Ambulante Intensivmedizin

  • Hallo Herr Bürgstein,

    die von Ihnen wiedergegebene Sichtweise der Gutachter und Kasse ist eine ex post Betrachtung des Falles. Bei der Aufnahme stellt sich doch die Frage, ob und wie die Tachycardie ohne wesentliche Risiken sicher terminiert werden kann. Nun entscheiden Sie sich anhand der Eingangsuntersuchungen für die Injektion von Ajmalin, welches nach Empfehlung des Herstellers nicht nur unter Monitoring, sondern auch unter Defibrillations-, Intubations- und Reanimationsbereitschaft erfolgen soll, so ist im KH dafür die Intensivstation richtig. Aus der ex ante Entscheidung der aufnehmenden Ärzte halte ich zumindest eine Übernachtung für sehr wahrscheinlich einkalkuliert. Dies alleine auch um die dauerhaftigkeit der Intervention zu prüfen, Laborparameter kontrollieren zu können ... Wer sagt sicher, dass in den nächsten Stunden nicht wieder eine Tachy auftritt, dass sich nicht doch eine Indikation zur Ablation ergibt oder Nebenwirkungen der Therapie eintreten usw.

    Es post betrachtet weis ich immer um den Ausgang und kann sagen \"hätte auch ambulant erfolgen können\". Nun sind wir aber alle keine Hellseher.

    Die Argumentation der KGNW ist hier eine Möglichkeit, welche Sie dann zusätzlich nutzen sollten. Die G-AEP Kriterien sprechen für Sie.

    Ich würde hier keinesfalls locker lassen, muß aber zugeben einen solchen Fall noch nicht auf meinem Tisch gehabt zu haben.

    Gruss, A. Linz

  • Hallo Herr Bürgstein, liebe Kollegen, der Fall ist schon sehr problematisch. Hatten in diesem Monat einen ähnlichen Fall bei einem Pat. mit einem Status Asthmaticus,der Intensivmedizisch betreut wurde. Der Pat. entließ sich aber gehen ärztlichen Rat am gleichen Tag. Leider wurde die Angabe der KK verweigert. Nach weiteren Informationen existiert fraglich keine GKV. Weitere Klärung erfolgt zunächst über die Verwaltung. Wenn ich all die Kommentare zu dieser Sache lese,kann ich nur jeden Patienten immer \"übernachten lassen\".

    viele Grüße
    T. Jeromin

  • Halt! Jetzt hat sich meine Maus selbstständig gemacht-so war mein Beitrag nicht geplant, also auf ein Neues!

    Patientin kommt per Notarzt mit schwerer Alkoholvergiftung in unsere Klinik. Bei Aufnahme ist Pat. nicht ansprechbar. Wird auf Intensivstation gelegt und unter anderem überwacht. Nach 10 Stunden stationärem Aufenthalt wird Pat. in die Häuslichkeit entlassen. Kasse will ambulante Behandlung abgerechnet haben mit Verweis auf das hier schon viel zitierte Urteil.

    Ich habe das abgelehnt und würde es im Ernstfall auch beklagen, denn das Urteil ist auf diese Art von Fallkonstelationen nicht anwendbar. Grundsätzlich nehmen die Richter die Abgrenzung zwischen ambulanter Behandlung, stationärer Behandlung und teilstationärer Behandlung wohl vor, aber man darf nicht verkennen, dass es sich in diesem Urteil um Operationen handelt und die Frage, sind diese ambulant oder stationär erbracht. Das Urteil darf in keiner Weise so verstanden werden, dass allein die im Krankenhaus verbrachte Zeit ausschlaggebend für die Beurteilung der Art(ambulant, teil-oder vollstationär) der erbrachten Leistung sein kann. Das geht nur im Rahmen der möglichen ambulant zu erbringenden OPs, weil für das Ambulante Operieren nicht nur vertraglich geregelte Möglichkeiten der Leistungsabrechnung bestehen, sondern die niedergelassenen Ärzte auch in der Lage sind, diese Leistungen zu erbringen, weil die Räumlichkeiten, Geräte , Personal usw. in der Praxis vorhanden sind. Für eine intensivmedizinische Behandlung jeglicher Fälle (auch wenn sie nur Kurzzeitfälle sind), sind die Niedergelassenen nicht ausgerichtet und das ist vom Gesetzgeber auch nicht gewollt. Hier sind nun wirklich die besonderen Mittel des Krankenhauses notwendig. Eine intensivmedizinische Behandlung könnte nur \"ambulant\" abgerechnet werden, wenn es auch den niedergelassenen Ärzten möglich wäre, diese Leistung abzurechnen. Und das ist nicht der Fall. Es kann sicherlich im Rahmen ambulanter OPs auch mal zu Komplikationen kommen, die einer Notfallbehandlung in der Praxis bedürfen, aber hier handelt es sich immer nur um die Notfallerstversorgung. Sonst müssten die Praxen ja erheblich mehr und andere Medikamente und Gerätschaften vorhalten!!! Das wüde den Kassen nicht gefallen. Und dann ist natürlich nicht das Argument der Planbarkeit und der Vohersehbarkeit zu vergessen!

    Also ich kann nur raten, in diesen Fällen niemals den Forderungen der Kassen nachzugeben! Ich werde in meinem Fall klagen, sollte die Kasse nicht einlenken! Auch einen Vergleich würde ich ablehnen. \"Ambulante Intensivmedizin\"- wo kommen wir denn da hin!
    Viele Grüße
    Uta Seiffert-Schuldt

  • Schönen guten Tag allerseits!

    Ich kann ich Frau Seiffert-Schuldt nur anschließen. Das Urteil des BSG bezieht sich auf eine geplante Operation, bei der die Entlassung geplant am selben Tag erfolgte. Die Verallgemeinerung der Kassen, eine Behandlung ohne Übernachtung sei keine stationäre Behandlung ist inhaltlich und juristisch nicht haltbar und schon gar nicht auf Notfallaufnahmen und zweifelsfrei intensivmedizinisch zu behandelnde Fälle übertragbar. Dann können wir ja auch gleich die am selben Tag versterbenden Patienten ambulant behandeln, zumindest wenn der Tod am gleichen Tag bereits bei Aufnahme wahrscheinlich war.

    Nebenbei: Was ist denn eine \"Übernachtung\" beispielsweise bei einem um 2 Uhr nachts aufgenommenen Patienten?

    Hier ist denke ich dringend notwendig, dass ein entsprechend gelagerter Fall noch einmal gerichtlich durchgezogen wird, um dieses Urteil zu relativieren.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo allerseits,

    wie die angeregte Diskussion zeigt, hat das BSG- Urteil B 3 KR 4/03 mehr Verunsicherung geschaffen, als das es zur Rechtssicherheit beigetragen hat.

    Die recht schlichte Auslegung der Krankenkassen (alles ohne Übernachtung ist ambulant!) scheint mir doch schwer haltbar zu sein.

    Das BSG spricht selbst von einer \"Abgrenzungsschwierigkeiten weitgehend vermeidener\" Definition und bezeichnet bei einer gegebenen Übernachtung das vorliegen einer stationären Behandlung als \"augenfällig\". Dies deutet alles darauf hin, dass das BSG lediglich eine Beweisregel aufstellen wollte und kein Ausschlusskriterium definieren wollte.

    Darüber hinaus - wohl ganz besonders beachtenswert - knüpft das BSG an die geplante Behandlungsdauer an, nicht an die tatsächliche Dauer.

    Die Ausführungen in Punkt II 3 c der Entscheidung (Thema Dialyse) deuten allerdings leider darauf hin, dass das BSG diese Beweisregel allgemein aufstellen wollte und sich nicht auf operative Eingriffe beschränkt hat.

    Mir wird allerdings zu wenig beachtet, dass sich das Urteil auf einen Fall aus Bundespflegesatzverordnungszeiten bezieht, und daher in DRG- Zeiten kaum uneingeschränkt angewendet werden kann. Denn - wo sollte der Sinn von Tages- DRGs (vor allem in der Onkologie) liegen, wenn diese, da ja kein stationärer Aufenthalt vorliegt, gar nicht mehr abrechenbar sind?

    Daneben sollte man auch noch § 2 II 2 Nr. 4 KHEntgG beachten, der bestimmte Behandlungen dem stationären Bereich zuweist.

    Alles in allem gibt es genug Ansatzpunkte, um gegen die Auslegung der Krankenkassen zu argumentieren. Notfalls sind damit wohl wirklich wieder die Sozialgerichte gefragt, um den ganzen Problemkomplex einer Klärung zuzuführen. Bis dahin werden wir alle mit Tagesfällen sicher noch viel \"Freude\" haben!

    Mit freundlichen Grüßen

    Mährmann

  • Zitat


    Bis dahin werden wir alle mit Tagesfällen sicher noch viel \"Freude\" haben!

    ... Tendenz steigend

    Patient als Notfall ohne Einweisungsschein mit V.a. obere GI-Blutung bei blutigem Erbrechen -> Sono und Magenspiegelung am Aufnahmetag oB, Patient wünscht am gleichen Tag Entlassung -> Kassenanfrage: sei nicht stationär.

    Medikamentöse Kardioversion auf Intensivstation wie oben bereits geschildert ->Kassenanfrage

    etc. etc.

    mfG

    C. Hirschberg

  • Zitat


    Original von C. Hirschberg:

    Patient als Notfall ohne Einweisungsschein mit V.a. obere GI-Blutung bei blutigem Erbrechen -> Sono und Magenspiegelung am Aufnahmetag oB, Patient wünscht am gleichen Tag Entlassung -> Kassenanfrage: sei nicht stationär.

    Medikamentöse Kardioversion auf Intensivstation wie oben bereits geschildert ->Kassenanfrage

    Hallo Herr Hirschberg,

    sollte es wirklich Kassenanfrage heissen ? Falls ja sehe ich nicht das Problem, sofern die \"Aufnahme\" tagsüber war und nicht in der Nacht. Stellen Sie sich den Fall doch mal von anderer Seite im Umfeld des Datenschutzes vor.

    Da kommt ein Patient tagsüber für ein paar Stunden (ich unterstelle mal, dass es sich um relativ wenige gehandelt hat!) und erhält die von Ihnen angegebene Sono und Magenspiegelung! Die Kasse sieht zwar den Aufnahmegrund \"Notfall\", aber das heisst ja nun noch nicht unbedingt, dass hier eine stationäre Aufnahme notwendig ist! Dann sieht die Kasse \"normale\" Untersuchungen, die für sich gesehen auch ambulant erbracht werden könnten und zu guter letzt sieht die Kasse, dass der Patient \"gegen ärztlichen Rat\" gegangen ist.

    Sorry, aber bei einem solchen relativ kurzen Aufenthalt, denke ich ist es schon legitim mal nachzufragen, ob denn hier wirklich eine stationäre Aufnahme erfolgt ist, oder ob der Patient lediglich seine ambulanten Untersuchungen hinter sich gebracht hat und dann gegangen ist -> amublante Behandlung!

    Zum zweiten Fall: Leider sieht die Kasse gar nicht, dass der Patient sich auf der Intensivstation befunden hat, solange nicht im OPS durch irgendwelche besonderen Kodierungen dieses erkennbar ist. Und ganz ehrlich: Intensivstation und am gleichen Tag entlassen, ist wohl eher sehr selten oder ??? Also kann ich mir durchaus auch hier vorstellen, warum eine Kasse anfragt, ob es sich hier tatsächlich um eine stationäre Behandlung gehandelt hat.

    Schönes Wochenende

    Mr. Freundlich

  • Hallo Mr. Freundlich,

    auch zum zweiten Fall:
    Klar ist es nachvollziehbar, dass die KK in Fällen ohne Übernachtung nachfragt. Dagegen habe auch ich nichts einzuwenden. Wie häufig eine Intensivbehandlung ohne Übernachtung auftritt, ist aber für die Abrechung nach meiner Einschätzung ohne Belang. Tatsache ist, dass es solche Fälle gibt und dass es offensichtlich keine einheitliche Einschätzung gibt, wie diese abzurechnen sind. Der erste in diesem thread eingebrachte Fall befindet sich noch im Widerspruchsverfahren. Ich melde mich wieder, wenn das Ergebnis vorliegt.

    Beste Grüße

    H. Bürgstein

  • Hallo allerseits,
    ich finde, dass in diesem undähnlichen Threads immer drei Sachverhalte durcheinander gebracht werden:
    1.Pat. kommt für eine geplante oder auch ungeplante ambulante Behandlung, bei der von vornherein absehbar ist, dass er nach einer therapeutischen Maßnahme die Behandlungseinrichtung innerhalb des gleichen Tages oder weniger stunden wieder verlassen kann.
    2.Pat.wird ins Krankenhaus eingewiesen. Der kontaktierte Krankenhaus-Arzt hält eine Vor-Untersuchung evtl. zur Klärung der stationären Aufnahme für notwendig und lässt diese innerhalb von 5 Tagen vor der stationären Aufnahme durchführen. Kommt es zur stationären Aufnahme, wird die vorstationäre Untersuchung mit der DRG des anschließenden stationären Aufenthaltes abgegolten. Ist keine stationäre Aufnahme erforderlich, wird die vorstationäre Vergütungspauschale abgerechnet.
    3.Pat. kommt notfallmäßig oder mit Einweisung ins Krankenhaus. Der kontaktierende Krankenhausarzt entscheidet, ob der Patient einer stationären Behandlung bedarf. Ist dies der Fall, so wird der Pat. stationär aufgenommen und es ist unerheblich, wie lange der Patient im Krankenhaus verweilt. Wenn er kürzer bleibt, als die untere Grenzverweildauer vorgibt, so sind Kurzliegerabschläge fällig, aber vor-Stationär wird der Fall dadurch nicht.

    Wenn man sich an diese drei Möglichkeiten hielte, bräuchte man nicht so viel zu diskutieren. Die Kostenträger versuchen immer wieder, eine ex post Betrachtung einfliessen zu lassen und der MDK spielt dieses Spiel auch noch mit.
    Kein Kostenträger ist bereit, bei unglücklichen Umständen (Pat. kommt wegen einer Appendektomie, fällt hin und braucht eine TEP) einen müden Euro zusätzlich herauszurücken, weil dieser Fall krass unterbezahlt würde.
    Warum sollte man dann bei einen gelegentlichen krass überbezahlten Fall gleich einlenken und der Krankenkasse das Geld hinterherwerfen?
    Es ist und bleibt keine Einzelleistungsvergütung sondern ein Pauschalvergütungssystem auf dem Boden einer Mischkalkulation.
    Man sollte dies nicht ständig durcheinanderwerfen. :defman:

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken