Respiratorische Insuffizienz und Cor pulmonale bei COPD

  • Hallo,
    ist ein Cor pulomonale gleichzusetzen mit einer Herzinsuffizienz?
    Eine hypertensive Herzkrankheit ist ja auch per se keine Linksherzinsuffizienz

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • hallo GOMER1!


    wieso nicht I27.28, und falls Sie einen ganz speziellen term für ein cor pulmonale haben dann evt I27.8?


    Ein chronisches Cor pumonale ist oft kompensiert, zeigt keine zeichen einer Rechtsherzinsuffizienz. Dann kann I50.01 natürlich nicht kodiert werden.
    Im übrigen ist das derzeit die crux: Was sind symptome einer Rechtsherzinsuffizienz? Vor allem, wenn der patient auch noch eine Linksherzinsuffizienz hat, dann gehts cardiologen gegen pulmologen.


    Weil weiter oben im thread das nicht rüber kam, kann ich das nur noch mal wiederholen: wenn ein patient mit einem chron C. pulm. dekompensiert und akut ins bett gelegt werden muss, dann ist das KEIN akutes Cor pulmonale, also kein I26.0.
    In meinen harrisson von 1977 steht noch:
    Types of Cor pulmonale: By tradition, the designation "acute" is generally reserved for the dilatation of the right side of the heart which follows acute embolization of the lungs.
    Das ist heute noch der stand der WHO/ ICD- klassifikation in I26.
    (Die neuen einteilungen haben einen nachteil: sie wechsen alle schaltjahre.)


    Unter I27.9 können Sie fälle kodieren, bei denen ein Cor pumonale diagnostiziert wurde, aber niemand weiß woher (keine COPD, keine thrombembolien usw.) Die sind gar nicht so selten und waren für mich mehrfach ein albtraum. Der chef/ Prof. wollte nach Links-Rechts-herzkatheter mit Oxymetrie eine ursache, chron Cor pulmanale o.n.A. war eine diagnostische niederlage.

    mfG ET.gkv

  • Vorsicht, nicht verwechseln:
    I50.01 ist - wie bereits oben beschrieben - für die Rechtsherzinsuffizienz auf dem Boden einer Linksherzinsuffizienz reserviert. Dies entspricht als Diagnose einer Pulmonalen Hypertonie Gruppe II. Für alle anderen Formen der Rechtsherzinsuffizienz gilt die I50.00.

    zu GOMER1s Frage: bei fehlenden Zeichen/Symptomen der Rechtsherzinsuffizienz, als da wären: Zyanose, Dyspnoe, Arm-/ Halsvenenstau, Beinödeme, Anasarka, Aszites, kodieren wir das Cor pulmonale chronicum bei idiopathischer/familiärer PAH mit I27.0, bei assoziierter PAH (Sklerodermie) sowie PH der Gruppen III und V mit I27.28 und bei CTEPH mit I27.20. Für die Verwendung der Kodes I27.8 und I27.9 sehe ich keine rechte Veranlassung.

    Zitat

    I50.0- Rechtsherzinsuffizienz
    Soll das Vorliegen ... eines Cor pulmonale angegeben werden, so ist eine zusätzliche Schlüsselnummer zu benutzen.
    I50.00 Primäre Rechtsherzinsuffizienz
    I50.01 Sekundäre Rechtsherzinsuffizienz
    Globale Herzinsuffizienz
    Rechtsherzinsuffizienz infolge Linksherzinsuffizienz

    P.S. Die Venedig-Klassifikation von 2004 wurde in Dana Point 2008 im Wesentlichen fortgeführt. Mit den Schaltjahren hat ET.gkv für diese beiden Jahre sogar Recht, allerdings findet die nächste Welt-Konferenz dann erst 2013 statt. Diese Klassifikationen besitzen für das diagnostische und therapeutische Vorgehen eine hohe Relevanz und lassen sich im ICD befriedigend abbilden. Zur Ursachensuche bei Pulmonaler Hypertonie finden sich in den Leitlinien der europäischen Fachgesellschaften ERS und ESC (2009) Empfehlungen, mit deren Hilfe sich Albträume vermeiden lassen. :)

    Mit freundlichen Grüßen aus dem Rhein-Neckar-Delta

    Dr. Wolfram Stark
    Internist / Pneumologe / Beatmungsmediziner / Kardiologe
    OA der Medizin. Klinik III
    Theresienkrankenhaus Mannheim

  • Hallo zusammen,

    zunächst recht vielen Dank an alle.

    Ich muss da aber noch einmal nachfragen:

    @ Dr. Stark: bei fehlenden Zeichen/Symptomen der Rechtsherzinsuffizienz, als da wären: Zyanose, Dyspnoe, Arm-/ Halsvenenstau, Beinödeme, Anasarka, Aszites, kodieren wir das Cor pulmonale chronicum ...

    Oftmals habe ich keine eindeutigen Symptome einer Dekompensation wie o.g.;außer einer Dyspnoe als "erstes" Anzeichen. In der Regel kommen die Patienten mit J44.0- oder .1- und bekanntem chr. Cor pulmonale. Die Dyspnoe kann auch Symptom der J44.-- sein, was meine ND I50.0- gleich wieder entkräftet.

    Bei weiteren Symptomen wie Arm-/ Halsvenenstau, Beinödeme, Anasarka, Aszites ist die I50.- bewiesen.

    Gruß,

    B. Schrader

  • hallo GOMER1!


    Wenn über 80% aller patienten bei der aufnahme auf einer internistischen intensivstation bei gezielter nachfrage luftnot/ kurzatmigkeit angeben, dann kann dyspnea kein eindeutiges symptom (für was auch immer) sein.
    Zudem haben Ihre COPD-patienten prozentual gesehen selten ein Cor pulmonale; nach studien mittels Rechthsherzkatheter etwas über 1%. Da es aber viele COPD-patienten gibt, ist das in absoluten zahlen nicht unerheblich.


    Wenn Sie die dyspnea in 99% Ihrer COPD-fälle der copd zuordnen liegen Sie richtiger. Dyspnea ist ein subjektives symptom, technisch erfassbarer ist die Hypoxämie/ Hypercapnie >>kodierbar als J96.-. Ich sehe da kein problem.
    Bei voller ausprägung (anasarka, aszitis) wird niemand einer RH-insuff widersprechen, nicht einmal die Linksherz-cardiologen.


    mfg ET.gkv

  • Die Diskussion droht vom DRG-Thema abzuweichen, aber:

    1.

    Zitat

    Wenn über 80% aller patienten bei der aufnahme auf einer internistischen intensivstation bei gezielter nachfrage luftnot/ kurzatmigkeit angeben, dann

    haben diese Patienten häufig Gründe, warum sie auf die Intensivstation gelegt werden. Luftnot kann eben viele, auch lebensbedrohliche Ursachen haben und ist damit sehr wohl ein relevantes Symptom.

    2.

    Zitat

    Zudem haben Ihre COPD-patienten prozentual gesehen selten ein Cor pulmonale; nach studien mittels Rechthsherzkatheter etwas über 1%.

    Wo nehmen Sie diese Zahlen her?? Je nach Studienkollektiv findet sich bei fortgeschritteneren Lungenerkankungen wie COPD oder Lungenfibrose in 30% - 90 % der Fälle im Rechtsherzkatheter eine relevante pulmonale Druckerhöhung. Dies sagt dann etwas über die Druckverhältnisse aus. Das Cor pulmonale chronicum ist davon differenziert zu betrachten und die Rechtsherzinsuffizienz auch noch mal differenziert.

    3.

    Zitat

    Wenn Sie die dyspnea in 99% Ihrer COPD-fälle der copd zuordnen liegen Sie richtiger. Dyspnea ist ein subjektives symptom, technisch erfassbarer ist die Hypoxämie/ Hypercapnie

    Diese Verlautbarung ist ebenso plakativ wie undifferenziert. Luftnot kann viele Ursachen haben (s.o.). Mit der Hypoxämie/Hyperkapnie erfassen Sie eine respiratorische Insuffizienz, niemals aber den Schweregrad einer COPD oder von Luftnot.

    Unter diesen Umständen sollte ET.gkv sich mit einer Signatur outen und sich nicht hinter einem Kürzel verstecken, um dann Behauptungen in die Welt zu setzen.

    Mit freundlichen Grüßen aus dem Rhein-Neckar-Delta

    Dr. Wolfram Stark
    Internist / Pneumologe / Beatmungsmediziner / Kardiologe
    OA der Medizin. Klinik III
    Theresienkrankenhaus Mannheim

    3 Mal editiert, zuletzt von WStark (13. November 2012 um 14:30)

  • Sehr geehrter Herr Dr. Stark!


    GOMER 1 schrieb: "Oftmals habe ich keine eindeutigen Symptome einer Dekompensation... außer einer Dyspnoe als erstes Anzeichen.
    Auf diesen satz bezogen schrieb ich: " ... dann kann dyspnoe kein eindeutiges symptom sein"
    An keiner stelle meines posts schrieb ich, das dyspnea ein irrelevantes symptom sei.
    Doch zweifellos ist dyspnoe differenzial-DD schwer zuzuordnen, weil sie "subjektiv, individuell und schwer messbar" ist( Prof Olschewsky, Graz).


    Bei all meinen Linksherzkathetern habe ich zuvor einen Rechtsherzkatheter (mit PWP) gemacht. besonders sorgfältig, wenn der patient aus der lungenklinik angemeldet worden war. Ich war immer überrascht, das normalerweise die druckwerte im RV oder der PA normal waren, auch bei schwerer COPD.
    Chaouat et al haben retrospektiv nahezu 1000 RHK bei schwerer copd ausgewertet und dabei der alleinigen copd nur 11 fälle zuordnen können. Zählt man die fälle mit niedrigeren druckwerten noch hiinzu, kommt man auf ca. 27. Wohlgemerkt dies waren schwergradige COPDs. Die prävalenz bei leicht- und mittelgradiger copd ist sicher wesentlich niedriger. Diese häufigkeiten finden Sie auch von Hoeper zitiert: Pneumologie 2006;60:428-445.
    Wo haben Sie diese 90% bei fortgeschrittener COPD her? Zur Lungenfibrose habe ich nichts geschrieben.


    Selbstverständlich erfasst eine BGA nicht den schweregrad einer Dyspnoe. Eine bga ist mir aber noch immer lieber als ein fragebogen, zumindest in schweren fällen von luftnot.


    Im übrigen ist mein name hier im forum nicht geheim. Einige meiner posts sind mit namen.
    Besonders bedanken darf ich mich für ihre kollegiale pulmologische fortbildung "...Luftnot kann eben viele, auch lebensbedrohliche Ursachen haben und ist damit sehr wohl ein relevantes Symptom". Ich hatte das nicht gewußt.


    mfg Dr. med. E. Trump

    Einmal editiert, zuletzt von ET.gkv (13. November 2012 um 21:52)

  • Sehr geehrter Herr Dr. Trump,

    Dyspnoe ist eine subjektive, schwer messbare Beschwerde, die viele, auch lebensbedrohliche Ursachen haben kann. Aufgrund der multifaktoriellen Genese kann eine eindeutige Zuordnung im Einzelfall schwierig bis unmöglich sein -> Konsens?
    Stellt sich ein Patient mit dieser Beschwerde vor, sollte u.a. eine BGA zur Objektivierung einer Hypoxie bzw. Hyperkapnie erfolgen -> Konsens?

    Vorsicht: In der Chaouat-Arbeit wurden 998 Pat. mit einer COPD (definiert als FEV1/VC < 60%) und hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz mittels RHK untersucht. Von diesen hatten 27 einen PAPm über 40 mmHg, davon wiederum 11 ausschließlich eine COPD als weitere Erkrankung. Interessanterweise lag der Median des FEV1 bei den eingangs erwähnten 11 Pat. bei 50% (39-69%) -> unklar ob PH wegen COPD oder eher PAH und daneben COPD.
    Von den übrigen 971 Pat. wurde eine Stichprobe gezogen, von dieser Stichprobe hatten 53% einen PAPm > 20 mmHg. Für das Gesamtkollektiv errechnet sich eine Prävalenz von 55%, wobei offen bleibt, inwiefern andere Erkrankungen auch ursächlich sein könnten.
    Die Angabe 90% stammt aus einer Arbeit von Scharf et al., die bei 120 Patienten mit schwerem Emphysem vor Lungenvolumenreduktion in 90% einen invasiv gemessenen PAPm von über 20 mmHg fanden.

    Mit freundlichen Grüßen aus dem Rhein-Neckar-Delta

    Dr. Wolfram Stark
    Internist / Pneumologe / Beatmungsmediziner / Kardiologe
    OA der Medizin. Klinik III
    Theresienkrankenhaus Mannheim

    Einmal editiert, zuletzt von WStark (14. November 2012 um 13:48)

  • Sehr geehrter Herr Dr. Stark!


    In beiden fällen natürlich konsens.


    Die schwächen der studie von Chaouat fielen mir auf, besonders seltsam der mPAP von 20 statt 25 mmHg. Die Patienten von Scharf sind "schwerst-"gradige copd-patienten. Nur tertiäre zentren können ein solches patintengut aufweisen, da wären selbst 100% keine überraschung.
    Die häufigkeit einer pulmonalen Hypertonie bei allen COPD-patienten ( leicht, mittel- und schwergadig) ist um potenzen niedriger.


    hallo Gomer1!
    Sie sehen das dyspnoe selbst ohne finanzielle interessen in der medizin zu disputen führen kann. Ihr letzter satz aus dem post vom 9.11. mit I50.0- ist mE aber weiter richtig.


    mfg ET.gkv