Keine DRGs mit der Union?

  • War unwichtig, hier also die Mail:

    <büro seehofer>

    Sehr geehrter Herr Jacobs,

    vielen Dank zu Ihrer Anfrage vom 17. Juni 2002 zum Fallpauschalengesetz. Herr Seehofer hat mich gebeten, Ihre Mail zu beantworten. In den letzten Monaten wurde das Fallpauschalengesetz und dessen Konsequenzen für die medizinische Versorgung stationärer Patienten von verschiedener Seite heftig kritisiert. Die Union teilt diese Kritik. Denn mit dem DRG-Vergütungssystem wird nicht einfach ein Abrechungssystem durch ein anderes ersetzt, sondern damit werden die Weichen für die künftige Versorgung der Patienten in den stationären Einrichtungen gestellt. Dies ist eine gewaltige Aufgabe, die man nicht allein unter dem Diktat eines Termins hätte bewältigen sollen. Bei wichtige Fragen, wie z.B. der Umsetzungsfrist und damit der Praktikabilität, hätte Sorgfalt vor Schnelligkeit gehen müssen. Mit kranken Menschen kann man nicht Experimente zu deren Lasten machen. Wenn, dann hätte es fachlich so vorbereitet sein sollen, dass man es guten Gewissens in den Krankenhäusern ohne negative Auswirkungen auf die Versorgungsstrukturen und die Versorgungsqualitäten hätte praktizieren können. Herr Seehofer hat im übrigen zunehmend Zweifel, ob es richtig war, das australische Preissystem nach Deutschland zu importieren. Es wäre besser gewesen, das bestehende Fallpauschalensystem organisch weiterzuentwickeln.
    Nach seiner Auffassung sind die Fallpauschalen auch nur ohne Budgets denkbar. Deshalb müssen in den Krankenhäusern die Budgets abgeschafft werden. Fallpauschalen unter dem Diktat einer Ausgabenobergrenze führen nämlich zu einer hemmungslosen Selektion, da nur noch nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis eines Patienten gefragt wird. Dadurch wird eine Verschieberei der Patienten beginnen und es wird zu Rückwirkungen auf die Versorgungsqualität kommen. Das kann sich niemand wünschen. Um Verwerfungen zu vermeiden, müssen auch krankenhausspezifische und auf das einzelne Krankenhaus bezogene Besonderheiten berücksichtigt werden; dazu ist eine mehrjährige Anpassungsphase erforderlich. Aus diesen Gründen plädiert Herr Seehofer dafür, dass Fallpauschalengesetz nicht in der vorgesehenen Form umzusetzen. Erforderlich ist vielmehr eine grundsätzliche Überprüfung der bestehenden Regelungen und deren praktischen Anwendung. Darauf basierend wird es dann sicherlich zu Modifizierungen des Gesetzes kommen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Sven Jansen
    Büro Horst Seehofer, MdB


    </büro seehofer>

    3 Fragen
    - wer hat damals die Budgetdeckelung eingeführt?
    - meint er das ernst?
    - soll ich jetzt CDU wählen?

    Freundliche Grüße
    Christian Jacobs

  • Hallo Forum,

    ich finde es sehr erfreulich, dass hier im Internet nun sogar die hohe Politik mitredet. Respekt.

    Ohne alles auf die Goldwaage legen zu wollen, möchte ich den Ball aufnehmen und eine nur kurze Bemerkung loswerden, und zwar zum Thema Weiterentwicklung des bisherigen FP/SE-Systems.

    <büro seehofer>

    Sehr geehrter Herr Jacobs,

    vielen Dank zu Ihrer Anfrage vom 17. Juni 2002 zum Fallpauschalengesetz. Herr Seehofer hat mich gebeten, Ihre Mail zu beantworten.

    ....

    Herr Seehofer hat im übrigen zunehmend Zweifel, ob es richtig war, das australische Preissystem nach Deutschland zu importieren. Es wäre besser gewesen, das bestehende Fallpauschalensystem organisch weiterzuentwickeln.

    ....

    Mit freundlichen Grüßen
    Sven Jansen
    Büro Horst Seehofer, MdB
    </büro seehofer>

    Eine Weiterentwicklung fand und findet tatsächlich statt. Wie diese aussieht, zeigt ein Blick in die

    "Vereinbarung gemäß § 301 Abs. 3 SGB V
    über das Verfahren zur Abrechnung und Übermittlung
    der Daten nach § 301 Abs. 1 SGB V
    (Datenübermittlungs-Vereinbarung)"

    s. unter
    http://www.dkgev.de/pub/newpdf/V301-F4-N2_2002-05-21.pdf

    hier findet sich auf den Seiten 81/213 bis 130/213 der Anhang B zu Anlage 2 (Entgeltarten). Während auf die bundeseinheitlich vereinbarten FP und SE hier nur summarisch in je einem 5zeiligen Absatz verwiesen wird, werden die übrigen 50 Seiten für ca. 2000 weitere Entgeltarten benötigt, die in den einzelnen Bundesländern als Modellprojekte liefen (?) oder noch laufen.

    Ich möchte diesen Text jedem Interessierten einmal zur Lektüre empfehlen. So also sieht eine mögliche Alternative zu DRGs aus.

    Und viele der Argumente, die in den letzten Monaten für oder gegen die DRGs angeführt wurden, sollten wir m. E. auch einmal im Hinblick auf diese bereits bestehenden Regelungen überdenken.

    -- einheitlich? leistungsgerecht? überschaubar? transparent? etc.

    Nur, sollen wir denn jetzt tatsächlich mit unserer Diskussion wieder genau da anfangen müssen, wo wir vor 3 oder 4 Jahren schon waren?

    --
    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    [center] Bernhard Scholz [/center]

  • Besten Dank Herr Jacobs für die Veröffentlichung dieser "interessanten" Aussage des "Gegenkandidaten" ... und ich kann mich nur dem Vorredner - Herrn Dr. Scholz - anschließen, der auf das Chaos des bestehenden Systems verweist ... peinlich ist auch, wie Herr Seehofer zum "Anwalt der Patienten" mutiert ... ich möchte ihm nur ein Zitat eines italienischen Politikers (dessen Name mir leider entfallen ist) entgegenhalten:

    "Opposition heißt, den Ast, auf dem die Regierung sitzt, so abzusägen, dass man selbst noch darauf Platz nehmen kann"

    soll heißen: die (Fallpauschalen-) Reform (die ich für sinnvoll und notwendig halte) fortsetzen, ggf. nur mit sinnvollen Modifikationen

    so viel zur Kompetenzgremium des Herrn S aus B!!

    Grüße aus dem herrlich sonnigen Rhein-Neckar-Dreieck
    Markus Stein

    P.S. ist hier um 13.30 überhaupt noch jemand aktiv?
    --
    Markus Stein [Dipl.-Dok. (FH)]

    Klinikum Ludwigshafen
    Verwaltungsdirektion

    Markus Stein [Dipl.-Dok. (FH)]

    RZV GmbH
    Strategisches Produktmanagement Krankenhaus

  • P.S. ist hier um 13.30 überhaupt noch jemand aktiv?
    --
    Markus Stein [Dipl.-Dok. (FH)]

    Hallo Herr Stein,
    mit mir können Sie hier auch zwischen 13.30 Uhr und ....
    rechnen, das jeweilige aktuelle Ergebnis (Rundfunk) reicht mir völlig, meine Euphorie hält sich in deutlichen Grenzen.
    MfG:hasi:
    --
    Joris Schikowski
    MC KKH Bad Salzungen

    :augenroll: Joris Schikowski
    MC Klinikum Bad Salzungen
    Vors. RV MD der DGfM e.V.

  • Zitat


    Original von J-Schikowski:

    das jeweilige aktuelle Ergebnis (Rundfunk) reicht mir völlig, meine Euphorie hält sich in deutlichen Grenzen.

    Joris Schikowski
    MC KKH Bad Salzungen

    Bei uns am Klinikum Ludwigshafen wird heute ein großer Saal fernsehtauglich gemacht und diesem "Gruppenerlebnis" werde ich mich wohl nicht entziehen - auch wenn sich meine Euphorie angesichts
    der bisherigen Leistungen der deutschen Nationalkicker eher bescheiden ausmacht ... allen "Fernsehlosen" einen angenehmen Nachmittag (interessant wäre ja, mal die Verteilung von Notfällen über den heutigen Tag zu erfassen)!


    --
    Markus Stein [Dipl.-Dok. (FH)]

    Klinikum Ludwigshafen
    Verwaltungsdirektion

    Markus Stein [Dipl.-Dok. (FH)]

    RZV GmbH
    Strategisches Produktmanagement Krankenhaus

  • Guten Abend allerseits,

    <stein_m>
    auch wenn sich meine Euphorie angesichts
    der bisherigen Leistungen der deutschen Nationalkicker eher bescheiden ausmacht
    </stein_m>

    Sie sagen es, trotzdem wird Deutschland gewinnen, das sagt zumindest Diacos.
    Groupen Sie die Teams mal durch:

    Deutschland:
    Hauptdiagnose ganz klar "Kahn", erster Treffer in Diacos ist die M84.14
    Nebendiagnosen: erkannt werden nur "Klose", "Metzelder", "Ballack", "Hamann" und "Schneider", aber Ziege und Jancker etwa haben ja so wenig ressourcenfressend gespielt, dass sie als Nebendiagnosen ohnehin nicht hätten kodiert werden dürfen.
    Die resultierenden ICDs sind A48.0, B07, N48.1, J84.1 und R06.5

    Interessant auch, dass nur Miro Klose und Dietmar Hamann CCL-relevant sind, nicht so ganz realitätsfern ...

    Die resultierende DRG ist i76B mit CW 0,91.

    Südkorea:
    Diacos reagiert nur auf "Ahn" und "Park", der Rest der Stammelf ist ihm unbekannt. Je nach Auswahl der Hauptdiagnose sind die DRGs X62B mit CW 0,41 oder R62B mit CW 0,59 möglich.

    Artihmetisch lautet das Ergebnis also entweder
    0,91 : 0,41 oder
    0,91 : 0,59

    Ganzzahlig etwa ein 2:1 oder 5:3 (nach Elfmeterschießen)

    Einen schönen Fußballmittag wünscht:
    Christian Jacobs

    • Offizieller Beitrag
    Zitat


    Original von cjacobs:
    Artihmetisch lautet das Ergebnis also entweder
    0,91 : 0,41 oder
    0,91 : 0,59

    Ein Zahlenspiel mit dem man die DRG-losen Koreaner nicht beeindrucken kann.
    Bei Interesse, hier Kurzinfo: Gesundheitswesen Korea

    Gruß und 3 : 1 für uns!
    --
    D. D. Selter
    Arzt, Med. Cont. BGU-Murnau

  • :chili: :chili: :chili: ...auf einer Veranstaltung von PWC im März in Osnabrück hat MdB Dr. Faust (CDU-Mitglied und Mitglied des vermittlungsauschusses) folgendes gesagt: "Anders als noch vor 2 jahren war ein grundlegendes Umsteuern der Entwicklung kaum vorstellbar und wohl auch nicht vermittelbar." (..wie wahr, wie wahr...) Er ist dann ziemlich dezidiert auf die geforderten und vom Bundesrat nicht angenommenen Änderungsanträge eingegegangen (Zeitplan, Eröffnungsklauseln, Budgetöffnungen, Krankenhausplanung berücksichtigen, etc.) Er hat ein sehr schönes Wortspiel benutzt: "Sach-, Fach- und Machtpolitik...". Und genau diese Kosntellation ist derzeit "präwahl-ent" anders als "postwahl-ent", dies gilt für CDU, SPD und wie sie denn alle heißen. Erst wollen Sie uns als Wähler gewinnen (daher auch: "das Budget darf nicht gedeckelt sein"), und danach heißt es dann "das Budget ist nach oben hin offen, allerdings mit einer strengen Fallzahlbeschränkung", oder so ähnlich.

    Und ich finde weiterhin:
    die DRG´s bieten keine Gerechtigkeit, aber weniger Ungerechtigkeit als das Abrechnungssystem bisher.
    :teufel: sie bieten deutlich meher Transparenz.
    :teufel: sie müssen auf das deutsche Versorgungssystem berechnet sein, was aber nicht durch Jammern zu beschleunigen ist sondern nur durch Arbeiten.
    wenn zur Abwechslung mal alle Beteiligten ihre Ressourcen für das System bündeln würden und zur Abwechslung mal die Großkopferten die Vorschläge der Kompetenzen annehmen würden, wäre allen geholfen. Aber nein, die Entscheider haben einfach zu wenig Ahnung, die Vorschläge der Kompetenteren, aber Untergebenen anzuehmen. :chili: :chili: :chili: Ich weiß, ich tippe mich wieder um Kopf und Kragen, aber wußtet Ihr, dass das Wort "Macht" ursprünglich nicht von "machen" kommt sondern aus der gotischen Wortwurzel "mangan"= "können, vermögen"?:chili: :chili: :chili: Tja, da ist es nicht so schrecklich weit mit her. Warum lassen nicht alle einfach mal das InEK arbeiten? Und jedes Jahr eine schöne Korrektur aus der Basis heraus zu??? (Ja, ich weiß, ich bin ein blauäugiges Suppenhuhn, aber ich wollte es ja nur mal sagen.....)

    Und ganz kurz zum LKF-System in Östereich: ich arbeite ja jetzt in Wien und vertiefe mich gerade in die LKF´s: das australische System erscheint mir aber (bis auf den Intensivbereich) bisher wirklich noch deutlich besser und ausgereifter. Falls mir irgendwelche Vorteile des LKF-Systemes auffallen, melde ich mich wieder. Außerdem werden über die LKF´s auch in Österreich nur Teile der Krankenanstaltenbudgets finanziert (kennen wir das nicht irgendwoher???)

    :besen: :besen: :besen: Es grüßt Patricia
    --
    Patricia Klein

    Patricia Klein

  • Hallo,

    mit dem LKF-System dürfte sich auch Dr. Ernst Bruckenberger auskennen, da er aus Österreich stammt und dort auch als Mitentwickler der Stuide über die Entwickl. des österr. Krankenhauswesens bis 2010 war. Herr Dr. B. war im Niedersächs. Ministerim tätig und ist heute Lehrbeauftragter der Med. Hochschule Hannover (homepage: http://www.bruckenberger.de).

    Herr Dr. B. war auch letzte Woche beim Bundeskongress Deutscher Privatkrankenanstalten als Referent tätig. Hier führte er aus, dass nach den Erfahrungen in anderen Staaten der Weg von der Fallpauschale über die Fallkomplexpauschale bis hin zur jährlichen Kopfpauschale für die Behandlung der Patienten führt. Endziel könnte hier durchaus wieder die Budgetierung sein :(

  • .... sorry, ich wollte meine Antwort noch nicht einfügen, schon garnicht doppelt.

    Ich wollte nämlich noch ein kurze Zusammenfassung des Bundeskongresses geben. Wie aus der hier bereits als Link eingestellten Rede von der Parlamentarischen Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch und auch der Pressemitteilung der Krankenhausumschau entnommen werden konnte, soll das Optionsmodell in Form einer Ersatzvornahme durch das BMG kurzfristig kommen. Und zwar als lernendes System, welches im Bedarfsfall auch 2004 wieder in Teilbereichen abgeändert werden kann. Der im vorherigen Beitrag genannte Herr Faust (CDU und übrigens Chefärzt für Anästhesie in einem KH) meinte hierzu jedoch, das die Ersatzvornahme auf erhebliche Probleme stossen wird, z. B. bzgl. der Bewertungsrelationen. Aber auch hier wartet ja alles auf die Ergebnisse der Erstkalkulation, welche Mitte Juli vorliegen sollen. Hoffentlich sind diese Daten auch entsprechend quantitativ und qualitativ aussagekräftig, sonst gilt wohl doch der auf dem Bundeskongress genannte Slogan für DRG: Deutsche rettet's Gesetz.

    Viele Grüsse :roll: