Medizinische Begründung bei Aufnahme einer Begleitperson erforderlich?

  • liebes forum,

    folgender fall:
    fünfjähriges kind mit akuter appendizitis aufgenommen, mutter sozusagen anbei.

    jetzt fordert die krankenkasse (in diesem fall die aok) eine gesonderte schriftliche medizinische begründung, wieso die mitaufnahme erfolgte.
    die \"normale\" kodierung der begleitperson mit der z76.3 ist erfolgt und am aufnahmetag der krankenkasse übermittelt worden (natürlich in verbindung mit der kodierten appendizitis des kindes).

    ist diese vorgehensweise auch andernorts üblich?
    und überhaupt erforderlich?
    gesetzlich irgendwo hinterlegt?

    mit liebem gruss aus dem eiskalten norden,
    dm

  • Hallo,

    aud dieser Seite der AOK findet sich die Vereinbarung zwischen Kassen und DKG dazu. Der § 1 dieses Vertrages lautet:

    Zitat

    § 1
    Aufnahme von Begleitpersonen
    (1) Zu den allgemeinen Krankenhausleistungen gehört gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 KHEntgG auch die aus medizinischen Gründen notwendige Mitaufnahme einer Begleitperson des Patienten. Die Unterbringung der Begleitperson soll in unmittelbarer Nähe zum Patienten erfolgen.
    (2) Über die medizinische Notwendigkeit entscheidet der Krankenhausarzt und dokumentiert diese in den Krankenunterlagen.


    Die Zuordnung der Dokumentation zu den Krankenunterlagen hat m.E. zur Folge, daß die Kasse keine zusätzliche Begründung verlangen kann sondern höchstens den MDK mit einer Überprüfung beauftragen kann. Denn nicht die Kasse sondern nur der MDK hat das Einsichtsrecht in die Krankenunterlagen. Ob die Vertragspartner ein Anrecht der Kasse auf eine medizinische Begründung vereinbaren können (was sie nicht getan haben), würde ich ebenfalls bezweifeln. Das würde ja bedeuten, daß per Vertrag der gesetzlich gewollte Schutz der medizinischen Informationen des Patienten (keine direkte Einsichtnahme der Kasse, nur über den MDK) ausgehebelt werden könnte.

    Für Kommentare der juristisch versierten Forumsteilnehmer bin ich dankbar.

    Grüsse,
    M. Achenbach

  • Hallo Herr Marachi,

    da schneiden Sie in der Tat ein ganz heiß diskutiertets Thema an. Als Kinderklinik gehört die Mitaufnahme eines Elternteils sozusagen zu unserem Alltagsgeschäft, aber meines Wissen gibt es keine allgemeinverbindlichen Regelungen und schon gar nicht gesetzlicher Art. Herr Röder aus Münster hat wohl mal eine \"Leitlinie\" zur Mitaufnahme herausgegeben, die die medizinische Indikation unter anderem an der Altersgrenze festmacht und für Kinder unter sechs Jahren die grundsätzliche medizinische Indikation sieht. Hiermit könnten Sie also schonmal argumentieren. Desweiteren findet sich in dieser Leitlinie die sehr allgemeine Formulierung, dass eine medizinische Indikation zur Mitaufnahme einer Begleitperson dann gegeben sei, wenn dadurch \"die Behandlung (überhaupt erst)ermöglicht oder verbessert wird\".

    In unserer Abteilung haben wir uns auf folgende Regelung geeinigt:
    1. Mütter gestillter Säuglinge
    2. Eltern schwerbehinderter Kinder, bei bei denen eine effektive Behandlung nur in Anwesenheit einer Bezugsperson möglich ist.
    3. Eltern von Kindern, die die deutsche Sprache gar nicht verstehen und bei denen eine effektive Behandlung nur in Anwesenheit einer Bezugsperson möglich ist.

    Wichtig ist noch, dass in Fällen medizinisch begründeter Mitaufnahme die Begeleitperson auch von Anfang an mit verpflegt werden muss!

    Aus anderen Abteilungen weiß ich, dass die Mitaufnahmeregelung durchaus wesentlich großzügiger gehandhabt wird, daher bin auch ich gespannt, wie dort die Erfahrungen mit den Kostenträgern sind.

    Aus dem nicht mehr so nassen, aber immer noch kühlen Westfalen

    grüßt H. Staender :baby:
    Oberarzt Pädiatrie

  • Hallo Herr Staender,

    bei den Indikationen für die medizinische Notwendigkeit fehlen aus meiner Sicht noch zwei:

    1. Die Eltern sind in die Behandlung involviert (z.B. Diabetiker- oder Asthma-Schulungen)
    2. Es liegt eine so schwerwiegende Erkrankung vor, dass quasi jederzeit die Einwilligung der Eltern für eine medizinische Maßnahme eingeholt werden muss.

    Dieses wurde bisher von den Kassen akzeptiert, wir haben bisher noch nicht eine Anfrage diesbezüglich bekommen. Nur den privatkassen ist die Vergütung der Begleitpersonen noch nicht flächendeckend bekannt. Hier ist oftmals ein zusätzliches Schreiben erforderlich.

    Ich möchte an dieser Stelle aber auch nochmal darauf hinweisen, dass es für das Krankenhaus wirtschaftlich keinen Nutzen bringt, möglichst viele Eltern aus medizinischen Gründen mitaufzunehmen. Es handelt sich hierbei nämlich nicht um zusätzliche Einnahmen! Die Erlöse für die Mitaufnahme werden aus dem Gesamtbudget herausgerechnet, die Erlössituation ändert sich also überhauot nicht...

    Aus rein wirtschaftlichen Gründen ist demnach die Aufnahme einer Begleitperson nur dann sinnvoll, wenn es sich um einen Selbstzahler handelt, eine medizinische Notwendigkeit also nicht vorliegt. Diese Erlöse laufen außerhalb des Budgets und sind somit \"echte\" Zusatzerlöse.

    Viele Grüße und ein schönes Wochenende

    Winnie

  • Zitat


    Original von Winnie:


    Aus rein wirtschaftlichen Gründen ist demnach die Aufnahme einer Begleitperson nur dann sinnvoll, wenn es sich um einen Selbstzahler handelt, eine medizinische Notwendigkeit also nicht vorliegt. Diese Erlöse laufen außerhalb des Budgets und sind somit \"echte\" Zusatzerlöse.

    Bevor jetzt aber einige schwarze Schafe wieder auf falsche Gedanken kommen. Wenn den Kassen bekannt wird, dass vom Krhs Aussagen wie \"Die Kasse bezahlt das nicht !\" etc. gemacht werden, dann können sich die entsprechenden Krhs. auf böse Reaktionen gefasst machen.

    Mr. Freundlich

  • Hallo Mr. Freundlich,

    das Problem ist aber, dass wir als KH von den Kassen keine verbindliche Aussage bekommen, wann eine Behandlung denn jetzt medizinisch erforderlich ist. Folgender aktueller Fall:

    Unsere Ärzte haben entscheiden, dass eine medizinische Notwendigkeit zur Mitaufnahme nicht bestand (war ein ganz normaler Fall), die Mutter als für Verpflegung (!) 15,- Euro (die Unterbringung an sich bieten wir kostenlos auf Klappbetten an) zahlen musste. Die Mutter läuft zur Kasse und erhält dort die Aussage: \"Natürlich brauchen Sie die Kosten für die Mitaufnahme nicht zu bezahlen, die kann das Krankenhaus ja direkt mit uns abrechnen!\"

    Nachdem ich dann bei der Kasse angerufen habe und den Fall geschildert habe, kam von der Sachbearbeiterin die Aussage: \"Das entscheidet natürlich der Arzt, da kann ich gar nichts zu sagen.\" Auch auf mein Drängen, eine Zusage zu erhalten, ging die Sachebarbeiterin nicht ein.

    Letzendlich haben wir hier die Kosten für die Begleitperson mit der Kasse abgerechnet ohne dass eine Reaktion kam...

    Hieran sieht man meiner Meinung nach, dass die Kassen sehr unsicher im Umgang mit dieser Thematik sind.

    Viele grüße

    Winnie

  • Hallo Herr Winnie,

    eine kleine Richtigstellung:

    Sie schreiben, dass es dem Krankenhaus wirtschaftlich keinen Nutzen bringe, möglichst viele Eltern aus medizinischen Gründen mitaufzunehmen, da die Erlöse für die Mitaufnahme aus dem Gesamtbudget herausgerechnet werden.

    Es ist zwar richtig, dass die kalkulierten bzw. vereinbarten Erlöse für die Mitaufnahme aus dem Gesamtbudget herausgerechnet werden. Wenn die tatsächlichen Erlöse (Ist-Erlöse) jedoch höher ausfallen, erfolgt dafür prinzipiell kein (Erlös-)Ausgleich. Die üblichen Ausgleichsregelungen (siehe im wesentlichen § 4 Abs. 9 KHEntgG) gelten hier nicht. Das Krankenhaus kann also die Mehrerlöse in vollem Umfang behalten. Es sei denn, es wird zwischen dem Krankenhausträger und den Krankenkassen ein \"Sonderausgleich\" (Fehlschätzungsausgleich) auch für diese Erlöse vereinbart, der dann selbstverständlich auch für einen Mindererlös gelten sollte.

    Gruß

    Der Systemlernende

  • Hallo Winnie Poor,

    Sie schildern einen Fall wie er nicht laufen soll. In Ihrem Fall ist wichtig, dass der Mutter auch mitgeteilt wird, dass aus medizinsichen Gründen eine Mitaufnahme nicht notwendig ist und daher eine Abrechnung mit der Kasse nicht möglich ist. Schlimm ist nur, wenn man als KK-Mitarbeiter immer wieder von Fällen hört, dass die Aussage ohne jede Erklärung getroffen wurde.

    Das Sie die Kosten mit der Kasse abgerechnet haben, ohne dass eine Reaktion erfolgte, könnte daran liegen, dass die Kassen m.E. nach derzeit die Notwendigkeit von Begleitpersonen äusserst zurückhaltend prüfen, da es ja wie bereits in mehreren Threads dargestellt, keine verbindlichen Regelungen zu dieser Thematik gibt.

    Mr. Freundlich

  • Zitat

    Hieran sieht man meiner Meinung nach, dass die Kassen sehr unsicher im Umgang mit dieser Thematik sind.

    Auch wenn ich die Regelung der Mitaufnahme unglücklich geregelt finde, an diesem Fall sieht man eher, dass es kaum zu verhindern ist, gegeneinander ausgespielt zu werden. Versicherte haben das (durchaus verständliche) Interesse, das Optimale für sich heraus zu holen.
    Insofern wird die Mutter kaum in der Kasse erzählt haben: \"Der Arzt hat gesagt, es sei medizinisch nicht notwendig, bei meinem Kind zu bleiben, ich will es aber trotzdem. Bezahlen Sie dass?\" Sondern es als absolute Notwendigkeit hingestellt haben.
    Selbst wenn der Sachbearbeiter im optimalen Fall gesagt hat: Das KH entscheidet nach medizinischer Notwendigkeit. Wenn der Arzt entsprechend entscheidet, besteht natürlich die Möglichkeit, diese Leistung mit uns abzurechnen.
    Die Mutter wird natürlich nur hören: \"Es besteht die Möglichkeit, das mit der KK abzurechnen und entsprechend zu Ihnen kommen.\" :sterne:

    Es erscheint also wirklich notwendig, gemeinsam Kriterien für die Aufnahme einer Begleitperson zu entwicklen, die dann auch den Eltern / Versicherten bei Bedarf als Erläuterung ausgehändigt werden können. :deal:

    [f2] [c=darkblue][comic]Schönen Gruß vom Möhrle[/comic][/c] :i_wink:[/f2]

  • @ WinniePoor:

    Zitat


    Original von Winnie Poor:
    bei den Indikationen für die medizinische Notwendigkeit fehlen aus meiner Sicht noch zwei:

    1. Die Eltern sind in die Behandlung involviert (z.B. Diabetiker- oder Asthma-Schulungen)
    2. Es liegt eine so schwerwiegende Erkrankung vor, dass quasi jederzeit die Einwilligung der Eltern für eine medizinische Maßnahme eingeholt werden muss.

    Ich möchte an dieser Stelle aber auch nochmal darauf hinweisen, dass es für das Krankenhaus wirtschaftlich keinen Nutzen bringt, möglichst viele Eltern aus medizinischen Gründen mitaufzunehmen. Es handelt sich hierbei nämlich nicht um zusätzliche Einnahmen! Die Erlöse für die Mitaufnahme werden aus dem Gesamtbudget herausgerechnet, die Erlössituation ändert sich also überhauot nicht...

    Genau aus diesem Grund haben wir derzeit die Kriterien eher etwas enger gefasst, denn auch unser Controlling sieht die medizinisch begründeten Mitaufnahmen gar nicht unbedingt so gerne.

    @ Systemlernender:

    Zitat


    Es ist zwar richtig, dass die kalkulierten bzw. vereinbarten Erlöse für die Mitaufnahme aus dem Gesamtbudget herausgerechnet werden. Wenn die tatsächlichen Erlöse (Ist-Erlöse) jedoch höher ausfallen, erfolgt dafür prinzipiell kein (Erlös-)Ausgleich. Die üblichen Ausgleichsregelungen (siehe im wesentlichen § 4 Abs. 9 KHEntgG) gelten hier nicht. Das Krankenhaus kann also die Mehrerlöse in vollem Umfang behalten. Es sei denn, es wird zwischen dem Krankenhausträger und den Krankenkassen ein \"Sonderausgleich\" (Fehlschätzungsausgleich) auch für diese Erlöse vereinbart, der dann selbstverständlich auch für einen Mindererlös gelten sollte.


    Danke für den Tip, ich werde ihn mal hausintern zur Diskussion stellen.

    Last but not least @ Möhrle:

    Zitat


    Es erscheint also wirklich notwendig, gemeinsam Kriterien für die Aufnahme einer Begleitperson zu entwicklen, die dann auch den Eltern / Versicherten bei Bedarf als Erläuterung ausgehändigt werden können. Deal

    Dem kann ich mich nur anschließen :i_respekt: !

    Aus dem nasskalten Ostwestfalen

    grüßt H. Staender :baby:
    Oberarzt Pädiatrie

  • Hallo Forum,

    auf unserer Kinderstation haben wir auch die Möglichkeit,Begleitpersonen aufzunehmen. Leider kommt es jetzt sehr oft zu Nachfragen durch den MDK,
    da dieser die Leitlinien der GKinD nicht akzeptieren will. Nach dessen Ansicht ist dies nur eine Empfehlung, an die sie sich nicht gebunden fühlen. Stattdessen legen sie die Kriterien bei Fallgesprächen individuell fest oder verhandeln mit den Klinikleitern entsprechende Aufnahmekriterien. Warum haben sich Herr Röder und auch GKinD solche Arbeit gemacht? Warum sind die Kriterien nicht in die DKR aufgenommen?
    Es wäre alles so schön einfach...
    Ein 6 2/12 altes Kind mit massiven Unterbauchbeschwerden benötigt nicht unbedingt die Mutter zum trösten und eine OP-Einwilligung in kürzester Zeit dürfte doch kein Problem sein. Das kann man ja auch bei der Aufnahme alles schon unterschreiben. Außerdem ist das Kind ja schon über 6 Jahre .

    Mit frdl. Grüßen
    [c=blue]Mikka[/c]

    :d_zwinker:
    Das Leben ist die Suche des Nichts aus dem Etwas.
    (Chr. Morgenstern)