F10.0 versus F10.2

  • Guten Abend, liebes Forum,
    heute beschäftigt mich folgendes Problem, noch dazu gleich zweimal bei unterschiedlichen Patienten und unterschiedlichen KK.

    Ein alkoholkranker Patient kommt in offensichtlich stark alkoholisiertem Zustand (C2-Intox = F10.0) zur Aufnahme und wünscht bereits bei Aufnahme eine Entgiftungsbehandlung wegen seiner Alkoholkrankheit (=F10.2). (Das passiert ja gar nicht so selten, dass sich die Patienten vor einer solchen Maßnahme nochmal richtig \"Mut\" antrinken.)
    Die Behandlung wird entsprechend nach Abklingen des akuten Rausches mit Distra und Clonidin in ausschleichender Dosierung durchgeführt, im einen Fall musste der Pat. sogar wegen eines Entzugssyndroms einige Tage intensivmedizinisch betreut werden.

    Kodiert wurde folgendermaßen:
    Aufnahmediagnose: F10.0
    Entlassdiagnose: F10.2, ND:F10.0
    Dies führt uns in die DRG V62Z

    Die KK ist nun der Meinung, dass die Alkoholintox. (F10.0) auch die HD bei Entlassung sein müsse, was in die niedriger bewertete DRG V60B führt.
    Wir meinen dagegen, dass die Alkoholkrankheit die HD ist, da sie ja bereits von Anfang an bestand und das ganze therapeutische Regime bestimmt hat.

    Frage:
    1) Wer hat Recht?
    2) Sollte man bei einer derartigen Konstellation gleich von Anfang an die F10.2 auch als Aufnahmediagnose verschlüsseln, um diese Frage gar nicht erst entstehen zu lassen? oder
    3) Sollte man einem bei Aufnahme volltrunkenen Patienten gar nicht glauben, dass er eigentlich entgiftet werden will?

    Wer hilft mir mit gutgemeinten Argumentationen?
    Herzlichen Dank und freundliche Grüße aus Unterfranken
    J.Kistler

  • hallo herr kistler,

    die kasse hat recht. wenn ein pat. wegen einer akuten intoxikation aufgenommen wird, ist F100 als HD und F102 als ND zu kodieren (DKR 0501d)

    ist tatsächlich eine entgiftung erfolgt? wie lange war der pat. denn in stat. bahandlung?

    viele grüße

  • Grüß Gott, Gleitzeitökonom,

    habe mir extra nochmal die Akten kommen lassen.
    Im einen Fall erfolgte die Zuweisung des Pat. durch den HA zur Entgiftung.
    Pat. kam im Laufe des Vormittags, hatte morgens noch 1 Flasche Wein getrunken, bei Aufnahme 2.2 Promille. Nach Ausnüchterung Therapie mit Distraneurin und Clonidin in ausschleichender Dosierung, Entlassung am 6.Tag.
    Warum hier C2-Intoxikation bei Aufnahme kodiert wurde, ist mir schleierhaft.

    Im zweiten Fall kam der Patient ohne Einweisung in stark angetrunkenem Zustand mit dem Wunsch nach einer körperlichen Entgiftungsbehandlung.
    Hier kam es im Verlauf trotz entsprechender Medikation zu einem intensivpflichtigen Entzugssyndrom. Dauer des Aufenthaltes 9 Tage.
    Auch hier Aufnahmediagnose F10.0 (warum???)

    Übrigens habe ich heute auf Nachfrage von einer Krankenkasse mitgeteilt bekommen, dass der MDK gesagt hätte, dass die F10.2 als HD nur von Häusern verschlüsselt werden dürfe, die auch eine Entzugstherapie durchführen würden!!! Gibt\'s das?

    Freundliche Grüße aus Unterfranken
    J.Kistler

  • qualifizierte entgiftungen können nur in psych facheinrichtungen durchgeführt werden. wenn also jemand schon eine einweisung zur entgiftung hat und sich dann aber die kante gibt und volltrunken im KH \"aufschlägt\", wird er dort nur so lange bis der lebensbedrohliche zustand abgewand ist behandelt. anschließend ist er in solch eine facheinrichtung zu verlegen.

    sie haben glück, dass die kasse überhaupt die 9 tage übernimmt.
    also, wenn der pat. im rausch vorstellig wird, ist mit F100 zu schlüsseln. entgiftungen werden dann mit F102 kodiert, dürfen aber nicht auf der normalen inneren erfolgen.

    viele grüße nach \"bayern\" :d_zwinker:

  • Hallo, Gleitzeitökonom,
    jetzt muss ich mich doch noch einmal melden, weil ich das Gefühl habe, dass wir aneinander vorbei reden.
    Selbstverständlich führen wir auf der Inneren Abt. schon seit Jahren qualifizierte körperliche Entgiftungen durch, d.h. wir behandeln mit Distraneurin und Clonidin, um im Idealfall körperliche Entzugssymptome gar nicht erst aufkommen zu lassen.
    Diese Therapie wird vor Antritt einer weiteren Entzugstherapie in einer entsprechenden Facheinrichtung sogar verlangt.
    Bisher gab es bei diesem Ablauf auch nie Probleme bis auf die Tatsache, dass der Zeitrahmen für die Entgiftung immer weiter geschrumpft ist (vor Jahren durften wir solche Pat. 14 Tage betreuen ohne Rückfrage!).
    Dieser Ablauf gilt auch für den Fall, dass der Pat. nach der körperlichen Entgiftung keine stationäre Entzugstherapie aufsucht, sondern \"nur\" ambulant durch z.B. die Suchtberatung o.ä. Einrichtung weiterbetreut wird.

    Warum also sollten wir jetzt plötzlich in einer Inneren Abteilung nicht mehr körperlich entgiften und damit zumindest einen Teil einer Alkoholabhängigkeit suffizient behandeln können? (In den DKR und im ICD ist nicht hinterlegt, dass die F10.2 als HD nur bestimmten Einrichtungen vorbehalten ist.)

    Grüße aus dem weinseligen Franken
    J.Kistler

  • auf einer inneren werden eben KEINE qualifizierten entgiftungen durchgeführt, sondern nur in psych facheinrichtungen. das ist ja der springende punkt. wir lehnen entgiftungen auf innere stat. rigoros ab und das auch erfolgreich.
    eine entgiftung auf einer \"normalen\" inneren, d.h. behandlung mit distraneurin oder clonidin übernehmen für ca. eine woche. bis eben kein lebensbedrohlicher zustand mehr besteht. danach ist eine verlegung in eine entsprechende facheinrichtung zu erfolgen.

    geht es jetzt primär um die entgiftung oder um die hauptdiagnose?

    grüße aus dem :sonne: norden

  • Guten Tag die Herren, hallo Forum!

    Wenn es hier um die Frage Entzug oder \"Qualifizierter Entzug\" geht, dann sollte man die Begrifflichkeiten evtl. mal klären.

    Eine Entzugsbehandlung im Sinne der Vereinbarung \"Abhängigkeitserlkrankungen\" wird durchgeführt, um Rehabilitationsfähigkeit für eine sich anschließende Entwöhnungsbehandlung zu erreichen. Das kann auch eine \"normale\" Innere Abteilung leisten.

    Der qualifizierte Entzug beschränkt sich nicht nur auf die körperliche Entgiftung. Hier soll durch gezielte Motivationsarbeit eine Verhaltensänderung und damit eine völlige Abstinenz erreicht werden. Hier kommt ein multiprofessionelles Team zum Einsatz. Das übersteigt sich die Möglichkeiten einer \"normalen\" Inneren Abteilung. Die Zeitdauer ist auch größer anzusetzen. Grobe Schätzung ca. 21 Tage.

    Also nicht Äpfel mit Birnen vergleichen!

    Gruß

    Versus

  • Grüß Gott Versus, Grüß Gott Forum,
    vielen Dank für den Hinweis.
    Offensichtlich war mein Erklärungsversuch von gestern (letzter Beitrag vom 03.08.05) noch nicht ausreichend, deshalb nochmals meine Interpretation:
    1) Patient ist alkoholkrank (=alkoholabhängig im Sinne der F10.2)
    2) Es erfolgt eine stationäre Aufnahme auf einer Inneren Abteilung zur körperlichen Entgiftung, d.h. medikamentöse Prophylaxe von Entzugserscheinungen
    3) Nach dieser körperlichen Entgiftung kann er eine Entzugstherapie in einer hierfür spezialisierten Einrichtung antreten.
    Oft tun das die Patienten allerdings auch nicht, weil sie fälschlicherweise glauben, dass sie auch allein mit ambulanter Unterstützung trocken bleiben können.

    Nichtsdestoweniger bleibt die Tatsache, dass der Patient wegen seiner Alkoholkrankheit aufgenommen wird (unabhängig auch davon, ob er sich vor der stat. Aufnahme nochmal \"die Kante\" gegeben hat).

    Kurz gefasst: Alkoholkrankheit (F10.2)
    - stationäre Entgiftung auf einer Inneren Abteilung
    (Dauer ca.5-7 Tage) - danach
    - a) qualifizierter Entzug in entsprechender Facheinrichtung
    (Dauer meist mehrere Wochen) - oder
    - b) ambulanter Versuch der Abstinenz

    Freundliche Grüße aus Unterfranken
    J.Kistler

  • Hallo Forum,

    vielen Dank an Versus für die Begriffsklärungen.

    Kurze Klarstellung gegen dem Gleitzeitökonomen: Die Aussage, auf der Inneren werden eben keine qualifizierten Entgiftungen durchgeführt, stimmt nicht in jedem Fall. Im Norden der Republik ist mir zumindest ein Krankenhaus bekannt, welches - auch von den Krankenkassen anerkannte - qualifizierte Alkoholentzugsbehandlungen auf der Inneren Medizin (21 Tage)durchführt. Insofern würde ich diese schon von den \"Entgfiftungsbehandlungen\" auf einer beliebigen Inneren Medizin unterscheiden wollen - auch und gerade durch die Wahl der Hauptdiagnose !

    Insofern stimme ich dann wieder mit dem Gleitzeitökonomen überein !

    Gruß

    Der Systemlernende

  • ich komme aus dem norden der republik :d_zwinker:
    natürlich gibt es auch einrichtungen mit speziellen vereinbarungen.
    meine aussage war nur grundsätzlicher art.

    jetzt noch mal zu der HD:
    wenn der patient sich in einem akutem rausch befindet ist die F100 HD und F102 ND.

    bis dann und viele grüße

    • Offizieller Beitrag

    Guten Abend,


    Zitat


    Original von Gleitzeitökonom:
    sie haben glück, dass die kasse überhaupt die 9 tage übernimmt.


    Nach dem Sachleistungsprinzip besteht bei med. Indikation (§39 SGB V) und Einhaltung des Versorgungsauftrages ein Anspruch auf Bezahlung.


    Zitat


    Original von Gleitzeitökonom:
    …. entgiftungen werden dann mit F102 kodiert, dürfen aber nicht auf der normalen inneren erfolgen.


    Entscheidung nach „Gutsherrenart“ ?

    Es gibt eine Budgetvereinbarung, welche Leistungen erbracht werden dürfen.


    Siehe auch:

    „Eine entsprechende Aufstockung der psychiatrischen Bettenkapazitäten erscheint allerdings eher unwahrscheinlich.
    Daher sollten Lösungen zur adäquaten Mitversorgung der psychiatrischen Problematik in somatischen, hauptsächlich internistischen Abteilungen bevorzugt werden“
    In welchen Krankenhausabteilungen werden psychisch Kranke behandelt? Eine Analyse der Krankenhausfälle der DAK im Vorfeld der DRGs


    E. Maylath1, M. Spanka, R. Nehr

    1 Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Hamburg

    Gesundheitswesen 2003; 65: 486-494


    Gruß
    E Rembs