
    Bis jetzt ist doch nur klar, dass wir die AR-DRGs für unsere Zwecke nutzen dürfen, dass wir die Schlüsselkataloge in unglücklicher Form der Systematik angepaßt haben, dass wir häppchenweise Kodierrichtlinien erhalten, dass es mittlerweile ein DRG-Institut gibt, welches mit hochgerechneten 90 Pf. pro Fall finanziert wird, dass die Pretestphase zur Kalkulation begonnen hat, dass es Zu-und Abschläge (ohne sie wirklich zu definieren) geben wird und dass letztlich die Terminvorgaben für die Umsetzung von Teilschritten grundsätzlich nicht eingehalten werden (können). Sollte ich etwas vergessen haben?

    Sie hatten angemerkt, ich sei auf die Frage nach den Vorteilen der DRG-Systematik nicht eingegangen. Deswegen möchte ich dies in Kürze tun.

    Auch wenn meine oben aufgeführte Kritik an der Umsetzung ablehnend klingt, bin ich trotzdem ein Befürworter der DRG-Einführung.
    Finanzielle Seite:
    Die Leistungserbringer werden durch die Pauschalisierung der stationären Fälle zur effizienteren Erbringung ihres "Produkts" gezwungen. Ein finanzieller Anreiz für unnötige Einzelleistungen, die nicht der Gesundung des Patienten dienen, ist nicht gegeben. Eine unnötig lange Hospitalisierung ist ebenso ohne monetären Vorteil. Ich setze selbstverständlich voraus, dass nötige Behandlungen und diag. Maßnahmen auch trotz des Ökonomisierungszwangs immer durchgeführt werden! Sollten also Einsparpotentiale durch die effizientere Erbringung der zur Behandlung nötigen Einzelleistungen resultieren, so ist die DRG-Systematik ein willkommenes Instrument(dafür wurden die DRGs letztlich auch von uns eingekauft).
    Wenn die Leistungserbringer zum kosteneinsparenden Handeln gezwungen werden, muß dies aber auch auf der Seite der Sozialleistungsträger passieren!
    Medizinische Seite:
    Ich erhoffe mir von der DRG-Systematik eine Steigerung der Behandlungsqualität. Dies, einerseits durch die immer weiter in den Vordergrund drängende Qualitätssicherung (Zertifizierung, auch als legale Eigenwerbung), andererseits durch die Implementierung von Clinical Pathways/Behandlungspfade. Die Behandlungspfade sollten die Durchführung nötiger diag. Maßnahmen und Behandlungen, unabhängig vom Ausbildungsstand des Anwenders, sichern und gleichzeitig die sinnvolle und effiziente zeitliche Verknüpfung der Leistungen erwirken. So stelle ich es mir jedenfalls vor.

    Dies in gebotener Kürze zu den Vorteilen der DRGs.

    Ich möchte noch ein mal betonen, dass ich keinen wirklichen Unterschied in unseren prinzipiellen Ansichten zu sehen vermag.
    Ich halte jedoch Ihren Anspruch auf ein alles umfassendes und darstellendes Schlüsselwerk für die Prozeduren (der ICD-10 ist ja nicht das Problem)für nicht realisierbar. Auch wenn Sie richtig anmerken, dass mittlerweile EDV-technisch verschlüsselt wird (werden sollte), so bedeutet ein Schlüsselsatz in dem von Ihnen geforderten Maß eine weiter Arbeitszeitbelastung für die Ärzte. Wenn Sie heute ein Stichwort in die Verschlüsselungs-Software eingeben, erhalten Sie einen Rattenschwanz von möglichen Varianten. Das Suchen nach der richtigen Variante ist doch das, was Zeit kostet. Ob da eine bis auf den letzten Handschlag ausdifferenzierte Variante nützlich ist, bezweifle ich eben. An diesem Punkt haben wir unterschiedliche Auffassungen.
    Dann schreiben sie aber:

    "Die Regel sollte lauten: Was geeignet ist, die DRG zu begründen, d a r f verschlüsselt werden, wenn es den Tatsachen entspricht."

    und

    "Daraus folgt zwingend, dass ich den Grouperalgorithmus jedem Arzt zugänglich machen muss, damit er selber sieht, ob der in Frage stehende Schlüssel abrechnungsrelevant ist. Abrechnungsrelevant sind doch je nach DRG andere Diagnosen und Prozeduren. Auch die CCL-Listen müssen offen liegen."

    Wenn Sie dies auch so meinen, reicht der jetzige Katalog aus, da die DRG relevanten Leistungen abbildbar sind. Außerdem provozieren Sie doch damit genau das, was Sie doch eigentlich mit Ihrem umfassenden Prozedurenkatalog verhindern wollen, nämlich, eine nur abrechnungsrelevante Datenerhebung! Abgesehen davon zeigt einem die Kodier-Software doch schon an, ob die Diagnose einen CCL>0 hat (unsere jedenfalls).
    Natürlich können Sie jetzt sagen, dass wir noch nicht das G-DRG System haben und momentan nur australische Wertungen reproduzieren, dennoch bin ich der Meinung, dass wir nicht erheblich von der DRG-Anzahl 661 der Australier entfernt sein werden. Ich persönlich sehe nicht so sehr zu wenig A-DRGs, würde mir jedoch eine Reduzierung der 213 nicht nach Ressourcenverbrauch unterschiedenen DRGs wünschen. Die ausstehenden Kalkulationen werden hoffentlich Inhomogenitäten darstellen und entsprechende Anpassungen ermöglichen.

    Auch diesmal bin ich bestimmt nicht auf all Ihre Anmerkungen eingegangen, mein ungewollter Datentransfer in den Papierkorb limitiert meine Zeit nachhaltig!

    Ich möchte Ihnen abschließend noch zu Ihrer eigenen Seite alles Gute wünschen, auch dort schaue ich ab jetzt immer mal rein.

    Viele Grüße
    D. D. Selter

  • ** Sehr geehrter Herr Selter,

    > nachdem eben meine bereits verfaßte Antwort auf Ihren letzten Beitrag gelöscht wurde...

    ** Sie haben mein Mitgefühl, nachdem ich heute morgen, ebenfalls unter Zeitdruck, unter einem Speicherparitätsfehler gelitten habe (Win 98 --> RESET), stellte sich vorhin immerhin heraus, dass MS-Word meine Datei wiederherstellen konnte. Tipp für Sie: Längere Texte nie online schreiben, regelmässig zwischenspeichern, den fertigen Beitrag mit Copy/Paste online einfügen.

    > dass letztlich die Terminvorgaben für die Umsetzung von Teilschritten grundsätzlich nicht eingehalten werden (können)

    ** Bereits im August 2000 hatte die ID-Berlin eine Übersetzung der australischen Kodierregeln anbieten wollen, man hat sie aber nicht lassen... Man hätte, auch ohne Englischkenntnisse und unter Verzicht auf viele Informationsveranstaltungen erkennen können, dass DRGs absolut einfach funktionieren.

    ** Da eine Budgetneutralität (schlimmes Wort) für die nächsten Jahre sicher ist, hätte man ohne irgendjemandem weh zu tun, ab 1.1.01 tatsächlich anfangen können, wenn man nicht nur den australischen ICD-10 für Diagnosen, sondern auch den ICD-10-AM für Prozeduren und das gesamte Regelwerk übersetzt hätte.

    ** Aber vielleicht gelingt uns dieser Schritt ja nun mit 12 Monaten Verspätung oder irgendwann.

    > dass wir die Schlüsselkataloge in unglücklicher Form der Systematik angepaßt haben, dass wir häppchenweise Kodierrichtlinien erhalten, dass es mittlerweile ein DRG-Institut gibt, welches mit hochgerechneten 90 Pf. pro Fall finanziert wird, dass die Pretestphase zur Kalkulation begonnen hat, dass es Zu-und Abschläge (ohne sie wirklich zu definieren) geben wird und. Sollte ich etwas vergessen haben?

    ** Vielleicht geht’s ja doch irgendwann richtig los.


    > Wenn die Leistungserbringer zum kosteneinsparenden Handeln gezwungen werden, muß dies aber auch auf der Seite der Sozialleistungsträger passieren!

    ** Was sollten nach Ihrer Meinung die Sozialleistungsträger anders machen?
    Meine Meinung zu diesem Thema finden Sie unter
    http://www.drg-forum.freewebspace.com/jacob.htm


    > (der ICD-10 ist ja nicht das Problem)

    ** Der ICD-Schlüssel wurde lediglich schon öfter überarbeitet, muss aber für DRG-Zwecke auch in Zukunft jährlich überarbeitet werden (s. a. Datensatzbeschreibungsentwurf vom 8.5.01 „Schlüsselversion“, weil vorauss. jedes Jahr anders). Dieses tun selbstverständlich auch die Australier. Dort gibt es inzwischen bereits AR-DRGs 4.2.

    ** Ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass auch der Prozedurenschlüssel erweitert werden wird.

    > Ich halte jedoch Ihren Anspruch auf ein alles umfassendes und darstellendes Schlüsselwerk für die Prozeduren für nicht realisierbar. Auch wenn Sie richtig anmerken, dass mittlerweile EDV-technisch verschlüsselt wird (werden sollte), so bedeutet ein Schlüsselsatz in dem von Ihnen geforderten Maß eine weiter Arbeitszeitbelastung für die Ärzte. Wenn Sie heute ein Stichwort in die Verschlüsselungs-Software eingeben, erhalten Sie einen Rattenschwanz von möglichen Varianten. Das Suchen nach der richtigen Variante ist doch das, was Zeit kostet. Ob da eine bis auf den letzten Handschlag ausdifferenzierte Variante nützlich ist, bezweifle ich eben. An diesem Punkt haben wir unterschiedliche Auffassungen.

    ** Das erklär ich Ihnen dann später mal ;) siehe auch http://64.65.11.3/article.php3?id=748&group=dimdi.news.icd10

    > Dann schreiben sie aber:

    > "Die Regel sollte lauten: Was geeignet ist, die DRG zu begründen, d a r f verschlüsselt werden, wenn es den Tatsachen entspricht."

    > und

    > "Daraus folgt zwingend, dass ich den Grouperalgorithmus jedem Arzt zugänglich machen muss, damit er selber sieht, ob der in Frage stehende Schlüssel abrechnungsrelevant ist. Abrechnungsrelevant sind doch je nach DRG andere Diagnosen und Prozeduren. Auch die CCL-Listen müssen offen liegen."

    ** Diese Transparenz gehört einfach zum DRG-System dazu.

    > Wenn Sie dies auch so meinen, reicht der jetzige Katalog aus, da die DRG relevanten Leistungen abbildbar sind. Außerdem provozieren Sie doch damit genau das, was Sie doch eigentlich mit Ihrem umfassenden Prozedurenkatalog verhindern wollen, nämlich, eine nur abrechnungsrelevante Datenerhebung! Abgesehen davon zeigt einem die Kodier-Software doch schon an, ob die Diagnose einen CCL>0 hat (unsere jedenfalls).
    Natürlich können Sie jetzt sagen, dass wir noch nicht das G-DRG System haben und momentan nur australische Wertungen reproduzieren, dennoch bin ich der Meinung, dass wir nicht erheblich von der DRG-Anzahl 661 der Australier entfernt sein werden. Ich persönlich sehe nicht so sehr zu wenig A-DRGs, würde mir jedoch eine Reduzierung der 213 nicht nach Ressourcenverbrauch unterschiedenen DRGs wünschen. Die ausstehenden Kalkulationen werden hoffentlich Inhomogenitäten darstellen und entsprechende Anpassungen ermöglichen.

    ** Wenn die Ärzte einmal verstanden haben, dass das Erfassen von Diagnosen und Prozeduren zu wesentlich mehr Dingen von Nutzen ist, wie für Abrechnungszwecke, werden sie es auch ganz anders einsetzen, die Abrechnungsdaten fallen dann als „Abfall“ an.

    > Ich möchte Ihnen abschließend noch zu Ihrer eigenen Seite alles Gute wünschen, auch dort schaue ich ab jetzt immer mal rein.
    ** Dort ist bisher leider noch sehr wenig los, aber ich bemühe mich, auch auf den anderen Seiten präsent zu sein.

    ** Mit freundlichen Grüssen

    ** Bernhard Scholz

    [center] Bernhard Scholz [/center]

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag Herr Scholz,

    ich denke, dass wir am Ende der Diskussion bezüglich der Kodierungsnöte sind. Natürlich bedeutet das nicht, dass damit die Fragen geklärt sind.
    Selbstverständlich erfolgen Änderungen der Kataloge (jährlich geplant), ansonsten wäre das noch nicht existente G-DRG-System schon vor seiner Geburt zur Retardation verurteilt.
    Über das Wie und vor allem über das Wieviel werden in Zukunft sich auch noch Andere "streiten".

    Ihre Vision von administrativ motivierten Ärzten, die aus einem Alles-umfassenden-Prozeduren-/Diagnosenschlüsselsatz schöpfend, die zur Abrechnung nötigen Daten als Abfallprodukt liefern nehme ich auch in meine Wunschliste fürs nächste Fest auf ;).
    Bis zum nächsten Mal!

    Mit freundlichen Grüßen
    D.D.Selter

  • Guten Tag und Grüß Gott Herr Selter,

    Sie schrieben:
    "Ihre Vision von administrativ motivierten Ärzten, die aus einem Alles-umfassenden-Prozeduren-/Diagnosenschlüsselsatz schöpfend, die zur Abrechnung nötigen Daten als Abfallprodukt liefern nehme ich auch in meine Wunschliste fürs nächste Fest auf ;)."

    Ich kann mich nicht erinnern, in der letzten Zeit "administrativ motivierte Ärzte" getroffen zu haben. Aber als DRG-Beauftragter von 3 Kliniken habe ich von meinem Geschäftsführer den Auftrag, die Ärzte trotz unzureichender EDV und absolut unzureichender Personaldecke zum dokumentieren zu motivieren.

    Mit einem Wunsch ans Christkind ist es da sicherlich nicht getan.

    Ist es denn wirklich so weltfremd, einen Computer als Arbeitshilfe zu betrachten? Ich habe da in der Vergangenheit durchaus gute Erfahrungen gemacht, z. B. mit der Einführung einer DOS- (Clipper-)basierten elektronischen Karteikarte (Praxissystem) auch im Krankenhaus. Hiermit könnte man meine Forderungen an eine Arzt-EDV aus dem Stand heraus verwirklichen. Leider wurde das Praxissystem vor 4 Jahren zugunsten eines KIS aufgegeben, in dem der administrative Bereich zumindest gegenwärtig absolut im Vordergrund steht.

    Ich weiss nicht, wie Sie es halten, aber ich hätte da schon noch ein paar Verbesserungsvorschläge zu machen, nicht beim Christkind, sondern bei der Selbstverwaltung und natürlich auch bei den Softwarefirmen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Bernhard Scholz
    Chirurg
    DRG-Beauftragter der Kliniken gGmbH des Landkreises FRG


    [ Dieser Beitrag wurde von Scholz am 03.06.2001 editiert. ]

    [center] Bernhard Scholz [/center]