Zitat
Original von Kilian:
Nach etwas längerer Beschäftigung mit dem Angebot stellen sich eigendlich andere Fragen. -- Wieviel sind 20 Prozent? Wovon? Wo?--
Moin,
das geht m.E. aus der Doku hervor. Es werden die Krankenhäuser bundesweit dauf der Basis der Zahlen der AOK-Versicherten für entsprechenden Hauptdiagnosen nach ICD-10 in eine bundesweite Rangfolge gebracht. Dann werden die bundesweiten fünf Quintile gebildet. D.h. das im Ranking oben Fünftel sind die KH, die in der Kategorie 80% bis 100% liegen usw.
Ich sehe aber ein paar grundsätzliche, konkrete und politische Probleme mit diesem Tool:
Grundsätzlich:
1. Hier wird durch das Ranking von Hauptdiagnosen eine Qualitätsdiskussion aufgemacht, dabei bleiben wichtige Fragen unbeantwortet:
1a. Sind die Diagnosen des medizinischen Sprachgebrauchs überhaupt richtig abgebildet ? - Was ja bekanntlich nicht trivial ist.
1b. Ist Qualität für häufige Krankheitsbilder sinnvoll mit dem Surrogatparameter der Fallzahlen abgebildet ?
1c. Hier werden elektive Medizin und Notfallmedizin gleichermaßen gerankt. Wenn man ein Informationssystem auf den Markt bringt, soll man sich vorher Gedanken über den intendierten Zweck und die vermutliche Nutzung machen. Für den Patienten mit Herzinfarkt ist eine Krankenhaussuche unsinnig, für den Notarzt auch.
2. Hier werden Fallzahlen als \"Qualitätsindikatoren\" dargestellt, ohne dass die Methode mit auch nur näherungsweiser Präzision dargestellt wird. D.h. auf der Ebene der Ermittlung des Ranking fehlt mir präzise Information, dafür wird dies methodisch schwer Nachvollziehbare gleich als Qualitätsparameter verkauft. Zwar habe ich bisher das Programm der Jahrestagung der GMDS (Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie) nicht auf dieses Thema durchgeschaut, aber wenn man sich mit Fallzahlen als Qualitätsindikatoren auf den Markt wagt, sollte man sich auch der Fachdiskussion stellen. Laut AOK-Seite sieht es nicht so aus, als ob dies passiert ist.
3. Die gesamte Thematik der Schweregrade (z.B. bei Herzinsuffizienz) ist nicht einmal erwähnt. Dass Qualiätsindikatoren bitteschön risikoadjustiert sein sollen, ist basal. Wenn man es nicht macht, muss man es zumindest diskutieren. Das Ganze hat nichts mit wissenschaftlichem Anspruch zu tun, sondern mit intellektueller Redlichkeit beim Umgang mit statistischen Gesundheitsdaten. Mag sein, dass hier einfach ein Darstellungs-/Kommunikationsproblem des AOK-BV vorliegt.
Konkret:
4. Limitierungen eines Computerprogramms bzw. Internet-Tools sollte man schlicht und ergreifend nennen. Ganz besonders dann, wenn dies Computerprogramm entscheidungsunterstützend eingesetzt werden soll.
5. Den Mechanismus der Ermittlung der Information sollte man benutzerfreundlich bzw. -verständlich darstellen. Wir leben in einer virtuelle Welt, in der Suchmaschinen big business sind und wir haben uns leider daran gewöhnt, dass deren Funktionsweise nicht nachvollziehbar ist. Dass es aber auch anders geht, zeigt die PubMed bei der NLM mit ihren Spezialabfragen (clinical queries).
6. Die eigene Überprüfung der Validität der Daten sollte man darstellen. Es wäre ein Leichtes gewesen, statistisch zu überprüfen, ob die krankenhausbezogenen oder regionalen Daten der VdAK-Versicherten signifikant abweichen.
Und um nur an einer Stelle ins Detail zu gehen: Es mag ja sein, dass die Herzinsuffizienz dann weniger kodiert wird, wenn die Pneumologie an einem KH stark vertreten ist, weil dann eher auch auf die Kodierung der konkurrenten Pneumonie geachtet wird. Hier hätte man Validitätsparameter versuchen können. Siehe die Diskussion hier.
7. Die Abbildung der medizinischen Umgangssprache auf ICD-Kodes ist nicht trivial. Ist (zum Beispiel) die Herzinsuffizienz definiert als der Dreisteller I50, als Viersteller I50.1, oder als irgendetwas vereinigt mit I50.9 ? Am Beispiel der EQS-Einschlusskriterien sieht man, wie komplex das werden kann. Bei der Herzinsuffizienz gehörten dann z.B. die I42.0 (Dilatative Kardiomyopathie) und die J81 (Lungenödem) mit hinein. Wie gesagt, ist ja vielleicht alles gemacht, aber eben nicht dargestellt.
8. In wie weit hohe Fallzahlen für die Hauptdiagnose Bluthochdruck ein Qualitätsindikator sein sollen, ist mir unverständlich. Ist das die hypertensive Krise (mag ja sein), oder gar eine Verlegeneheitskodierung bei milde entgleistem Hypertonus bei geriatrisch multimorbidem Patienten (mag sein, kommt ja auch mal vor). Ganz bestimmt ist es aber nicht die Abklärung bei Frage eines sekundären Hypertonus.
Politisch:
Und damit subjektiv bewertend:
9. Im Moment finde ich, dass der Anspruch (\"Qualitätsindikatoren\") hoch ist, das Ganze aber nach außen hin sehr wenig fundiert wirkt - also umgekehrt proportional. Einer fundierten Qualitätsdiskussion hülfe so etwas dann nicht weiter.
10. Offenbar haben die Kassen genug Manpower, um sich in diesem Bereich zu tummeln, siehe auch die immer wiederkehrenden Stellenanzeigen für Leute die Data Mining und Data Warehousing machen sollen. Gibt es eigentlich ein Mandat dafür, d.h. eine gesetzliche Grundlage, das Geld der Versicherten hierfür auszugeben ? Wenn ja, dann sollten m.E. auch die Krankenhausgesellschaften und die KBV Ähnliches aus solidarisch erhobener Finanzierung machen dürfen (und müssen).
Grüße von der Ostsee