Kodierung SIRS/Sepsis/Bakteriämie 2005

  • Hallo Forum,

    kurze Meldung: Habe Nachricht vom DIMDI bekommen wegen der Widersprüche DKR/ICD bei der Sepsis-Kodierung 2005 und wegen einer Anfrage zur Verwendung von T-Codes, ebenfalls bei der Sepsis.

    Resultat:
    1.: Bei Sepsen im Rahmen einer Schwangerschaft, Geburt etc. ist (i.d.R. als HD) der Schwangerschafts-Komplikationscode (O--.-) und als ND ein Sepsiscode (z.B. A40/41.-) zu kodieren, auch wenn das der ICD verbietet. Hier sticht Ober (=DKR) ganz klar Unter (=ICD). Das InEK ist informiert.

    2.: Bei Kathetersepsis (oder sonstiger Sepsis als Komplikation) ist der T-Code *zusätzlich* zum A-Code zu verschlüsseln (bis letztes Jahr haben die sich gegenseitig ausgeschlossen).

    Viele Grüße
    Tim Pietzcker

    Prof. Dr. Tim Pietzcker, MBA
    Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie
    Technische Hochschule Ulm

  • Hallo Forum,

    muss nicht in Analogie zum Puerperalfieber bei jeder Infektion diese jeweils als Hauptdiagnose angegeben werden (soweit bekannt)und die Sepsis als Nebendiagnose? Ist die Sepsis nicht eigentlich ein Symptom der jeweiligen Infektion?
    Wir hatten das Thema schon an anderer Stelle. Eine schlüssige Begündung, die Sepsis als HD zu wählen, wenn die ursächliche Infektion bekannt ist und behandelt wird, wurde aber nie gegeben.

    Conrad

  • Hallo,

    mein Stand der Dinge ist, dass im Regelfall die Diagnose, die zur Aufnahme geführt hat, als HD zu kodieren ist. Wenn also die Sepsis der Aufnahmegrund war, ist sie die HD, wenn sie sich erst im Verlauf des Aufenthalts als Komplikation z. B. der zur Aufnahme führenden Pneumonie entwickelt, dann ist sie eine ND. Ausnahme wären dann die o. g. gynäkologischen Codes, wo die Sepsis immer ND ist. Aber in der Gyn ist ja sowieso immer alles anders :a_augenruppel:...

    Liege ich da falsch?
    Viele Grüße aus dem sonnigen (!) Ulm
    Tim Pietzcker

    Prof. Dr. Tim Pietzcker, MBA
    Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie
    Technische Hochschule Ulm

  • Hallo,

    wenn aber bei stat. Aufnahme eine Pneumonie mit Sepsis besteht? Ist die Sepsis nicht als Symptom der Pneumonie aufzufassen und die Pneumonie als zugrundeliegende Erkrankung die diagnostiziert und behandelt wird? (siehe D002, Hauptdiagnose, Zuweisung der zugrundeliegenden Krankheit als Hauptdiagnose)

    Selbstredend hat die Sepsis eine eigenständige Bedeutung und muss als ND kodiert werden.

    Genau so sehe ich das beim Harnwegsinfekt mit Urosepsis. Auch hier ist die Sepsis ein Symptom der zugrunde liegenden Infektion, des Harnwegsinfektes. Die DKR \"Urosepsis\" war vielleicht nur unglücklich formuliert und so gemeint dass der Sepsis-Code [c=deeppink]zusätzlich[/code] zugewiesen werden soll.

    Liege ich falsch?

    Conrad

  • Hm. Schwieriges Thema, aber interessant.

    Medizinisch finde ich, dass eine Sepsis kein Symptom, sondern eine Krankheit ist (sogar ein Krankheitskomplex), und dass bei einer ambulant erworbenen Pneumonie mit Sepsis vermutlich die Sepsis der führende Grund für die Krankenhauseinweisung ist. Falls man sich nicht zwischen Pneumonie und Sepsis entscheiden kann, dürfte aber zumindest die Sepsis den höheren Ressourcenverbrauch bedingen.

    Da hätte ich also lieber die Sepsis als HD und könnte sie gut begründen. Und in den neuen DKR ist ja auch gerade hervorgehoben worden, dass bei Urosepsis A40/41-Codes zu verwenden sind und NICHT mehr wie 2004 noch N39.0 als HD und A40/41 als ND.

    Aber wie gesagt, das ist meine Sicht der Dinge, und ich habe durchaus mal Scheuklappen auf - also widerlegt mich! :erschreck:

    Bei alledem muss aber natürlich schon gesichert sein, dass auch wirklich eine Sepsis vorliegt, die den Kriterien der Fachgesellschaften genügt. Wenn ich mich so umhöre (keine Namen jetzt), dann kodieren manche Leute jeden Keimnachweis im Blut als Sepsis. Das darf auch nicht sein.

    Beste Wünsche für ein schönes Wochenende,
    Tim Pietzcker

    Prof. Dr. Tim Pietzcker, MBA
    Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie
    Technische Hochschule Ulm

  • Hallo,

    an der Zahl der Aufrufe gemessen, scheint das Thema auf Interesse zu stoßen.

    Was sind denn „die Kriterien der Fachgesellschaften“ für [c=darkred]die Sepsis[/code]? Teilweise wurden sie von Ihnen eingangs zitiert (zurückgehend auf die Konsensuskonferenz des American College of Chest Physicians und der Society of Critical Care Medicine (so genannte ACCP/SCCMKriterien von 1992).

    Die Frage ist nur, wie die Kriterien anzuwenden sind. Allgemein akzeptiert und auch von der DSG übernommen ist nur die Definition der [c=darkred]schweren[/code] Sepsis anhand dieser Kriterien.
    Reden wir hier von Sepsis, meinen aber eigentlich schwere Sepsis?

    Conrad

  • Hallo zusammen,

    ja, wird immer spannender hier. :bombe:

    Also mal sehen:
    Auf der von Ihnen genannten Seite der DSG (http://webanae.med.uni-jena.de/WebObjects/DSG…sis/info_m.html) steht
    a) Sepsis = SIRS durch Infektion
    b) Schwere Sepsis = Sepsis plus Organdysfunktion
    c) SIRS = o.g. Kriterien (Temperatur, Puls, Atmung, Blutbild)
    Letztere Definition wird im Rahmen der Definition der Schweren Sepsis genannt, ist aber nicht ausschließlich auf diese bezogen.

    Übrigens hat Kollege Christaras aus Düsseldorf noch die Sepsiskriterien bzw. SIRS-Kriterien für Kinder beigesteuert (Deutsche Ges. f. Pädiatrische Hämatologie/Onkologie), siehe http://193.175.72.66/e2260/e5888/e6…version_ger.pdf (Seite 39, hat (noch) einen kleinen Tippfehler (Atemfrequenz >40, nicht >140/min).

    Folglich bleibe ich bei meiner Darstellung:
    Erregernachweis im Blut: Bakteriämie
    Sepsis = SIRS durch (nachgewiesene oder vermutete) Infektion: A/P-Code + R65.0! + ggf. Erreger- und andere Zusatzcodes
    Schwere Sepsis = Sepsis mit Organversagen: wie Sepsis, nur R65.1! statt R65.0! und zusätzlich Code zur genaueren Beschreibung des Organversagens.

    Ich habe den obigen Artikel auch nochmal überarbeitet, um all die neuen Informationen einzupflegen. Wenn mir jemand verrät, wie man hier einen Upload macht, dann schicke ich ihn gerne zum allgemeinen Gebrauch hoch. Die DGHM wird den Artikel jedenfalls aller Voraussicht nach in ihre offiziellen Kodierrichtlinien aufnehmen.

    Viele Grüße aus Ulm,
    Tim Pietzcker

    Prof. Dr. Tim Pietzcker, MBA
    Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie
    Technische Hochschule Ulm

  • Hallo Herr Pietzcker,
    nur eine Verständnisfrage:
    Wieviele der angeführten Kriterien für ein SIRS müssen erfüllt sein, um ein solches nachzuweisen? Nach der Definition der DSG für die schwere Sepsis reicht ein Kriterium aus. Ist es bei der einfachen Sepsis ebenso?

    MfG
    urogert

  • Hallo urogert,

    ich dachte, es müssen mindestens zwei der Kriterien erfüllt sein. Steht auf der DSG-/GPOH-Website auch so drauf.

    Siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/SIRS

    Zitat von dort:

    Zitat


    SIRS (Systemic Inflammatory Response Syndrom) ist der medizinische Begriff für eine systemische inflammatorische (entzündliche) Antwort des Organismus als eigenständige Reaktion auf verschiedene Provokationen.

    Zwei der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein, um die Diagnose SIRS stellen zu können:

    1. Körpertemperatur > 38°C oder < 36°C
    2. Herzfrequenz > 90/min
    3. Tachypnoe: Atemfrequenz > 20/min oder Hyperventilation mit pCO2< 4,3kPa (33mmHg)
    4. Leukozytose (>12000/μl) oder Leukopenie (<4000/μl) oder Linksverschiebung (dh. >10% unreife Formen).

    Sobald als Ursache der o.g. Symptome eine Infektion identifiziert ist, handelt es sich um eine Sepsis. Andererseits können auch immunologische, chemische Gründe (z. B. akute billäre Pankreatitis), Schock oder ein schweres Trauma ursächlich sein.

    Vielen Dank für den Hinweis, habe ich noch explizit eingebaut.

    Beste Grüße
    Tim Pietzcker

    Prof. Dr. Tim Pietzcker, MBA
    Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie
    Technische Hochschule Ulm