Ausgleichsregelungen

  • Hallo Forum,

    bei der gestrigen BKG-Veranstaltung in München wurden Beispiele zu den geplanten Ausgleichsregelungen präsentiert, die zu so unverständlichen Ergebnissen führten, dass wohl weder die Kassen- noch die Krankenhausseite damit zufrieden sein kann.

    Daher möchte ich dieses Thema hier einmal zur Diskussion stellen.

    Problembeschreibung, Lösungsansatz:

    Insbesondere in der Einführungsphase besteht die verständliche Schwierigkeit, die Leistungsgerechtigkeit der Relativgewichte zu beurteilen hinsichtlich Kodierung, Klassifikation (Casemix-Index = CMI) und Kalkulation der Relativgewichte (RG). Daraus folgt auch eine große Unsicherheit bei der Festlegung des zu Abrechnungszwecken erforderlichen Basisfallwertes (BFW).

    Leichter zu ermitteln ist das per DRG-System zu verteilende Gesamtbudget (deutschlandweit). Obwohl hier natürlich auch Sprengstoff drinliegt, muss diese Größe z. B. für das Jahr 2003 prospektiv ermittelt werden, und zwar in einer Höhe, die im Rahmen der Beitragssatzstabilität zulässig ist.

    Obwohl Anfang 2003 bereits feststeht, wie groß das Gesamtbudget werden darf, kann noch niemand wissen, wie viele Fälle welcher Fallschwere und Kostenstruktur anfallen werden. Das ergibt sich erst im Laufe des Jahres 2003. Viel einfacher wäre es, man würde erst 2005 das 2003-Budget verteilen.

    Im Jahr 2005 werden wir nämlich eine DRG-Version und einen Gouper haben, der seine Relativgewichte auf der Basis der 2003-Daten (Casemix und Kosten) ermittelt hat, insbesondere Rightcodingeffekte sind dann bereits in angepassten Relativgewichten berücksichtigt. (§21-Lieferung für '03 im März '04, Grouper-Revision im Jahr '04, Anwendung im Jahr '05)

    Man bräuchte die 2003-Daten also im Jahr 2005 nur durch diesen Grouper zu schicken, und das Budget wäre so "gerecht" verteilt, wie es mit DRGs überhaupt möglich ist.

    Gibt es hierzu Vorschläge, wie man dieses Ziel rechnerisch umsetzen muss, damit annähernd realistische Abschlagszahlungen und Ausgleiche erfolgen können? Ich habe schon mal angefangen zu rechnen, traue mich aber noch nicht, endgültige Formeln anzugeben.

    Nur soviel vorweg: Theoretisch müsste es doch möglich sein, zunächst unter Vorbehalt abzurechnen, und erst 2005 die Endrechnung zu machen. Bereits im März 2004 könnte bereits ein korrigierter BFW ermittelt werden, da dann der mengenadaptierte CM für Deutschland bekannt ist (Ausgleich 1).

    Die sich aus einer Verfeinerung des DRG-Systems ergebenden Ausgleiche (veränderte RGs) wg. medizinischem Fortschritt, Rightcoding, Änderung der Kostenstruktur, könnten spätestens Anfang 2005 ausgeglichen werden (Ausgleich 2).

    Wer kann mir hier folgen und ggf. eine passende Rechenformel angeben?
    ------------------
    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    [center] Bernhard Scholz [/center]

  • Hallo Forum,

    entweder das Thema ist zu brisant oder zu langweilig. Ich hätte mir etwas mehr Reaktion erhofft.

    Ich meine, dass der Vorschlag, die Vergütung letztlich vom Casemix und den Kostendaten des betreffenden Jahres, im Beispiel also 2003, abhängig zu machen, eine dringend notwendige Ergänzung zur Vereinbarung über die Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems nach § 17 b KHG wäre, um das vielfach beschworene Dilemma der Vergütungsgerechtigkeit bei einem 100%-Abrechnungssystem aufzuheben. Das Resultat (nach Abwicklung der Ausgleiche) wäre nämlich ein Budgetverteilungssystem, was ja im Gegensatz zu einem ("nur in Deutschland so geplanten") Abrechnungssystem regelmäßig wohlwollendere Kritiken erhält.

    In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal an das geplante Verfahren zur Ermittlung und Pflege der Relativgewichte
    http://www.g-drg.de/systemgrundlagen/drg_verent.htm#3

    zusammen mit den Regeln zur Pflege des Patientenklassifikationssystems, Punkt 7. unter
    http://www.g-drg.de/systemgrundlagen/drg_verent.htm#2

    erinnern, in dem lediglich die m. E. erforderliche Periodenabgrenzung durch Ausgleiche unberücksichtigt bleibt.

    Ich bin davon überzeugt, dass auf diesem Wege einige Probleme gelöst werden können, die z. Zt. noch völlig offen sind,

    z. B. der Widerspruch zwischen einerseits geforderten "degressiven Vergütungselementen bei Mengenüberschreitungen gegenüber Vereinbarungsniveau" und der gleichzeitig geforderten "Anerkennung notwendiger Mehrleistungen (Fallzahlsteigerungen)" und "Anerkennung von Veränderungen der Leistungsstruktur" unter dem Diktat der Beitragssatzstabilität. Dieser Widerspruch ist m. E. auf lokaler Ebene (örtliche Budgetverhandlungen) überhaupt nicht lösbar. Solche lokal letzlich willkürlich festgesetzten prospektiven Leistungsmengen führen über daraufhin notwendig werdende Ausgleichsregelungen (s. Ausgangsthema) im Vergleich zu den bundesweit durch Kostenkalkulation ermittelten Relativgewichten zu derart groben Abweichungen der lokalen Fallerlöse vom Bundesdurchschnitt, dass der vorher betriebene Aufwand, das Entgeltsystem solidarisch aufwandsorientiert zu verfeinern, wieder zunichte gemacht würde.

    Das gleiche gilt für das Problem der Demotivation der Kodierenden, wenn jede Anstrengung, die Kodierung vollständig zu machen, sogleich als strafbares Upcoding verdächtigt und mit lokal sich auswirkendem Basiswert-Verfall sanktioniert wird.

    Und es wäre einfach:

    Laufende Abrechnung (Abschläge) nach Vorjahresgrouper, endgültige Budgetverteilung (Ausgleiche) auf Grundlage des zum Abrechnungsjahr passenden Groupers.

    "Keep it super simple" (Don Hindle)

    Keine Budgetverhandlungen, keine Mengenvereinbarungen auf lokaler Ebene erforderlich. Bundesweit einheitliche Spielregeln für alle.

    Würde mich freuen, wenn hier konstruktive Kritik aufkäme.

    --
    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    [center] Bernhard Scholz [/center]

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Dr. Scholz

    Ich glaube, dass es sich bei Ihren ausgezeichneten Darstellungen oft um schwer verdauliche Inhalte handelt, die man erst einmal nachvollziehen (können) muss. Mir sind Ihre Ausführungen jedenfalls meist erst nach dem 3. oder 4. Lesen so nachvollziehbar, dass ich eine Ahnung entwickele, was genau Sie meinen. Also keineswegs uninteressant, zu langweilig oder zu brisant. Vielleicht sollten Sie etwas von Ihrer - Ihnen womöglich immanenten Industriekaufmann-Mentalität (sehr positiv gemeint) abrücken - und den noch nicht betriebswirtschaftlich so fitten Leuten, wie z.B. mir (ich arbeite aber daran) die Möglichkeit eröffnen, Ihre geäußerten Gedankengänge leichter nachvollziehen zu können. Dabei hilft oft eine kurze (!, kein Mensch liest im Internet mehrseitige Pamphlete = als konstruktrive Kritik gemeint) Darstellung der von Ihnen gesehenen Problembereiche. Es geht hier z.T. soweit, dass sich User nicht mehr trauen, eine banale Frage zu stellen, weil da (bei myDRG) wohl nur mit höheren Weihen bedachte Spezialisten diskutieren... Das finde ich etwas schade. Mein Ziel ist, dass hier jeder, der etwas zum Verständnis der DRG-Einführung beizutragen hat, seine Meinung äußern und Fragen stellen sollte. Vermutlich aber nur eine Frage des Selbstvertrauens.
    Dies dazu. Ich wünsche ein schönes Wochenende.
    Liebe Grüße
    sendet
    B. Sommerhäuser

  • Hallo Forum,

    der gut gemeinten Kritik von Herrn Sommerhäuser schließe ich mich an.
    Ich jedenfalls oute mich hiermit als User dieses Forums, der sich schon oft von den Kommentaren mancher "DRG-Eingeweihter" davon abschrecken ließ, einen eigenen Beitrag zu posten.Von den Sphären, die einige scheinbar schon erreicht haben, bin ich leider noch meilenweit entfernt.

    Jetzt aber doch noch zum Thema Ausgleichszahlungen, wo auch ich bei einer BKG-Veranstaltung zum FP-Gesetz aufgehorcht habe.

    Problematisch ist aus meiner Sicht hierbei die Tatsache, daß eine Erhöhung des Erlöses durch eine Anhebung des CMI in jedem Fall zu einem 100% Ausgleich, sprich zu einer Rückzahlung des Mehrerlöses führt. Es spielt dabei keine Rolle, ob der CMI durch Upcoding ansteigt( wobei eine Rückzahlung ja durchaus verständlich wäre), oder durch die Behandlung tatsächlich schwererer Fälle, die in den nächsten Jahren angesichts der demographischen Entwicklung zu erwarten sind.

    Ein leistungsgerechtes Entgeltsystem, wie es von der Politik und den Kassen immer wieder genannt wird, ist jedenfalls in der derzeitigen Fassung des FP-Gesetzes nicht verankert.Da nützt auch die beste Kalkulation von "leistungsgerechten" Relativgewichten nichts.

    Schönes Wochenende

    M. Filipp

  • Hallo Forum, hallo Herr Filipp,

    Zitat


    Original von MFILIPP:
    Ein leistungsgerechtes Entgeltsystem, wie es von der Politik und den Kassen immer wieder genannt wird, ist jedenfalls in der derzeitigen Fassung des FP-Gesetzes nicht verankert.Da nützt auch die beste Kalkulation von "leistungsgerechten" Relativgewichten nichts.

    Höhen oder Tiefen der Durchdringung des Themas einmal dahingestellt (mir erschienen DRGs eigentlich von Anfang an als sehr simple Botschaft, die zugegebenermaßen im Laufe der Zeit, wie ich meine, künstlich verkompliziert wurde), stehen doch nach wie vor einige Dinge außer Frage:

    (1) Es gibt nur ein endliches Budget zu verteilen, selbst wenn morgen die Beitragssatzstabilität aufgehoben würde. Haushalten nennt man so etwas (fragen Sie Ihre Großmutter, wie man einen Haushalt führt, fragen Sie besser nicht unsere Politiker oder Wirtschaftsführer).

    (2) Krankheit und demographische Entwicklung werden bei uns nicht geplant und das bleibt hoffentlich noch eine Weile so.

    (3) Die Ermittlung von Durchschnittskosten vergleichbarer Fälle erlaubt eine Orientierung, wie teuer Gesundheit wirklich ist. Benchmarking ist eine inzwischen anerkannte Methode, Prozesse zu optimieren und Qualität zu steigern.

    (4) Der Anspruch auf Gesundheitsleistungen ist per Bundesgesetz für alle Bürger gleich, ebenso ist es bisher ärztliches Selbstverständnis (zumindest nehme ich das für mich in Anspruch), vergleichbare Fälle vergleichbar zu behandeln.

    Diesen Fakten müssen wir uns stellen. DRGs führen nicht zu höheren Einnahmen, sie bestimmen auch nicht, welche Medizin gemacht wird. Sie können zunächst nur dabei helfen, den zweifellos vorhandenen Mangel zu verwalten, sie können zu einer Verteilungsgerechtigkeit führen. Erst wenn alle relevanten Daten (Fallzahlen, Art der Fälle, Kostendaten) zur Verfügung stehen und ausgewertet worden sind, kann politisch entschieden werden, ob und für welche Leistungen "mehr Geld ins System" fließen soll. Und es muss mehr werden, dass akzeptieren im Grunde alle, auch die Beitragszahler und Patienten, wenn sie sicher sein können, dass ihre Beiträge zweckgebunden und sparsam verwendet werden.

    Dazu gehört auch, dass das System so einfach wie möglich gemacht wird, so, dass es die Menschen auch verstehen, nicht nur ein paar wenige "Eingeweihte".
    --
    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    [center] Bernhard Scholz [/center]

    • Offizieller Beitrag

    "Es geht hier z.T. soweit, dass sich User nicht mehr trauen, eine banale Frage zu stellen, weil da (bei myDRG) wohl nur mit höheren Weihen bedachte Spezialisten diskutieren... Das finde ich etwas schade. Mein Ziel ist, dass hier jeder, der etwas zum Verständnis der DRG-Einführung beizutragen hat, seine Meinung äußern und Fragen stellen sollte. Vermutlich aber nur eine Frage des Selbstvertrauens.
    Dies dazu. Ich wünsche ein schönes Wochenende.
    Liebe Grüße
    sendet
    B. Sommerhäuser"


    Zitat


    Original von MFILIPP:
    Hallo Forum,

    der gut gemeinten Kritik von Herrn Sommerhäuser schließe ich mich an.
    Ich jedenfalls oute mich hiermit als User dieses Forums, der sich schon oft von den Kommentaren mancher "DRG-Eingeweihter" davon abschrecken ließ, einen eigenen Beitrag zu posten.Von den Sphären, die einige scheinbar schon erreicht haben, bin ich leider noch meilenweit entfernt.


    M. Filipp


    Hallo Herr Sommerhäuser,
    hallo Forum


    Ich meine, beides sollte möglich sein, sowohl der Dialog (Fragen und Antworten von jedermann) als auch der Expertenaustausch.

    Das mit dem "nicht trauen" kann ich nicht nachvollziehen. Wer eine Frage oder Meinung hat, muß auch in der Lage sein, sich selbstständig zu äußern...Das hat m.E. auch etwas mit Selbstmanagement zu tun. Gerade hier im Forum wird keiner wegen seiner Fragen oder Meinungen abqualifiziert. Der Stil wie hier die Diskussion geführt wird, ist beispielhaft. Wer einmal in ein Forum des Ärzteblattes schaut, wird entsetzt sein, in welcher Art und Weise Ärzte sich dort äußern.



    Wenn "Experten" nur noch eine "closed-shop" Diskussion führen, schadet das viel mehr. Wer längere Beiträge nicht lesen will, braucht das doch nicht zu tun.
    Ich sehe die Beiträge von „DRG-Eingeweihten“ auch als einen Diskussionsansatz zur Überwindung der Folklore des Halbwissens und der Scharlatanerie.
    Auch kraftvoll vertretene Minderheits-Ansichten öffnen die Grenzen im menschlichen Wissen und Verstehen. Lieber Vielfalt als uniforme Mittelmäßigkeit.

    Wir brauchen einen freien Markt für Ideen (für alle Teilnehmer), damit jede Vorstellung die Möglichkeit hat gehört und diskutiert zu werden. Dazu gehören aber auch scheinbar extreme Außenseitermeinungen von "DRG-Eingeweihten"...


    Eberhard Rembs
    Arzt für Chirurgie
    Bochum

    • Offizieller Beitrag

    [quote]
    Original von Scholz:

    (1) Es gibt nur ein endliches Budget zu verteilen, selbst wenn morgen die Beitragssatzstabilität aufgehoben würde.
    (2) Krankheit und demographische Entwicklung werden bei uns nicht geplant und das bleibt hoffentlich noch eine Weile so.

    Dazu gehört auch, dass das System so einfach wie möglich gemacht wird, so, dass es die Menschen auch verstehen, nicht nur ein paar wenige "Eingeweihte".
    --


    Hallo Dr. Scholz,
    hallo forum

    Danke für diese klaren Worte..

    zum Vergleich wie schwierig eine gerechte Verteilung ist, siehe aktuelles Heft der Dtsch med Wschr 301601 2002
    Marckmann, Siebert: Prioritäten in der Gesundheitsversorgung: Was können wir aus dem "Oregan Health Plan" lernen?

    letzter Abschnitt: wir wissen ja wie die Euro-Bürokraten das Thema Landwirtschaft geregelt haben, ein abschreckendes Beispiel...


    Gruß
    Eberhard Rembs
    Arzt für Chirurgie
    Bochum

  • Zitat


    Original von Scholz:
    Theoretisch müsste es doch möglich sein, zunächst unter Vorbehalt abzurechnen, und erst 2005 die Endrechnung zu machen. Bereits im März 2004 könnte bereits ein korrigierter BFW ermittelt werden, da dann der mengenadaptierte CM für Deutschland bekannt ist (Ausgleich 1).

    Die sich aus einer Verfeinerung des DRG-Systems ergebenden Ausgleiche (veränderte RGs) wg. medizinischem Fortschritt, Rightcoding, Änderung der Kostenstruktur, könnten spätestens Anfang 2005 ausgeglichen werden (Ausgleich 2).

    Hallo Dr. Scholz,

    Anfang des Jahres war ein Artikel im Downloadbereich (ich kann ihn leider nicht mehr finden), der die kostenträgerseitige Problematik der späten Mehrerlösausgleiche zum Thema hatte. Tenor: Durch Mehrerlösausgleiche, die teilweise erst mehr als 1 Jahr später überhaupt quantifiziert und fällig werden könnten, nämlich wenn die BFW-Berechnungsgrundlage für den Zeitraum vorliegt, würden die Kassen endgültig in den Ruin getrieben. Die über Monate sich anhäufenden Zinsverluste gingen in den sieben- bis zweiundvierzigstelligen ;) Bereich. Ein recht einseitiger Artikel, aber so habe ich ihn in Erinnerung.
    Auch wenn es in Ihrem Vorschlag nicht nur um Mehrerlösausgleiche geht, das Grundkonzept des (zu) späten Ausgleichs ist das Selbe. Denn Ihr Ausgleich 1 im März 2004 betrifft auch 14 Monate alte Fälle von Jan. 2003.
    Ich befürchte daher, Ihre Vorschläge werden zumindest bei den Kostenträgern auf wenig Gegenliebe stoßen. Auch Abschläge werden bei allen Beteiligten schwer verhandelbar sein, denn niemand im Gesundheitswesen hat Lust, hohe Beträge über Monate zinsfrei vorzuhalten.
    Oder?
    Würde mich über kaufmännisch fundierte Kommentare freuen, denn ich bin nur Mediziner, die Ökonomie muss ich noch dringend lernen!

    Grüße
    C.Lehmann

    Viele Grüße
    C.Lehmann

  • Zitat


    Original von clehmann:
    ... Problematik der späten Mehrerlösausgleiche ...

    Tenor: Durch Mehrerlösausgleiche, die teilweise erst mehr als 1 Jahr später überhaupt quantifiziert und fällig werden könnten, nämlich wenn die BFW-Berechnungsgrundlage für den Zeitraum vorliegt, würden die Kassen endgültig in den Ruin getrieben.

    Hallo Herr Lehmann,

    die Frage war ja eigentlich nicht "ob", sondern "wie" Ausgleiche stattfinden.

    Damit 2003 abgerechnet werden kann, muss ein prospektiver Fallwert festgelegt werden. Der kann aber nicht stimmen, weil Fallzahl und Fallschwere vorher nicht bekannt sind. Also müssen Ausgleiche her. Und die erfolgten Zahlungen sind zwangsläufig Abschläge.

    Oder geht es etwa auch ohne Ausgleiche? Ich wüsste nicht, wie.

    Wenn die prospektive Festlegung des Fallwertes ungenau ist, muss einer die (Zins-)Zeche zahlen, KH oder KK. Bei extremen Abweichungen (gerade in der Anfangsphase der DRG-Einführung) hilft dann nur eine unterjährige Anpassung des BFW, um die Zinslasten zu verteilen.

    Auch die ganzen Konvergenzrechnungen sind doch Ausgleichsrechnungen (mit Zinsen).

    Und die Mehr-/Mindererlösausgleiche sind auch Ausgleiche (mit Zinsen). Nur das Problem ist, dass hier eben versucht wird, auf lokaler Ebene die Ausgleiche durchzuführen mit einem viel größeren Aufwand, als wenn man bundesweit (und transparent) ausgleichen würde.

    Die Zinsen sind übrigens immer gleich groß, egal ob man lokal oder bundesweit zurückzahlt.

    Und wieso sollen die Zinsen wichtiger sein als die Erlöse selbst? Die Ausgleiche werden ja nicht wegen der Zinsen gemacht. Sie sollten m. E. dazu dienen, das Budget aufwandsgerecht zu verteilen, also entsprechend den wirklich erbrachten Fällen.

    Wenn dies konsequent durchgeführt würde, würde weder KH noch KK benachteiligt.

    Durch den Verzicht auf lokale Regelungen würde zudem ein Ausgleich zwischen den Krankenkassen untereinander und den Krankenhäusern untereinander erfolgen, und dies ist letzlich die Idee des DRG-Systems, oder?
    --
    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    [center] Bernhard Scholz [/center]

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Forum,
    hallo Herr Dr. Scholz

    [quote]
    Original von Scholz:
    Hallo Forum,
    "Viel einfacher wäre es, man würde erst 2005 das 2003-Budget verteilen."


    Sie zitieren selbst Don Hindle (gelernter Mathematiker) "keep it simple"
    Ihr Ansatz heißt für mich (wenn ich es als Szenario gedanklich durchspiele) mehr Bürokratie (eine Lawine von interpretationsfähigen Vorschriften, Streitfälle vorprogrammiert...)


    "Man bräuchte die 2003-Daten also im Jahr 2005 nur durch diesen Grouper zu schicken, und das Budget wäre so "gerecht" verteilt, wie es mit DRGs überhaupt möglich ist."

    praktikabel???
    gerecht?
    meiner Meinung nach gibt es nur einen Mechanismus der einigermassen "gerecht" entscheidet und daß ist der Markt
    (Probleme bestehen natürlich auch hier)


    "Gibt es hierzu Vorschläge, wie man dieses Ziel rechnerisch umsetzen muss, damit annähernd realistische Abschlagszahlungen und Ausgleiche erfolgen können? Ich habe schon mal angefangen zu rechnen, traue mich aber noch nicht, endgültige Formeln anzugeben."

    Heftigster Einwand: letztendlich subventionieren Sie über Abschlagzahlungen auch Häuser, die nach med. Qualitätskriterien und ökonomischen Kriterien in einem Wettbewerbssystem nicht am Markt bleiben sollen (Bsp: Bergbau)


    "Wer kann mir hier folgen und ggf. eine passende Rechenformel angeben?"

    Ich kann folgen, Ihre Gedanken sind jedoch mit meinen Überzeugungen, daß wir mehr marktwirtschaftliche Elemente (auch in einem pauschalierten System) brauchen, als möglichweise zusätzliche bürokratische Regelungen


    "....der Widerspruch zwischen einerseits geforderten "degressiven Vergütungselementen bei Mengenüberschreitungen gegenüber Vereinbarungsniveau" und der gleichzeitig geforderten "Anerkennung notwendiger Mehrleistungen (Fallzahlsteigerungen)" und "Anerkennung von Veränderungen der Leistungsstruktur" unter dem Diktat der Beitragssatzstabilität.

    Dieser Widerspruch ist kaum aufzulösen, wenn Sie jetzt noch die Diskussion um Mindestmengen dazunehmen..
    Auch hier mein Plädoyer für die Marktwirtschaft, Vereinbarung von Baisisleistungen, zusätzliche Versorgung nach individueller Absicherung gegen extra cash (consumer driven healthcare) wobei ich weiß, daß das nicht populär ist..
    Der Markt ist die Institution, wo der Konsument frei entscheiden kann und Entscheidungsspielräume hat.


    " dass der vorher betriebene Aufwand, das Entgeltsystem solidarisch aufwandsorientiert zu verfeinern, wieder zunichte gemacht würde."

    solidarische Komponente ja, auf auf einem Basisniveau, die herrschende Vollkaskomentalität ist nicht mehr finanzierbar, das Verteilungsproblem bei begrenzten Ressourcen wird durch Ihre ausgeklügelten Überlegungen auch nicht gelöst (leider).
    Die bestehenden Beschränkungen bei einer nicht nachvollziehbaren Verteilung werdem dem System angekreidet, erst der freie Markt bietet die Chance diese Beschränkungen nicht noch größer werden zu lassen.

    "Das gleiche gilt für das Problem der Demotivation der Kodierenden, wenn jede Anstrengung, die Kodierung vollständig zu machen, sogleich als strafbares Upcoding verdächtigt und mit lokal sich auswirkendem Basiswert-Verfall sanktioniert wird."


    Genau meine Meinung, die Integrität des Arztes wird hier empfindlich mißachtet. Spielregeln ja, aber die Keule der Bestrafung wird es nicht richten. Strafbare Handlungen können nicht durch noch so viel Kontrolle und Drohungen vermieden werden, siehe Enron, hier muß auf einer anderen Ebene angesetzt werden. Außerdem wird häufig vergessen, daß Kontrolleure häufig inkompetent, nachlässig und manchmal sogar korrupt sein können.


    "Würde mich freuen, wenn hier konstruktive Kritik aufkäme."

    Auch ich bin letztendlich noch nicht zu einer abschließenden Meinung gekommen. Auf den ersten Blick, lesen sich Ihre Vorschläge als sehr charmant und einleuchtend, je länger ich darüber nachgedacht habe, so glaube ich, daß damit die ursächlichen Probleme leider nicht gelöst werden können.


    Wir müssen an diesem Thema dranbleiben, auch ich sehe hier weiteren Diskussionsbedarf...


    Herzliche Grüße

    Eberhard Rembs

    Bochum

  • Hallo Forum, hallo Herr Rembs,

    danke, dass Sie den Ball aufgenommen haben. Ich denke, es macht schon Sinn, auch die vielbeschworenen Rahmenbedingungen hier im Forum zu diskutieren.

    Leider drehen wir uns doch sonst irgendwie im Kreis. Hier mal einen Spezialfall durchdiskutieren, dort die DKR kritisiert...

    Am Ende gibt es dann von der Politik vorgegebene Bedingungen, die die ganze Arbeit des Dokumentierens sowohl von medizinischen Fakten als auch von Kostendaten wieder in Frage stellen.

    Aber hier geht es wirklich "an's Eingemachte", hier werden möglicherweise auch "ideologische Schlachten geschlagen", s. Stichwort "Markt". Trotzdem, ich find' es ganz einfach.

    Zitat


    Original von Rembs:
    meiner Meinung nach gibt es nur einen Mechanismus der einigermassen "gerecht" entscheidet und daß ist der Markt
    (Probleme bestehen natürlich auch hier)

    und

    Ich kann folgen, Ihre Gedanken sind jedoch mit meinen Überzeugungen, daß wir mehr marktwirtschaftliche Elemente (auch in einem pauschalierten System) brauchen, als möglichweise zusätzliche bürokratische Regelungen

    Irgendein Teil Ihrer Argumentation ist mir hier abhanden gekommen, wo genau sehen Sie im Zusammenhang unserer Diskussion die marktwirtschaftlichen Elemente?

    Unterstellt, Sie meinen, dass es Markt wäre, DRGs als Festpreissystem zu führen, gebe ich Ihnen Recht. Die Frage ist nur, was ist ein Festpreis und vor allen Dingen, wie hoch ist der Festpreis. Lassen Sie mich erklären:

    Wenn Sie 2002 sagen: "Dies hier sind BFW und RGs für 2003!", gehen Sie ein unbezahlbares Risiko ein. Sie kennen nicht die Menge, Sie kennen nicht die Fallzusammensetzung und, wahrscheinlich am schlimmsten, Sie kennen nicht das Kodierverhalten. Und letzteres kann Milliarden kosten.

    Sie (bzw. die Selbstverwaltung den Basisfallwert, das KH in lokaler Budgetverhandlung den CM) müssen dies alles schätzen. Das Einzige, was nicht geschätzt wird, ist das Gesamtbudget (Rahmenbedingung: Beitragssatzstabilität!).

    Was bleibt? Das Märchen von der "Punktlandung" bleibt. Das heißt auf deutsch, degressive Vergütung bei Mengenüberschreitung, oder, dafür wäre ich, um den Unsinn deutlich zu machen, Abweisung jedes Patienten, der das Budget überschreitet, also Rationierung. Das meinen wir wahrscheinlich beide nicht mit "Markt".

    Welche DRGs ein Krankenhaus anbietet, bestimmt sein Versorgungsauftrag, wieviele DRGs es erbringt, bestimmen die Patienten, die ins Krankenhaus kommen (Nachfrage). Was das ganze kostet, bestimmt sehr wohl das Krankenhaus, das ist doch "Markt" genug.

    Was ich hier darstellen möchte, sind DRGs "pur". Und da ist ein Festpreis derjenige, der sich ergibt, wenn ich die Daten von 2003 durchrechne und hiernach das Budget von 2003 verteile. Und dann bekommt eben jeder den gleichen festen Preis für die gleiche DRG, und zwar für jede einzelne, die er erbracht hat.

    Wie wird der Preis gefunden?

    1. Regel: Für alle gleich: Durchschnittspreis mal Fallschwere.

    Durchschnittspreis mal Fälle ergibt aber Gesamtbudget und ist eine "politische" Größe.

    Durchschnittskosten mal Fälle ergibt Gesamtkosten und ist ein Faktum.

    Die Differenz zwischen Gesamtbudget-Gesamtkosten="Gewinn" ist wieder eine "politische" Größe und entscheidet darüber, ob es mit den Krankenhäusern insgesamt bergauf oder bergab geht (Investitionsquote).

    Man könnte meinen, das wäre das Ende jeden Wettbewerbs. Der Schlüssel zum marktwirtschaftlichen Erfolg liegt aber darin, dass zwar alle den gleichen Durchschnittspreis erhalten (der den Durchschnittskosten plus Investitionsquote entspricht), dass aber die individuellen Fallkosten schwanken. Und dafür ist dann das Krankenhaus selbst verantwortlich und erarbeitet sich entweder Gewinne oder Verluste. Im letzteren Fall muss es die Kosten senken, hierfür sind m. E. vorhersehbare Ausgleiche nicht sinnvoll, das wären Subventionen.

    Es kommt also zu einem Wettbewerb um die Investitionsquote, die nur der erhält, der geringere Kosten hat als der Durchschnitt. Stabil ist das System, wenn die gleiche Leistung überall zu gleichen Kosten angeboten wird, aber auch, wenn für das einzelne Krankenhaus sich teurere und preiswertere Fälle die Waage halten.

    Das bedeutet, um hier gleich einem Totschlagargument zu begegnen, noch lange nicht, dass jetzt Billigmedizin betrieben wird. Keine Kasse, kein Politiker wird daran gehindert, eine höhere Investitionsquote einzuplanen, kein Anbieter wird gehindert, nachzuweisen, warum ausgerechnet bei ihm das Geld nicht reicht. Das Schielen auf den Durchschnitt (Benchmarking) hat ja auch Vorteile. Wenn der Durchschnittspreis nachweislich im Durchschnitt keine Qualität mehr erlaubt, muss eben der Preis steigen, aber für alle gleich --> Festpreis eben.

    Eigentlich habe ich hier nichts wesentlich Neues gesagt, aber ich möchte den Beitrag nicht so lang werden lassen. Die anderen Einwände versuche ich noch mal neu zu beantworten.
    --
    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Bernhard Scholz
    DRG-Beauftragter
    Kliniken des Landkreises Freyung-Grafenau gGmbH

    [center] Bernhard Scholz [/center]