Pseydarthrose und Fraktur kodieren?

  • Liebes Forum,

    wie kodiere ich einen Fall, wo eine Pseudarthrose im Femurschaft bei einliegendem Nagel besteht und der Patient zum Nagelwechsel aufgenommen wird? Als HD die Pseydarthrose M84.15, dazu T93.2 \"Folge von\" und dann noch die Fraktur S72.3 und Z47.0 (weil ja eine ME gemacht wird) oder bleibt dann die Fraktur und Z47.0 weg?

    Vielen Dank wie immer schon jetzt!

    Benjamin

  • Hallo Benjamin,

    wenn das alles war, worum es ging, sieht die Sache recht eindeutig aus. Eine Pseudarthrosenversorgung ist keine geplante Maßnahme. Daher entfällt die Z47.0 und auch die S72.3. Wenn es aber primär um eine S72.3 ging fällt der Folgezustand unter die T93.1. Aber viel wahrscheinlicher ist, dass eine T84.1 fehlt, denn eine Pseudarthrose (M84.15 ist ok) nach einer Femurnagelung spricht eher für ein Sperren des Nagels oder einen (un-)mittelbaren Zusammenhang mit dem Fremdmaterial.

    Mit freundlichen Grüßen
    Thomas Winter
    Berlin

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Herr Winter,

    Zitat


    Original von winterth:
    Aber viel wahrscheinlicher ist, dass eine T84.1 fehlt, denn eine Pseudarthrose (M84.15 ist ok) nach einer Femurnagelung spricht eher für ein Sperren des Nagels oder einen (un-)mittelbaren Zusammenhang mit dem Fremdmaterial.

    Mit der Meinung, dass die Fraktur und die ME nicht als ND kodiert werden, gehe ich konform. Eine zusätzliche Nennung der T84.1 zu der bereits kodierten M84.15 muss die Definition der ND erfüllen. Wir sind wieder bei der gleichen Diskussion, wie immer.
    Die Kodiervorgaben erlauben etwas an einer Stelle, um es an anderer zu verbieten. Zusätzliche Kodierungen (im Sinne von Präzisierung) sind über die Speziellen DKR geregelt (siehe z.B. Diabetes). Bei Vorliegen einer Pseudarthrose und dem Verdacht, dass hier der Nagel Grund des Übels ist, bedeutet, dass hier die DKR \"Komplikationen\" angewendet werden muss. Hier ist dann der Kode (nicht: die Kodes) zuzuordnen, der am genauesten den Zustand beschreibt. Eine Mehrfachnennung ist in dieser Regel nicht beinhaltet und kann nur vorgenommen werden, wenn ein zusätzlicher Ressourcenaufwand entsteht. Das ist hier nicht der Fall, da ich die Pseydarthrose mit dem Materialwechsel angehe und zu sagen \"T84.1-Der Nagel war Schuld\" hat keinen weiteren Ressourcenaufwand verursacht.

    Ich hatte diese Frage auch schon inhaltlich an einem anderen Beispiel mit dem InEK besprochen (Einliegendes Metall --> Osteomyelitis). Es wurde gesagt, dass hier die descriptive Mehrfachnennung nicht vorgenommen werden kann (außer zusätzlicher Ressourcenaufwand).

    Herr Winter, vielleicht wollen Sie ja diese Frage mal beim InEK einreichen? Vielleicht bekommen Sie ja eine andere Antwort.

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo Herr Selter,

    ich weiss, dass Sie hier eine andere Meinung haben, und so wird es wohl – bis das InEK für wirklich klare Verhältnisse sorgt - so bleiben.

    Für mich ist die Folgezustandsregel hier neben der Komplikationsregel nicht außer Acht zu lassen. Und die Folgezustandsregel verlangt nun einmal nach einem Code, dass es sich um einen Folgezustand handelt (also hier T8ff oder T9ff) und einem Code für die Folge selbst, also die M84.15. Zur Aufnahme führte eine mechanische Folge nach Femurnagelung also T84.1 und die Folge ist eine Pseudarthrose also M84.15 als HD. Für mich sind dies klare Fakten und mit den DKR vereinbar.

    Übrigens, was den Ressourcenverbrauch angeht, gibt es natürlich Unterschiede; ob ich bei einer Pseudarthrosenversorgung den Nagel mit wechseln muss oder nicht, ob hinterher Übungs- oder Belastungsstabilität vorliegt, ob auf Grund der Frenmmaterialien ein höheres Infektionsrisiko besteht usw. usw.

    Wie gesagt, ich weiss, dass Sie das anders sehen, aber die Medizin lässt sich nicht in eindeutige Schubladen pressen. Interpretationsspielraum wird es immer geben. Es ist Sache des InEK hier für Klarheit zu sorgen, nicht unsere. Wie das InEK argumentiert, wissen wir – es wird so gemacht, aber es kann auch anders sein – damit kann man kaum etwas anfangen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Thomas Winter
    Berlin

    • Offizieller Beitrag
    Zitat


    Original von winterth:
    Wie gesagt, ich weiss, dass Sie das anders sehen, aber die Medizin lässt sich nicht in eindeutige Schubladen pressen. Interpretationsspielraum wird es immer geben. Es ist Sache des InEK hier für Klarheit zu sorgen, nicht unsere.

    Hallo Herr Winter,

    hier geht es ja nie um die Medizin, sondern um die Kodierung zur Abrechnung, so wie das System (gut oder schlecht) es will. Das ist ja mit das Hauptproblem, dass viele denken, mit der Kodierung soll der Fall medizinisch dargestellt werden. Das ist aber ganz bestimmt nicht der Fall.
    Dann sind wir also \"nur\" an die DKR gebunden und dürfen nicht dem eigenen Drang, eine vollständige, medizinische Dokumentation über ICD-/OPS-Kodes abzuliefern, folgen.
    Wie ich bereits ja schon öfter erwähnt habe, habe ich bereits die Frage mit dem InEK diskutiert (siehe oben) und entsprechende Antwort bekommen. Deswegen bat ich Sie ja auch, Ihre Meinung durch eine Anfrage beim InEK überprüfen zu lassen. Machen Sie es doch bitte mal und wir werden dann sehen, ob es eine andere Antwort gibt, als die, die ich erhalten habe.

  • Hallo Herr Winter,

    Zitat


    Original von winterth:
    Für mich ist die Folgezustandsregel hier neben der Komplikationsregel nicht außer Acht zu lassen. Und die Folgezustandsregel verlangt nun einmal nach einem Code, dass es sich um einen Folgezustand handelt (also hier T8ff oder T9ff) und einem Code für die Folge selbst, also die M84.15. Zur Aufnahme führte eine mechanische Folge nach Femurnagelung also T84.1 und die Folge ist eine Pseudarthrose also M84.15 als HD. Für mich sind dies klare Fakten und mit den DKR vereinbar.

    anscheinend verfügen wir über unterschiedliche Ausgaben von ICD-10-GM 2005 und DKR 2005?! Meine ICD beschreibt T84.1 als \"Mechanische Komplikation durch eine interne Osteosynthesevorrichtung\" und nicht als \"mechanische Folge\"; in meiner Ausgabe der DKR lese ich wiederum, daß bei der Kodierung von Folgezuständen zwei Schlüsselnummern angegeben werden sollen:

    - eine für den aktuellen Rest-/Folgezustand und
    - eine Schlüsselnummer \"Folgen von...\", die ausdrückt, dass dieser Zustand Folge einer früheren Krankheit ist.

    Die Kodes für \"Folgen von Verletzungen...\" finden sich in der ICD-10 im Bereich T90-T98. Die Kodierung einer Pseudarthrose nach Femurfraktur lautet bei Anwendung der DKR D005d also: M84.15, gefolgt von T93.1.

    Die Kodes aus T80 - T88 hingegen bezeichnen \"Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen...\"; in den DKR sind sie folgerichtig nicht in D005d aufgeführt, sondern unter D002d im Abschnitt \"Erkrankungen und Störungen nach medizinischen Maßnahmen\". Hier wird erklärt, daß Kodes aus diesem Bereich nur angewendet werden sollen, wenn kein spezifischerer Kode für die Art der Komplikation zur Verfügung steht. In der beschriebenen Situation besteht aber Einigkeit darüber, dass M84.15 die Art der Komplikation spezifisch beschreibt - damit gibt es keine Rechtfertigung für die zusätzliche Angabe eines Kodes aus T8xx.

    Um es noch einmal ganz deutlich zu formulieren: nach meiner Ansicht können Sie sich entweder auf die Regel zur Kodierung von Komplikationen oder auf die Regel zur Kodierung von Folgezuständen stützen, aber nicht auf beide gleichzeitig und unter Benutzung von Kodes, die bei der jeweiligen Regel gar nicht vorgesehen sind!

    Mit freundlichen Grüßen,

    Markus Hollerbach

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Herr Winter,

    nur zur Ergänzung zu Herrn Hollerbachs Argumentation:

    Nach Ihrer Logik müsste man dann auch bei einem Patienten mit in Fehlstellung verheilter Radiusfraktur (Aufnahmegrund) folgendermaßen kodieren:
    HD = T79.8 Sonstige Frühkomplikation eines Traumas
    ND = M84.03 Frakturheilung in Fehlstellung, Unterarm
    ND = T92.1 Folgen einer Fraktur des Armes

    Allerdings wird in der DKR das Beispiel so aufgeführt:

    Beispiel 4
    Ein Patient wird zur Behandlung einer Fehlstellung, die Folge einer abgeheilten Radiusfraktur ist, stationär aufgenommen.
    Hauptdiagnose: M84.03 Frakturheilung in Fehlstellung, Unterarm
    Nebendiagnose(n): T92.1 Folgen einer Fraktur des Armes

    (Wobei hier selbstverständlich kein Informationsgewinn über den T-Kode zu verzeichnen ist und die Unsinnigkeit der Doppelkodierung in diesem Fall augenscheinlich ist. Dies soll uns aber nicht weiter stören......)

    Aber fragen Sie doch bitte mal beim InEK nach, vielleicht liegen wir ja falsch und meine Antwort vom InEK ist zu revidieren.

  • Hallo die Herren Hollerbach und Selter,

    Ich wollte eigentlich die Diskussion hier beenden und auf die Änderungen für 2006 durch das InEK warten.

    Denn wie ich gehört habe, wird diese Problematik auch beim InEK seit Jahren diskutiert, ohne dass sich bisher eine einvernehmliche Lösung abzeichnete. Dass hier eine Verschleierung aller Komplikationen droht, habe ich in einem anderen post schon mitgeteilt.

    Da Sie mich nun doch herausfordern, will ich trotzdem antworten.

    Erst einmal sollte klargestellt werden.

    Die Aufnahme des Patienten erfolgte nicht wegen einer in Fehlstellung verheilten unbekannt oder gar nicht vorbehandelten Fraktur (Beispiel 4 der DKR D005) sondern wegen einer Pseudarthrose nach Femurnagelung wahrscheinlich infolge sperrenden Osteosynthesematerials.

    Dass die HD die M84.15 ist, ist in der bisherigen Diskussion unstrittig.

    Denn nach Beispiel 9 der DKR D002 ist die T84.1 nicht als HD zu codieren wenn es einen spezifischeren Code gibt, also ist die M84.15 HD.

    Die T93.1 kommt wenn überhaupt nur als ND in Frage, denn nach der Fraktur passierte ja etwas und deren Folge hat zu dem jetzigen Zustand und zur Wiederaufnahme geführt.

    Die T93.1 hatte ich initial nur erwähnt, weil sie primär mit T93.2 falsch vorcodiert worden war. Ich hätte sie ganz weglassen, denn es wird nicht die Folge der Fraktur sondern die Folge der Nagelung behandelt.

    Es geht also nur noch darum, wie ich eine Pseudarthrose nach einer Femurnagelung zu verschlüsseln habe. Der operative Aufwand einer Pseudarthrosenoperation bei z.B. sperrendem Nagel erfordert schon einmal mehr als einen operativen Zugang (bei
    Verriegelungsnägeln noch mehr), den die Pseudarthrosen OP allein erfordert hätte, also ist der Aufwand wesentlich größer als bei einer Pseudarthrosen-OP ohne noch liegendes Material. Das heißt, der Umstand, dass voroperiert wurde und dass das Material noch liegt, hat mindestens ND-Charakter und muss folglich codiert werden.

    Ich kann mich natürlich auf die T98.3 zurückziehen und klassisch nach Folgezustandsregel sagen, ich habe es mit der Folge einer Komplikation zu tun. Nur die Komplikation z.B. ein sperrender Nagel besteht ja weiter. Und es besteht dringender Handlungsbedarf, das störende Metall muss weg, sonst kann ich die Pseudarthrose nicht behandeln. Es bleibt also immer noch ein ungutes Gefühl.

    Daher vermischte ich nun die beiden DKR. Nach der Komplikationsregel darf die T84.1 nur HD werden, wenn es keinen spezifischeren Code gibt. Es ist aber eine mechanische Komplikation und die ist mit der T84.1 am besten auszudrücken. Aber die Folge der T84.1 ist eine M84.15. Die Komplikationsregel verbietet nicht, weitere Diagnosen als ND´s aufzunehmen. Deshalb ging ich von der T98.3 ab und nahm als vielleicht am wenigsten falschen – aber diesen Fall am besten rückübersetzbaren – Code die T84.1.

    Und nun denke ich, warten wir einmal ab, was das InEK im September/Oktober sagt. Wenn es dann immer noch nicht eindeutig ist, sollten unsere Fachgesellschaften dieses Problem 2006 ganz nach oben auf die Tagesordnung setzen, zumal der Präsident der DGCh auf dem Chirurgenkongress gerade dazu aufgefordert hat Komplikationen nicht unter den Tisch zu kehren, wozu aber Ihre Interpretation, den T8er Code zu meiden, führen würde.

    Aber ehe ich schließe, löst sich schlagartig das ungute Gefühl. Ich sagte immer, gehen wir der Reihe nach, und nun falle ich selbst drauf rein. Ich frage mich, warum ich nicht eher darauf gekommen bin.

    1. Präzisierung der Aufnahmediagnosen: Pseudarthrose bei z.B. sperrendem Material (nach Nagelung einer Femurfraktur).
    2. sperrendes Material ist neben Lockerung, Bruch und Dislokation die klassische mechanische Komplikation, die mit Osteosynthesematerial möglich ist.
    3. Codiert wird sie nach DKR D002 Beispiel 9 analog mit der einzig in der ICD möglichen Diagnose T84.1 und diese Diagnose ist unter diesen Umständen (Wiederaufnahme) sogar HD-fähig.
    4. Therapiert wird sie z.B. mittels ME, neues Material rein und eventuell Methodenwechsel.
    5. Die 2. Diagnose ist die Pseudarthrose M84.15 (als Folge des sperrenden Materials also auch + T98.3).
    6. Diese wird therapiert z.B. mittels Entfernung erkrankten Gewebes und eventuell Spongiosaplastik.
    7. Wir haben also 2 Diagnosen, die beide therapiert wurden – wahrscheinlich sogar über verschiedene Zugänge. HD-Wahl geht nun nach Ressourcenverbrauch.
    8. Warum haben wir uns nur die Köpfe heißgeredet??????


    Mit freundlichen Grüßen
    Thomas Winter
    Berlin

    • Offizieller Beitrag

    Guten Morgen Herr Winter,

    Zitat

    Original von winterth:
    Die Aufnahme des Patienten erfolgte nicht wegen einer in Fehlstellung verheilten unbekannt oder gar nicht vorbehandelten Fraktur (Beispiel 4 der DKR D005) sondern wegen einer Pseudarthrose nach Femurnagelung wahrscheinlich infolge sperrenden Osteosynthesematerials.

    Es ging nur um das Prinzip Ihrer Kodierlogik.

    Zitat

    Original von winterth:
    Die T93.1 kommt wenn überhaupt nur als ND in Frage, denn nach der Fraktur passierte ja etwas und deren Folge hat zu dem jetzigen Zustand und zur Wiederaufnahme geführt.

    Genau, wie im erwähnten Beispiel 4. Und dann müsste man nach Ihrer Logik dann so kodieren, wie ich es aufgezeigt hatte. Nur wird das eben nicht in dem Beispiel getan.

    Zitat

    Original von winterth:
    Das heißt, der Umstand, dass voroperiert wurde und dass das Material noch liegt, hat mindestens ND-Charakter und muss folglich codiert werden.

    Wie gesagt, ich hatte da eine andere Antwort bekommen.

    Zitat

    Original von winterth:
    Und nun denke ich, warten wir einmal ab, was das InEK im September/Oktober sagt.

    Warum wollen Sie so lange warten? Warum stellen Sie die Frage nicht schon jetzt dem InEK? Es wäre doch gut für uns alle schon vorher zu wissen, dass eine Mehrfachkodierung hier vorgenommen werden soll. Ich habe dann auch gar nichts dagegen, so zu verfahren. Mein bisherigen Informationen lassen das aber nicht zu.

    Zitat

    Original von winterth:
    ..., zumal der Präsident der DGCh auf dem Chirurgenkongress gerade dazu aufgefordert hat Komplikationen nicht unter den Tisch zu kehren, wozu aber Ihre Interpretation, den T8er Code zu meiden, führen würde.

    Hier liegt wieder das Missverständnis bezüglich der Intention der Kodierung nach den DKR vor. Die Kodierung ist für die Abrechnung, nicht zur sachgerechten medizinischen Dokumentation. Dafür ist der ICD-Katalog doch auch gar nicht geeignet. Aber das wissen Sie ja eigentlich.

    Zitat

    Original von winterth:
    Warum haben wir uns nur die Köpfe heißgeredet??????

    Weil hier unterschiedliche Meinungen bestehen, die ja nun mal Konsequenzen haben. Die Diskussion hier zeigt ja auch den Klärungsbedarf auf.
    Deswegen bitte ich Sie erneut, die Frage mal so dem InEK vorzutragen.

    Ich lasse mich in diesem Fall gerne vom Gegenteil überzeugen.