Commotio oder Contusio cerebri

  • Einen schönen Guten Tag wünsche ich allen Mitstreiter im Forum,

    uns quält wieder mal ein altes und immer wieder neues Thema, nämlich die Gehirnerschütterung.

    Bei der Prüfung der Abrechnungen ist in letzter Zeit auffällig, dass vermehrt die ICD 06.21 (Diffuse Hirnkontusionen) und damit die DRG B78Z (Intrakranielle Verletzung) abgerechnet wird.In den Berichten wird dabei im EEG-Befund von Herdstörungen, inkonstanten Theta-Wellen-Verlangsamungsherden und zentro-temporalen sharp wave-Komplexen berichtet.

    Ich versuche mal einen aktuellen Fall zu beschreiben:

    Patient schlitterte auf dem Eis, ist weggerutscht, auf die rechte Kopfseite gefallen, Bewusstlosigkeit ca 1 min, keine vegetative Symptomatik.

    Patient bewusstseinsklar, orientiert, Kopf: Druckschmerz rechts tempoparietal, Pupillen isokor, nicht entrundet, Reaktion auf Licht und Konvergenz o. B.; Röntgen ohne Befund.

    Bei Aufnahme leicht reduzierter AZ; Haematom 1 x1 cm rechts parietal, groborientierend unauffälliger neurologischer Status.

    EEG: Altersphysiologische bioelektrische Aktivität in Form eines gut ausgeprägen Alpha-EEG´s mit inkonstantem Theta-Wellen-Verlangsamungsherd rechts parieto-occipital und einzelnen sharp wave-Komplexen rechts zentro-temporal.
    Die zentro-temporalen Sharp-wave Komplexe könnten mit einer genetischen Disposition zusammenhängen.

    Bericht:
    Die Aufnahme erfolgte zur Überwachung eines Schädel-Hirn-Traumas mit anschließender Bewußtlosigkeit.Der inkonstante Verlangsamungsherd könnte funktionelle Folge des Unfalls sein. Kein Anhalt für intracerebrale Blutung. Daher wurde auf Bildgebung des Schädelinnenraumes verzichtet.Bei Wohlbefinden nach 4 Tagen entlassen.

    HD: S06.21 DRG : B78Z

    Ist diese Kodierung korrekt? Bedeutet eine Veränderung im EEG immer eine Hirnkontusion, Hirnverletzung o. ä.? Ist ein EEG für die Feststellung einer Hirnkontusion ausreichend? :d_gutefrage:

    Gibt es jemanden, der diese Frage aus seiner täglichen Praxis beantworten kann? Selbstverständlich sind auch alle anderen Antworten gern gesehen.

    Mit freundlichen Grüßen für einen schönen Tag

    tina

  • Guten Morgen Tina - liebes Forum,

    ich bin zwar nur Chirurg, wurde aber 17 Jahre von unserem Abteilungsneurologen in Freiburg geschult.

    Hier sind, denke ich, eindeutig die Leitlinien der DGN anzuwenden (http://www.dgn.org/60.0.html)

    Leider ist mir persönlich nicht klar, ob die nachstehenden Kriterien alle zutreffen müssen - dies ist nicht ganz scharf ausformuliert! (Also ist die Amnesie notwendiges Kriterium? )

    Klar ist aber für mich, daß das Kriterium >>Fehlen neurologischer Fokalzeichen<< erfüllt sein muß.

    Ein Herdbefund im EEG ist aber ein solches Kriterium. Andererseits hätte bei uns die Interpretation eines Befundes als Herdbefund ein CCT nach sich gezogen!

    Interessant vielleicht auch die Zahlen aus obiger Quelle:
    Die jährliche Inzidenz des leichten Schädel-Hirn-Traumas (SHT) liegt bei 180/100000. 80 % der in eine Klinik überwiesenen Schädel-Hirn-Traumata sind leichtgradig, 10 % mittelschwer und 10 % schwer.

    Also: SHT mit Fokalzeichen = SHT > Grad I (=II/mittelschwer)

    Mit freundlichen Grüßen
    M. Finke

    [f2]Mit freundlichen Grüßen


    Dr. M. Finke
    Oberarzt der Chirurg. Abteilung :i_ritter:
    Rotkreuzklinik Lindenberg[/f2]

  • Zitat


    Original von Finke:


    Hier sind, denke ich, eindeutig die Leitlinien der DGN anzuwenden (http://www.dgn.org/60.0.html)


    Guten Tag,
    bin auch kein Neurologe. Aber im DRG- System sind eindeutig IMHO nur die ICD/OPS-Klassifikationen und die DKR anzuwenden.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Guten Morgen Herr Horndasch,

    um eine Kodierung im DRG-System vorzunehmen, muß doch erst einmal die medizinische Diagnose geklärt werden!

    Bei vorliegender medizinischen Fragestellung (Commotio <-> Contusio) befinden wir uns noch eindeutig vor der Kodierung - also wie soll ich da eine andere Regel als die Definition der Erkrankung anwenden?

    Schöne Grüße

    M. Finke

    [f2]Mit freundlichen Grüßen


    Dr. M. Finke
    Oberarzt der Chirurg. Abteilung :i_ritter:
    Rotkreuzklinik Lindenberg[/f2]

  • Hallo miteinander,

    es meldet sich zwar wieder ein Chirurg, aber irgendwo werden wir ja mit dieser Verletzung am meisten konfrontiert.

    Entscheidend ist doch im konkreten Fall, ob die EEG Veränderungen typisch und überwiegend als Folge eines Traumas auftreten. Ist dies der Fall, so ist eine intracerebrale Verletzung zu codieren.
    Ist das trauma nur eine Differentialdiagnose dieser veränderung bleiben wir auf dem Status der Verdachtsdiagnose und auf dieser Codierregel stehen.
    Dann würde bei einem fehlenden weiteren diagnostischen Hinweis auf eine weitergehende Schädigung (CT/Kernspin) eine Commotio oder Schädelprellung zu codieren sein.
    Vielleicht kann ein neurologe Auskunft zur Wertigkeit des EEG Befundes Hinweise geben.

    Viele Grüße
    P.Host

  • Liebes Forum,

    hier schließe ich mich der Meinung von Herrn Finke an, dass wir uns noch auf der Diagnoseebene und noch nicht auf der Kodierebene befinden. Solange der MdK noch keine eigenen Definitionen publiziert ( und auch wenn, würden wir dies durch das DIMDI klären lassen ) gelten für mich bei neurologischen Diagnosen die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

    Ein SHT Grad I ( GCS 15-14 )ist mit einer Bewusstlosigkeit von weniger als 15 Minuten und einer Amnesie von weniger als 24 Stunden beim Fehlen von fokalneurologischen Zeichen und fehlenden strukturellen Veränderungen am Gehirn gekennzeichet.
    Ein SHT Grad II ist von einer Bewustlosigkeit von einer Stunde und einer Amnesie oder einer Verwirrtheit von mehr als 24 Stunden oder einem fokalneurologischen Ausfall oder einer Darstellung einer strukturellen Läsion in der Bildgebung oder einer Funktionsstörung im Gehirn gekennzeichnet.
    Eine Schädelprellung ist eine Prellung des Schädels und sonst nichts.

    Im diskutierten Falle werden die Kriterien des SHT Grad 1 eher erfüllt als des Grades 2. Die fokale Funktionsstörung hätte mich dazu veranlasst, eine Bildgebung ( MRT besser als cCT ) durchzuführen, zumal zwischen der Funktionsstörung mit Zeichen der erhöhten Anfallsbereitschaft und dem Trauma kein Zusammenhang bestehen muß ( oder hatte der Patient einen atonen Anfall und ist deshalb bewusstlos geworden ? ). Hätte in der Bildgebung sich eine Kontusion dargestellt, wäre auch alles klar, oder ?? :erschreck:

    Mit freundlichen Grüßen
    aus dem wieder verschneiten Hessen
    Eckardt

  • Guten Morgen,
    da bin ich wohl etwas missverstanden worden und ich habe mich wohl auch in der Hektik undeutlich ausgedrückt.
    Worauf ich hinweisen wollte ist, dass es sowohl zur Klassifizierung von Krankheiten (als auch von Therapien) z.T. unterschiedliche Leitlinien, Ansichten, etc. gibt. Eine davon ist sicher die Leitlinie einer entsprechenden Fachgesellschaft. In anderen Threads hier geht es nämlich z.T. genau darum, dass der MDK oder die Kasse andere Leitlinien als \"Kronzeugen\" zu Rate ziehen, als das Krankenhaus.
    Ich wollte nur darauf hinweisen, dass keine Leitlinie im DRG-System einen Anspruch auf Alleinvertretung, bzw. Gesetzesrang hat. Mit Ausnahme vielleicht der Transfusionsrichtlnie der BÄK.
    Solange sich nix besseres oder anderes findet, wird man dann natürlich der hier besprochenen Leitline der neurchirurgischen Fachgesellschaft folgen.
    Alles klar? :sonne:

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch