Nachträgliche Dokumentation

  • Servus und hallo,

    folgende Fragestellung ist bei uns aufgetaucht:

    Patient A wird aus dem KH entlassen, wird routinemäßig gegroupt und abgerechnet.
    Bei einer Nachfrage durch eine KK bezüglich einer ND stellt sich heraus, daß zwar die ND verschlüsselt wurde und auch der entsprechende Aufwand in realiter hierfür stattgefunden hat (z.B. zusätzliche Diagnostik/Therapie), dieser Aufwand (der ja zur Verschlüsselung beerchtigt hatte) durch den zuständigen Arzt zu dokumentieren vergessen wurde (Gründe hierfür gibt es immer wieder mal, siehe die üblichen Streßsituationen...).

    Darf in diesem Fall die Dokumentation quasi nachträglich vervollständigt werden, wenn die Behandlung/Pflege auch tatsächlich stattgefunden hatte? Aus juristischer Sicht handelt es sich hier NICHT um eine Urkundenfälschung (dies jedenfalls stellte unser Jurist am Haus klar), so daß also durchaus nachträglich dokumentiert werden darf.

    Wie aber verhält es sich in diesem Zusammenhang mit den Kodierrichtlinien? Darf eine Dokumentation nachgereicht werden, was ja u.U. erlösrelevante Auswirkungen nach sich ziehen kann?

    Wer hat in dieser Hinsicht vielleicht schon Erfahrung? Für entsprechende Diskussionsbeiträge wäre ich sehr dankbar!

    Mit freundlichen Grüßen

    shadow

  • Hallo shadow,

    warum sollte es nicht möglich sein, Diagnosen und Prozeduren nachzuliefern, die vergessen worden sind? Die KK und MDK verlangen das genau so von uns, wenn wir zu viel dokumentiert haben, diese zu löschen. Und es gibt sogar Fälle, wo die KK nachfragt, ob nicht das eine oder andere vergessen wurde. Wenn allerdings in der Krankenakte nicht dokumentiert ist, daß bestimmte Behandlung stattgefunden hat, dann streicht der MDK diese Codes auch. Nachdokumentation in der Krankenakte sollte dann auf jeden Fall deutlich gekennzeichnet werden.

    [size=12]Freundlichen Gruß vom Schorndorfer MDA.

  • Hallo Shadow, Hallo Herr Konzelmann,

    interessanter Aspekt der hier erörtert wird. Die Problematik wird ja doch im weiteren Verlauf immer aktueller werden.

    Wäre es Ihnen, (Herr) Shadow möglich, dem Forum die Argumentation Ihres Hausjuristen vorzustellen? Für die chronische Disputation :deal: mit dem MDK, würde mir diese Argumentation ein reines Gewissen und gegebenenfalls ein bißchen mehr Gestaltungsraum verschaffen. Bislang haben wir nämlich uns nicht getraut nachzudokumentieren.

    LG Eric Hilf

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    zur Nebeninfo: D001a Allgemeine Kodierrichtlinien
    Der behandelnde Arzt ist verantwortlich für
    • die Bestätigung von Diagnosen, die verzeichnet sind, bei denen sich aber kein unterstützender Nachweis in der Krankenakte findet,
    • die Klärung von Diskrepanzen zwischen Untersuchungsbefunden und klinischer Dokumentation.

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Glück Auf Groupies

    --ich hatte zu diesem Themenkreis bereits vor einiger Zeit einmal eine Frage hier gepostet:

    Was passiert eigendlich wenn ihr Kodierungen etc. verändert? Beispielsweise wird in eurem SAP System nach Diskussion mit dem MDK zur Neuerstellung einer Rechnung eine Diagnose verändert. Wird diese Änderung auch in die entsprechenden Subsysteme weitergeleitet? -- Also wieder in das medizinische Dokumentationssystem? Was passiert mit den teilautomatisch gefüllten Arztbriefen aus diesen Systemen, die bereits mit dem alten Inhalt das Haus verlassen haben.

    Die Richtigkeit der Rechnungsstellung wird ja mittlerweile von den meisten Wirtschaftsprüfern für einen testierten Jahresabschluss (hatte zumindest in meiner alten Funktion als MedCO + DV-Leiter zweimal das Vergnügen einer solchen Prüfung)verlangt. Real halte ich aber genau diese bei nachträglichen Veränderung (post Primärrechnung) in 70% der deutschen KIS-Installationen für nicht gegeben. Die lieben testierenden Prüfer haben zumindest in den mir bekannten Fällen einen Wissenshorizont zu den geforderten Sachständen, der das Wissen eines Kaninchen über den Geschmack von Krokodilfleisch um Potenzen unterschreitet. Da haben es die MONOLITHEN (DV Monokultur) sicher leichter als modulare Systeme.

    Unter der Prämisse das weiterhin die Med. Dokumentation die Mutter aller Daten im Gesundheitswesen ist, bin ich in meinem Einflussbreich immer bestrebt alle Beteiligten zu zwingen grundsätzlich kongruente Daten zu produzieren. (Liebe SAP User fragt mal nach der Bidirektionalität eurer BAPI oder sonstwie Schnittstelle.)
    Ansonsten sehe auch ich in den nächsten Jahren gewaltige Worst-Case-Scenarien auf uns zukommen.

    Gelsenkirchen, warm, Gewitter im Durchzug

    M. Kilian

    Michael Kilian

  • Hallo Forum,

    ich sehe dieses Thema von Haus aus etwas kritischer:

    Ich würde eine nachträgliche Dokumentation/Kodierung nur zulassen, wenn sie unverzüglich nach Hinweis der Krankenkasse innerhalb der Zahlungsfrist erfolgt.

    Die Krankenhäuser haben sich immerhin vor dem BSG ihr ausgeprägtes Kurzzeitgedächtnis legitimieren lassen - sprich, die Krankenkassen dürfen nach Ablauf der Zahlungsfrist grundsätzlich nicht mehr prüfen, da dann \"das Erinnerungsvermögen des Arztes getrübt\" ist.

    Ich hoffe auch in diesem Kreis hier etwas Verständnis zu wecken, wenn ich das funktionierende Langzeitgedächtnis in oben beschriebenen Fällen anzweifeln würde.

    Wir bekommen solche Fälle nämlich regelmäßig nach mehreren Wochen oder Monaten von Krankenhäusern, deren MedCo´s aufgrund der \"üblichen Stresssituatiuon\" erst mit erheblichem Zeitverzug Fälle sichten.

    Und dann kann sich der behandelnde Arzt genau an Diagnosen und die Voraussetzungen für deren Kodierung erinnern, obwohl nichts in der Akte vermerkt ist???

    Und anders herum wenn die Krankenkasse etwas anzweifelt, kann sich der Arzt nicht mehr an Dinge erinnern, die in der Akte vermerkt sind.

    Sorry, aber das kann nicht sein.

    Gruß,


    ToDo

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)

  • Guten Morgen,

    Nachdokumentation von Details sind sicher sehr kritisch zu betrachten, insbesondere dann, wenn sie auf der Basis von Erinnerungen stattfinden, bei denen Herr ToDo berechtigterweise Zweifel anmeldet. Allerdings kann ich aus konkreten Erfahrungen bei der Überprüfung von elektronischer Dokumentation und Schriftakte feststellen, daß gelegentlich bei der kritischen Überprüfung in den schriftlichen Unterlagen Sachverhalte einwandfrei abgebildet sind, die in der elektronischen Dokumentation komplett fehlen. Dabei ist sicherlich die Nachdokumentation (im KIS) gerechtfertigt, zumal der MDK bei einer Überprüfung auch nach Monaten auf ähnliche Art die Konsistenz der Informationen bewerten darf und Empfehlungen zur Korrektur in die eine oder andere Richtung ausspricht.
    Nachdokumentation würde ich in jedem Fall mit einer zusätzlichen Dokumentation versehen.
    Der umgekehrte Fall (Diagnose kodiert, aber kein Hinweis in der Akte) würde die Korrektur der Schriftakte erforderlich machen. Da dies derzeit die letztendliche Unterlage für alle - auch juristischen - Auseinandersetzungen darstellt, wäre ich mit dem Ergänzen von Informationen außerordentlich zurückhaltend. So etwas macht immer den Eindruck des \"Nachfräsens\" (um im Moment mal schlimmere Formulierungen zu vermeiden, da sie einen konkreten Schuldvorwurf beinhalten, der nicht durchweg gerechtfertigt sein muß). Wenn so etwas häufiger bemerkt wird, sollte weniger darüber nachgedacht werden, wie man im Nachgang die Akte \"geradebiegt\", sondern eher, wie man die innerklinische Dokumentation auf eine solide Grundlage bekommt.

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,

    Med. Dokumentation ist nicht nur im Zusammenhang mit Abrechnungsfragen relevant, auch im Hinblick auf Arzthaftungsprozesse ist die korrekte und zeitgerechte Dokumentation unabdingbar.

    Natürlich darf man seiner Dokumentation nachträglich noch etwas hinzufügen.
    Ob mit aktuellem Datum oder nicht, wird kontrovers diskutiert.

    Wie lange nachträglich definiert ist ( Monate ?? ) wird ebenfalls unterschiedlich beurteilt.

    Falsche Einträge sollten durchgestrichen werden und das Richtige sollte daneben geschrieben werden.

    Schlampige Dokumentation darf nicht nachträglich durch \"rasieren und frisieren\" der Akte \"bereinigt\" werden.

    Es besteht eine Verpflichtung zur med. Dokumentation. Wer regelmäßig nachdokumentiert, (\"vergessen\", \"Stress\") hat ein Problem mit der Prozessqualität.
    Der Vorwurf der (groben) Fahrlässigkeit steht dann im Raume.


    Gruß

    E Rembs

  • Werte Mitstreiter,

    aus leidvoller Erfahrung (Rechnungsprüfung und Versicherungsschäden)weiß ich, daß die Dokumentation nicht immer die gewünschte Qualität hat.
    Bezüglich nicht verschlüsselter Leistungen betrifft dies insbesondere Konsilleistungen Dritter.

    Bisher hatten wir in keinem Fall Probleme mit nachträglich durchgeführten Dokumentation. Hierbei handelt es sich ja nicht um eine Änderung oder Fälschung der Fakten, sondern um eine nicht zeitgerechte Niederschrift von bisher unberücksichtigten Tatsachen.

    Mit freundlichem Gruß
    F. Killmer

    Frank Killmer

  • Hallo Herr Dr. Hilf,

    bin im Gespräch mit unserem Hausjuristen, ob er ein kurzes Statement bezüglich nachträglicher Dokumentation aus juristischer Sichtweise erstellt; falls dem so sein sollte, werde ich dies hier gerne veröffentlichen!

    Schöne Grüße aus dem sonnigen Bayern

    shadow

  • Hallo Forum, Hallo Shadow,

    das Problem wird in zunehmendem Maße von Interesse sein, wenn der finanzielle Druck auf die Häuser weiter steigt. Hier sehe auch ich die Gefahr der \"gezielten\" Falldokumenation. Jedoch muss der Schritt eindeutig, wie oben angedeutet, in Richtung auf eine verbesserte Dokumentation gerichtet sein, die den Erfordernissen des Fallpauschalensystems nachkommt. Kontinuierliche DRG-Schulung heisst auch Schulung der (Nebendiagnosen-) Dokumentation.

    Diesbezüglich sind wir gespannt auf das Statement Ihres Hausjuristen. Viele Grüße nach Bayern.

    Wir genießen auch den (Spät :totlach: )Sommer in Brandenburg

    E. Hilf