FPG, optionale DRG Abrechnung in 2003


  • Diese Art Fragen stellt man mir auch immer öfter. Aber meine Antwort ist eigentlich immer gleich geblieben:

    Liebe Ärzte, seht doch bitte die DRGs als Anlaß, mittels eines noch verbesserungsfähigen Vokabulars (Diagnosen- und Prozedurenschlüssel) eure medizinische Leistung darzustellen.

    Kümmert euch dabei nur um eure Fachkompetenz, lasst die Betriebswirtschaftler in Ruhe rechnen, lasst vor allen Dingen die Politiker selber sehen, wo sie mit ihrem Blockadeparlamentarismus und Lobbyismus bleiben, kümmert euch nur um die Medizin.

    Aber in einer Zeit der Informationstechnologie müssen wir einen Weg finden, Medizindaten valide zu erzeugen. ICD und OPS sind m. E. ein geeigneter Weg dahin.

    Optimal kodiert bedeutet für mich: Den Behandlungsfall so darstellen, dass alle medizinisch relevanten Zustände und Ereignisse berücksichtigt werden. Dies ist m. E. eine exklusiv ärztliche Aufgabe.

    Optimal kodiert bedeutet für mich auch, dass die Kodierung unabhängig ist von der momentan gültigen Abrechnungsregelung, weil sie medizinisch Sinn macht.

    Optimal kodierte Fälle sind resistent gegen parlamentarische Mehrheiten und nicht eingehaltene Umsetzungs-"fahrpläne".

    Und noch eins pflege ich zu antworten: "Schlecht zu kodieren benötigt auch nicht viel weniger Zeit als gut zu kodieren, aber ersteres ist vom Ansatz her bereits sinnloser Datenmüll, gut kodierte Daten kann zumindest der kodierende Arzt oder sein Kollege als Kurzinformation verwenden."

    Ich weiß, wir haben es zur Zeit immer schwerer, der Kodierung einen Sinn abzugewinnen, aber noch möchte ich nicht aufgeben.

    In diesem Sinne, wieder einmal: Kopf hoch!!
    --
    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    [center] Bernhard Scholz [/center]

  • Zitat


    Original von Scholz:


    Diese Art Fragen stellt man mir auch immer öfter. Aber meine Antwort ist eigentlich immer gleich geblieben: ...
    [/quote]


    Sehr geehrter Herr Scholz,

    danke für diese wirklich sachlichen und pragmatischen Worte zu einer eigentlich auf allen Seiten unerquicklichen Dauerdiskussion, die mich immer an den berühmten römischen Redner denken läßt, der weiland bei jeder Sitzung des Senates das gleiche Statement vortrug: "..und im übrigen bin ich der Meinung, daß Karthago zerstört werden muß." (Was sie dann ja auch getan haben.) Als Einstieg dient dabei meistens die Frage, wann denn nun die Medical Coder eingestellt werden, die die GESAMTE Kodierung übernehmen.
    Also vielen Dank für diese Kompaktantwort, die ich mit Ihrem Einverständnis gerne zitieren werde, auch wenn ich nicht ernsthaft annehme, daß in Ihrem Fall zum ersten Mal der Überbringer der schlechten Botschaft geliebt wird.
    Hinzusetzen könnte man vielleicht noch die Warnung, vehement nach einer neuen und umfangreichen Berufsgruppe zu rufen, die dann vielleicht noch flink einen universitären Ausbildungsgang aus dem Boden stampft (Cave Australia, siehe Don Hindle). Auch im Krankenhaus kann die Mark (sorry der Euro) nur einmal ausgegeben werden.;(

  • Frage an Herrn Koepfer

    was verstehen Sie unter "bereinigtes" Budget ?

    Bitte um kurze Erklärung

    Danke
    engels

  • Zitat


    Original von guredd:
    ...die Frage, wann denn nun die Medical Coder eingestellt werden, die die GESAMTE Kodierung übernehmen.

    Das australische Vorgehen (Arzt schreibt Klartext, Coder kodiert hieraus) bedeutet offenbar keine zeitliche Entlastung der Ärzte. Bei Gesprächen mit australischen Codern :kangoo: :smokin: sagten mir diese, es sei mitunter sinnvoll, ALLE Entlassungen zu besprechen! In jedem Fall käme es bei der Mehrzahl der nicht in absolute Routineschemata passenden Fälle zu einer Rücksprache.
    Es ist also in beiden Fällen zeitaufwendig. :uhr:
    Hier spricht man über Verwendung der richtigen Codes, in Australien über Verwendung eines eindeutigen Klartexts.
    --
    Jan Haberkorn
    Arzt/Medizincontroller
    St. Elisabeth-Krankenhaus Köln

    Jan Haberkorn
    Internist/Medizincontroller
    St. Elisabeth-Krankenhaus Köln

  • Zitat


    Original von guredd:
    Also vielen Dank für diese Kompaktantwort, die ich mit Ihrem Einverständnis gerne zitieren werde, auch wenn ich nicht ernsthaft annehme, daß in Ihrem Fall zum ersten Mal der Überbringer der schlechten Botschaft geliebt wird.

    Zitieren Sie nur, mein Einverständnis haben Sie...

    Und nochmal:
    Ich bin zutieftst davon überzeugt, dass sich uns (den Ärzten, der Medizin in Deutschland) gegenwärtig eine wirklich großartige Chance bietet, medizinische Daten in nie dagewesener Qualität und Quantität zu erheben. Wir müssen es nur wollen.

    Ich sehe hierin ganz und gar keine schlechte Botschaft.

    Einerseits besteht gegenwärtig die Gefahr, (dank Multimedia etc.) von einer Flut unformatierter/nicht klassifizierter Informationen erdrückt zu werden. Wenn ích mich andererseits darauf beschränke, einen Krankheitsfall nur mittels ICD- und OPS-Liste (chronologisch geordnet und vom Arzt signiert) darzustellen, erzwingt dies eine hochgradige Disziplin und läßt mich mein diagnostisches und therapeutisches Handeln dauernd hinterfragen. Es führt meines Erachtens zu einer enormen Qualitätssteigerung durch Beschränkung auf das Wesentliche. Und das ist dann auch das Wirtschaftlichste.

    --
    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    [center] Bernhard Scholz [/center]

  • Zitat


    Original von Scholz:

    Optimal kodiert bedeutet für mich: Den Behandlungsfall so darstellen, dass alle medizinisch relevanten Zustände und Ereignisse berücksichtigt werden. Dies ist m. E. eine exklusiv ärztliche Aufgabe.

    Optimal kodiert bedeutet für mich auch, dass die Kodierung unabhängig ist von der momentan gültigen Abrechnungsregelung, weil sie medizinisch Sinn macht.

    Schönen guten Tag allerseits und insbesondere Herr Scholz,

    Sie sprechen mir aus der Seele!

    Wenn das System überhaupt einen Sinn machen soll, dann sollten darin medizinische Sachverhalte abgebildet werden, so gut wie eben in einer Abbildung Patient/Behandlung --> Schlüssel möglich.

    Erst danach sollte das Ganze auf den oekonomischen Bereich abgebildet werden, nicht umgekehrt. (Das ist ja wohl auch Zweck der Kalkulation).

    Ich glaube, mit diesen Aspekten im Hinterkopf ist man auch in der Lage, die Kodierrichtlinien einigermaßen zu interpretieren und anzuwenden. Außerdem hat man dann vielleicht ganz gute Karten bzw. Argumente, wenn der MDK prüft.

    "Diagnose" ist immer noch ein medizinischer Begriff, kein oekonomischer!

    Schöne Grüße,
    R.Schaffert
    MC der Kliniken des Wetteraukreises, Chirurg

    [ Dieser Beitrag wurde von Reisch am 20.02.2002 editiert. ]

  • Zitat


    Original von Reisch:

    Wenn das System überhaupt einen Sinn machen soll, dann sollten darin medizinische Sachverhalte abgebildet werden, so gut wie eben in einer Abbildung Patient/Behandlung --> Schlüssel möglich.

    Erst danach sollte das Ganze auf den oekonomischen Bereich abgebildet werden, nicht umgekehrt. (Das ist ja wohl auch Zweck der Kalkulation).

    Ich glaube, mit diesen Aspekten im Hinterkopf ist man auch in der Lage, die Kodierrichtlinien einigermaßen zu interpretieren und anzuwenden. Außerdem hat man dann vielleicht ganz gute Karten bzw. Argumente, wenn der MDK prüft.

    "Diagnose" ist immer noch ein medizinischer Begriff, kein oekonomischer!

    Lieber Herr Schaffert,

    ich wünschte, es wäre so, wie Sie sagen, aber finden Sie nicht, dass mit den Kodierrichtlinien schon die Buchhalter die Hoheit über die Diagnosen übernommen haben? Wie soll ich es medizinisch plausibel machen, dass eine ausgeschlossene Meningitis lt. DKR D008a eine bestätigte Meningitis ist? Durch die Bepreisung der Diagnose und der damit verbundenen Simplifizierung sind die erhobenen Diagnosen auch m.E. kaum noch für die Patientenhistorie nutzbar, denn welcher Kollege geht im Dienst davon aus, dass der vor Monaten als Herzinfarkt verschlüsselte Thoraxschmerz in Wirklichkeit kein kardiologischer sondern nur ein ökonomischer Herzinfarkt war?
    Ich sehe die einzige saubere Lösung im Einsatz des Coders, der die korrekte medizinische Dokumentation in die korrekte Abrechnungskodierung übersetzt.
    Zwei Fehler darf man m.E. nicht machen: Erstens den Ärzten sowohl die klinische als auch die abrechnerische Dokumentation ans Bein zu binden und zweitens dann zu glauben, mit ein paar DRG- und Kodierseminaren für die "DRG-Beauftragten" sei schon alles Nötige getan. Krankenhäuser, die so handeln, werden ihr blaues Wunder erleben.

    Grüße aus D`dorf
    C.Lehmann

    Viele Grüße
    C.Lehmann

  • Hallo,

    ich kann Hr. Lehmann nur beipflichten, nur leider scheint es schon beschlossene Sache zu sein, dass eben genau die Ärzte für die Codierung und die ökonomischen Auswirkungen derselben bundesweit quasi via Gesetz in díe Verantwortung genommen werden.

    Es wird ja auch allenthalben davor gewarnt einer neuen Berufsgruppe Bahn zu brechen (die man dann nie wieder los wird).

    Ausserdem hat Hr. Lehmann auch recht damit das bei dem gesamten DRG-Projekt also auch den DKR usw. eindeutig die Ökonomie im Vordergrund steht. Alleine der 100%-Ansatz muß ja zu inhomogenen DRG-Gruppen führen...aber selbst wenn nur 30% sinnvoll gruppiert sind, 30% so halbwegs und der Rest völlig falsch gruppiert wird, ist es aus ökonomischer Sicht dennoch sinnvoll, weil jetzt zumindest eine gewisse ökonomische Steuerung möglich ist...

    Die Transparenz, Kontrolle und Vergleichbarkeit der Krankenhausmedizin durch die Ökonomie ist damit erstmalig möglich und dass wird das Krankenhauswesen entscheidend verändern...

    Nur ob das von Vorteil für die Patienten sein wird, wage ich zu bezweifeln....

    Gruß


    --
    Thomas Lückert
    Stabsstelle Medizinisches Controlling
    Krankenhaus Reinickendorf
    ein Haus der Vivantes

    Thomas Lückert
    Stabsstelle Medizincontrolling
    Unfallkrankenhaus Berlin

  • Schönen Guten Tag allerseits! :)

    Um Mißverständnissen zu begegnen: Es geht in meiner obigen Argumentation nicht um die DRG. Diese sind unbestritten ein oekonomisches System, nach oekonomischen Gesichtspunkten ermittelt und differenziert. Hier sollten auch medizinische Differenzierungen draussen bleiben, wenn sie keine oekonomische Relevanz haben.

    Mir geht es um die Verschlüsselung der Diagnosen und Prozeduren. Hier plädiere ich dafür, auf dem "medizinischen Teppich" zu bleiben und sich nicht allzusehr von (zur Zeit sowiso nur spekulativen) oekonomischen Gesichtspunkten leiten zu lassen. Natürlich würde auch ich, wenn es zur Beschreibung eines Patienten mehrere medizinisch gerechtfertigte (und nach DKR erlaubte) Schlüssel in ICD oder OPS gibt, diejenigen (z. Zt.) nehmen, die am meisten bringen. Aber ich würde zunächst den Patienten nach meinen medizinischen Vorstellungen verschlüsseln und warne einfach vor der Versuchung, aus oekonomischen Gründen die Befunde zu sehr zu "interpretieren", damit die höher Bewertete DRG herauskommt.

    Schönen Tag noch,

    R. Schaffert

  • Die Ärzte müssten schon sehr blöd sein, sich in Zukunft bei der Abbildung ihres Patientengutes auf die im DRG-System vorgegebene Handvoll von Fallgruppen zu beschränken.

    Was ist denn eigentlich älter und wichtiger? Medizinisches Wissen in Fachliteratur von Jahrzehnten/Jahrhunderten gesammelt und in der Berufserfahrung tausender von Ärzten verankert oder ein 255 Seiten umfassendes Hilfsmittel für pseudomedizinisches Kodierpersonal?
    poke.gif

    Ich bitte um Nachsicht für die Kritik
    --
    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    Nachsatz: Die Klassifikation im DRG-System ist ein zweistufiger Prozess
    1. Erfassung exakter medizinischer Rohdaten (ICD/OPS)
    2. irgendwie geartete (bar jeder medizinischen Logik), nach ökonomischen Gesichtspunkten erfolgende Bildung von kostenhomogenen Gruppen

    [ Dieser Beitrag wurde von Scholz am 21.02.2002 editiert. ]

    [center] Bernhard Scholz [/center]

  • ?( Durch Koder kann die Qualität nur schlechter werden, nie besser. Allerdings scheinen die meisten von uns der Meinung zu sein, dass die Ärzte erst einmal medizinisch sachgerecht verschlüsseln (bei uns im haus gruppieren in ganz seltenen Fällen mal wir im med. Controlling, ansonsten kontrollieren wir nur auf die Kodierregeln.) Und ml ganz ehrlich: mir kann doch keiner erzählen, dass es zwar eine neue "Ameisensorte Marke Arbeiterin" geben soll (sprich Koder), die die kodierregeln verstehen, aber die Ärzte sind zu dumm dazu? ich sehe ja noch ein, dass die meiste EDV einfach zu kompliziert (und zu dumm) dazu ist, aber das Kodierregelwerk ist doch für jeden Menschen (ob Koder, Arzt, Schwester oder Controller) teilweise absolut logisch und teilweise kryptisch. Man baut durch solch eine Zwischenkodierung nur zusätzliche Fehlerquellen auf (und im übrigen Arztstellen ab, macht Euch keine falschen Hoffnungen).

    Ich gebe ja zu, dass es eine bescheuerte Tätigkeit ist, aber je weniger gejammert wird und je homogener eine Abteilung sich oranisiert und kodiert desto weniger Arbeit ist es für den einzelnen.

    Gruss
    patricia:besen:
    --
    Patricia Klein

    Patricia Klein