Schlechter Allgemeinzustand bei Malignom

  • Einen schönen guten Morgen,
    immer wieder haben wir bei uns Tumorpatienten, die im schlechten Allgemeinzustand - bedingt durch die Tumorerkrankung - aufgenommen werden.
    Als Beispiel:
    Leber- und Lungenmetastasen, Verdacht auf Hirnmetastasen bei einem malignen Melanom.
    Der Patient befindet sich in einem schlechten Allgemeinzustand mit angeblicher Nahrungsverweigerung und beginnender Exsikkose.
    Die ganze Palette der Routineuntersuchungen wird durchgeführt, zusätzlich wird noch eine PEG gelegt.
    Welche Diagnose muss ich als HD kodieren?

    KDR
    Wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstellt und die zugrunde liegende Erkrankung zum
    Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist, ist das Symptom als Hauptdiagnose zu kodieren, sofern
    ausschließlich das Symptom behandelt wird. Die zugrunde liegende Erkrankung ist als Nebendiagnose-Kode anzugeben.

    Trifft hier nicht zu, Patient erhält z.B. noch zusätzlich Schmerzmittel zur Behandlung der schmerzverusachenden sek. Neubildungen.

    Ich weiß immer nicht, welche Diagnose hier als HD zu kodieren ist.

    Gruß
    B. Schrader

  • Lieber Herr Schrader,

    unter Behandlung der zugrunde liegenden Tumorerkrankung würde ich doch eine Chemotherapie, Strahlentherapie etc. verstehen. Eine Gabe von Schmerzmittel, Flüssigkeit etc. ist eine rein symptomatische Therapie.

    Also ganz klar: DKR 2006-D002d, Beispiel 4 bzw. 0201d Beispiel 7
    Symptom = Hauptdiagnose, Tumor = Nebendiagnose

    Mit freundliche Grüßen

    M. Finke

    [f2]Mit freundlichen Grüßen


    Dr. M. Finke
    Oberarzt der Chirurg. Abteilung :i_ritter:
    Rotkreuzklinik Lindenberg[/f2]

  • Hallo, D. Duck und andere,

    gerade weil es diese Diskussion schon allerorts gab, sollte dringend darauf hingewirkt werden, die DKR wenigstens für 2007 entsprechend klar zu formulieren. Ich kann nur dringend bitten, dass entsprechende Eingaben beim INEK gemacht werden. Auch wir werden es heuer wieder versuchen.
    Ich sehe es keineswegs so, dass diese \"Fälle\" geregelt sind. Eine \"Behandlung\" des Tumor ist in der Palliativen Situation, wie sie in diesem Beispiel beschrieben ist, nicht möglich und nicht sinnvoll (die PEG übrigens meist auch nicht!). Aber die \"Behandlung des Tumorpatienten\" ist sinnvoll, symptomlindern und geboten! Und dafür gibt es keine treffende Regel. M. E. kann ich nicht einzelne Symptome aufführen und dann halt das als HD wählen, das \"den meisten Aufwand\" macht (dann bekommen womöglich noch mehr terminale Tumorpat. eine PEG). Aufwand macht der Tumorkranke in seiner Gesamtheit mit all den Beschwerden. Übelkeit, Appetitlosigkeit,Kachexie, Schmerz (übrigens immer noch nicht klar, was da kodiert werden soll, je nach MDKler mal R52.-, mal eine \"spezifische\" Ziffer, was dann völlig abstruse Kodes gibt), Angst, Schlafstörung, Juckreiz, Verwirrtheit, psychische Probleme, Ergüsse, Atemnot ... \"von ellem ebbes\" - was soll denn da als HD rausgepickt werden?!
    Ich plädiere weiter dafür, den Tumor als HD zu wählen, alle Metastasenlokalisationen die Probleme machten als ND - auch und gerade bei symptomorientierter Therapie. Und in Verbindung mit der Z51.5 eine Kodierregel zu beantragen, die solche Fälle klar erkenntlich macht. Das sollte möglichst eine eingene DRG geben, die dazu hin noch nach Entlassart getriggert wird, denn bei solchen Pat. ist der Aufwand besonders hoch bei kurzer Verweildauer und Entlassart \"verstorben\" - zumindest, wenn mann oder frau seine Job als Arzt ernst nimmt.
    Die Pat. , wie sie oben geschildert werden, sind eindeutig nicht bzw. völlig falsch abgebildet im System. Um sie dann \"erlösoptimiert\" zu behandeln, kommen tatsächlich Leute auf die Idee, eine Chemo zu machen oder PEG zu legen, damit man etwas gemacht hat und kodieren kann.
    Das kann doch wohl nicht Sinn der Übung sein.

    Dazu stehe ich weiterhin, auch wenn ich weiß, dass das mancher Kodierfachmensch anders sieht.
    Susanne aus München :roll:

    Susanne in München :i_drink:

  • Guten Morgen, Herr Finke,
    ich bin weiterhin der Meinung, dass die von Ihnen genannten KDR hier keine Anwendung finden.
    Es wurde nicht nur ein Symptom behandelt, nein, zusätzlich wurde eine PEG gelegt.
    Wenn Sie mich also fragen , welches Symptom zum st. Aufenthalt geführt hat - schlechter Allgemeinzustand ( Übelkeit, Erbrechen, Nahrungsverweigerung, Schmerzen am ganzen Körper, Abgeschlagenheit...)

    Soll ich mir nun das Symptom mit dem meisten Ressourcenverbrauch heraussuchen?


    Für mich müssen die KDR hier angepasst werden - Susanne hat es ja auch schon genannt.

    Übrigens: Die PEG wurde nicht zum Zwecke der Erlösoptimierung gelegt, solch` abartige Überlegungen trifft hier bei uns sicherlich keiner.

    Gruß
    B. Schrader

    • Offizieller Beitrag
    Zitat


    Original von Susanne:
    Ich kann nur dringend bitten, dass entsprechende Eingaben beim INEK gemacht werden.
    ....
    Dazu stehe ich weiterhin, auch wenn ich weiß, dass das mancher Kodierfachmensch anders sieht.
    Susanne aus München :roll:

    Guten Tag Susanne,

    ich habe bereits dieses Thema in meinem Vortrag während des Herbstsymposium 2005 der DGfM aufgegeriffen („Unschärfen“ in den DKR - Ausblick auf 2006). Auf Folie 16 fordere ich die Aufnahme der Palliativtherapie in den DKR.
    Für das Jahr 2007 sollen die Änderungen der DKR stärker auf die Unklarheiten fokussiert sein, bisher stand ja die \"Verschlankung\" im Vordergrund. Es bleibt abzuwarten, was alles dann geklärt wird.

    Ihre Formulierung \"Kodierfachmensch\", auf wen auch immer bezogen, finde ich persönlich nicht gerade glücklich gewählt.

    Und zu \"Um sie dann \"erlösoptimiert\" zu behandeln, kommen tatsächlich Leute auf die Idee, eine Chemo zu machen oder PEG zu legen, damit man etwas gemacht hat und kodieren kann.\"

    Hier liegt dann zumindest der Tatbestand der Körperverletzung vor und es ist dann wohl Ihre Pflicht (da Sie ja anscheinend über diese Vorgänge informiert sind), dies zur Anzeige zu bringen (ohne hier allerdings auf eine juristische Ausbildung verweisen zu können).

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Zitat


    Original von Susanne:
    Um sie dann \"erlösoptimiert\" zu behandeln, kommen tatsächlich Leute auf die Idee, eine Chemo zu machen oder PEG zu legen, damit man etwas gemacht hat und kodieren kann.
    Das kann doch wohl nicht Sinn der Übung sein.
    Dazu stehe ich weiterhin, auch wenn ich weiß, dass das mancher Kodierfachmensch anders sieht.
    Susanne aus München

    Guten Tag, Susanne,
    ich verstehe die o.g. Ziate nicht.
    Was soll ein \"Kodierfachmensch\" denn wohl anders sehen, als die richtige Kodierung? Ziel der richtigen Kodierung ist doch wohl die leistungsgerechte Erlösoptimierung.
    Ich glaube kaum, dass ein \"Kodierfachmensch\" - ohne Medizinstudium - zu beuteilen mag, ob die Indikation eine PEG zu legen oder eine Chemo anzusetzen, diagnose- oder erlösorientiert veranlasst wurde.
    Gruß
    B. Schrader

  • Hallo, Herr Schrader, Herr Selter

    \"Ich glaube kaum, dass ein \"Kodierfachmensch\" - ohne Medizinstudium - zu beuteilen mag, ob die Indikation eine PEG zu legen oder eine Chemo anzusetzen, diagnose- oder erlösorientiert veranlasst wurde.\"

    Den Begriff \"Kodierfachmensch\" wählte ich gerades deshalb, weil es verschiedene Fachrichtungen trifft, es war keineswegs wertend gedacht. Ich kenn Häuser, in denen Pflegekräfte kodieren, solche, in denen Ärzte kodieren (meist die eher jüngeren Assistenzärzte) - mal mit, häufiger ohne zusätzliche Ausbildung. Die meisten kodieren so, wie sie es sich halt in mühsamer Kleinarbeit selbst beigebracht haben. In vielen Häusern gibt es Kodierfachkräfte, die, wie Sie oben erwähnten, ohne Medizinstudium sich oft schwer tun, zu beurteilen, wie die medizinischen Sachverhalte sind und daher nicht selten Probleme bei der Wahl der Hauptdiagnose haben.
    Aber die meisten Ärzte wissen inzwischen, dass ein Zusammenhang zwischen gewissen Diagnosen, Prozeduren und Liegezeiten besteht. Und es kommt vor - natürlich nicht an den Häusern der Leute, die hier im Forum mitreden, nein bestimmt nicht!! :d_neinnein: - dass Patienten gesagt bekommen: \"Wenn Sie keine Chemo mehr wollen, können wir Sie hier nicht aufnehmen, denn dann rechnet sich das nicht für uns\". Oder sie hören \"Wenn Sie sich keine PEG legen lassen, müssen wir Sie gleich wieder entlassen, denn dann können wir nichts für Sie tun\".
    Nein, Herr Selter, dem Tatbestand der Körperverletzung entspricht das nicht, denn das Einverständnis liegt natürlich immer vor (und der Begriff der medizinischen Indikation ist dehnbar). :noo:
    Ich kann Ihre Empörung verstehen, und habe sie ja vorhergesagt. Ich denke dennoch, dass wir an der Tatsache nicht vorbei kommen, dass im Alltag Kodierung, Erlös und Medizinische Behandlung miteinander verquickt werden und nicht jeder die moralische Kraft hat, erst nach Entlassung des Patienten im Computer zu gucken, ob das, was er gemacht hat, sich rechnet. Die Anmeldungen zur Verlegung aus Häusern der Maximalversorgung in kleine Häuser sind seltsam eng korreliert mit der MVD, die Diagnoselisten in den Arztbriefen sind inzwischen ein Auszug aus ICD-Verzeichnissen und die Häufigkeit der Hypokaliämie wächst exponetiell. Natürlich weiß ich, dass das auf Dauer keinen Sinn macht und ich setze das bei den Kollegen auch als bekannt voraus, aber es wird dennoch gemacht. Und das lässt sich nicht verschweigen.
    Dass ich richtig verstanden werde: Ich will damit niemand anschwärzen und keinem böse Absichten unterstellen - schon gleich garnicht im Forum Anwesenden - aber ich bin der Meinung, dass wir uns bewußt sein müssen, dass niemand, auch der redlichste Arzt, davor sicher ist, seine Indikationen nicht auch unter den Gesichtspunkten der Abbildbarkeit und damit Abrechenbarkeit im DRG-System zu sehen.
    Und das gilt eben vor allem in den Bereichen, in denen noch viele Unschärfen bestehen. Deshalb bin ich Herrn Selter dankbar für seine Folie 16 und andere Beiträge. Denn solange diese Unschärfen bestehen, wird optimiert - wie auch immer.
    Um nochmal Mißverständnisse zu verhüten: Ich will niemand damit angreifen, denn ich halte das für ein menschliches Phänomen. Ich selbst würde es vielleicht auch so machen, wenn unsere Pat. nicht außerhalb der DRG laufen würden. Denn es hängt ja die Existenz unserer Abteilung, damit meiner Arbeit und die Versorgung unserer Patienten dran. Vielleicht wäre ein Weg aus der Problematik, dass Ärzte nichts von dem allen wissen und rein nach medizinsichen (und menschlichen) Kriterien entscheiden, frei von monetärem Druck. Das wäre paradiesisch.
    Auf keinen Fall ist für mich der richtige Weg, so zu tun, als gäbe es dieses Phänomen nicht oder aber gleich mit Anzeigen zu drohen. Das, so weiß ich aus langjähriger BEratungstätigkeit, ist kein geeignetes Kommunikationsmittel, um Konflikte zu lösen. Es sollte als ultima ratio die Ausnahme sein.
    Dieser Beitrag gehört nicht hier her, ich weiß. Aber ich wüßte nicht, in welches Forum ich ihn sonst stellen sollte.
    Auch wenns draußen finster ist - ich seh nicht alles ganz schwarz.
    Susanne in München :roll:

    Susanne in München :i_drink:

  • Hallo Susanne,
    ich möchte mich noch einmal zu Wort melden.
    Für unser Haus kann ich mit 100%iger Sicherheit sagen, dass - und jetzt mag ich vielleicht ein Armutszeugnis ausstellen - unsere Assistentsärzte auf den Stationen keinen Zusammenhang sehen zwischen Chemo - / PEG etc. und einer evtl. Erlössteigerung!
    Warum nicht?? Weil sie nicht kodieren. Es gibt sogar Ass.- Ärzte, die haben immer noch FP/SE im Kopf.
    Dass die Hypokaliämie mit Einführung der DRG-Fallpauschalen vermehrt - erlösrelevant - kodiert wird, liegt wohl daran, dass eben Kodierer die Aufgabe des Kodierens übernehmen.
    Ich wünsche eine gute Nacht.
    Gruß,
    B. Schrader