MDK und Nebendiagnosen

  • Hallo allerseits,

    in der Korrespondenz mit dem MDK gibt es bei uns eine ganz harte Einstellung des MDK bei Nebendiagnosen. Ich erfahre das nicht nur aus den Gutachten, sondern auch von den vielen Krankenkassenmitarbeitern, zu denen wir telefonischen Kontakt haben. Der MDK ist anscheinend regelmäßig bei vielen Kassen vor Ort, schaut sich \"verdächtige\" Fälle an und liefert eine vorläufige Stellungnahme, von der wir als Krankenhaus aber offiziell gar nichts mitbekommen, sondern, wie gesagt, nur eher zufällig durch den intensiven telefonischen Kontakt.
    Daraus resultiert dann ein Schreiben der Krankenkasse mit dem Inhalt \"...die Nebendiagnosen x und Y waren für die Behandlung nicht relevant. Bitte senden sie uns eine geänderte Rechnung.\" Ich habe mich an vieles gewöhnt im DRG-System, aber solche Absprachen \"hintenrum\" machen mich misstrauisch.
    Konkret sind MDK und Kassen folgender Meinung:
    - Herzrhythmusstörungen und Tachycardien (z. B. I47.1) seien genau wie eine Herzinsuffizienz (z.B. I50.19) in der Hauptdiagnose I21.1 Akuter transmuraler Hinterwandinfarkt enthalten und dürfen nicht gesondert kodiert werden
    - Der Ausgleich von Elektrolytstörungen (z. B. E87.6) ist dem Krankheitsbild der Gastroenteritis (z. B. A09) immanent und darf in der DRG G67 nicht gesondert kodiert werden. Außer dem Ausgleich von Elektrolytstörungen gibt es laut MDK keinen Grund, die Leute stationär aufzunehmen.
    Mein Hinweis darauf, dass dies in Foren wie diesem doch anders gesehen würde, konterte der MDK-Gutachter mit dem - wie ich finde, arroganten - Hinweis, die Meinung irgendwelcher Foren täte nichts zur Sache, es ginge um die Anwendung der Kodierrichtlinien und sonst nichts (!).
    Gibt es ähnliche Erfahrungen aus anderen Bundesländern?

    Gruß aus Hamburg

    Manfred Nast

  • Hallo,
    viele KK haben bei uns in der Gegend eine sogenannte Fallberatung oder Vorberatung durch den MDK im Haus der KK. D.h. KK fordert (im Namen des MDK???!!!) Epikrise an - MDK liest diese beim Besuch in der KK und gibt eine Stellungnahme ab - KK trifft Zahlungsentscheidung.
    Die Stellungnahme bekommt das KH entweder gar nicht oder es besteht aus maximal 3 Sätzen!!! - von einem Gutachten also weit entfernt.
    Ich halte dieses Verfahren für nicht gesetzeskonform und wir sind am überlegen, wie wir dies ändern können.
    So systemische harte Meinungen sind mir bis jetzt noch nicht begegnet, aber die Gutachten sind grundsätzlich sehr personenabhängig.

    :a_augenruppel:

    Viele Grüße aus Sachsen
    D.Zierold

  • Hallo!

    Ein solches Problem gibt es bei uns in Rheinland-Pflaz wohl (noch?) nicht. Wir haben hier vor allem mit MDK Begehungen vor Ort zu tun.

    Dem Einwand des MDK Prüfers ist die Kodierrichtlinie D002c (Beispiel3) entgegenzuhalten: Stellt ein Symptom jedoch ein eigenständiges, wichtiges Problem für eine medizinischen Betreuung dar, so wird es als Nebendiagnose kodiert.
    Gerade in den genannten Beispiele (Herzinfarkt/Herzinsuffizienz) trifft dies aus meiner Sicht voll zu. Aber auch die Gastroenteritis wird ja wohl aufgenommen wenn ein ausgeprägter Volumenmangel (auch ohne Elektryloystörung) vorliegt. Ansonsten wäre ja die Elektrolytstörung HD! Zusätzlich erschwert die Elektrolytstörung das Handling (Laborkontrolle, Infusion, evtl. ZVK für Kaliumausgleich=kein Standardvorgehen bei Gastroenteritis). Hier hilft im Zweifelsfall wohl nur der Gang zum Gericht. Der MDK ist schließlich nicht die Letzte Instanz.

    MfG
    Eckhardt

  • Guten Morgen Forum,

    grundsätzlich halte ich eine medizinische Vorberatung bei der KK für sinnvoll. Hiermit können unnötige Prüffälle vermieden werden, da- wie wir alle wissen - bei den KK \"nur medizinische Laien\" sitzen. Um einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden und auch um den MDK nicht mit sinnlosen Prüfaufträgen zu erschlagen, ist die Vorberatung bei der KK anhand der Daten nach §301 und/oder Kurzberichten (je nach Landesvertrag) sicherlich positiv zu bewerten.

    Ich halte es allerdings für fragwürdig, nur aufgrund der meist unvollständigen Datenlage eine abschließende Entscheidung zu treffen. Oftmals ergibt sich jedoch aus einer freundlichen Kassenanfrage zur ND xy, die Antwort des KH: \"beiliegend übersenden wir eine korrigierte Rechnung\" . Oder täusche ich mich da?

    Einen schönen, sonnigen Arbeitstag

    Pekka

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Pekka,

    sind Sie vielleicht selber so ein \"medizinische Laie\" bei einer KK, der diesen Ablauf mitbegleitet? Wenn ja, setzten Sie nicht auch eine Prüfsoftware ein?

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo allerseits,

    wie schon im Titelpost erwähnt, pflegen wir zu vielen Kassen gute Kontakte. Dabei ist es in der Tat so, dass, wie Pekka anmerkte, nach telefonischer Fallbesprechung Nebendiagnosen geändert werden oder auch gestrichen werden. Umgekehrt wird so auch mancher stationäre Aufenthalt bei potentiell ambulant erbringbaren Leistungen gebilligt. Oder es wird im Konsens beschlossen, den Fall dem MDK vorzulegen. Gerade weil das meist gut klappt und über den Daumen 80% der Fälle so geklärt werden könn(t)en, werde ich zum einen misstrauisch, wenn bestimmte Kassen lieber ihre (unvolständigen) Fallinformationen mit dem MDK besprechen statt erst einmal nachzufragen. Das zweite Problem ist, dass der MDK durch seine einseitige Interpretation der Kodierrichtlinien bei den \"medizinischen Laien\" der Krankenkassen falsche Vorstellungen über die Kodierung von Nebendiagnosen entstehen läßt. Übrigens sind bei vielen Kassen die \"medizinischen Laien\" durchaus fachkundig.
    NB: Für die G67 und die Elektrolytstörungen habe ich beim InEK nach der Deutung der entsprechenden Kodierrichtlinie gefragt und auch kompetente Antwort bekommen: Selbstverständlich müssen Nebendiagnosen, die einen Aufwand verursachen, auch verschlüsselt werden.

    Gruß aus Hamburg

    Manfred Nast

  • Hallo zusammen, hallo Herr Selter,

    gut - ich oute mich als medizinischer Laie einer KK. Selbstverständlich wird eine Prüfsoftware verwandt, aber letztendlich kann die Software nur die Daten prüfen, die ihr vorliegen - sprich 301er Daten.

    Das \"komische Gefühl\" das man nach jahrelanger Tätigkeit bei der KK als Sachbearbeiter hat, und das leider oder auch erfreulicherweise sich selten irrt, konnte ich noch keinem Computer beibringen.

    Gruß Pekka.

  • Hallo Pekka,
    herzlich willkommen hier. Eine gute Entscheidung hier Position zu beziehen. TODO war sicher der erste Kassenmitarbeiter und Sie sind sicher nicht die \"Letzte\". Also viel Spaß und nur zu.
    So schnell passiert hier nix, was Sie bereuen müßten.

    Ihr

    Kurt Mies

  • Zitat


    Original von nast:

    ... pflegen wir zu vielen Kassen gute Kontakte. Dabei ist es in der Tat so, dass, wie Pekka anmerkte, nach telefonischer Fallbesprechung Nebendiagnosen geändert werden oder auch gestrichen werden. ...


    Guten Tag zusammen,

    ich möchte von meiner Seite noch anmerken, daß selbstverständlich alle an der Abwicklung strittiger Fälle Beteiligten ein hohes Maß an Interesse haben (müssen), möglichst deeskalierend auf die Gutachtenflut einzuwirken. Wir haben in diesem Zusammenhang eine ähnliches Verfahren wie Herr Nast mit einigen Kassen (leider in Unterzahl) entwickelt, bei dem die Anfrageinhalte mitgeteilt und bei uns geprüft werden. In der nachfolgenden Besprechung (Telefon) haben wir allerdings vereinbart, keine Details zum Fall auszutauschen (dies würde nach meinem Empfinden den MDK zumindest ansatzweise aushebeln und wird auch nicht dem Gebot der Schweigepflicht gerecht). Beispiel: Verschlüsselung der Niereninsuffizienz als ND wird angefragt, bei Überprüfung des Falles findet sich eine Untersuchung mit KM-Gabe und in der Akte ein Bilanzbogen. Telefonkontakt: \"Wir bleiben bei der ND, da gerechtfertigt.\" Wenn es dann noch Probleme gibt, dann wird - selten, viel seltener als früher - ein MDK-Fall daraus. Aber damit kann man sehr gut leben.
    Ein solches Vorgehen setzt ein gewisses Maß an Vertrauen und Objektivität auf beiden Seiten Voraus; unsere Erfahrungen sind allerdings sehr positiv.

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • hi Forum, hi Herr Nast,

    Zitat:
    NB: Für die G67 und die Elektrolytstörungen habe ich beim InEK nach der Deutung der entsprechenden Kodierrichtlinie gefragt und auch kompetente Antwort bekommen: Selbstverständlich müssen Nebendiagnosen, die einen Aufwand verursachen, auch verschlüsselt werden.

    Prima, da hat das InEK sich nichts Falsches gesagt. Geht es hier aber nicht gerade um die Frage, ob die ND Elektrolytstörung quasi in der die Krankenhausbehandlung veranlassenden HD bereits enthalten ist?

    Wenn das ein Problem bei Ihnen ist, verstehe ich nicht, dass bei der Kalkulation für die G67A gerade mal 5,53% überhaupt eine ND aus E87 haben. Aber machen Sie ruhig, die Nachkalkulation der G67 in den kommenden Jahren wird zeigen, ob es dann noch A-C gibt oder nicht.
    mfg
    fuge

  • Hallo,

    das ist natürlich quatsch - jede Diagnose, die einen eigenen Behandlungsaufwand hat, muß auch kodiert werden.

    Wir streiten uns gerade mit dem MDK, ob die Diagnose \"Anämie\" (Hb 5,2 mmol/l) dadurch gerechtfertigt ist, daß 14 Kontrollen innerhalb von 3 Tagen stattfanden - wo normalerweise 3 Kontrollen stattfinden. Transfundiert haben wir nicht - aber genau das wurde ja durch den erhöhten diagnostischen Aufwand gegenüber einer Routine-Post-OP-Versorgung abgewendet.

    Hätten wir also lieber transfundieren sollen? Eine vom MDK verordnete Körperverletzung, um den gehabten erheblichen Aufwand (neben der Kontrolle liefen ja auch intensives klinisches Monitoring und Beurteilung jedes einzelnen Ergebnisses durch einen Arzt) gegenüber einer Transfusion auch noch codieren zu dürfen??? :sterne:

    Wir werden - je nach weiterem Ausgang der Dinge - das Thema ausfechten - es hat grundsätzlichen Charakter.

    Gruß

    Björn