"Extrawurst" für Maximalversorger?

  • Auszug aus DRG-Zeitung vom 10.9.2004:

    [f2]Weiterentwicklung des Fallpauschalensystems für Krankenhäuser
    Klinikum der Universität München: Krankenhäuser der Maximalversorgung unverändert bedroht
    Terminsache: Bundestag: ab 9./10.9.2004 und Bundesrat: ab 24.9.2004
    Die Finanzierung der Krankenhäuser soll auf ein pauschaliertes Vergütungssystem (DRG-System) umgestellt werden. Die aktuelle, noch nicht Budget-wirksame Version dieses Vergütungssystems sieht einheitliche Pauschalen für Kliniken von der kleinsten bis hin zur größten Kategorie vor. Eine solche Vergütung ergäbe eine krasse Unterfinanzierung der Krankenhäuser der Maximalversorgung und eine Verschiebung von Geldern hin zu kleineren Kliniken und Spezialkrankenhäusern. Für das Klinikum der Universität München würden daraus nicht mehr tolerierbare Millionendefizite resultieren. Die Behandlung komplexer Krankheitsfälle und schwerstkranker Patienten wäre damit substanziell bedroht.
    In praktisch allen anderen Ländern, die ihre Krankenhäuser über Fallpauschalensysteme finanzieren, wurde dieses Problem erkannt und durch eine nach Klinikgröße differenzierte Vergütung berücksichtigt. In Deutschland soll die Weiterentwicklung des Fallpauschalensystems durch ein Fallpauschalenänderungsgesetz (2. FPÄndG) erfolgen. Im Entwurf für dieses Gesetz wurde die Problematik der Unterfinanzierung der Maximalversorgung praktisch überhaupt nicht berücksichtigt. Die Gefahr für die Hochleistungsmedizin in den Krankenhäusern besteht somit unverändert. Das Bundeskabinett hat dem Gesetzentwurf vom 28.07.2004 zugestimmt, ohne diesbezüglich Änderungen zu erwirken.
    Im weiteren Gesetzgebungsverfahren erfolgt nun am 09./10.09.2004 die erste Lesung im Deutschen Bundestag sowie am 24.09.2004 die erste Lesung im Bundesrat. Sollte das Gesetz beide Kammern ohne Vermittlungsverfahren passieren, könnte eine endgültige Verabschiedung durch den Bundesrat am 26.11.2004 erfolgen. Es erscheint daher außerordentlich dringlich, eine Nachbesserung dieses Fallpauschalenänderungsgesetzes anzumahnen. \"Andernfalls wäre eine gravierende Fehlentwicklung im Bereich der stationären Krankenversorgung absehbar. Schon im nächsten Jahr würden im ersten Schritt der Umsetzung des DRG-Systems 15 % der letztlich zu erwartenden Defizite auflaufen\", so Günter Auburger, Verwaltungsdirektor des Klinikum der Universität München, das mit 2.479 Betten und jährlich etwa 480.000 ambulanten und stationären Patienten zu den größten Universitätskliniken in Deutschland gehört. Neben den betroffenen Patienten sollte es auch im Interesse der Bundesländer liegen, für eine ausreichende Finanzierung ihrer Kliniken der Maximalversorgung und insbesondere auch der Universitätskliniken Rechnung zu tragen.
    Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
    Professor Dr. med. Arend Billing
    Klinikum der Universität München, Chirurgische Klinik - Großhadern
    Telefon 089-7095-3560 oder 7095-0, Fax 089-72 44 74 11
    e-mail: Arend.Billing@med.uni-muenchen.de
    Uni-Protokolle - http://www.uni-protokolle.de[/f2]


    Hallo Forum,

    auch auf die Gefahr hin, in ein Wespennest zu stechen:

    Mit welchem Recht fordern „Krankenhäuser der Maximalversorgung“ eine „Extrawurst“ ein?
    Vielleicht, weil sie sich erst einmal bei der DRG-Kalkulation verweigert haben und schließlich zu spät aufgewacht sind (wir erinnern uns) ???

    Merke:
    Im DRG-System sind reichlich Vorkehrungen getroffen, um verschiedene Schweregrade entsprechend abzubilden, z.B. schwerkranker Pat. – reichlich Nebendiagnosen – höher bewertete DRG!
    Also sollten die Kosten durch die vielen schwerkranken Pat. in Häusern der Maximalversorgung auch abgedeckt werden können, es sei denn...

    ... es würde nicht korrekt (=vollständig) kodiert (weil z.B. das neue System zu lange ignoriert wurde und/oder zu wenig Aufwand diesbezüglich getrieben wurde --> Schulungen, Motivationssteigerung...). Folge: Weniger Erlös als möglich !

    ... die Kosten des Einzelfalls wären zu hoch, weil Prozesse bisher nicht optimiert wurden, wie z.B. verzögerte Verlegungen zwischen Abteilungen, Wartezeiten auf erforderliche Untersuchungen, unnötige (!) kostenintensive Untersuchungen (auch Wissenschaft braucht Input)...

    ... es würden bei der vorhandenen Infrastruktur (die auf die Versorgung schwerkranker Pat. ausgerichtet ist) zu viele „einfache“ Pat. mit niedrig bewerteten DRGs behandelt (auch eine Form der Fehlbelegung!)...

    Fazit:
    Im DRG-System sind (seit mindestens drei Jahren) alle (!) Kliniken gut beraten, ihre Abläufe zu überdenken und zu straffen. Auch wenn es bequem sein mag, so weiter zu wursteln wie bisher.
    Natürlich fällt es einer großen Klinik erst einmal schwerer, die zweifellos mit dem neuen Entgeltsystem auftauchenden Hürden zu nehmen. Aber große Kliniken verfügen auch über reichlich „manpower“. Man muss sie nur sinnvoll nutzen.

    Ich kann und will nicht einsehen, weshalb alle übrigen Kliniken unter eventuellen Defiziten (und hier meine ich nicht nur die finanziellen) der „Krankenhäuser der Maximalversorgung“ leiden sollen.

    Ich hoffe sehr, dass die Politik genügend Standfestigkeit besitzt, um das neue System, das sicherlich noch etliche Schwächen aufweist, aber auf jeden Fall gerechter als die Abrechnung nach „abgelegenen“ Tagen ist, wie geplant umsetzt, d.h. EIN Basisfallwert für alle ! Alles andere wäre der Offenbarungseid für das DRG-System.

    In Erwartung einer angeregten Diskussion

    Dr. R. Balling

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. med. Roland Balling

    Chirurg
    Medizincontroller
    "Ärztliches Qualitätsmanagement"
    Chirurgische Klinik, 82229 Seefeld

  • Hallo Dr. Balling, Hallo Forum,

    um eines vorweg zu nehmen: Ich bin der festen Überzeugung, daß ein fallpauschalenbasiertes System, wie es derzeit eingeführt wird, dem bisherigen System der tagesgleichen Pflegesätze auf jeden Fall vorzuziehen ist. Deshalb möchte ich meinen folgenden Beitrag nicht im Sinne eines Appelles zur Rückkehr in ein früheres System oder als ein Aufruf zur Abschaffung des DRG-Systems verstanden wissen. Allerdings denke ich, daß es sinnvoll ist, die Mängel, die im DRG-System, so wie es derzeit eingeführt werden soll, sicherlich vorhanden sind aufzuführen.

    der Sache nach gebe ich Ihnen (teilweise) Recht: Es sind im Rahmen der Einführung des DRG-Systems auf allen Seiten (Politik, Selbstverwaltung) und allen Ebenen (Bund, Länder, einzelne Häuser etc.) Fehler gemacht worden. Meiner Meinung liegt dies jedoch an einer von Beginn an überhasteten Einführung des Systems. Alles mußte schnell gehen, wirklich richtig organisiert und durchdacht schien mir zumindest die Einführung des Systems von Anfang an nicht. Hierbei hilft es auch nicht ständig von einem \"lernenden System\" zu sprechen, denn die Fehler, die im Jahre 2003 gemacht wurden, werden wenn überhaupt erkannt, in diesem Jahr seitens des InEK und anderer Organisationen \"analysiert\" und frühestens in 2005 dann korrigiert.

    Ihr Beitrag könnte den Eindruck erwecken, daß nahezu alle Fehler, die seitens der Krankenhäuser begangen wurden von den Maximalversorgern zu verantworten wären, während die kleinen und mittleren Häuser emsig und fleißig die einführung des Systems vorantrieben stets korrekt kodierten und auch die Kostenträgerrechnung durch die Bank weg, gewissenhaft, vollständig und ohne Tadel durchführten. Dem ist - wie Sie sicherlich wissen - bei weitem nicht so. Die Fehler und Bequemlichkeiten wurden meiner Meinung nach, wie bereits gesagt auf allen Seiten und auf allen Ebenen gemacht worden. Es wäre übrigens ein Wunder, wenn eine solch komplexe Aufgabe gänzlich reibungslos von Statten ginge.

    Deutlich widersprechen möchte ich jedoch Ihrem Argument \"EIN Basisfallwert für alle \". Meiner Meinung nach wird dies der modernen Medizin nicht gerecht. Deutlich wird dies an einem Beispiel, welches ich der besseren übersicht halber in einem zweiten Post darstellen möchte.

    MfG,

    M. Ziebart

  • ... und weiter geht\'s:

    Warum kann \"EIN Basisfallwert für alle \" nicht funktionieren ?

    Hierzu das folgende Beispiel aus der Geburtshilfe:

    Eine Geburt wird derzeit in die Basis-DRG \"O60\" eingeteilt, welche in drei Schweregrade ( O60A-C ) unterteilt ist. \"Erschwerend\" wirkt z.B. der Kode \"O42.11 - Vorzeitiger Blasensprung, Wehenbeginn nach Ablauf von 1 bis 7 Tagen\". Desweiteren führt der Kode \"O60.1 - Vorzeitige Entbindung\" ebenfalls zu einer Fallerschwernis, so daß beide Kodes zusammen schon einmal in die höchstbewertete DRG (O60A) führen. Es ist dann egal ( ! ) wieviele weitere komplizierenden Diagnosen hinzukommen, der Erlös wird stets dergleiche bleibe.

    Stellen Sie nun einmal zwei Fallkonstellationen vor, einen Fall bei dem eine Patientin mit vz. BS in der 36+2 SSW innerhalb von 25h WT entwickelt und einen komplizierteren \"Maximalversorgerfall\" bei dem es in der 28. SSW zu einem vz. BS mit beginnender WT nach 5 Tagen kommt. Mal ganz abgesehen davon, daß Sie im letzteren Fall den Kode O42.11 nicht kodieren dürften, falls primär eine Tokolyse durchgeführt wurde (es gilt dann aufgrund eines Exclusivums der Kode O42.2, welcher nicht fallerschwerend wirkt), landen beide Fälle immer noch in derselben DRG nämlich der O60A. Dies obwohl Sie mir sicherlich zustimmen würden, daß es sich bei ersterem Fall nahezu um eine normale Geburt handelt, während letzterer einen hochkomplizierten, pathologischen Verlauf darstellt.

    Wenn Sie nun weiter bedenken, daß ein \"Maximalversorger\" aufgrund seines Versorgungsauftrages die nötige Infrastruktur vorhalten muß, um - auch Sonntags Nachts um 4 Uhr - drei oder vier solcher Fälle den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend zu versorgen, und das egal, ob diese Fälle kommen oder nicht, sehen Sie den Unterschied zwischen einem \"Maximalversorger\" und dem kleinen Krankenhaus am Rande der Stadt, welches nach der zweiten oder dritten Aufnahme - sofern medizinisch verantwortbar - die Türen dicht macht oder komplizierte Fälle an die Maximalversorger weiterverweist.

    Sicherlich könnten Sie nun wieder auf das lernende System verweisen und behaupten, daß solche Grenzfälle in Zukunft besser erkannt und dann auch entsprechend vergütet würden. Meiner Meinung nach ist dies schlichtweg nicht möglich, ohne den Umfang des ICD-10, des OPS-301 und der DKR um ein vielfaches aufzublähen und damit das System völlig in einen nicht durchschaubaren, schwerst zu verstehenden Bürokratensumpf versinken zu lassen.

    Von daher halte ich es für wenig sinnvoll, \"EIN Basisfallwert für alle\" zu fordern. Vielmehr ist es notwendig, die Basisfallwerte anhand der Versorgungsklassen zu differenzieren. Die Tatsache, daß es landesweite Basisfallwerte geben soll steht ebenfalls Ihrer Forderungen nach einem Basisfallwert für alle entgegen. Meiner Meinung nach sind die Unterschiede zwischen einem Maximalversorger in Schleswig-Holstein und einem in Bayern geringer, als derjenige innerhalb eines Bundeslandes zwischen Maximalversorgern und Häusern der Grundversorgung. Von daher wäre eine Differenzierung nach Größenklasse sinnvoller als eine politisch motivierte (Kompetenzstreitigkeiten, konkurrierende Gesetzgebung, Verbände der Selbstverwaltungspartner auf Landeseben vs. Bundesebene etc. ) Differenzierung nach Bundesland.

    MfG,

    M. Ziebart

  • Hallo Herr Ziebart,

    Ihrem Beispiel mit dem komplizierten Verlauf aus der Geburtshilfe könnte ich, wie sicherlich auch alle anderen Kliniken, viele weitere Fälle hinzufügen, bei denen man im Einzelfall (!) bei weitem nicht die entstandenen Kosten \"einspielt\". Solche Verläufe sind oft nicht nur für die betroffenen Patienten, sondern auch für die behandelnden Kliniken deletär (im Einzelfall!).
    Bevor Sie einwenden, dass diese Fälle dann bei den Maximalversorgern enden, dem ist häufig nicht so: Auch in kleineren Häusern gibt es reichlich Fälle, wo Sie trotz multipler Begleiterkrankungen/Komplikationen den PCCL im bestehenden System eben nicht über 4 heben können, aber dennoch keine Behandlung in der Uniklinik erforderlich ist.


    Zitat


    ...Sicherlich könnten Sie nun wieder auf das lernende System verweisen und behaupten, daß solche Grenzfälle in Zukunft besser erkannt und dann auch entsprechend vergütet würden...

    Das ist in einem pauschalierenden Entgeltsystem nicht zu vermeiden und kann - so man denn ein solches Abrechnungssystem will - nur durch entsprechende Datenerhebungen mit ggf. notwendiger Anpassung des DRG-Katalogs erreicht werden. In Ihrem Beispiel wäre also - bei entsprechend vorhandener Datenbasis - ggf. eine weitere Splittung der geburtshilflichen DRG erforderlich.

    Allein den Basisfallwert für Maximalversorger zu erhöhen, ist mir entschieden zu einfach und bequem. Vorher müssen entsprechende Daten vorliegen, die Ihr Ansinnen ggf. untermauern können, z.B.:
    - Wie oft kommen Fälle wie der von Ihnen beschriebene in der Klinik vor?
    - Wie groß ist deren Anteil in Relation zu allen Geburten in der Klinik?

    Und wieder stellt sich mir die Frage, weshalb die Maximalversorger in der ersten Kalkulationsrunde \"gestreikt\" haben, wenn sie solche Probleme gesehen haben?
    Oder haben sie keine gesehen, weil sie sich auf einer \"Insel der Seligen\" wähnten?

    Letztlich ist und bleibt es immens wichtig, die Abläufe so zu gestalten, dass bei den - sicherlich auch in den Großkliniken vorkommenden Routinefällen - unter dem Strich eine schwarze Zahl erscheint. Nur so können Sie im DRG-System auch die von Ihnen beschriebenen \"Katastrophenfälle\" abdecken.


    Zitat


    ...Wenn Sie nun weiter bedenken, daß ein \"Maximalversorger\" aufgrund seines Versorgungsauftrages die nötige Infrastruktur vorhalten muß, um - auch Sonntags Nachts um 4 Uhr - drei oder vier solcher Fälle den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechend zu versorgen, und das egal, ob diese Fälle kommen oder nicht, sehen Sie den Unterschied zwischen einem \"Maximalversorger\" und dem kleinen Krankenhaus am Rande der Stadt, welches nach der zweiten oder dritten Aufnahme - sofern medizinisch verantwortbar - die Türen dicht macht oder komplizierte Fälle an die Maximalversorger weiterverweist...

    1. Auch kleinere Kliniken müssen eine ihrem Versorgungsauftrag entsprechende Infrastruktur vorhalten, egal ob ein Pat. kommt oder nicht (das Telefon muss von einem Mitarbeiter besetzt sein, egal ob die Klinik 1000 oder 100 Betten hat --> höherer Basisfallwert für kleinere Häuser? ).
    2. Schön wär´s, wenn die Maximalversorger immer jeden Pat. annehmen würden. Ich habe (bevorzugt nachts und/oder am Wochenende) Stunden am Telefon verbracht, um medizinisch notwendige Verlegungen zu organisieren (O-Ton: \" Probieren Sie es doch woanders, wir haben gerade ein Polytrauma von der Autobahn herein bekommen...\"). Erfolgreicher ist man in der Regel bei nicht ganz so großen Kliniken (die nach Ihren Vorstellungen dann künftig durch einen niedrigeren Basisfallwert \"belohnt\" werden sollen).


    Zitat


    ...Vielmehr ist es notwendig, die Basisfallwerte anhand der Versorgungsklassen zu differenzieren...

    Dafür sehe ich immer noch keine schlüssige Begründung.


    Zitat


    ...Meiner Meinung nach sind die Unterschiede zwischen einem Maximalversorger in Schleswig-Holstein und einem in Bayern geringer, als derjenige innerhalb eines Bundeslandes zwischen Maximalversorgern und Häusern der Grundversorgung...

    Worin bestehen diese Unterschiede?
    Sie haben Recht, ...

    ... wenn Sie darauf abstellen, dass eine Appendizitis in Flensburg genauso verläuft wie in Garmisch (und deshalb einen bundesweit einheitlichen Basisfallwert fordern),
    ... wenn Sie annehmen, dass CMI und CM im Haus der Maximalversorgung höher sind als im Haus der Grundversorgung.

    Und eben deshalb braucht es (solange keine Daten vorliegen, die anderes belegen!) keine unterschiedlichen Basisfallwerte !


    Noch einen schönen Sonntag wünscht

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. med. Roland Balling

    Chirurg
    Medizincontroller
    "Ärztliches Qualitätsmanagement"
    Chirurgische Klinik, 82229 Seefeld

  • Hallo Herr Balling,

    mir war klar, daß auf mein Beispiel mit dem \"Einzelfallargument\" geantwortet werden würde. Ich wollte mit dem Beispiel jedoch nicht zum Ausdruck bringen, daß es Einzelfallungerechtigkeiten im DRG-System gibt. Ich weiß daß, schließlich ist die Pauschalierung über die Gesamtzahl der Fälle ein wesentliches Merkmal des DRG-Systems. Mir ging es vielmehr darum, aufzuzeigen, daß es - zumindes derzeit - in jeder DRG für sich (in meinem Bsp. z.B. in der DRG O60A ) noch erhebliche Schwankungen der Fallschwere und Fallkosten gibt.

    -> Es handelt sich in meinem Beispiel deshalb nicht um ein \"Einzelfallbeispiel\", wohl aber um ein \"Einzel-DRG Beispiel (nämlich: O60A )\".

    Desweiteren habe ich versucht aufzuzeigen, daß die kostenintensiveren Fälle innerhalb einer DRG (Bsp.: vz. BS, 28 SSW ) derzeit eher bei den Maximalversorgern zu finden sind, während die kostengünstigeren Fälle (Bsp.: vz. BS 36+2 SSW ) bei den kleineren Häusern einen größeren Anteil innerhalb derselben DRG ausmachen. Deshalb sind auch Ihre Fragen:

    Zitat


    Original von RolandBalling:
    - Wie oft kommen Fälle wie der von Ihnen beschriebene in der Klinik vor?
    - Wie groß ist deren Anteil in Relation zu allen Geburten in der Klinik?

    ... falsch gestellt. Vielmehr geht es bei meiner Betrachtungsweise um die Fragen:

    - Wie oft kommen Fälle wie von mir beschrieben innerhalb einer DRG ( z.B. O60A ) vor ?

    und

    - Wie groß ist deren Anteil in Relation zu den anderen Fällen innerhalb derselben DRG ( z.B. O60A )?

    Sie haben völlig Recht, daß diese Fragen derzeit unbeantwortet sind. Daraus folgt jedoch auch, daß derzeit niemand beweisen kann, daß es nicht so ist, wie von mir behauptet ! Implizit bestätigen Sie jedoch eher meinen Standpunkt:

    Zitat


    Original von RolandBalling:
    Das ist in einem pauschalierenden Entgeltsystem nicht zu vermeiden und kann - so man denn ein solches Abrechnungssystem will - nur durch entsprechende Datenerhebungen mit ggf. notwendiger Anpassung des DRG-Katalogs erreicht werden. In Ihrem Beispiel wäre also - bei entsprechend vorhandener Datenbasis - ggf. eine weitere Splittung der geburtshilflichen DRG erforderlich.

    Ich will so so ein Abrechnungssystem; dennoch denke ich - offenbar anders als Sie, daß es nicht möglich sein wird, daß System so zu verfeinern, daß die Kostenschwankungen und Fallverteilungen innerhalb ein und derselben DRG im o.g. Sinne irrelevant werden. Dann hätten Sie de facto ja auch gar kein paschalierendes System mehr und könnten gleich eine Einzelfallrechnung stellen.

    Sie werden also immer - selbst wenn alle alles richtig machen - innerhalb einer DRG teurere und günstigere Fälle haben. Das ist ja gerade der Sinn in einem pauschalierenden System. Dieses ist nur gerecht, wenn die Verteilung dieser Fälle innerhalb einer DRG bei Häusern aller Größenklassen gleich wäre ! Ist dies nicht der Fall, muß daraus folgen, daß Häuser unterschiedlicher Größenklassen auch mit unterschiedlichen Basisfallwerten berücksichtigt werden.

    Diese Umstände haben in der budgetneutralen Phase eine untergeordnete Rolle gespielt. Mit Beginn der Kovergenzphase schlagen Sie jedoch auf die hierdurch benachteiligten Häuser finanziell durch.

    Und eben deshalb braucht es entweder den Beweis, daß meine o.g. Behauptungen falsch sind oder unterschiedliche Basisfallwerte !


    Ich freue mich über die angenehme Diskussion und wünsche Ihnen ebenfalls noch einen schönen Sonntag,

    MfG,

    M. Ziebart

  • Hallo Herr Ziebart,

    schön, dass wir beide ein pauschalierendes Entgeltsystem für erstrebenswert halten.

    Mit dem Begriff „pauschalierendes Entgeltsystem“ ist aber doch letztlich verbunden, dass ein und dieselbe Krankheit ein und dieselbe Vergütung nach sich zieht, egal ob in Garmisch, Flensburg oder Dresden behandelt.

    Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass Sie immer noch den Zeiten nachhängen, in denen Krankenhäuser ihre Kosten geltend machen konnten und erstattet bekamen.
    Dies ist definitiv vorbei.
    Natürlich ist es einfacher, höhere Erlöse einzufordern, als auf der Kostenseite zu optimieren. Aber verzagen Sie nicht: Auf der Kostenseite hat das Krankenhaus in der Regel eindeutig mehr Einflussmöglichkeiten. Wobei ich natürlich nicht verkenne, dass dies einer großen Kraftanstrengung bedarf, und besonders hier gilt: Je größer die Klinik, desto größer muss die Kraftanstrengung sein.


    Zitat


    ...Sie haben völlig Recht, daß diese Fragen derzeit unbeantwortet sind. Daraus folgt jedoch auch, daß derzeit niemand beweisen kann, daß es nicht so ist, wie von mir behauptet ! ...

    Dafür finde ich die Forderung nach „Sonderbehandlung“ der Maximalversorger aber reichlich gewagt, oder anders ausgedrückt: Wenn ich mehr Geld haben will als der Rest, dann muss ich dafür auch gute Argumente haben. Schiere Größe allein ist kein Argument.

    Also, „ohne ausreichend Daten keine Kohle“, es sei denn man (Maximalversorger? Politik? ) will das neue Entgeltsystem derart aufweichen, dass es das Attribut „pauschalierend“ nicht mehr verdient.


    Zitat


    ...dennoch denke ich - offenbar anders als Sie, daß es nicht möglich sein wird, daß System so zu verfeinern, daß die Kostenschwankungen und Fallverteilungen innerhalb ein und derselben DRG im o.g. Sinne irrelevant werden...

    Falls dem wirklich so sein sollte, müssten aber wiederum alle Kliniken mit diesem Problem leben (nicht nur die großen)!


    Zitat


    ...Und eben deshalb braucht es entweder den Beweis, daß meine o.g. Behauptungen falsch sind oder unterschiedliche Basisfallwerte !...

    Solange es keine Beweislastumkehr gibt, führt doch gemeinhin die Anklage (Maximalversorger) den Beweis, oder entscheidet die stärkere Lobby?

    Übrigens, wieso sollten Kostenträger bei unterschiedlichen Basisfallwerten noch ein Interesse daran haben, dass Pat. mit banalen Erkrankungen (dazu zähle ich z.B. Kolonkarzinome, Arthrosen für Endoprothesen) eine Uniklinik aufsuchen, wenn sie die gleiche Leistung für ihre Versicherten auch in einem kleineren Haus für deutlich weniger Euro erhalten können.

    Ich erinnere daran, dass es ab 2005 u.a. deshalb Qualitätsberichte geben wird, um den Kostenträgern zu ermöglichen, Empfehlungen für ihre Versicherten auszusprechen. Und es gibt jede Menge Eingriffe, die in ausreichender Zahl auch von kleineren Kliniken erbracht werden.

    ALSO: Die Maximalversorger könnten mit einem extra höheren Basisfallwert auch ein Eigentor schießen !


    Zitat


    ...Ich freue mich über die angenehme Diskussion...

    Ich auch :biggrin:

    MfG

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. med. Roland Balling

    Chirurg
    Medizincontroller
    "Ärztliches Qualitätsmanagement"
    Chirurgische Klinik, 82229 Seefeld

  • Hallo die Herren,

    ich halte es auch per se nicht für erforderlich,
    dass bestimmte KHs einen höheren Basisfallwert erhalten.
    Dies musste wirklich nachvollziehbar belegt werden, warum
    dies so sein soll. Dann habe ich auch nichts dagegen.

    Denn, die aktuelle Situation ist:
    Die meisten Regelversorger und alle Zentralversorger haben
    auch kostenintensive Apparate wie CT, MRT etc. Dies kann
    also nicht der Grund sein. Die Vergütung nach BAT z. B.
    im kommunalen Bereich ist sogar etwas höher als im universitären
    Bereich: Also auch keinen Grund für ein solches Bestreben.
    Viele Uni-Kliniken haben oder sind dabei aus dem BAT auszusteigen,
    was die Reduzierung der Personalkosten zur Follge haben konnte.
    Ein Umstand, der eher gegen ein solches Bestreben spricht.

    Die mit Lehre- und Forschung verbundenen Kosten der Uni-Kliniken
    sollten ohenhin extra finanziert werden, und mit diesem Geld natürlich auch ein Teil der Personal im klinischen Bereich, da zum Teil gleiche Personal klinisch und wissenschaftlich tätig ist.

    Die Einführung von 3 oder gar 4 verschiedenen Base rates - wurde ja oft
    verlangt- wäre nichts anderes als eine Aushöhlung des DRG-Systems ohne
    jegliche Anreize zur wirtschaftlichen Betriebsführung.
    Gruß
    Ordu

  • Glück Auf liebe Groupies

    Neben den bisher dargestellten Statements bleiben Fragen offen:

    Es gibt zum Beispiel \"Sprungfixe\" Kosten. Welcher Regelversorger beatmet zum Beispiel kontinuierlich über ein Jahr mehr als 15 Patienten?
    Schaut euch mal den Entwurf 2005 an und ihr findet eine Besserbewertung der typischen Maximalversorger DRG\'s im Beatmungssegment A.
    Die Maximalversorger stellten und stellen sich sehr wohl dem Wettbewerb. Solange es aber ab 2005 Baserateunterschiede von ca. 600 Euro gibt ist doch diese Vergleichbarkeit auch in meinen Augen sehr fraglich.
    Ich persönlich finde den aktuellen Weg der Inek über ZE und Versorgungsstruktur angepasste Bewertungsrelationen im Sinne des Gesetzgebers (also Volkswirtschaftlich) gar nicht uninteressant. Passt man nun z. B. die Mindestmengenregelungen entsprechend an, könnten auch die \"provitablen\" DRG\'s wieder bei denen landen, die gezwungen sind die \"Risiko-DRG\" zu erbringen. -- Mischkalkulation halt. Solange jedoch \"Cash-Cow-Pickking\" ohne \"Risiko-Struktur-Ausgleich\" möglich ist, ist das System unfair.

    Gelsenkirchen: Regen, Windig, herbstelnd

    M. Kilian

    Michael Kilian

  • Hallo Herr Ordu und Herr Kilian,

    vielen Dank für Ihre statements. Ich hatte schon befürchtet, dass die Thematik nur Herrn Ziebart und mich beschäftigt. Aber das kann ja eigentlich nicht sein.


    Kilian

    Zitat


    ...Schaut euch mal den Entwurf 2005 an und ihr findet eine Besserbewertung der typischen Maximalversorger DRG\'s im Beatmungssegment A...

    Eben, und deshalb ist eine „Special-Baserate“ völlig überflüssig und im Sinne des DRG-Entgeltsystems kontraproduktiv.


    Zitat


    ...Passt man nun z. B. die Mindestmengenregelungen entsprechend an, könnten auch die \"provitablen\" DRG\'s wieder bei denen landen, die gezwungen sind die \"Risiko-DRG\" zu erbringen...

    Hoffentlich muss ich da nicht die Intention heraushören, kleineren Häusern auf diesem Weg das Wasser abzugraben... :devil:

    Mit freundlichen Grüßen

    P.S.
    Was meinen eigentlich die Kassenvertreter (ToDo, DR...) ?

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. med. Roland Balling

    Chirurg
    Medizincontroller
    "Ärztliches Qualitätsmanagement"
    Chirurgische Klinik, 82229 Seefeld

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Herr Balling,

    natürlich betrifft es uns alle. So auch uns in Murnau. Wir sind so ein Maximalversorger, der doch so einige Probleme mit einem landesweit gültigen Basisfallpreis haben würde/wird. Dabei geht es nicht um die Größe (433 Betten), sondern um das von uns behandelte Spektrum. Und vorneweg, falls noch nicht bekannt: Ich bin für ein DRG-System.

    Das hat nichts damit zu tun, dass wir hier nicht richtig kodieren (wir haben da mehr als nur 1 Auge drauf), uns nicht der Aufgabe stellen würden oder prinzipiell nicht bereit sind, unsere Strukturen (so auch dann die Kosten) im DRG-Kontext zu beleuchten. Wie sind aber in der Verlegungskette (oder auch schon als Primärversorger) nun mal ganz oben. Das bedeutet, dass wir überdurchschnittlich häufig die schweren (besser schwersten) Fälle behandeln und dies bei der durchschnittlichen Vergütung dieses Fallspektrums.
    Das ist Ihnen z.B. schnell anhand unserer Septischen Chirurgie und hier speziell der MRSA-Problematik dargestellt. Wenn wir noch nicht mal die Hälfte der entstehenden Kosten über die DRG-Vergütung erhalten, haben wir ein Problem. Es wäre keins bei 4 oder 5 Fällen im Jahr, aber bei Fallzahlen um 130 und anstehender Defizite in 7-stelligem Bereich wird es doch langsam schmerzhaft.
    Das betrifft noch weitere Abteilungen und DRG-Gruppen bei uns und eben nicht nur Einzelfälle. Nur noch ein schnelles Beispiel: HBO-Therapie, die gar nicht vergütet wird und auch von den meisten Kliniken nicht erbracht wird. D.h., dass die Kosten hierfür bei der Kalkulation eingehen aber für uns eigentlich keine Rolle spielen, da sie in dieser Kalkulation (resultierendes RG) untergehen. Folglich bekommen alle anderen Häuser immer ein bisschen HBO-Therapie bezahlt (obwohl nicht erbracht), wir (und andere) die sie erbringen haben aber fast nichts davon. Die Vorhaltekosten und Investition hierfür sind nicht von Pappe.
    Die Summe aus all diesen Teil-Problemen ergibt dann ein doch sehr großes Gesamtproblem.
    Einfach zu fordern, dass dann eben die Strukturen angepasst werden müssen (Einsparungen), fruchtet dann hier gar nicht, weil es nur bedeuten könnte, diese Behandlungswege den (GKV)Patienten nicht mehr anbieten zu können.

    Wenn Sie an die Zeiten um 2000 zurückdenken, als ein (nahezu) 100%-Ansatz (vermeintlich) als fest zementiert galt, werden Sie feststellen, dass wir uns mittlerweile auch davon deutlich verabschiedet haben. Einzelne DRGs sind individuell zu vereinbaren und die Anzahl der Zusatzentgelte nehmen zu und ich persönlich erwarte zukünftig noch ein paar mehr (hier könnte ich mir dann auch z.B. die HBO vorstellen).

    Selbstverständlich gibt es immer irgendwo Einspaarpotentiale, die auch genutzt werden müssen. Die Vorstellung aber, dies bis auf die Kosten eines Hauses der Grundversorgung ohne jede Einbuße bei der Art und Qualität (unterschiedlich definiert und kontrovers diskutiert, ich weiß) der medizinischen Versorgung durchführen zu können und das man nur wollen muss, ist nicht realistisch. Zumindest für uns nicht.

    Das die Beatmungs_DRGs teilweise eine höhere RG-Gewichtung erhalten bedeuten aber nicht, dass die Maximalversorger sich auf einmal entspannen können. Wenn ich mir den Katalog anschaue und auf unsere bisherigen getroffenen DRG`s lege, beschleicht mich leider die Befürchtung, dass der CMI für uns sinken wird. Aber für so eine Aussage brauchts den Übergangsgrouper und der ist ja noch nicht da (wie übrigens der DRG-Katalog-2005 auch noch nicht :d_zwinker:). Ich hoffe aber, dass ich mich täusche...

    Somit muss man sich Gedanken um eine sachgerechte Vergütung machen. Die Diskussion um verschiedene Basisfallpreise ist einer davon.

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo,

    das sehe ich auch so, Herr Selter. Einige Begründungen finden sich für Universitätskliniken im Gutachten von Herrn Röder. Das gleiche gilt für Spezial- oder Schwerpunktversorger.Die Argumente sind nicht von der Hand zu weisen und - es nützt dem ganzen System nichts, wenn solche Kliniken oder auch nur Abteilungen in die Unwirtschaftlichkeit getrieben werden durch eine etwas unausgereifte Systematik.
    Das hier angeführte Argument, dass man PCCL errechnet und gesplittete DRG hat, zieht nicht wirklich. Wieviele DRG sind denn geslittet? Und, jetzt kommt mein Lieblingsthema: die CCL-Werte der Diagnosen sind zu 99% Australien, nicht Deutschland. Dieses System ist etwas unausgewogen. Auf dieser Basis wird aber auch 2005 gesplittet. Wieso ist eigentlich ein HWI so hoch bewertet? Und warum haben die Erregern fast alle den gleichen CCL? Warum ist die Multiresistenz ohne CCL>0? Oder die Sache mit den Abhängigkeiten von... und dem hübschen Beispiel in den DKR.
    Hier muss meiner Meinung nach das System noch fleißig weiterentwickelt werden. Dazu bedarf es eines Zuhörens bei Problemen und flexibler Lösungen.
    Das Argument, dass der Blinddarm überall gleich kosten muss, ist nicht wirklich tragend. Die Blinddärme sind doch nicht die Hauptkampfarena der Universitäten und Spezialversorger. Da geht es anders zur Sache. Wo genau, das muss untersucht werden und hier an den DRGs gefeilt werden. Für 2005 kann man das nicht erwarten. Was nun? Ausstieg aus der Konvergenzphase ist keine Lösung. Aber was dann? Die Vorschläge sollte man ernst nehmen, auch flexible BFW, evtl. mit Angleichungen bis zum Verschwinden der Unterschiede 2008 bei gleichzeitigen Ausbau des DRG-Systems.

    Gruß

    bdomurath
    Bad Wildungen