ambulante Geburt

  • Guten Morgen Mr. Freundlich,

    Zitat


    Original v. Mr. Freundlich:

    Ich glaube, dass wir hier doch zwischenzeitlich an einem Punkt angekommen sind, der sich wohl kaum lösen lässt.

    Da sind wir endlich einmal einer Meinung ...

    Sie können ( oder wollen ) meine Argumentation offenbar nicht verstehen:

    Auf meine beiden Fragen zur Aufnahmeindikation antworten Sie:

    - ad 1: Ja und in diesem Fall heisst sie \" Patientin möchte nicht stationär aufgenommen werden\".

    - ad 2: Nein, denn Patientin möchte gar nicht stationär, sondern will ambulant entbinden und begibt sich daher zur ambulanten Geburt ins Haus.

    Hierzu fällt mir nun bald wirklich nichts mehr ein. Die Patientin wird in den allermeisten Fällen den verwaltungstechnischen Unterschied zwischen \"ambulant\" und \"stationär\" nicht kennen. Sie verläßt sich allerdings darauf, daß die in der Leitlinien verfassten und von mir zitierten Vorkehrungen auch bei ihrer Geburt - wie in jeder geburtshilflichen Abteilung - zur Verfügung stehen. Dieß tut Sie unabhängig davon, ob sie plant nach der Entbindung gleich wieder nach Hause zu gehen, oder nicht ! Sonst könnte sie ja gleich zu Hause oder sonstwo entbinden und erst dann das KH aufsuchen, wenn Komplikationen eintreten. Sie entscheidet sich aber aktiv für die Entbindung in einem KH. Ferner mißachten Sie hier, daß die Indikation zur Notwendigkeit einer stationären Behandlung vom Arzt gestellt wird und nicht von der Patientin. Daß die Patientin diese ärztliche Empfehlung aus freier Entscheidung dann ablehnen kann, habe ich ja bereits erwähnt.


    Weiter schreiben Sie zu den in der zitierten Leitline genannten Voraussetzungen:

    Zitat


    Original v. Mr. Freundlich:

    Dies kann ich nicht, ist aber m.E. auch nicht notwendig, da diese Voraussetzungen m.E. nur dann zur Verfügung stehen müssen, wenn tatsächlich eine stationäre Behandlung erfolgt. Sie bekommen auch kein Geld, wenn eine Patientin zu Hause entbindet. Sofern aber Komplikationen auftreten, wird Sie auch ins Krhs gebracht und dort hat eine entsprechende Behandlung zu erfolgen.

    Hier offenbaren Sie ein grundsätzliches Unverständnis für die geburtshilfliche Medizin in einer KH-Abteilung. Ist es wirklich ernst gemeint von Ihnen, daß die genannten organisatorischen und andere Maßnahmen nur dann zur Verfügung stehen sollten, wenn die Patientin plant, nach der Entbindung noch \"stationär\" zu bleiben ? Im Umkehrschluß hieße dies ja, daß man jede der bei Ihrer KK versicherten Frauen über diese Ansicht informieren müßte. Man sollte Sie darüber informieren, daß sie im Falle einer Geburt im KH keinen Anspruch auf die üblichen Sicherheitsvorkehrungen für unvorhergesehene Notfälle hat, wenn sie bei Aufnahme zu erkennen gibt, daß sie gleich nach der Entbindung das KH wieder verlassen möchte. Ist dies im Sinne Ihrer Versicherten ?

    Ich möchte einmal einen solchen Fall erleben:

    Pat.in kommt zur Entbindung und sagt, sie möchte gleich nach der Entbindung wieder gehen. Während der Entbindung tritt ein unvorhergesehener Notfall ein (z.B.: vorzeitige Placentalösung); die hierdurch notwendig gewordene Cito-Sectio erfolgt nicht zeitgerecht. Im Resultat wird ein schwerst hypoxisch-hirngeschädigtes Kind geboren, welches auf ewig ein Pflegefall sein wird.
    Anschließend erklärt man dann der Patientin, daß sie ja auch gar keinen Anspruch auf eine adäquate Reaktionszeit gehabt habe, weil sie bei Aufnahme ja nur eine \"ambulante Geburt\" gewünscht habe ...

    Das wäre die Konsequenz aus Ihrer Argumentation, Mr. Freundlich !

    Zeigen Sie mir bitte den Richter, der ernsthaft einer solchen Argumentation im anschließenden Arzthaftungsprozess folgen würde ... Überlegen Sie sich einmal, welcher KK-Mitarbeiter in so einem Fall ernsthaft eine solche Argumentation unterstützen würde ...

    Die KK können ihren Versicherten nicht einen Ferrari versprechen und in der Werbung anpreisen, den KH dann aber nur den VW Golf ( nichts gegen VW, dient hier nur dem Vergleich ... ) bezahlen wollen ! Seien Sie als KK dann bitte auch so ehrlich zu Ihren Versicherten und erklären Sie Ihnen, daß Sie bei einer sog. \"ambulanten Geburt\" im KH nicht auf die üblichen Sicherheitsvorkehrungen vertrauen sollten, weil diese von der KK nicht mehr bezahlt würden !

    Ich wünsche dennoch noch einen angenehmen Tag und bedanke mich für die gute, sachliche Diskussion,

    Mit freundlichen Grüßen,

    M. Ziebart

  • Guten Morgen Hr. Ziebart,

    auf die Gefahr hin, dass ich Sie durch meine Nachfrage verärgere:


    Ihre Ausführungen bei Komplikationen sind für mich nachvollziehbar. Auch, dass eine primär vollstationär geplante Geburt dann doch am gleichen Tag entlassen werden kann.

    Ihre Argumentation weitergedacht bedeutet für mich aber, dass eine ambulante Geburt in Krankenhäusern per se nicht möglich sein soll.

    Das sehe ich allerdings anders.

    Abgesehen davon, dass auch bei vielen anderen ambulanten Eingriffen zumindest theoretisch fachliche und organisatorische Kompetenz für Eventualitäten vorgehalten wird - die in diesen Fällen bei ambulanter Leistungserbringung auch nicht vergütet wird - ist mir unklar, wie man die Aufnahme qualifizieren soll, wenn Sie den Patienten vom Krankenhaus als \"ambulant\" angeboten wird.

    Wäre dies Ihrer Meinung dann eigentlich doch vollstationär, nur \"zielgruppengerecht\" umschrieben ?

    Womit begründen Sie diese \"Ausnahme\" im Vergleich zu anderen ambulanten Eingriffen - bei denen je wie oben dargelegt auch Ressourcen verbrauchende Interventionsmöglichkeiten prinzipiell vorhanden sind ?

    Das BSG hat am 04.03.2004 schließlich auch eine operative Zahnentfernung mit anschließender 6stündiger Intensivüberwachung auf Ststion als ambulant klassifiziert, owbohl auch hier Infrastrukturen der Klinik benutzt wurden, die eine andere ambulante Einrichtung nicht bietet !
    Das Gericht klassifiziert hier alle Aufenthalte, bei denen die Nacht vor und nach dem Eingriff zu Hause verbracht werden, per Definition als ambulant. Dies trifft jedoch für die unproblematische Geburt auch zu.


    Vielen Dank für Ihre Antwort

    Viele Grüße
    valdobbiadene

  • Schönen guten Tag allerseits und insbesondere Herr Ziebart!

    Bei allem Verständnis für Ihre Argumentation, Herr Ziebart, auch in anderen Bereichen hält ein Krankenhaus teilweise erhebliche Ressourcen vor.Dennoch muss ein Patient, der beispielweise eine eine chirurgische Abteilung mit gut ausgestattetem Schockraum und kurzfristiger OP-Bereitschaft direkt aufsucht, ohne vorher zum ärztlichen Notdienst, Hausarzt oder niedergelassenen Chirurgen zu gehen, unter umständen ambulant abgerechnet werden. Dies gilt selbst dann, wenn er den für Polytraumaversorgung eingerichten OP und das entsprechend ausgebildete Personal wegen eines Eingriffs in Anspruch nehmen muss, jedoch von vornherein geplant war, dass der Patient (bei komplikationslosem Verlauf) kurz danach wieder nach Hause geht.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Guten Morgen nochmals, insbesondere \"valdobbiadene\" und Herr Schaffert,


    Sie verägern mich keineswegs, \"valdobbiadene\". Ich nehme gerne und freiwillig an diesem Forum teil und weis es zu schätzen. Gerade diese Diskussion hilft mir, die Gedanken und Überlegungen außerhalb des eigenen Wirkungsbereiches besser zu verstehen.

    Zu Ihren Frage nach der Bezeichnung \"ambulante Entbindung\":

    Ich hatte ja bereits erwähnt, daß vermutlich viele Patienten und Patientinnen den verwaltungstechnischen Unterschied zwischen \"ambulant\" und \"stationär\" nicht kennen. Im Volksmund wird unter dem Begriff \"ambulante Entbindung\" ja gerade eine Entbindung ohne anschließende Wochenbettbehandlung verstanden. Häufig fragen deshalb Schwangere im Vorfelde an, ob denn auch eine \"ambulante Entbindung\" möglich sei und meinen damit eine Entlassung unmittelbar nach der Geburt. Sie gehen dabei aber davon aus, daß sich die Sicherheit und Qualität der Geburt selbst, nicht von einer Geburt unterscheidet, bei der die Patientin anschließend noch im Wochenbett für einige Tage weiter betreut wird ! Im letzgenannten Fall beginnt die stationäre Behandlung doch auch mit der \"Aufnahme zur Geburt\". Wieso sollte dies also bei den sog. \"ambulanten Entbindungen\" im KH anders sein ?


    Ihr Hinweis, daß auch in anderen Fällen ( bei ambulanten Operationen ) \"Eventualkapazitäten\" vorgehalten werden zielt in dieselbe Richtung wie der Beitrag von Herrn Schaffert. Hier liegt allerdings genau der entscheidende Unterschied zwischen Geburtshilfe und \"ambulanten Operationen\" n. § 115b SGB V:

    1. Jedes ambulante OP-Zentrum und jeder ambulant operierende niedergelassene Kollege ist bei ambulanten Operationen n. § 115b zu genau denselben ärztlichen Sicherheitsvorkehrungen für unvorhergesehene Notfälle verpflichtet, wie eine stationär-operative Einrichtung ! Bei jeder ambulanten OP außerhalb eines KH muß eine adäquate ärztliche Versorgung in unvorhergesehenen Notfällen sichergestellt sein. In der Geburtshilfe ist dies anders: Kein Geburtshaus und erst recht keine Hebamme bei einer Hausgeburt ist dazu verpflichtet beispielsweise eine Kinderkrankenschwester vor Ort zu haben. Auch ist eine OP-Bereitschaft in diesen Fällen nicht gewährleistet etc. etc. Es gibt schlichtweg keine vergleichbare ambulante Einrichtung, die verpflichtet wäre, die selben organisatorischen Voraussetzungen für die Geburt zu schaffen, wie dies bei einer geburtshilflichen KH-Abteilung der Fall wäre. Hieraus folgt, daß bei jeder KH-Entbindung die \"besonderen Mittel eines KH\" in Anspruch genommen werden. Eine KH-Entbindung ist somit - wie ich bereit in meinem ersten Beitrag anmerkte - per se eine stationäre Leistung. Es handelt sich dabei um eine ärztlich geleitete Geburtshilfe, die außerhalb einer stationären Einrichtung meines Wissens nach so in Deutschland sonst nicht angeboten wird. Geht dabei etwas \"schief\" haftet in letzter Konsequenz meist auch der geburtsbetreuende Arzt und/oder der ärztliche Leiter dieser Einrichtung. Dies insbesondere auch dann, wenn ein \"Organisationsverschulden\" vorliegt ( siehe Leitlinie ! ) und unabhängig davon, ob die Patientin vor der Geburt zu erkennen gegeben hat, daß sie \"ambulant\" Entbinden möchte, oder nicht.

    2. Bei \"ambulanten Operationen\" im herkömmlichen Sinne handelt es sich stets um planbare, elektive Eingriffe. Dies ist in der Geburtshilfe nicht der Fall ! Sie können einer Schwangeren keinen \"Termin\" für die Entbindung geben. Sie können nicht sagen: \"Frau Müller kommen Sie dann bitte nächsten Montag um 8:00 zur Geburt, wir machen das ambulant\". Gerade deswegen müssen die \"rund-um-die-Uhr-Kapazitäten\" vorgehalten werden !

    3. Daß ein KH für ambulante Operationen, wie von Herrn Schaffert beschrieben, dieselben Ressourcen ( im Beispiel von Herrn Schaffert: Polytrauma-OP mit entsprechendem Personal ) nutzt, die auch für \"schwerere\" vollstationäre Fälle genutzt werden, ist eine wirtschaftlich begründete Entscheidung. Der Unterschied zur Geburtshilfe besteht darin, daß das KH bei solchen ambulanten Operationen hierzu nicht verpflichtet ist. Es ist darüber hinaus auch nicht medizinisch erforderlich, eine \"ambulante OP\" in einem Polytrauma-OP durchzuführen. In der Geburtshilfe hingegen ist eine KH-Abteilung dazu verpflichtet, die von mir zitierten organisatorischen Voraussetzungen zu treffen. Eine Geburtshilfe in einer KH-Abteilung ohne die genannten Voraussetzungen ist medizinisch nicht vertretbar !

    4. Eine Geburt ist unberechenbarer, als eine elektive \"ambulante OP\". Risikosituationen treten unter der Geburt wesentlich häufiger auf, als bei planbaren, elektiven ambulanten Operationen an sonst gesunden Patienten !


    Man könnte dies alles natürlich ändern wollen ( ich will es nicht ! ). Nur dann muß man den Patientinnen dies vorher deutlich machen und erklären, daß sie bei einer \"ambulanten Geburt\" in einer geburtshliflichen Fachabteilung keinen Anspruch auf die Sicherheitsstandards einer \"stationären Entbindung\" haben. Wollen Sie das ?

    Mit freundlichen Grüßen,

    M. Ziebart