Generalvollmacht AOK

  • Sehr geehrtes Forum,
    die Woche haben wir, an einer nordbayerischen Universität, erfahren dass der MDK der größten, gesetzlichen Krankenkasse hier vor Ort die Generalvollmacht erteilt hat, medizinische Unterlagen anzufordern. Dies hat heute dazu geführt, dass wir annähernd soviele Anfragen wie Entlassungen (im stelligen Bereich) schriftlich von der KK bekommen haben. Auf jedem Schreiben ist ein Stempel vom MDK zu finden. Es handelt sich sicher nicht mehr um eine Einzelfallprüfung, sondern um flächende Prüfungen, § 17c Prüfungen sind in Bayern ja noch nicht möglich. Ich bitte um Meinungen, wie man sich verhalten sollte, wie man sich dagegen wehren kann und ob es schon ähnliche Erfahrungen in anderen Bundesländern damit gibt.

    Vielen Dank schon im voraus.
    Kodierer

  • Hallo Kodierer,

    das verstehe ich nicht ganz: sie meinen, ärztliche Dokumente gehen jetzt direkt an den Sachbearbeiter der Krankenkasse und der erstellt dann im Namen des MDKs ein sozialmedizinisches Gutachten?

    *wundert sich*

    Jannis

  • Nein, das habe ich wahrscheinlich missverständlich ausgedrückt. Es ist doch im allgemeinen so, dass der MDK- Arzt zur KK geht. Dort vor Ort die Fälle mit dem Sachebarbeiter durchscreent um dann zu entscheiden welche tatsächlich zu prüfen sind. Dann nimmt der MDK die zu begutachtenden Fälle wieder mit und fordert die Unterlagen (auf einem Formular des MDK) an um dann sein Gutachten zu erstellen, usw. Jetzt fordert der KK-Sachbearbeiter im Nahmen des MDK und mit Stempel des MDK die Unterlagen an, die weiterhin an den MDK gehen sollen. Das hat wohl zur Folge, dass bei der kleinsten Auffälligkeit (jede PCCL-steigernde Nebendiagnose, jede vermeintlich zu kurze oder zu lange Verweildauer)der Arztbrief und ohne irgendeine Überprüfung auf Plausibilität durch den MDK angefordert wird. Wir kennen das Vorgehen bereits von kleineren KK und es gab dagegen bislang nichts groß daran auszusetzen, weil sich die Anfragen im Rahmen hielten. Das hat sich aber die Tage stark gewandelt, sodass jetzt fast jeder Fall der großen KK geprüft wird. das Gutachten macht weiterhin (wahrscheinlich) der MDK, wobei mir auch unklar ist wie der das personell schaffen will.

    Kodierer

  • Hallo Kodierer,

    das Problem haben wir schon länger. Tatsächlich ist es offensichtlich so, dass die 301-Daten in die Software der Krankenkassen (nicht nur der von Ihnen zitierten) geschickt werden. Das Programm führt eine Plausibilitätsprüfung durch (Wie kann man den Rechnungsbetrag kürzen?) und wirft dann offensichtlich auch gleich das Anforderungsschreiben an das Krankenhaus automatisch aus, ohne das jemand das vorher mal auf Logik geprüft hat.
    Nur so ist es zu erklären, dass wir auch Anfragen erhielten zu begründen, warum wir den Pat. nicht schon früher entlassen haben (Wegen Grenzverweildauerüberschreitung). Das ist ja grundsätzlich nachvollziehbar, nur war der konkrete Fall ein multimorbider beatmeter Pat., der zufälligerweise an einem Montag verstorben ist. Nach einer telefonischen Rücksprache erhielten wir die Antwort: \"Da hat der Computer einen Fehler gemacht\"
    Auch erhieten wir Anfragen, dass \"die Erkrankung auf einen Unfall schließen läßt und der Versicherte der Krankenkasse nicht geantwortet hat\"
    Es war ein Pat. mit einer patholgischen Fraktur bei Knochenmetastasen. Antworten konnte der Pat. leider nicht mehr, denn auch er war verstorben. Da dies als Entlassungsgrund \"07\" mit den 301-Daten übermittelt wird, sind solche Anfragen noch unverständlicher.

    MfG

    MC

  • Hallo Kodierer, hallo Forum,

    wenn es sich auch gerichtsfest darstellen läßt, dass es sich hier de facto um eine Stichprobenprüfung handelt, dann muss man wohl erwägen, die Gerichte zu bemühen. Ohne Jurist zu sein, denke ich doch, dass man zunächst eine einstweilige Anordnung braucht, denn die Flut der Anfragen (de facto jeder Fall) wird nach aller Erfahrung mit den KK zu einer kurzfristig erheblichen Rechnungskürzung führen, die auch finanziell bedrohlich werden könnte, und zwar unabhängig davon, ob die Anfragen der Sache nach berechtigt sind.

    Grüße von der Ostsee,

    Dr. med. Christoph Bobrowski, M.Sc.

  • Ja, genau sowas habe ich mir auch vorgestellt, das die Software der KK gleich die Anfrage produziert. Aber was macht man jetzt mit den ganzen Anfragen? Ignorieren? Alle beantworten? Wie geht man auch juristisch abgestimmt am besten vor?

    Danke+schönes Wochenende
    Kodierer

  • Naja, da müssen Sie Ihre Rechtsabteilung / Ihren Anwalt fragen. Ignorieren würde ich die Anfragen nicht. Zur Kenntnis nehmen würde ich Sie und dies auch dokumentieren, aber mangels Arbeitskapazität können Sie sie ja nicht kompetent beantworten. Das wird man der KK schon mitteilen müssen, denke ich.

    Grüße von der Ostsee - es regnet

    Dr. med. Christoph Bobrowski, M.Sc.

  • Das Ganze zeigt, wie praxisfern die Vorschrift ist, dass die KK mit Hilfe des MDK \"verdachtsabhängig\" prüfen dürfen. Anhand des Datensatzes kann man nur in wenigen Fällen einen Verdacht begründen - zu wenig nach dem Geschmack der Krankenkassen und der Politik. Darüber hinaus findet man gerade die unplausiblen Fälle ja in bestimmten Krankenhäusern (sprich: den Myokardinfarkt des 25jährigen häufiger bei den Maximalversorgern).

    Den Verdacht aufgrund von Kontextinformation aus der Klinik, von Patienten oder Hausärzten zu äußern... naja wenn\'s seriös ist, ist\'s selten, und wenn\'s häufig ist, ist\'s nicht seriös.

    Es bleibt den KK tatsächlich nur, auf ihre eigene Erfahrung mit vergangenen Prüfungen zu bauen. Wenn sie diese Erfahrung aus ihren Köpfen der Mitarbeiter heraus und in eine Tabellenkalkulation hinein befördern, befinden sie sich schon an der Grenze zur Stichprobenprüfung. Wenn die KK, wie es ja ganz offensichtlich geschieht, die \"verdachtsabhängigen\" Prüfngen von statistisch gesteuerten Prüfprogrammen steuern lassen, ist die Grenze zur Stichprobenprüfung schon überschritten, und schon da ist das Verfahren streng genommen illegal.

    Erstaunlich ist dann aber, dass eine KK eine \"Stichprobenprüfung\" der gesamten Grundgesamtheit durchführt und dies dann noch als verdachtsabhängige Einzelfalllprüfung ausgibt.

    Trotz aller Differenzen und trotz der verschiedenen Rollen, die die Beteiligten spielen, haben wir zur Zeit eben nur dies System. Auf einer fundamentalen Ebene sollten die Beteiligten die Spielregeln einhalten bzw. den Konsens wahren. Im vorliegenden Fall hätte ich meine Zweifel, ob das seitens der KK noch der Fall ist - konkret können das natürlich nur die Akteuere vor Ort entscheiden.

    Grüße von der Ostsee - Spätsommer

    Dr. med. Christoph Bobrowski, M.Sc.