Entzugssyndrom beim Neugeborenen

  • Hallo liebes Forum,

    Wie bilde ich ein Nikotin-Entzugssyndrom eines Neugeborenen ab?

    1) P04.2 (Schädigung des Feten und Neugeborenen durch Tabakkonsum der Mutter) mit Basisikostengewicht von 0,299
    oder
    2) P96.1 (Entzugssyndrome beim Neugeborenen bei Einnahme von abhänigkeitserzeugenden Substanzen, Arzneimitteln oder Drogen durch die Mutter) mit Basiskostengewicht von 1,085

    Nikotin ist doch eine abhängigkeitserzeugende Substanz?

    Schon jetzt Danke für die Rückantworten
    Grüße
    K.W

    Frau Wika

  • Hallo Wika,

    die P04.2 ist korrekt, da diese den Sachverhalt genauer beschreibt. Unter P96.1 ist im ICD-10 quasi als nähere Erläuterung \"Drogenentzugssyndrom beim Kind einer abhängigen Mutter\" angegeben, wodurch man eigentlich auch erkennen kann, was mit dieser Ziffer gemeint ist.

    Ein weiterer Hinweis, was mit P96.1 gemeint ist, findet sich auch in den Exklusiva zu P04.4!

    MFG

    Mr. Freundlich

  • Hallo,

    passend zum Thema:

    Übernahme eines \"31 Tage\"(!) alten Kindes aus einer anderen Klinik zur Fortführung des Opiatentzugs beim Kind (Mutter opiatabhängig, Kind Entzugserscheinungen nach Entbindung).

    Wie wird hier kodiert ?

    P96.1 Entzugssymptome beim Neugeborenen bei Einnahme von abhängigkeitserzeugenden Arzneimitteln oder Drogen durch die Mutter

    (Dafür wäre Kind aber \"zu alt\")

    oder

    F11.3 Psychische und Verhaltensstörungen durch Opioide, Entzugssyndrom

    mfG

    C. Hirschberg

  • Hallo Herr Hirschberg,

    wie in diesem Forum bereits mehrfach festgestellt wurde, ist in den DKR keine Zeitgrenze für die Anwendung der Kodes aus Kapitel XVI der ICD-10 vorgegeben.
    In der ICD selbst liest man am Kapitelanfang: \"Inkl: Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben, auch wenn Tod oder Krankheit erst später auftreten.\"

    Daher wäre in dem von Ihnen genannten Beispiel der Kode P96.1 zutreffend, auch wenn dadurch eine Fehler-DRG angesteuert wird!

    Mit freundlichen Grüßen,

    Markus Hollerbach

  • Wichtig ist in diesem Zusammenhang zuerst einmal der Unterschied zwischen Schädigung und Entzug. Ersteres entsteht durch den Gebrauch, letzteres durch das Weglassen. Analog stellt sich die Situation beim Neugeborenen dar.

    Beispiel 1: SGA bei Nikotinabusus. Dort ist die P04.2 (neben der passenden SGA-Ziffer) zu diskutieren.

    Beispiel 2: kommt es beim obigen Patienten zu einer relevanten Entzugssymptomatik (Dokumentation z.B. über Finnegan-Score), ist auch die P96.1 angebracht. Daß bei Entzug im Gegensatz zum Gebrauch nicht stärker nach Substanz differenziert wird, sehe ich nicht als ausschlaggebend. Nikotin ist eine Droge, die gesellschaftliche Akzeptanz ändert nichts an der Aussage. Somit trifft bei Entzugssymptomen durch Nikotin die Definition der P96.1 (\"Entzugssymptome beim Neugeborenen bei Einnahme von abhängigkeitserzeugenden Arzneimitteln oder Drogen durch die Mutter\") durchaus zu.

    Kurz gesagt: Sinnvoll scheint mir zur Kodierung eine getrennte Betrachtung beider Komplexe (Schädigung: P04.2 oder P04.4, Entzug: P96.1), da mit den Ziffern zwei unterschiedliche Problembereiche beschrieben werden.

    M. Achenbach

  • Danke Hr. Dr. Achenbach für Ihre Hilfe!

    Wichtig war mir die Definition \"Schädigung\" u. \"Entzug\" aus der Sichtweise eines Pädiaters.
    Ich werde P96.1 verschlüsseln und hoffe, dass im Falle einer Überprüfung, der MDK die Meinung teilt.

    MfG

    Frau Wika

  • @ Herr Hirschberg:
    Ganz nebenbei bemerkt finde ich es sehr schön, wenn hier einmal auf das Problem der Drogen-entziehenden Neugeborenen und deren Vergütung eingegangen wird. Wenn man dazu die DRG-Daten sieht:
    DRG: P67B,
    RG = 1,085,
    UGVD =2,
    OGVD = 16,
    dann wird mir jedes Mal schlecht, wenn es heißt, wir haben wieder eines dieser armen Mäuse aufgenommen. Denn tatsächlich benötigen die Kinder für eine wirklich angemessene Therapie nahezu eine pflegerische 1:1-Betreuung. Dazu den Sozialdienst des Krankenhauses für die Plakerei mit den Eltern und der Suche nach einer Pflege- / Adoptionsfamilie. Zum Glück ist Tinctura opii als Entzugsmedikament nicht sonderlich teuer (;~)))
    Hier muss das Inek dringend noch nachkalkulieren.

    wertschätzende Grüße an
    alle Gesundmacher(innen)
    und Gesundmacher(innen)bezahler(innen),
    Dr. S. Siefert
    Medizinmanagement und Arzt
    Kath. Kinderkrankenhaus Wilhelmstift
    Freie und Hansestadt Hamburg

  • hole diesen alten Thread mal aus der Versenkung, nachdem sich das SG Lüneburg zu der Problematik geäußert hat und feststellt, dass P96.1 nicht passt, da Nikotin/Tabak eben keine keine Droge i.S.d. ICD sei.
    MfG, RA Berbuir


  • Guten Abend zusammen,


    ich frage mich nur warum die ICD 10 dann unter dem Kapitel V Psychische und Verhaltensstörungen (F00-F99) Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (F10-F19) den Tabak bzw. das Nikotin in trauter Nachbarschaft zu den anderen Drogen aufführt, wenn Tabak im Sinne der ICD nicht als Droge bewertet wird.
    :?:
    FG Karla

  • Hallo,
    vielleicht deswegen?

    Zitat von SG Lüneburg

    Ungeachtet des insoweit eindeutigen Sprachgebrauchs im ICD-10-GM ist auch im Alltagsgebrauch eine Gleichsetzung von Tabakkonsum und Drogenkonsum nicht festzustellen. So wird in der Alltagssprache ein Raucher ebenso wenig als drogenabhängig bezeichnet wie ein Tabakwarenhändler als Drogenhändler.

    Andererseits sehen die unter Berufung auf den MDK eine Nikotinabhängigkeit der Mutter mit Auswirkungen auf den Feten unter << P04.2 Schädigung des Fetus und Neugeborenen durch Tabakkonsum der Mutter>> abgebildet.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch