Beatmung und Entwöhnung

  • Hallo liebe Kodierer im Lande,
    hatte gestern Besuch von den Unparteiischen und jetzt ein Beatmungsstundenproblem.
    Folgender Fall:
    Laut DKR 1001 zählt die Dauer der Entwöhnung zur Beatmungszeit.
    Werden da alle Stunden bis zur entgültigen Entwöhnung gezählt oder nur die Phasen in der der Patient wieder die Maschine braucht.
    Also z.B. tagsüber atmet der Patient selbst (O2-Maske o.ä.) und nachts oder bei Erschöpfung wieder CPAP oder \"richtige\" Beatmung.
    Sind das 24 Stunden, die als Entwöhnung dazugezählt werden oder z.B. nur Nachts 12 h die addiert werden?????
    :a_augenruppel:

    Vielen Dank schon mal für Tipps.

    P.S.: In der Suche habe ich nur sehr alte Threads gefunden.

    Viele Grüße aus Sachsen
    D.Zierold

  • Hallo Frau Zierold,

    es gibt dazu keine wirklich \"harten\" Informationen (sehen Sie mal in der Fachliteratur der Intensivmediziner nach, was da so alles unter Weaning subsummiert wird).
    Wir halten es so, daß zur Entwöhnung, die Zeit gerechnet wird, die entweder mit Tubus, Tracheostoma oder per Maske mit einem Entwöhnungsmodus (z.B. CPAP +/- ASB etc.) zugebracht wird. Reine Sauerstoffapplikation über offene Maske ist kein Beatmungs- oder Entwöhnungsverfahren (wenngleich der Anästhesist es zum \"respiratorischen Support\" zählen würde). Wenn Sie so wollen, muß sich die Invasivität schon an ein wenig Druck- oder Flowdifferenz festmachen.
    Ob Sie es so genau machen, daß Sie bei einem Patienten der sich respiratorisch 10 Minuten nach Extubation so dramatisch verschlechtert, daß Sie ihn reintubieren und beatmen müssen, dann in der Gesamtrechnung die 10 Minuten ohne Tubus abziehen, bleibt Ihrem Geschmack überlassen.
    12 Stunden ohne Tubus, ohne Trachealkanüle, ohne High-flow-CPAP oder ohne Beatmungsmaschine lassen sich sicher nicht als \"Weaning\" im Sinne der :dkr: verkaufen.

    P.S. viele Pflegekräfte definieren Beatmung anders, um über eigene Bewertungsschlüssel Personalbedarf für Intensivbereiche geltend zu machen. Das hat allerdings mit der Beatmung nach DKR nix zu tun und man sollte intern übereinkommen, möglichst immer auf der Basis gleichen Zahlenmaterials zu argumentieren - sonst redet man irgendwann ganz prima aneinander vorbei.

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Hallo Herr Sander, hallo liebe Codierer im Lande

    ich greife mal diesen \"alten\" Beitrag auf um nochmals bei dem leidigen Theman Entwöhnung von der Beatmung nachzuhaken.
    Die Meinung von Herrn Dr. Sander ist doch recht MDK-freundlich, stundengenau bei der Entwöhnung nur die Zeit zu zählen, in der wirklich eine \"Beatmung\" mit C-Pap oder was auch immer stattgefunden hat. Hat man wirklich keine Chance, die Entwöhnung in ganzen Tagen durchzukriegen (z.B. Entwähnung mit 12h/24h C-PAP gleich 24h DRG relevante Beatmung) ?

    Gibt\'s da inzwischen neuere Meinungen oder eine sich allgemein durchsetzende Meinung? Im Forum sagen die einen so, die anderen so, soweit ich es mitgekriegt habe.
    Und wer die Entwöhnung ganztägig \"durchkriegt\", mit welchen Argumenten besteht er vor dem :d_neinnein: MDK? Die :dkr: geben ja wohl keine eindeutige Antwort?!?

    Ich hoffe, keinen allzu alten Hut angesprochen zu haben, bin ich doch noch ein \"junger\" :baby: MedCo.

    Vielen Dank !

    Brickwede :d_zwinker:

    Non me pudet fateri nescire, quod nesciam

  • Hallo Herr Brickwede,

    ja, in der Tat habe ich schon mal überlegt, ob nicht ein paar Tage beim MDK auch ganz lustig sein könnten :a_party: .

    Spaß beiseite: ich halte mich dabei an Definitionen von Beatmung und Entwöhnung, die ich auch als Intensivmediziner fachlich vertreten kann. Dabei kann man in diesem schwierigen Gebiet nur mit möglichst exakten Definitionen arbeiten, weil man m.E. sonst überhaupt keine konsentierten Kriterien mehr hinbekommt. In einem Gebiet, in dem es ohnehin schon immer schwieriger wird (nicht-invasive Beatmung ist so ein Beispiel), muß man, so glaube ich fest, sehr sorgfältig bleiben. Das hat sicher nix damit zu tun, daß ich mich \"MDK-like\" verhalten möchte, das wäre zu kurz gedacht.
    Es ist ohnehin schon problematisch genug, wenn man intensivmedizinischen Aufwand vorwiegend bis fast ausschließlich über die Beatmungszeiten im DRG-System abbildet. Nach meinem Kenntnisstand haben die Australier diesen Weg eher schon wieder verlassen.

    Daher ist eine Definition von Beatmung nach dem Gedanken: \"Sieh mal, der macht aber viel Arbeit heute ...\" sicher nicht sachgerecht, und ich plädiere für eine relativ genaue Dokumentation.

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Hallo Herr Sander und Herr Brickwerde,

    ich wage es hier mal, als absoluter Neuling :baby: hier im Forum aber auch als erfahrener Codierer in Sachen DRG und Intensivmedizin, einen Beitrag beizusteuern.
    Über die Entwöhnung von der Beatmung, insbesondere nach Extubation via intermittierendem Masken-CPAP, wurde bei uns auch immer wieder diskutiert. Wie von Herrn Sander schon erwähnt, ist hier die :dkr: Kodiererichtlinie 1001c nicht eindeutig. Ich bin dabei aber nicht der Ansicht von Herrn Sander, sondern plädiere eindeutig für due Sichtweise von Herrn Brickwerde.
    Bei uns werden die Patienten am Ende der Entwöhnung zunächst am Tubus zeitweise von der Beatmung (Beginnend bei Minuten bis zu mehreren Stunden) genommen, und atmen an einem Sogenannten T-Stück (Vernebler). Die Entwöhnung Endet aber nicht nach der Extubation, sondern dann wird der Patient regelmässig intermittierend mittels einer CPAP-Maske weiter beatmet, um eine Atelektasenbildung, und damit eine Reintubation zu vermeiden.
    Wir verschlüsseln sowohl die intermittierende Spontanatmung am Tubus als auch die sog. nicht-invasive CPAP-Maskenbeatmung immer als Beatmungszeit. Diese Beatmungsform vermeidet so eine (Re-)Intubation, und damit eine deutlich kostenintensivere Therapie mit Kreislaufbeeinflussung, Analgosedierung und erneuter Entwöhnung.
    Soweit ich den \"Fachkommentar DRG 2004 Anästhesiologie\", herausgegeben vom Bund deutscher Anästhesisten (A. Schleppers), verstanden habe, wird dort empfohlen, die Tage als Beatmungstage zu definieren, bei denen ein Respirator am Bett des Patienten steht und regelmäßig benutzt wird, unabhängig davon, wie lange die CPAP-Phasen dauern. Dies scheint uns auch gerechtfertigt, da insbesondere der personelle Aufwand für solche wachen Patienten (Anlegen der Maske, Anleitung der Patienten, Anpassung der Beatmung an die individuellen Bedürfnisse des Patienten, Monitoring und Betreuung des Patienten in einer subjektiv belastenden Situation) sehr hoch ist, und der Patient einen \"Beatmungsplatz\" belegt und Intensivpflichtig bleibt. Die Beatmungszeit wird erst als beendet angesehen, wenn der Respirator für mehr als 24h nicht mehr benötigt wird.
    Eine andere Art der Berechnung ist auch praktisch kaum möglich, da müsste ich alleine eine Kodierfachkraft zum aufschreiben und zusammenrechnen der einzelnen CPAP-Phasen (bis zu 12 x am Tag pro Patient) einstellen.
    Bisher hat sich der MDK noch nicht gemeldet und protestiert. Dies kann sich ja nach diesem Beitrag ändern, denn :mdk: \"Big Brother is watching auch dieses Forum\", ich werde aber nicht in einer Art \"vorrauseilendem Gehorsam\" der Kassen gegenüber unklare Kodierregeln zu ungunsten meines Hauses (Arbeitgebers) auslegen. Dazu bin ich nicht DRG-Beauftragter geworden.

    Gruß aus München vom \"Neuen\"

    S. Stern

    Dr. Stefan Stern :sterne:
    Klinik für Anästhesiologie
    Klinikum der Universität München

  • Hallo,

    die Vorgehensweise in München halte ich für korrekt, ähnlich verfahren auch wir.

    :deal: und auch die DKR sind hier doch ganz eindeutig

    @Zierold @Sander :
    Entwöhnung zählt zur Beatmungszeit: \"Entwöhnt\" wird ja doch gerade auch in den Phasen, in denen keine ( ! ) Atemunterstützung mehr stattfindet. Dazwischen wird dann noch (intermittierend) beatmet - so, where`s the problem ?
    :sonne: Eine Stückelung / Aufsummierung macht daher in meinen Augen irgendwie garkeinen Sinn und entspricht nicht den DKR.


    mfG

    C. Hirschberg

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,

    die Sichtweise von Herrn Stern findet meine uneingeschränkte Zustimmung. Bei uns wird es auch so gehandhabt. Das Ende der Entwöhnung wird bei uns indirekt an einen freien Intervall von 24 h geknüpft. Die Intensivärzte definieren das Ende der Entwöhnung in der Morgenvisite, wenn das weitere Vorgehen entschieden wird (weiter Unterstützung/Freigabe des Beatmungsgeräts).
    Das erkläre ich auch so, wenn ich extern schule. Bisher gab es auch noch keine Akzeptanzprobleme.

    Herr Sander: Bei Ihrer Argumentation und Verfahrensweise bedürfte es eigentlich dann gar nicht mehr der \"kodier-formalen\" Trennung zwischen Entwöhnung und eigenstädigen Beatmungsintervallen. Bei beiden läuft es dann bei Ihnen auf eine Aufsummierung der Intervalle hinaus.

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo und vielen Dank für die Hinweise.
    Schön, das es die Mehrheit mit der Entwöhnung ebenso handhabt.
    Bleibt die Frage:
    Wie überzeuge ich die KK / MDK davon??
    Hatten sie alle noch nie Probleme bei der Abrechnung??
    :a_augenruppel:

    Viele Grüße aus Sachsen
    D.Zierold

  • Zitat


    Original von C-Hirschberg:
    Entwöhnung zählt zur Beatmungszeit: \"Entwöhnt\" wird ja doch gerade auch in den Phasen, in denen keine ( ! ) Atemunterstützung mehr stattfindet. Dazwischen wird dann noch (intermittierend) beatmet

    Hallo,

    wäre dies nicht hilfreich als überzeugendes MDK-Argument ?

    Sehen das die Intensivmediziner unter den Forumsteilnehmern etwa anders ?

    mfG

    C. Hirschberg