Komplikation als Nebendiagnose

  • Hallo Forum,

    ich bin bei einem Unfallversicherungsträger für die Prüfung und Erstattung von Krankenhausrechnungen zuständig und habe folgendes Problem.

    Bei einem chirurgischen Eingriff ist es infolge einer Fehllage der Venenverweilkanüle zur paravasalen Injektion von Narkotika gekommen. Daraufhin wurde der Patient postoperativ auf der Intensivtherapiestation überwacht. Als Nebendiagnose wurde uns die T81.8 angegeben. Diese erhöht beträchtlich die DRG.

    Da es sich hier m. E. um einen ärztlichen Fehler handelt, ist meine Frage, ob die Angabe und damit die in Rechnungstellung der Nebendiagnose gerechtfertigt ist und der zuständige Kostenträger diese Kosten übernehmen muss.

    Gibt es dazu schon Erfahrungen ?

    Viele Grüße

    Tina

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag Tina,

    die \"Schuldfrage\" wird bei der Kodierung nicht zu Rate gezogen. Einzig die Tatsache, ob eine Komplikation aufgetreten ist und eine Relevanz im Sinne der DKR D003b Nebendiagnosen (Therapie, Diagnostik, Pflege-Überwachungsaufwand) resultiert, verpflichtet zur Kodierung.

    Wenn hier also ein erhöhter Überwachungsaufwand und ggf. Therapie durchgeführt wurde, muss es kodiert werden. Allerdings ist hier eher T80.8 \"Sonst. Komplik. nach Infusion, Transfusion, Injektion zu therapeut. Zwecken\" zu benutzen.

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Moin, Tina.

    Auch bei Komplikationen muß man sich an die Kodierrichtlinien halten:

    D003b Nebendiagnosen
    Die Nebendiagnose ist definiert als:
    „Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose
    besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt.”
    Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das
    Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren
    erforderlich ist:
    • therapeutische Maßnahmen
    • diagnostische Maßnahmen
    • erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand

    Den erhöhten Aufwand haben Sie ja schon beschrieben, folglich ist die Kodierung von T81.8 korrekt.

    Eine ganz andere Frage ist, ob der Kostenträger das Krankenhaus (mit wohl sehr fraglichem Erfolg) später in Regreß nehmen will.

    Uwe Lehmann
    Chirurg

  • Hallo Tina et al.,

    was das Paravasat angeht, ist schon wie von den anderen berichtet wurde, kein Kunstfehler anzunehmen. So etwas kann bei kunstgerechter Anwendung immer vorkommen.

    Die Kodierung ist komplexer, was durch die unterschiedlichen Meinungen T81.8 und T80.8 schon angedeutet wurde. Es stehen nämlich noch ein paar mehr Alternativen zu Debatte.

    Neben den Codes aus T41/42.ff stehen ferner die Codes T81.8; T80.8; T81.7 (nach Exclusivum bei T80.1; man beachte aber auch das letzte Exclusivum bei T80ff; aber bei T81.7 wird im Falle einer Embolie auf T80.0 – Luftembolie – verwiesen, was sicherlich nicht stimmt); aber auch T88.6 (nach Exclusivum bei T80.5; je nach Grund für die Intensivüberwachung) und T81.2 als Ursache für das Paravasat zur Verfügung und man den Katheter nicht so eng sieht und die Verweilkanüle in seine Nähe bringt). Selbst die T88.5 steht zur Diskussion. Da alle diese Codes den Sachverhalt nicht komplett wiedergeben, wäre je nach der Situation im Krankenblatt sogar eine Kombination aus mehreren ICD-Codes zu diskutieren. Auf Grund der Exclusiva bei T81ff mit Verweis auf die T80ff kommt aber die T81.ff nicht in Frage.

    Nach einiger Überlegung scheint mir, wenn das Krankenblatt es hergibt, die Kombination aus. http://T41.ff/T42.ff + T80.8 + T88.5 am plausibelsten und am wenigsten falsch zu sein.

    Mit freundlichen Grüßen

    Thomas Winter
    Berlin

  • :sonne: Hallo Forum,
    Vielen Dank an alle, die mir geantwortet haben.

    Nach Diskussion mit meinen Kolleginnen haben wir uns entschlossen, dem Krankenhaus die Variante T88.5 im Zusammenhang mit T41.1 anzubieten.

    Das Krankenhaus ist nicht ganz mitgegangen, sondern hat nun die T80.8 abgerechnet.

    Als Ergebnis ist aber dieselbe DRG, nämlich die I27B statt der I27A, festgestellt worden.

    Ich freue mich jedenfalls über die Hilfe, die mir zuteil wurde und verabschiede mich jetzt beruhigt in den Urlaub.

    Viele Grüße und ein schönes Wochenende für Alle

    Tina

  • Dass es sich bei der paravasalen Injektion eines Anästhetikums
    um eine Vergiftung (ICD T41.1)handeln soll, da habe ich allerdings
    etwas Zweifel! Meines erachtens trifft hier ICD T88.5
    auch nicht zu! Hier wird eine Komplikation als Folge einer
    geglückten Anästhesie beschrieben, also keine paravasale Injektion!
    Gruß
    Ordu

  • Hallo Tina, hallo Ordu,

    eine Vergiftung ist nicht immer im Zusammenhang mit Gifteinnahme zu sehen. Wie heißt es so schön „Dosis fecit remedium“. Wenn es infolge einer Kanülenfehllage zu einem Paravasat kam – es sagt niemand, daß die volle Dosis daneben ging -, muß zwangsläufig unbemerkt eine höhere Dosis als üblich gegeben werden, um eine Narkose zu erreichen. Eine wenn auch unbemerkte Überdosierung (das Pasavasat wird letztlich langsam resorbiert und wirkt demzufolge verzögert) ist durchaus eine „Vergiftung“ im medizinischen Sinne und hat mit einer kriminellen Vergiftung oder einem Kunstfehler nichts zu tun. Also muß die T41.1 durchaus nicht falsch sein. Das Gleiche gilt für die T88.5, denn die Komplikation ist eine Komplikation im Zusammenhang mit der Narkose, denn sie dürfte eindeutig länger als üblich gedauert haben oder eine verlängerte Aufwachphase gehabt haben.

    Aber auch Tina ist meines Erachtens etwas über das Ziel hinausgeschossen, denn ohne Einsichtsmöglichkeit in das Krankenblatt würde ich keine definitiven Codierungen vorschlagen, sondern lediglich die Klinik bitten, die Codierung zu überprüfen oder den MDK damit zu beauftragen, der ja auch Untercodierungen überprüfen soll, denn die T80.8 allein, wie es das Krankenhaus dann angab scheint mir unabhängig vom Groupen auch etwas wenig zu sein.

    Mit freundlichen Grüßen
    Thomas Winter
    Berlin

    • Offizieller Beitrag
    Zitat


    Original von winterth:
    Aber auch Tina ist meines Erachtens etwas über das Ziel hinausgeschossen, denn ohne Einsichtsmöglichkeit in das Krankenblatt würde ich keine definitiven Codierungen vorschlagen, sondern lediglich die Klinik bitten, die Codierung zu überprüfen oder den MDK damit zu beauftragen, der ja auch Untercodierungen überprüfen soll, denn die T80.8 allein, wie es das Krankenhaus dann angab scheint mir unabhängig vom Groupen auch etwas wenig zu sein.

    Hallo Herr Winter,

    Zitat


    Original von tina:
    ich bin bei einem Unfallversicherungsträger für die Prüfung und Erstattung von Krankenhausrechnungen zuständig ...

    Hier ist der MDK nicht zuständig und die Prüfer haben in der Regel die Unterlagen, bzw. können diese anfordern.

    Für mich ist mit T80.8 \"Sonst. Komplik. nach Infusion, Transfusion, Injektion zu therapeut. Zwecken\" eigentlich ausreichend kodiert.
    Aber das wäre doch eine nette Anfrage beim InEK wert, vielleicht möchte sie ja dort jemand mal stellen?

  • Hallo Herr Selter,

    vielen Dank für Ihren Hinweis mit dem Unfallversicherungsträger, das fiel mir gestern Abend nicht mehr ein. Heute Morgen schon, aber Sie waren schneller. Nochmals danke.

    Was die alleinige T80.8 angeht, denke ich, daß man so genau wie möglich im Sinne des Wiederfindens kodieren sollte, schließlich wollen wir bei all dem Zwang, den man uns auferlegt, auch Informationen gewinnen. Solange die Kodierrichtlinien nicht ausdrücklich dagegen sind und bei der TEP-Luxation als Komplikation werden ja auch 2 Codes angegeben (Komplikation und welche), warum nicht hier auch.

    Sollten die Kodierrichtlinien eines Tages etwas anderes vorschreiben, würde ich hausintern trotzdem dabei bleiben wollen und lediglich den/die dann \"verbotenen\" Code(s) markieren und vom Groupen ausnehmen.

    Dies ist jedenfalls meine Meinung. Es gibt sicherlich auch andere.

    Mit freundlichen Grüßen

    Thomas Winter
    Berlin