Zahlungsanspruch an Kassen BSG Urteil vom 23.07.2002

  • Guten Abend allerseits,

    als MedCo aus dem Haus, das das als Ausgangspunkt des Threads genommene Urteil erstritten hat noch einige Anmerkungen zu unserem weiteren Procedere.
    1. Voller Stolz gleich zu Beginn die Feststellung, dass die nachfolgend zitierten Punkte dazu geführt haben, dass wir letzte Woche unser Glas darauf erhoben haben, dass unsere Außenstände aus einem ehemals sieben- bis maximal (Anfang vergangenen Jahres) achtstelligen Bereich nun auf einen erträglichen mittleren sechstelligen Betrag gesunken sind.
    2. In unserem Hause laufen alle Vorgänge außerhalb der direkten Abrechnung im Zusammenhang mit stationären Behandlungen und den GKV-en über die Tische der "Abteilung" MedCo/Fallmanagement. Für Formulare etc. notwendige Informationen werden in kurzen telefonischen oder persönlichen Gesprächen eingeholt bzw. wenn etwas auf Station direkt zum behandelnden Arzt geht, dann nur unter Kontrolle unf ggf. Mahnung des Wiedervorlagetermins. Somit erreichen wir eine bislang nie da gewesene Zeitnähe und entlasten auch die Kolleginnen und Kollegen am Patient. Weiterhin erfolgt in unserer "Abteilung" nach Posteingang die Prüfung ob Befristungen, Kurzberichtanforderungen, Anforderungen von Patientenunterlagen durch den MDK etc. form- und zeitgerecht (Landesvertrag zum 112 bzw. BSG-Urteil) sind. Erst dann erfolgt die weitere Bearbeitung (s.o.) bzw. alles was nicht akzeptiert wird, wird mit einem entsprechenden Formbrief an die GKV zurück geschickt.
    3. Nach dem Urteil haben wir alle GKV-en zu uns ins Haus an den runden Tisch gebeten (nacheinander versteht sich) und haben in diesen Gesprächen unseren Standpunkt klipp und klar dargelegt. Als Zusatzeffekt konnten sich die beteiligten auch einmal persönlich kennenlernen, war ganz gut so, denn seither lässt sich vieles auch ganz locker auf dem kleinen Dienstweg telefonisch ohne großen Schriftwechsel zwischen uns und den Sachbearbeitern der GKV-en klären (mit ausgeglichenen Vorteilen für beide Seiten). Wobei man dazu sagen muss, dass die GKV-Sachbearbeiter auch nur einen kleinen Spielraum haben und ansonsten auch nur kleine, weisungsgebundene Mitarbeiter sind, die manchmal gerne täten aber nicht dürfen.
    4. In allen sonstigen Fällen (sind Gott sei Dank nur noch wenige) verfahren wir rigoros so, dass nach Rechnungsversand + 14 Tage + 2 Tage Post die Mahnung an die GKV geht und Falls nach weiteren 14 Tagen immer noch kein Zahlungseingang erfolgt ist, erfolgt Klage vor dem Sozialgericht (geht alles vollautomatisch aus unserer EDV - die Papiere werden ausgedruckt, ein wenig bleibt für uns Menschen auch noch zu tun).
    5. Die GKV-en haben sehr unterschiedlich auf unsere geänderte Verhaltensweise reagiert.
    Eine befristet fast grundsätzlich auf die vom aufnehmenden Arzt festgelegte voraussichtliche Verweildauer - haben wir kein Problem damit, ggf. gibt´s einen Verlängerungsantrag und eine weitere Befristung ..... , zahlen muss sie so oder so und kann anschließend vom MDK prüfen lassen.
    Eine andere schickt seit neuestem Formbriefe ...die von Ihnen angegebene voraussichtliche Verweildauer überschreitet die bei ???-Versicherten bei dieser Diagnose übliche durchschnittliche Verweildauer, wir befristen daher... Als aktuellsten Gag verschicken sie jetzt Briefe ...haben den MDK beauftragt, ..., dieser hat bei Ihnen Unterlagen angeforder ..., bitte teilen Sie uns auf beiliegendem Blatt mit, wann Sie die Unterlagen an den MDK versand haben, ... sollten Sie nicht innerhalb von 14 Tagen ... vor Gericht einklagen. Hier schauen wir derzeit noch zu, weil diese Kasse die letzte ist die noch nicht bei uns am Tisch war, eigentlich wollte sie überhaupt nicht, da sie uns nicht sehr mag, sie hat schon diverse Prozesse gegen uns verloren. Aber mit sanftem Druck und den richtigen Beziehungen kommen sie jetzt doch. Falls die Gespräche nichts ergeben, werden wir bei nächstpassender Gelegenheit versuchen die Datenbasis für obige Schreiben mal vor Gericht überprüfen zu lassen.

    Insgesamt hat sich dieses Vorgehen für uns doch sehr bewährt. Die Liquidität hat sich deutlich verbessert und die Querelen mit den Kassen sind im ganzen weniger geworden, Prozentzahlen kann ich noch keine Liefern, dazu ist der Zeitraum zu kurz, aber Ende des Jahres wird unsere Datenbankauswertung mit Sicherheit einen deutlichen Beleg liefern.

    Mit freundlichen Grüßen
    Michael Hönninger

    Michael Hönninger
    FA Anästhesiologie / Notfallmedizin
    [glow=#FF0000,3]MedizinController[/glow]
    Stadtklinik Frankenthal

  • Guten Morgen Herr Hönninger,
    vielen, vielen Dank für Ihr Engagement und Ihr ausführliches Statement.

    myDRG bedankt sich bei Ihnen
    Ihr

    --
    Kurt Mies
    http://www.myDRG Fan

    Kurt Mies

  • Hallo zusammen,

    bei so viel Begeisterung erlauben Sie mir hoffentlich, ein wenig Wermuth in Ihre Gläser zu schenken:

    Bemerkenswert finde ich nämlich, dass es erst eines beendeten Streitverfahrens vor dem BSG bedarf, bis Sie die Vertreter der Kostenträger an Ihren Tisch bitten, um dann festzustellen, dass dies ja auch Menschen sind mit denen man reden kann..........

    Dennoch: Glückwunsch zu dem erstrittenen Urteil + wie immer

    schöne Grüße

    Frank Dünnwald

  • Guten Tag in die Runde,

    es ist weniger der Wermuth gewesen, der diese Entwicklung in Gang setzte, als es Änderungen in der Personalstruktur unseres Hauses waren (Betonköpfe gibt´s überall), die es ermöglichten diesen Prozess zu initiieren. Das zeitgleich mit diesen Veränderungen ergangene Urteil war da nur ein guter Aufhänger. Wobei allerdings ältere Kollegen (dienstältere selbstverständlich) erzählten, dass wohl vor längerer Zeit schon einmal, wesentlich zaghafter, ein ähnlicher Versuch gestartet worden sei, allerdings mit gänzlich negativem Ergebnis.
    Auch wenn´s trotz und alledem eine späte Erkenntnis ist, kann ich unser "Modell" nur zur Nachahmung empfehlen. Falls jemand gerne noch nähere Informationen hätte
    ralf.kraut@skh-ft.de (06233/771- T 2022 F 2005) BWL-Controller/stv. VD
    michael.hoenninger@skh-ft.de (06233/771- T 2204 F 2333) MED-Controller
    wobei ich bis 29/9 im Urlaub bin
    ansonsten noch frohes Werkschaffen allerseits
    Michael Hönninger

    Michael Hönninger
    FA Anästhesiologie / Notfallmedizin
    [glow=#FF0000,3]MedizinController[/glow]
    Stadtklinik Frankenthal

  • Hallo zusammen,
    wer hätte gedacht, dass dieser Thread noch mal wiederbelebt wird. Nachdem unsere Krankenkassen sich in der Regel in den letzten Monaten an die 14 Tage gehalten haben, schrieb mir gestern eine (mir bislang gänzlich unbekannte) Kasse auf mein übliches Formschreiben ("weisen wir Sie darauf hin, dass Ihnen nach dem Urteil vom BSG bla bla"):

    "Des weiteren möchten wir Ihnen mitteilen, dass wir aufgrund eines Landessozialgerichtsgutachtens Nordrhein-Westfalen (AZ.: L 5 KR 141/01) nicht verpflichtet sind, Rechnungen zu begleichen, die über den MdK geprüft werden".

    Was soll das nun wieder ? Hat sich das genannte Gutachten mit dem BSG-Urteil nicht erledigt ? Bitte helft mir!

    Schönen Gruß, P. Leonhardt

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


    I'd rather have a full bottle in front of me than a full frontal lobotomy

  • Hallo Herr Leonhardt,

    vgl. KGNW-Rundschreiben 306/2003! Die Crux ist, dass in NRW ein Aufrechnungsverbot bei sachlich angezweifelten Rechnungen im Landesvertrag nach § 112 SGB V (§ 15 (4))besteht! Insofern hätten die Kassen hier nur die Möglichkeit, die zweifelhaften Rechnungsbeträge einzuklagen. Deshalb hat das LSG das bekannte Urteil des BSG für NRW anders interpretiert!
    Ich bin kein Jurist, deshalb mein Fazit unter Vorbehalt: die Krankenkasse kann wohl den strittigen Betrag einbehalten, kann aber ab Fälligkeitsdatum mit Verzugszinsen belegt werden, sofern die sachliche Richtigkeit der Rechnung festgestellt wurde. Diese Interpretation entspricht zumindest meinem Rechtsempfinden.

    Viele Grüße
    Volker Kelch

    Bis die Tage
    V. Kelch :i_drink:

  • Hallo,

    es gibt zwischenzeitlich ein noch wesentlich klareres Urteil vom 28.05.2003, in dem das BSG lapidar feststellt, daß die Kasse nur mit unbestrittenen Forderungen aufrechnen darf.

    Das genannte LSG-Urteil ist deshalb bemerkenswert, da sich das LSG mit der rechtsprewchung des BSG auseinandersetzt und diese dann als nicht sachgerecht ansieht. Ergebnis ist, daß sich die GKV´s hier jetzt auf dieses neue Urteil stürzen. Es bleibt abzuwarten, wie das BSG mit dem LSG-Urteil verfährt, aber selbst wenn das BSG bei seiner Haltung bleibt, Grundproblem ist, daß die (meisten) GKV´s nicht in der Lage sind, Ihre Schulden bei den leistungserbringern zu bezahlen und mit viel Ehrgeiz nach immer neuen Gründen suchen, das Zahlungsziel weiter rauszuschieben.

    Erlösmanagement KH München-Neuperlach
    Telefon 089-6794-2939
    Telefax 089-6794-2138