Aufwand nach früherer Abhängigkeit

  • Moin zusammen!

    Ich muß mal Leute fragen, die sich im nichtchirurgischen Fachgebiet auskennen.

    Hauptdiagnose ischiorektaler Abszeß (das ist nicht das Problem).

    Früher erheblicher Substanz- u. Alkoholmißbrauch, jetzt waren diese (früheren) Abhängigkeiten Ursache für zunächst therapieresistente postoperative Schmerzen und damit auch für verlängerten stationären Aufenthalt. Im stationären Aufenthalt postoperativ zusätzlich anästhesiologische Mitbehandlung, allerdings dabei keine kodierfähigen Prozeduren aus dem Bereich 8-91 (Schmerztherapie).

    Problem: Abbildung der Fallschwere:

    Die Kodierung von
    F10.2 Abhängigkeitssyndrom bei Alkoholgebrauch
    und
    F19.2 Abhängigkeitssyndrom bei multiplem Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen
    wird im MDK - Gutachten (für mich einigermaßen nachvollziehbar) als \"anamnestische Diagnosen\" bemängelt.

    Hat jemand bessere Ideen?

    Mit Grüßen aus dem Norden!

    Uwe Lehmann
    Chirurg

  • Hallo Herr Lehmann, Hallo Forum,

    Man könnte den \"früheren erheblichen Substanz- u. Alkoholmißbrauch\" durch folgenden Kode verschlüsseln:

    So wie Sie den Fall schildern kann man bei der Schmerzsymptomatik davon ausgehen, daß in diesem speziellen Einzelfall das Symptom \"therapieresistente postoperative Schmerzen\" ein \"eigenständiges, wichtiges Problem für die medizinische Betreuung\" darstellte (vgl. DKR 1801a). Von daher wäre zu überlegen, hier zusätzlich einen Kode aus R52.- zu kodieren. Sie geraten dann allerdings in Konflikt mit der DKR 1806a (Akuter Schmerz), welche (insbesondere in Bezug zur R52.-) vorschreibt:

    Zitat


    DKR 1806a Schmerzdiagnosen und Schmerzbehandlungsverfahren

    [...]

    Wenn ein Patient wegen postoperativer Schmerzen oder wegen Schmerzen im Zusammenhang mit einer anderen Erkrankung behandelt wird, sind nur die durchgeführte Operation oder die schmerzverursachende Erkrankung zu kodieren.

    [...]

    Dennoch könnte man argumentieren, daß sich die DKR 1806a hier \"nur\" auf \"normale\" postoperative Verläufe bezieht. Allerdings wäre dann ein längerer Schriftwechsel mit der KK resp. dem MDK vorprogrammiert ...


    MfG,

    M. Ziebart

  • Guten Morgen, Herr Lehmann,

    zum Begriff \"früher\": In den WHO-Leitlinien ( 2. Aufl., evtl. hat sich das verändert ?)) steht unter \"diagnostische Leitlinien\" zum Abhängigkeitssyndrom u.a. sinngemäß:

    \"Die sichere Diagnose Abhängigkeit sollte nur gestellt werden, wenn irgendwann [c=#0000ff]während des letzten Jahres [/code]drei oder mehr der folgenden Kriterien gleichzeitig vorhanden waren:
    1. Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren.
    2. Verminderte Kontrollfähigkeit bezgl. Beginn, Beendigung und Menge
    3. Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsumes (...)
    4. Nachweis einer Toleranz. (..)
    5. Fortschreiende Vernachlässigung von (...) wegen der Substanz.
    6. Konsum trotz eindeutiger Folgen (verschiedener Art)

    [c=#2d00ff]Gegenwärtig[/code] ist bei Suchterkrankungen also bis zu einem Jahr zurück.

    Vielleicht ist in Ihren Fall \"früher\" doch etwas eher?
    Bringt Ihnen das etwas?

    Andreas Raether
    Winnenden

  • Tach zusammen, insbesondere Gruß an Herrn Lehmann,

    meine Anästhesisten-Seele läßt mich direkt an die Opioide denken. Wenn der Verlauf dadurch kompliziert wird, daß Sie auf die Anwendung von Opioide verzichten müssen, um nicht eine erneute Abhängigkeit zu produzieren, wäre für mich der Fall klarer, weil dann jedermann zu erklären ist, daß allein die Anwendung von NSAD\'s und der Verzicht auf Leitungsblockaden (infektiöses Geschehen) einen höheren Aufwand generieren muß, und zwar nicht nur durch Nachdenken (=Verbrauch von Gehirnschmalz), sonder auch durch Einsatz von Pflegekräften, verlängerter Mobilisation usw. usw.. Auch der u.U. noch gesteigerte Metabolismus (man braucht halt viel mehr Stoff für den gleichen Effekt) könnte eine Argumentation sein, läßt sich allerdings schwer beweisen. Daneben würde ich vielleicht abheben auf den Umstand, daß durch den gezielten Einsatz von Substanzen, die Entzugssymptome unterdrücken (Clonidin o.ä.) oder als supportives Agens eingesetzt werden (Antidepressiva) allein schon der Mehraufwand dokumentiert ist.
    Wird aber den Schreibaufwand alles in allem nicht wesentlich reduzieren.

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Vielen Dank, Herr Ziebat, Herr Raether und Herr Sander für die schnelle Antwort.

    Inzwischen hat mich in dieser Sache allerdings der Pragmatismus gepackt. Bei erneuter Kontrolle fiel mir auf, daß der CCL von jeweils 2 für die Nebendiagnosen F10.2 und F19.2 ja nicht einmal zu einer Steigerung der DRG von G11B zu G11A geführt hatte. Folglich kann ich sie in diesem Fall beruhigt löschen. Alternative Kodierungen für die Analgetikaresistenz werden sicherlich auch keine CCL-Steigerung bewirken.

    Der sicherlich noch folgenden Nachfrage zur Begründung einer erheblichen Überschreitung der oberen GVD sehe ich in diesem Fall bei guter Dokumentation mit Ruhe entgegen.

    (Im Moment habe ich ja \"Ruhezeit\".)

    Uwe Lehmann
    Chirurg