Entlassung gegen ärztlichen Rat mit/ohne Unterschrift

  • Hallo liebes Forum

    Ein 16-jähriges Mädchen kam nachts um 00:30 Uhr wegen Krampfanfall bei Discobesuch zur stationären Aufnahme. Am nächsten Morgen (gleicher Tag) wurde neben Labor ein EEG gemacht. Mittags war die Pat. beschwerdefrei und verließ gg. ärztlichen Rat das Krankenhaus. Ein Unterschrift wurde dabei nicht geleistet.
    Nun sagt eine KK-Mitarbeiterin aus Schleswig-Holstein, dass ein Entlassgrund 049 ohne Unterschrift nicht anerkannt wird und weist eine stationäre Abrechnung zurück!

    Wer kann mir weiterhelfen, wie das in anderen Bundesländern gehandhabt wird.

    Danke für die Antworten.

    W. Brunner

  • Guten Tag Herr Brunner,

    das Argument der notwendigen Unterschrift ist mir völlig neu. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Unterschriftsverpflichtung in irgend einem zwei- oder dreiseitigen Vertrag oder gar in der Datenübermittlungsvereinbarung nach § 301 SGB V geregelt ist. Ich kann allenfalls vermuten, dass die KK die Patientin ggf. \"in Regress\" nehmen will, wenn sie denn aufgrund des vorzeitigen Verlassen des Krankenhauses irgendwo wieder behandlungsbedürftig werden sollte. Und dafür ist \"Brief und Siegel\" bzw. die Unterschrift immer ein gutes Mittel.

    Ketzerische Frage: Was passiert, wenn der Patient das Krankenhaus unbemerkt(also gegen ärztlichen Rat) nach mehreren Tagen verlässt. Führt dann die naturgmäß fehlende Unterschrift zum Vergütungsausschluss ?

    Gruß

    Der Systemlernende

  • wird in SH tatsächlich bei entlassungsgrund 049 die entsprechende unterschrift verlangt?? 8o

    was haben sie denn abgerechnet?

  • Hallo Forum
    eine Unterschrift kann nicht erzwungen werden. Wenn sich ein Patient, der auf eigenen Wunsch das Krankenhaus verlassen will, weigert eine Unterschrift zu leisten, so ist das sein gutes Recht. Es sei denn, er sei offenkundig nicht geschäftsfähig und würde sich oder andere gefährden. Ansonsten hat jeder Patient das Recht jederzeit auf eigenen Wunsch das Krankenhaus zu verlassen, ob mit oder ohne Unterschrift. Sie können die Patienten ja nicht zur Unterschrift prügeln. Im Gegenteil machen sie sich sogar strafbar, wenn sie einen Patienten am Weggehen hindern. Ein Vermerk in der Krankenakte, dass der Patient auf eigenen Wunsch das Krankenhaus verlassen hat, hat die gleiche juristische Wirkung wie eine Unterschrift. Ein Krankenhaus ist schließlich kein Gefängnis.

    Gruß

    Styprek

  • Schönen guten Tag allerseits!

    Hintergrund ist vermutlich weniger die Frage des Regresses, als das Urteil des BSG vom 4. März 2004 ( B 3 KR 4/03 R ). Darin wird als Voraussetzung für eine stationäre krankenhausbehandlung die geplante Verweildauer von mehr als einem Tag (mit Übernachtung) definiert. Gelichzeitig wird jedoch aussgesagt, dass es sich um eine \"abgebrochene stationäre Behandlung\" - also um eine vollstationäre Behandlung - handelt, wenn der Patient das Krankenhaus vor Vollendung eines Tages gegen ärztlichen Rat verlässt.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo Forum,
    ich erinnere an den Thread 1 Tages DRG nach dem BSG Urteil zu finden hier im Thread auf Seite 2. Es ist hinzuweisen auf das aktuelle BSG Urteil B3 KR 11/04 vom 17. März 2005 hier.
    https://www.mydrg.de/dload/B3KR_11_04_R-20040312.pdf
    Im oben genannten Thread hat Herr Mährman sehr interesante Hinweise für ein Formschreiben gegeben. Hier nochmals meinen Dank dafür. Wir haben inzwischen bei 3 MDK vor Ort Prüfungen in ähnlich gelagerten Fällen im Sinne dieses neues BSG Urteils recht bekommen. Zu beachten ist noch, das natürlich die stationäre Indikation gegeben sein muß, dann ist die Entlassart, ob mit oder ohne Einverständnis nicht relevant. Hier mein Formbrief :
    [verdana]Diesen Fall werden wir stationär abrechnen und möchten Ihrer Interpretation des BSG Urteils B3 KR 4/03R vom 04.03.2004 wiedersprechen.
    Das Urteil ist ausdrücklich bezogen auf eine Diagnose welche zum ambulanten Katalog (SGB V 115b) gehört (diagnosebezogen)
    Die Definition \"eine Nacht vor oder nach der OP\" gehört zur Leistungsbeschreibung der ambulanten OP und ist nicht grundsätzlich in einen anderen Leistungsbereich übertragbar
    Die Schlüsselstellung des Arztes wurde durch dieses Urteil nicht aufgehoben (ex ante)
    Zur Urteilsfindung kam es insbesondere auch, weil das Krankenhaus eine angeforderte Begründung versäumt hat \" Der Kläger habe nichts dargetan, dass eine ambulante Be-handlung nicht hinreichend gewesen sei\".

    Im Richterspruch heisst es
    wenn ein Patient gegen ärztlichen Rat auf eigenes Betreiben das Krankenhaus noch am selben Tag verlässt, dann handelt es sich um eine \"abgebrochene\" stationäre Behandlung.
    In einem neueren Urteil hat das BSG letztens nochmals deutlich gemacht, dass es zur Beurteilung einer Behandlung als stationär im wesentlichen auf die geplante, nicht auf die tatsächliche Aufenthaltsdauer ankommt - Urteil vom 17. März 2005 - B 3 KR 11/04. Das Urteil liegt im Volltext vor,

    \"Auf die Revision des Klägers wurden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den noch offenen Betrag für einen tagesgleichen Pflegesatz an den Kläger zu zahlen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hat mit der Entscheidung des Klinikarztes, den Versicherten nach Durchführung der Operation mindestens eine Nacht im Krankenhaus zu behalten, die stationäre Behandlung begonnen. Damit ist ohne Rücksicht darauf, welche Leistungen im Einzelnen anschließend durchgeführt worden sind, der Anspruch auf einen tagesgleichen Pflegesatz entstanden, da es sich hierbei um eine Pauschalvergütung handelt. Die Entscheidung der Ärzte, die Operation wegen des bei der vorbereitenden Untersuchung festgestellten Risikos zu verschieben, stellt einen Abbruch der stationären Behandlung dar, die den Vergütungsanspruch ebenso wenig entfallen lässt wie bei einem Abbruch auf Wunsch des Versicherten.\"[/verdana]

    Kurt Mies

  • Hallo wertes Forum!

    wie bereits geschrieben wurde, kann die Unterschrift nicht erzwungen werden. Die Patientin war 16 Jahre alt. Wurden die Eltern benachrichtigt? Meines Wissens (Juristen vor) müssen diese über den Aufenthalt entscheiden. Hier könnte ein Versäumnis liegen.

    Mit freundlichem Gruß
    F. Killmer

    Frank Killmer

  • Hallo Forum,

    da die Patientin minderjährig ist, haben die Eltern grundsätzlich das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Man sollte, wenn ein minderjähriger Patient aufgenommen werden muss, immer versuchen die Eltern zu benachrichtigen, allein schon, damit jemand rechtwirksam den Behandlungsvertrag unterschreiben kann. Nur - wenn man die Eltern nicht erwischt - kann man den Patienten, auch wenn er minderjährig ist, nicht gegen seinen Willen festhalten, vor allem dann nicht, wenn der Patient schon fast volljährig ist und somit genug Einsichtsfähigkeit besitzt seine Situation selbst einzuschätzen. Anders ist es nur, wenn der Patient erkannbar nicht Herr seiner Sinne ist und das Einverständnis der Eltern für den Krankenhausaufenthalt damit mit Recht vermutet werden kann.

    Insgesamt - vor allem bei schon älteren Jugendlichen - eine schwierige Situation.

    Übrigens - eine Unterschrift kann nie erzwungen werden.

    Mit freundlichen Grüßen

    Mährmann

  • Hallo, Forumsteilnehmer,
    wegen einer solchen - in der damaligen Situation sogar freiwillig geleisteten Unterschrift - stand ich mal im Rahmen eines Prozesses vor dem Kadi mit dem Vorwurf der Nötigung. Nur eine sehr gute und glaubhafte Dokumentation des Gesprächs, in der unter anderem auch die Freiwilligkeit der Unterschrift dokumentiert war, rettete mich. Es blieb dann der Vorwurf der Mißachtung der Schweigepflicht, da der Tatbestand der Entlassung gegen ärztlichen Rat an den Hausarzt im Arztbrief mitgeteilt wurde. Den hat der Richter dann jedoch mit der Bemerkung, es wäre zum Wohle des Patienten geschehen, abgeschlossen. Der Hausarzt hatte im Brief die noch ausstehnde Diagnostik genannt bekommen, mit der Bitte, diese zu veranlassen und hat den Pat. dann gehörig \"abgekanzelt\". So stand auch er vor Gericht.
    Fazit: Nie unterschreiben lassen, aber immer alles gut dokumentieren.
    Das müssen auch die Kassen so anerkennen - oder haben die andere Richter?
    Im Gewitter in München
    Susanne :roll:

    Susanne in München :i_drink:

  • Hallo liebe Forumsteilnehmer,

    vielen Dank für die umfassenden Kommentare zu meinem Problem. Die Resonanz zeigt, dass die Sache auch viele andere Teilnehmer interessiert hat. Mir wurde durch Eure Antworten sehr geholfen!! :)

    MfG

    W. Brunner