MDK-Urteil bei bösartigen Neubildungen

  • Hallo Forum,

    ich bitte Sie zu folgendem Sachverhalt um eine Stellungnahme:

    Ein Patient wird einige Jahre nach Entfernung eines Primärtumors wegen Metastasen im Krankenhaus chemotherapeutisch behandelt. Die Fernmetastasierung wird als Hauptdiagnose codiert und vom MDK akzeptiert. Nach Erreichen einer partiellen Remission entlassen wir den Patienten in eine etwas längere Therapiepause. Bei Wiederaufnahme konstatieren wir einen Status idem der hepatären Metastasen und entlassen den Patienten bis zur nächsten Kontrolle ohne Chemotherapie nach Hause.
    Laut Urteil des MDK muss in diesem Fall der vor Jahren operierte Primärturmor als Hautdiagnose codiert werden.
    Nach unserem Dafürhalten entspricht das nicht den Deutschen Codierrichtlinien 2004.

    Für Ihre Stellungnahme bedanke ich mich im Voraus sehr herzlich.


    MFG
    C.Schmidt

  • Hallo Herr Schmidt, hallo Forum,

    EIn häufiger Streitpunkt mit den KK / dem MDK.

    Nach DKR 2004 haben Sie sicher Recht. Denn DKR 0201b: Erfolgt die Behndlung nur der Metastasen, sind diese als HD zu definieren.

    Erfolgt die Behandlung \"des Tumors\" ist diejenige Behandlung zu verschlüsseln, die den höchsten Ressourcenaufwand verursacht hat.

    Das Problem wird in 2005 noch größer: Wie sind Metastasen zu kodieren, wenn der Primärtumor nach seiner Entfernung definitiv nicht mehr da ist?

    Es ist ja noch einzusehen, daß möglichst immer der Primärtumor zu verschlüsseln ist. Wir kennen aber einige Fälle, in denen Patienten mehrere Tumoren (etwa: Mamma und Niere, Mamma und Colon) hatten, die jeweils operativ entfernt wurden.

    Hier werden definitv die Metastasen behandelt, dennoch haben wir die gleichen diskussionen mit den Kassen :noo: .

    Gruß

    merguet

  • Schönen guten Tag allerseits!

    Die Richtlinen zur Tumorcodierung schaffen Unschärfen und Interpretiationsspielraum und damit auch Steitpunkte.

    Mein Vorschlag wäre:
    Einheitliche Richtlinien zur Codierung bösartiger Tumoren in dem Sinne, das immer der Primärtumor (ggf. als Hauptdiagnose) und immer die Metastasen als Nebendiagnose zu verschlüsseln sind.

    Begründung: Wie in einem anderen Thread bereits einmal diskutiert, beinhaltet die medizinische Diagnose eines bösartigen Tumors auch die Metastasierung (z.B. über das TNM-Stadium). Dadurch wird auch das jeweilige Therapiekonzept beeinflusst. Ob das Vorhandensein von Metastasen ökonomisch nun aufwändiger oder in manchen Fällen vielleicht gerade sogar weniger aufwändig ist, bleibt sowieso von Fall zu Fall unterschiedlich.

    Die Differenzierung in DRGs und die entsprechende Kalkulation sollte bei Tumorpatienten dann eher über die jeweilige Leistung erfolgen.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag

  • Hallo Forum, Hallo Herr Schaffert,

    Das Problem existiert aber momentan v.a. wegen der höheren Bewertung der Metastasenbehandlung.

    Möglicherweise leigt dem zugrunde, daß beim InEK die Kalkulation der Metastasenpatienten tatsächlich höher Kosten erwiesen hat. Das erscheint ja auch sinnvoll, wenn man an fortgeschrittene Tumorleiden denkt.

    Die Behandlung der Metastasen ist hier ggf. der Indikator der höheren Kosten, der dann nach DKR 2004 zur Festlegung der Metastase als HD führte. Wie soll man derartiges bei dem von Ihnen gewählten Vorgehen differenzieren? :d_gutefrage:. So ist auch 2005 geblieben, daß bei ausschließlicher Behandlung der Metastasen diese codiert werden.

    Bei dem alternativen Modell müsste dann die ND Metastase zur höhergruppooerung führen. Wenn diese nun aber gar nicht behandelt würde, ggf. aber z.B. den Pflege- oder Diagnostikaufwand erhöht?

    Der Vorschlag von Herrn Schaffert würde dann um so komplizierter, wenn die bsp. präoperative Behandlung des Primärtumors bei gleichzeitigem Vorliegen von Metastasen im Vordergrund steht.


    Gruß

    Merguet

  • Schönen guten Tag Herr Merguet!

    Ist es denn so, dass die Behandlung von Metastasen kostenaufwändiger ist, als die Behandlung eines Primärtumors an gleicher Lokalisation?

    Sind die Kosten nicht vielmehr davon abhängig, wie und womit ich das ein oder andere behandele, also von der Leistung (OPS)?

    Sicherlich, wenn ich (isoliert) eine Lebermetastase reseziere, liegt die Verschlüsselung der Metastase als Hauptdiagnose nahe, aber warum sollte die Verschlüsselung Dickdarmcarzinom (HD) mit Lebermetastase (ND) nicht in die gleiche (OPS-getriggerte) DRG z.B. \"Resektion der Leber bei bösartiger Neubildung\" führen?

    Warum mein Vorschlag etwas bei der präoperativen Tumordiagnostik ändern würde, ist mir nicht klar, denn in diesem Fall würde ich auch jetzt bereits den Primärtumor als HD und die Metastasen als ND angeben, wenn ich welche finde.

    Es ist doch derzeit so, dass wir uns mit dem MDK darüber streiten (müssen), ob und in welchem Ausmaß die Behandlung des Primärtumors oder der Metastasen im Vordergrund stand oder überhaupt relevant war. Meiner Ansicht nach kann man diesen für einige Kliniken umfangreichen Konflikt durch eine einheitliche Kodierung beenden, und trotzdem sachgerecht kalkulieren.

    Natürlich weiß ich auch, dass jetzt andere Regelungen gelten. Mein Vorschlag bezieht sich daher nicht auf die akutelle Kodierung, sondern auf kommende Änderungen der Kodierregelungen.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo Forum,

    zunächst einmal möchte ich Herrn Schaffert zustimmen. Ich sehe ebenfalls deutlichen Klarstellungsbedarf bei der Kodierung von bösartigen Erkrankungen. Eine Änderung der DKR in die Richtung, wie sie nun von Ihnen, Herr Schaffert, vorgeschlagen wird, wäre sicherlich zu begrüßen.

    Zum Fall von Frau Schmidt möchte ich wie folgt kommentieren:

    Frau Schmidt schreibt im ersten Beitrag hierzu:

    Zitat


    Original v. C.Schmidt:
    Bei Wiederaufnahme konstatieren wir einen Status idem der hepatären Metastasen und entlassen den Patienten bis zur nächsten Kontrolle ohne Chemotherapie nach Hause.
    Laut Urteil des MDK muss in diesem Fall der vor Jahren operierte Primärturmor als Hautdiagnose codiert werden.
    Nach unserem Dafürhalten entspricht das nicht den Deutschen Codierrichtlinien 2004.

    Ihrer eben zitierten Fallschilderung ist zu entnehmen, daß im strittigen Aufenthalt nicht spezifisch therapiert ( \"ohne Chemotherapie\" ), sondern \"lediglich\" diagnostiziert ( \"status idem\" ) bzw. maximal \"symptomatisch\" therapiert wurde. Wenn dem so ist, so ist in diesem Fall dem MDK Recht zu geben. Dem Beitrag von merguet wäre in sofern - auch bereits nach DKR 2004 - zu widersprechen:

    1. Für den Fall, daß lediglich diagnostiziert wurde, kann man die Behandlung sicherlich als \"Staging\" beschreiben. Die DKR 2004 sehen für diesen Fall vor:

    Zitat


    Auszug: DKR 0201b - Version 2004:
    Wird ein Patient zum Staging aufgenommen, ist der Primärtumor als Hauptdiagnose anzugeben.

    2. Haben Sie zusätzlich symptomatisch behandelt, so kämen in diesem Fall auch die behandelten Symptome als Hauptdiagnose in Frage, da die zugrundeliegende Krankheit ( das Malignom ) bei Aufnahme bekannt waren:

    Zitat


    Auszug: DKR 0202b - Version 2004:
    Wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstellt und die zugrundeliegende Erkrankung zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist, ist das Symptom als Hauptdiagnose zu kodieren, sofern ausschließlich das Symptom behandelt wird. Die zugrundeliegende Erkrankung ist als Nebendiagnose-Kode anzugeben.

    Insgesamt betrachtet, würden in Ihrem Fall maximal zwei Diagnosen ( Fall 1: Primärtumor; Fall 2: behandelte Symptome ) die HD-Definition erfüllen. Sie müßten dann entsprechend der DKR D001a diejenige Diagnose als HD wählen, welche die meisten Ressourcen verbraucht hat.

    In keinem der beiden Fälle wäre jedoch die Metastasenlokalisation als Hauptdiagnose zu wählen, da nicht tumorspezifisch ( OP, Chemo, Radiatio, ... ) behandelt wurde.

    MfG,

    M. Ziebart

  • Liebes Forum,
    die Diskussion zeigt für mich wieder einmal sehr deutlich, wo die Grenzen eines Diagnosen-gesteuerten Systems liegen. Leberresektion bei HD Colon-Ca führt eben zu einer Fehler-DRG, man kommt mit dieser HD in die falsche MDC.
    Der Vorschlag des Kollegen Schaffert würde eine gewaltige Ausweitung der Prozedurenlisten erforderlich machen, denn an der primären Steuerung durch die HD will man in Deutschland ja offenbar festhalten.
    Einen wirklich vernünftigen und vieles vereinfachenden Lösungsansatz sehe ich in einer \"Sonderentgelt\"- artigen Vergütung von Operationen, so wie es uns die Österreicher ja nun schon seit Jahren vormachen und sich damit für ein System entschieden haben, welches zu Recht das Attribut \"Leistungsorientiert\" im Namen führt (LKF).
    Bei dem eingangs geschilderten Fall halte ich übrigens die Kodierung der Metastasen als HD für völlig korrekt, in den DKR findet sich lediglich der Hinweis, das in diesem Fall der (nicht mehr vorhandene) Primärtumor als Nebendiagnose verschlüsselt werden kann.

    Dr. Rolf Bartkowski
    Arzt f. Chirurgie, Med. Informatik
    Berlin

  • Liebes Forum,
    mal abgesehen von der Frage der richtigen Codierung:
    Warum war der Patient im KH? Zum Staging? Da greift doch die Bestimmung aus §39 SGB V: Aufnahme nur, wenn die nach Prüfung durch den zuständigen Arzt des KH erforderlich ist.
    Hier erfolgte zwar Prüfung, dann wurde aber eine stationäre Chemotherapie nicht für erforderlich gehalten: Laut MDK bei uns primäre Fehlbelegung.

    Grüße

    Maria

  • Hallo,

    der Vorschlag von Herrn Schaffert ist sehr gut. Die jetzt bestehenden Kodierrichtlinien sind können im Einzelfall medizinisch nicht plausibel sein.
    Der Vorschlag würde dieses Problem beseitigen. Solange Metastasen vorhanden sind, werden diese immer das Behandlungsproblem des eigentlichen Primärtumors darstellen. Ich sehe hier auch keinen Widerspruch zur Definition der Nebendiagnosen, wenn Primärtumor und Metastasen gleichzeitig therapiert werden (Siehe Querschnittlähmung und Lähmungshöhe und Folge von... oder Schlaganfall).

    Die DKG sammelt gerade die Vorschläge für Änderungen der DKR.

    Gruß

    bdomurath
    Bad Wildungen