Pflicht zur beidseitigen Operation ?

  • Hallo Forum,

    bei mir treffen jetzt gehäuft Kassenanfragen ein, wo durch den MDK geprüft werden soll, ob eine beidseitige Varizenoperation, die wir in zwei Aufenhalten mit Abstand von ca. 2 Monaten durchgeführt haben, in einem Aufenthalt hätte erbracht werden können. Unter die normalen Wiederaufnahmen fallen diese Fälle nicht. In einem Fall hat der MDK bereits entschieden, dass die Operationen in einem Aufenthalt hätte durchgeführt werden können. Gibt es eine gesetzliche Grundlage für diese Prüfung?
    Hat jemand eine Idee für eine Argumentationshilfe gegenüber der Kasse? Ich stehe da irgendwie auf dem Schlauch. Wenn man das weiterdenkt - müssen wir denn demnächst dem \"steinreichen\" Patienten, der zur Fuß-OP kommt auch die Gallenblase herausnehmen, dass kann man auch in einem Aufenthalt!

    Vielen Dank

    A.Bauer

  • Hallo Frau Bauer,

    rein formal würde ich Ihnen rechtgeben, dass der Zeitraum von zwei Monaten regelmäßig ausreichend ist, um Fallverknüfungsfristen
    außer Betracht zu lassen.

    Ihre Argumentation gegenüber dem MDK-Gutachten kann (um eine positive Wirkung zu erzeugen) m.E. nur dieselbe sein, die Sie aufführen würden, wäre die 2.OP in der Folgewoche passiert. Díes können medizinische oder aber auch plausible organisatorische Gründe sein.

    Schwieriger wird es bei rein fiskalischen Erwägungen.
    Nehmen wir an, das dies so war und die Notwendigkeit der stationären Behandlung für beide OPs für sich genommen, außer Zweifel steht.

    Sie können zwar die abrechnungstechnische Fristenregelung ins Feld führen,
    werden sich aber bald vor die Tatsache gestellt sehen, dass die Kasse den fiktiven \'Einspar\'-Betrag zu einer Fallzusammenführung an anderer Stelle Ihrer Forderungen absetzt.

    Ihnen bliebe der Klageweg.

    Und da kommt letztendlich das alles durchdringende zentrale Gebot aus dem SGB V ins Spiel:

    Die Versorgung der Versicherten soll lt. Sozialgesetzbuch V ausreichend, zweckmäßig, das Notwendige nicht übersteigend sein und wirtschaftlich erfolgen.

    Dabei dürfte die Begründung \"wg. mehr Geld\" m.E. für einen erfolgreichen Ausgang nicht hinreichend genug sein.

    Viele Grüße
    Toku

  • Hallo,

    die Argumentation mit \"Geld\" halte ich hier für nicht wirklich weiterbringend, schon gar nicht im Sinne der Klinik.

    Natürlich kann man \"alles\" in einem Aufenthalt machen. Ab dem nächsten Jahr gibt es ja auch DRGs für beidseitige Eingriffe. Aber wer möchte schon eine Hüft-Tep auf der Gegenseite bekommen, wenn man auf dem anderen Bein noch nicht wieder richtig laufen kann...

    Insofern halte ich die \"medizinische\" Argumentation hier eher für sinnvoll. Auch ausgedehnte Varizen-Eingriffe würde ich mir persönlich nicht in einem Aufenthalt beidseitig machen lassen (und auch nicht selber machen). Ich würde erst die Wundheilung des einen Beines abwarten und dann das nächste angehen.

    Für z.B. Leistenhernien gibt es Gutachten, dass z.B. bei einem (vor dem Eingriff) zeugungsfähigen Mann ein beidseitiger Eingriff in einer Sitzung mit anschl. Hämatom und Hodenentfernung bds. als Folge die gleichzeitige Durchführung der Eingriffe nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht.

    Beispiel Schilddrüse: Bei nicht sicher dargestelltem Nervus recurrens muss vor einem Eingriff auf der Gegenseite die Nervenfunktion abgewartet werden. Okay, den Folgeeingriff sollte man dann innerhalb weniger Tage durchführen.

    Insofern sollte man i.d.R. ausreichende medizinische Aspekte anführen können.

    Viel Erfolg, J.Helling

  • Hallo Frau Bauer et al,

    ich denke es sollte immer noch in der Entscheidung des behandelnden Arztes liegen, ob er eine Mehrfachbehandlung mit erhöhtem OP-Risiko bei vermindertem Narkoserisiko – nämlich eine Narkose weniger – oder einem erhöhtem Narkoserisiko – mehrere Narkosen - bei vermindertem OP-Risiko für seine Patienten wählt. Schließlich trägt er auch haftungsrechtlich die Verantwortung für sein Handeln.

    Im Streit sollte der MDK-Arzt schriftlich erklären, dass er für den nächsten ähnlich gearteten Fall, die volle Verantwortung übernimmt, falls etwas schief gehen sollte. Bei mehreren Eingriffen gleichzeitig ist z.B. die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sich, wenn sich eine Wunde infiziert, auch die anderen Wunden infizieren, was dann zur Katastrophe führen kann, wenn – wie in Ihrem Fall - beide Beine betroffen sein können.

    Mit freundlichen Grüßen
    Thomas Winter
    Berlin

  • Hallo Frau Bauer,
    schauen sie doch mal in die Aufklärungsdokumentation. Wäre der Patient mit einem einzeitigen Vorgehen überhaupt einverstanden gewesen? Wenn nicht, haben sie das beste Argument für ein zweizeitiges Vorgehen.
    Gruß

    Dr.Gerhard Fischer
    Medizincontroller/Frauenarzt

  • Hallo Herr Dr. Fischer,
    hallo Forum,

    auch wenn der Wunsch des Patienten sicher nicht unwichtig ist, so denke ich doch, dass dieser letztendlich in der konkreten Auseinandersetzung mit seiner Krankenkasse kaum eine Rolle spielen dürfte.

    Toku hat bereits auf die entsprechenden Regeln im Fünften Sozialgesetzbuch hingewiesen. In der Tat hat demnach die Versorgung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich zu sein; die Leistungen dürfen das Maß des Notwendigen nicht übersteigen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

    Mir erscheint die von Herrn Winter in seinem Beitrag (1. Absatz) angeführte medizinische Bewertung für die Entscheidungsfindung zielführender zu sein.

    Mir sind übrigens gutachterliche Stellungnahmen des MDK bekannt, die bei beidseitigen Varizen-Operationen die Notwendigkeit einer (voll)stationären Behandlung nahezu regelhaft bejahen, bei einseitigen Operationen jedoch vielfach die Form einer (voll)stationären Behandlung verneinen.

    Gruß

    Der Systemlernende

  • Hallo Systemlenender,
    sie haben schon Recht mit der haftungsrechtlichen Bredullie. Wenn der Patient einer ambulanten OP nicht zustimmt, haben sie ein haftungsrechtliches Problem, wenn der Patient eine Einwilligung nicht gegeben hat, sie ihn aber dennoch ambulant operieren. Insofern \"zwingt\" sie der Patient in die stationäre Behandlung, denn er hat ja einen Anspruch auf die Sachleistung, welche sie ihm ja nicht verweigern dürfen.
    Gruß

    Dr.Gerhard Fischer
    Medizincontroller/Frauenarzt