Gemeinsame Strategien gegen Inflation von Rechnungsnachfragen durch KK

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,
    guten Tag Herr Maehrmann,


    Zitat


    Original von Maehrmann:

    unmittelbare Besuche des MDK im Krankenhaus zur Klärung strittiger Fälle sind eine wirklich gute Sache. Hier in Westfalen - Lippe besteht insoweit, wie Herr Blaschke schon ausgeführt hat, keine Chance. Nicht einmal bei sehr langen Behandlungszeiten kommt der MDK ins Haus, obwohl der KÜV NW dies eigentlich als Normalfall vorsieht.
    …..


    … „Die Beklagte hat gegen § 2 Abs. 6 KÜV verstoßen. Danach sollen die Ärzte der Medizinischen Dienste ihre Bedenken gegenüber dem Leitenden Abteilungsarzt oder dessen Stellvertreter darlegen und mit diesem erörtern, wenn aus Sicht der Ärzte der Medizinischen Dienste Bedenken gegen die Notwendigkeit, Art oder Dauer der Krankenhausbehandlung bestehen.
    …
    Dieses Fachgespräch soll stattfinden, wenn aus Sicht der Ärzte des MDK Bedenken gegen die Notwendigkeit, Art oder Dauer der Krankenhausbehandlung bestehen. “…

    http://www.rechtsprechung.saarland.de/cgi-bin/rechts…8&pos=25&anz=31


    Gemäß §112 Landesvertrag NRW sollten die Ärzte des MDK ihre Bedenken gegen die Notwendigkeit oder Dauer der Krankenhausbehandlung darlegen und erörtern §2 (6)


    gilt jetzt in Westfalen-Lippe:

    „ein Urteil des LSG und tausende von Gutachten werden zu Makulatur“ ???


    Gruß

    E Rembs

  • Hallo Herr Rembs,

    das Urteil des LSG Saarbrücken ist grundsätzlich sehr erfreulich und meiner Ansicht nach auch sachgerecht.

    Nur - das Urteil nimmt streng genommen nur eine Auslegung des Landesvertrages des Saarlandes vor, andere LSGs werden hierdurch in keiner Weise gebunden. Der KÜV NW ist dem saarländischen zwar sehr ähnlich, ob sich das LSG NW, das nicht unbedingt zu einer krankenhausfreundlichen Auslegung der Landesverträge neigt (z.B. L 5 KR 141/ 01), dieser Rechtssprechung anschließt, erscheint mir höchst zweifelhaft, vor allem, da in NW (zumindest in Westfalen - Lippe) Besuche des MDK im Krankenhaus kaum vorkommen und die Gerichte in NW diese Praxis bisher nie in Frage gestellt haben.

    Im Ergebnis - vor Gericht ist man immer ein wenig in Gottes Hand.

    Mit freundlichen Grüßen

    Mährmann

  • Liebe Kolleg(inn)en,

    wo kann man die Landesverträge nach § 112 SGB V mal en bloc downloaden und nachlesen? Muss man hierzu jede einzelne Krankenhausgesellschaft bemühen?

    Ich halte es für sehr verwunderlich, dass die Bearbeitungsmodalitäten für Krankenhäuser, KK und MDK alle paar Kilometer anderes geregelt sind.

    Wie verträgt sich dies im Kontext mit dem häufig zitierten Urteil des BSG?
    (Das Krankenhaus 07/2005)?

    Vielen Dank

    murx

  • Hallo Forum,

    gegen inflationäre Anfragen der KK scheint kein Kraut gewachsen.

    Ist hier ein Statistiker, der mal überlegen könnte, ab wann eine Stichprobe im DRG-System mit seinen >800 DRGS repräsentativ ist ?
    Wenn nämlich 10% aller Fälle geprüft werden, dann generieren die KK eine repräsentative Stichprobe. Und genau das ist etwas, was sie nicht dürfen.

    Ansonsten:
    Meines Erachtens sollte die Anzahl der \"verdachtsabhängigen Prüfungen\" gesetzlich beschränkt werden, und zwar auf 3%. Es muss ja nicht verboten sein, weiter zu fragen, nur dann soll die Bearbeitung der Anfrage etwas kosten. Ich denke da an EUR 150 pro Anfrage, das ist im Vergleich zu anderen qualifizierten Anfragen noch sehr moderat. Es versteht sich von selbst, dass die Antwort dann formal und inhaltlich qualifiziert ausfallen muss.

    Was man dann auch noch machen könnte:
    Man läßt den Gesetzgeber raus, der ist ja auch nicht immer hilfreich. Man vereinbart einfach mit den Kassen die Prüffrequenz verbindlich und prospektiv.

    Bei einer Beschränkung der Prüffrequenz hätte man wirklich Waffengleichheit. Denn das Hochschrauben der MDK-Anfragen stellt die KH vor die Alternative, das Geld gleich zu verlieren oder so viel interne Arbeit zu generieren, die eben auch wieder Geld kostet.

    Grüße von der Ostsee,

    Christoph Bobrowski

    Dr. med. Christoph Bobrowski, M.Sc.

  • Zitat


    Original von bobrowski:
    Ansonsten:
    Meines Erachtens sollte die Anzahl der \"verdachtsabhängigen Prüfungen\" gesetzlich beschränkt werden, und zwar auf 3%. Es muss ja nicht verboten sein, weiter zu fragen, nur dann soll die Bearbeitung der Anfrage etwas kosten. Ich denke da an EUR 150 pro Anfrage, das ist im Vergleich zu anderen qualifizierten Anfragen noch sehr moderat. Es versteht sich von selbst, dass die Antwort dann formal und inhaltlich qualifiziert ausfallen muss.

    Christoph Bobrowski

    Hallo Herr Bobrowski,

    die Grundidee fände ich sogar als KK-Verteter überlegenswert, denn leider musste ich auch durch viele Beiträge im Forum hinnehmen, dass es wirklich blödsinnige Anfragen gibt bzw. dass systematisch Fälle geprüft werden, die nicht unbedingt diskussionswürdig sind :erschreck:

    Allerdings ist bei der Idee zu berücksichtigen, dass die KK \"nur\" die Daten aus dem §301 erhalten und da sehen halt manche Konstellationen fragwürdig aus, die unter Kenntnis der gesamten Akte gar nicht mehr fragwürdig sind. Aus diesem Grund entschuldigen Sie manche Nachfrage, die aus Ihrer Sicht vielleicht nicht gerechtfertigt ist, aber auf Grund der für die KK zur Verfügung stehenden Daten eben doch notwendig ist.

    Desweiteren und ganz wichtig: Wenn die Kasse für Anfragen zahlen soll, dann sollte aber auch eine Art \"Strafe\" fällig werden, wenn denn die Kodierungen des Krhs. falsch sind und (bewusst oder unbewusst) Upcoding betrieben wurde.

    Leider haben wir in der täglichen Praxis von den schwarzen Schafen Aussagen wie \"Man kann es ja mal versuchen etc.\" erhalten. Sorry, aber da fehlt mir dann auch jedes Verständnis dafür :boese: , denn dann darf sich das Krhs. auch nicht wundern, wenn die Anzahl der geprüften Fälle in dem entsprechenden Krhs. drastisch ansteigt. Komischerweise sind dies dann leider häufig Krhs., die sich über die Anzahl der gerüften Fälle besonders aufregen.

    Ich wünsche einen schönen Arbeitstag.

    Mr. Freundlich

  • Hallo Forum,

    als Kassenvertreter möchte ich noch mal ein paar Anmerkungen zu den vermehrten Anfragen der Krankenkassen machen. Auswertungen der beiden MDK in NRW haben ergeben, dass etwa 50% aller überprüften Fälle tatsächlich eine Änderung der Kodierung ergeben haben (nur Fälle, in denen eine Überprüfung der DRG-Kodierung stattgefunden hat). Dabei wurde in ca.5-7% aller Fälle der Erlös des Krankenhauses gesteigert. Diese Zahlen gelten für alle Kassenarten in ähnlicher Höhe.

    Wenn man sich den Datensatz nach 301 anschaut, sollte jedem klar sein, dass sich die Prüfung seitens der Krankenkassen auf Auffälligkeiten bezieht. Das der Patient in einer solch auffälligen Weise Krank sein kann, ist jedem klar. Deshalb werden immer auch Fälle eingehend überprüft werden, bei denen sich hinterher eine korrekte Kodierung herausstellt.

    Eine Begehung durch den MDK oder eine direkte Klärung zwischen Kasse und Krankenhaus ist natürlich asu Effizienzgründen vorzuziehen. Letzteres nimmt nach meinen Erkenntnissen auch zu. Trotzdem ist angesichts der hohen „Trefferquoten“ der MDK-Beauftragung m. E. eine generelle Beschuldigung der Krankenkassen nicht angebracht. Das es auch einzelne Kassen gibt, die aus Unkenntnis oder Strategie extrem hohe (und evtl. auch schlechte) Prüfquoten haben, ist unstrittig. Genauso gibt es allerdings auch einzelne Krankenhäuser, die schlecht oder manchmal auch bösartig kodieren.

    Eine generelle Begrenzung der Prüffälle würde aber genau die Krankenhäuser begünstigen, die in besonderem Maße schlecht kodieren. Ab Erreichen der 3% wären die Krankenkassen dann von allen Zweifeln ausgeschlossen. Dies ist nicht dann nicht mehr im Sinne des Systems.

    Grundsätzlich ist im DRG-System halt das Problem, das man als Krankenhaus im Zweifel eher zur Kodierung neigt, während die Krankenkasse natürlich alles am liebsten streichen würde. Kodierung ist halt keine exakte Wissenschaft (Medizin ja auch nicht), was für ein Vergütungssystem halt Probleme mit sich bringt.

    Und zum Schluss noch was zu den Kosten: Der MDK wird alleine von den Kassen getragen. Wenn diese Kosten nach dem Verursacherprinzip (d. h. nach erfolgreichen oder nicht erfolgreichen Prüfungen) auf die Krankenkassen und die Krankenhäuser verteilt würden, wären die Kosten für die Kliniken wesentlich höher. Von daher sollte die bisherige Regelung aus Krankenhaussicht beibehalten werden. Außerdem gehören die Kosten für die Erstellung und Übermittlung von Berichten zumindest in NRW zu den allgemeinen Krankenhausleistungen (§11 Abs. 3 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V). wie die Regelung in den anderen Bundesländern ist, weiß ich im Moment nicht, dies dürfte aber ähnlich geregelt sein. Damit sind diese Kosten bereits im Basisfallwert eingepreist. Das damit keine Einzelfallgerechtigkeit zu erzielen ist, sollte im DRG-System allen Beteiligten (leider) selbstverständlich sein.

    mfg

    Bern

    ehemaliger Versicherungsvertreter

  • Hallo Bern,
    hallo Forum,

    dazu passt ein Beitrag, der im MDK-Forum (Ausgabe Juli 2005) erschienen ist und über den der Schütze-Brief (Nr. 58 vom 25.7.2005) berichtet. Es handelt sich um einen Erfahrungsbericht der Medizinischen Dienste der Krankenversicherungen über die Prüfung von Krankenhausabrechnungen.

    So berichtet dort beispielsweise der MDK Rheinland-Pfalz, dass bei 28 % der geprüften Abrechnungen die Hauptdiagnose nicht korrekt gewesen und in 38 % der geprüften Fälle ein anderes Relativgewicht herausgekommen sei - 7 % zugunsten der Krankenhäuser und 31 % zugunsten der Krankenkassen. Auch die Prüfung hinsichtlich der Dauer und Notwendigkeit einer (voll)stationären Behandlung spiele noch immer eine große Rolle. So konnte in 28 % der geprüften Fällen die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung nicht bestätigt werden.

    Beim MDK Hessen hätten sich im Jahre 2004 von den rund 110.000 Begutachtungsfällen ca. 34.000 auf die Überprüfung der Codierqualität bezogen. In 47 % dieser Fälle hätte sich eine Änderung der Codierung ergeben. Da mir die Zahl der stationären Patienten und Patientinnen in den hessischen Krankenhäusern zumindest nicht ad hoc bekannt ist, müssten diese Zahlen insoweit relativiert werden.

    Kurzum eine durchaus interessante Lektüre.

    Gruß

    Der Systemlernende

  • Hallo Forum,
    hallo Systemlernender,
    zu dieser Aussage hätte ich ein Frage: beziehen sich diese Aussagen des MDK auf Erstgutachten oder sind das Ergebnisse von Erstgutachten und Zweitgutachten nach Widersprüchen? Urteile dürften ja soviel noch nicht vorliegen.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Guten Tag Herr Horndasch,

    ich habe aus der Sekundärquelle, also aus dem Schütze-Brief, zitiert. Die Originalaufsätze in der Zeitschrift MDK-Forum habe ich noch nicht gelesen.

    Ich vermute \'mal, dass eine Differenzierung zwischen Erst, Zweit- und ggf. Drittgutachten nicht vorgenommen wurde. Aber - wie gesagt - ich werde nach dem Lesen der Aufsätze sicher noch einmal auf dieses Thema zurück kommen.

    Gruß

    Der Systemlernende

  • Hallo Forum,

    naja die ursprüngliche Frage haben wir noch nicht geklärt. Was kann man gegen die Inflation von Nachfragen tun ?

    In diesem System spielen wir alle unsere Rolle, aber das ist ja kein Freibrief für die Explosion der Nachfragen.

    Besonders ärgerlich sind für mich in letzter Zeit zwei Umstände:

    1. Die Kasse fragt nach \"Ressourcenverbrauch von Nebendiagnosen\", dazu nehmen wir brav Stellung, schreiben also einen detaillierten Brief, schicken die Epikrise im verschlossenen Umschlag an den MDK. Und siehe da, nun wird die Hauptdiagnose kritisiert. Das Spiel geht von vorne los. Wir sollen doch als KH effizient werden (als ob wir das nicht schon weitestgehend seit Mitte der 1990er gewesen wären - ich komme aus einer Klinik mit Wartelisten für elektive Aufnahmen !). Uns wird aber fehlende Effizienz vordekliniert und wir werden geradezu an einer effizienten Bearbeitung der inflationierten MDK-Anfragen gehindert.


    2. Es werden offensichtlich unsinnige Einwände gemacht - die lassen sich m.E. mit einfachem Hinweis auf Kodierrichtlinien oder mit dem Hinweis auf medizinische Basics erledigen. Kostet aber sehr viel Zeit.
    Also ehrlich: Da hat eine Patientin einen Myokardinfarkt, dieser wird in der Epikrise als Akutes Koronarsyndrom beschreiben, gleich dahinter kommt der STEMI (ST elevation myocardial infarction), das Wort Infarkt kommt dann noch x-mal in der Epikrise vor, und KK und MDK halten das nicht für einen Infarkt. Könnte reichlich Beispiele dafür liefern. Absicht oder Gedankenlosigkeit der Kassen/des MDK ???

    Liebe Erlösminimierer, ich wünsche keinem von Ihnen einen Myokardinfarkt. Aber stellen Sie sich mal vor, es passiert, das EKG klinischer Befund und Labor sind eindeutig. Dann verweigert man Ihnen die Koronarangiographie (bzw. macht sie nur gegen Rechnung) mit dem Argument, sorry, für die Kasse ist dies kein Infarkt.

    ICH WEISS, ich weiss, meine Rhetorik besteht darin, die retrospektive und die prospektive Sicht zu vermengen. Aber damit wird klar, was da alles an Anfragen läuft !

    Verärgerte Grüße - genau wie das Wetter, durchwachsen.

    Christoph Bobrowski

    Dr. med. Christoph Bobrowski, M.Sc.