Arme Krankenkassen

  • Hallo Forum,

    wie schlecht muss es eigentlich manchen Krankenkassen (hier: BKK) gehen, dass man sich mit folgendem Unsinn beschäftigen muss?


    Zitat


    ...bei der Abrechnung Ihres Patienten ...., die sich vom 01.02.2006 bis 03.02.2006 in Ihrer stationären Behandlung befand, müssen wir folgende Positionen beanstanden:

    Ihre übermittelten Daten nach §301 geben Anlaß zur Vermutung, das eine Entlassung am 02.02.2006 möglich gewesen wäre.

    Patient wurde morgens genau am Tag der unteren Grenzverweildauer der Fallpauschale entlassen.

    Wäre unser Versicherte am Abend zuvor entlassen [Formatierung durch mich] worden, wäre ein Abschlag wegen Unterschreitung der unteren Grenzverweildauer fällig gewesen.
    Im Hinblick dessen und auf das Wirtschaftlichkeitsgebot §12 Absatz 1 SGB V, bitten wir um eine ausführliche schriftliche medizinische Begründung warum unser Versicherte am 03.02.2006 um 8:00 Uhr entlassen worden ist...


    Der Patient kam wegen akuter Unterbauchbeschwerden mit stationärer Einweisung („Appendizitis“) per RTW in unsere Behandlung.

    Glücklicherweise für ihn (und seine Krankenkasse!) gehen wir bei Bauchschmerzen immer noch restriktiv mit dem Messer um und operieren nur, wenn absolut notwendig. Der Patient erhielt also (weil das klinische Bild nicht ganz eindeutig war) zunächst das „übliche Programm“ mit Nahrungskarenz, Infusionstherapie...
    Letztlich stellte sich eine Gastroenteritis heraus. Nach vorsichtigem Kostaufbau konnte der Patient schließlich bereits nach 46,5 Stunden entlassen werden.


    Mir drängen sich spontan folgende Fragen auf:

    Sollen künftig unsere Ärzte – um absolut unsinnigen und überflüssigen Schriftverkehr zu vermeiden – die Patienten unnötigerweise länger festhalten (2 Tage über die untere Grenzverweildauer) oder gleich operieren?

    Gelten Wirtschaftlichkeitsgebote nur für Kliniken?

    Wie viele andere Kliniken müssen sich mit demselben Unfug beschäftigen (siehe grammatikalische Fehler im zitierten Schreiben, die auf gedankenlose Verwendung von Textbausteinen schließen lassen)?

    Weshalb stellt eigentlich die Krankenkasse die Anfrage, ohne den MDK einzuschalten?


    Für Antworten, die meinen Groll (und vor allem den unserer übrigen Ärzte) etwas mindern könnten, wäre ich dankbar.


    MfG

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. med. Roland Balling

    Chirurg
    Medizincontroller
    "Ärztliches Qualitätsmanagement"
    Chirurgische Klinik, 82229 Seefeld

  • Hallo,

    da kann ich mir doch ein paar Beispiele nicht verkneifen:

    - Aus dem Prüfauftrag der KK an den MDK, den dieser mitgeschickt hat: Die DRG ist teuer...
    - aus einem anderen anderen: War der (sic!) DRG ambulant zu erbringen...
    - und aus einem KK-Anschreiben: ...prüfen, ob der Leistungsinhalt der DRG erbracht wurde... Bei einer Lebertransplantation in A01C, keine ZE o.ä. Zweifelt die KK wirklich die Leber-tx an?? :i_baeh:

    Viel Freude weiterhin, J. Helling

  • Sehr geehrter Herr Balling,

    der von Ihnen geschilderte Fall ist nicht neu und in ähnlicher Weise ein Graus für alle Häuser, die ich auch außer meinem eigenen kenne. Insofern gebe ich Ihnen völlig recht, wenn Sie sich auch über jedes entzückende Detail aufregen. Es steht im Kontext mit meiner Beobachtung von vor einiger Zeit (siehe >>>hier<<<). Was bleibt, ist die Frage, wie man am besten damit umgeht. Daher fällt mir zu Ihrer Frage:

    Weshalb stellt eigentlich die Krankenkasse die Anfrage, ohne den MDK einzuschalten?

    nur ein: Fordern Sie die Kasse doch genau dazu auf. Das ist der richtige Weg. Und: Textbausteine können nicht nur die Kassen. Wir können sogar standardisiertes und teil-automatisiertes Vorgehen :biggrin: .


    Schönes WE, für den, der möchte, auch mit Karneval.

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Guten Morgen Forum,

    ui ui,hier wird ja wieder scharf geschossen.

    Ich gebe doch einmal zu bedenken, das es durchaus Abschläge UGVD gibt,
    die über 2000,-- Euro liegen. (Natürlich nicht im Bsp.Blinddarm)
    Aber grds. ist eine einfache Nachfrage bei derartigen Summen, warum morgens um 8.00 dann die Entlassung erfolgt, durchaus legitim (selbst bei einem Abschlag von \"nur\" 1000,00 ö.ä.)
    Kleine Provokation: ob die Nachtschwester noch einmal 2 Sekunden ins Zimmer schaut oder nicht, kann doch nicht wirklich so viel Geld kosten?!

    Zum MdK bleibt zu sagen: eine offizielle Stellungnahme des MdK ist
    1. nicht kostenfrei
    2. verursacht dies für Sie mehr Verwaltungsaufwand, die erforderlichen Unterlagen zu beschaffen, als ggf. kurz per DTA 1-2 Sätze zur Erläuterung zu schreiben. Und Sie wollen doch wenig Aufwand ?!

    Es gibt sicher unnötige Kassenanfragen, aber derartige Aufregung in diesem Fall ist doch sehr übertrieben.

    In diese Sinne
    Helau
    Sambu
    Interessanter Weise wurden bisher derartige Anfragen in unserem Bereich, immer mit der sofortigen Akzeptanz des Abschlages beantwortet.

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag Sambu,

    hier muss man doch etwas differenzierter die Sachlage beleuchten:

    Zitat

    Original von Sambu:
    Kleine Provokation: ob die Nachtschwester noch einmal 2 Sekunden ins Zimmer schaut oder nicht, kann doch nicht wirklich so viel Geld kosten?!

    Das System ist ein Pauschalsystem und keines mit Einzelleistungsabrechnung. Deswegen ist diese Frage gar nicht zu stellen.

    Zitat

    Original von Sambu:
    Zum MdK bleibt zu sagen: eine offizielle Stellungnahme des MdK ist
    1. nicht kostenfrei
    2. verursacht dies für Sie mehr Verwaltungsaufwand, die erforderlichen Unterlagen zu beschaffen, als ggf. kurz per DTA 1-2 Sätze zur Erläuterung zu schreiben. Und Sie wollen doch wenig Aufwand ?!

    Die Auskünfte der Kliniken sind nur für Sie dann kostenfrei. Die Kliniken zahlen dafür mit Ihren Personalkosten. Da es hier dann aber doch wohl meist im 2. Anlauf über den MDK läuft, hat man eher Mehrarbeit. Das Thema des Datenschutzes lassen wir mal hier weg.

    Zitat

    Original von Sambu:
    Interessanter Weise wurden bisher derartige Anfragen in unserem Bereich, immer mit der sofortigen Akzeptanz des Abschlages beantwortet.

    Das ist nicht nur interessant, sondern auch unglaublich!

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo Forum,

    Es ist schon ein Ärgernis, daß bei Fällen, die die UGVD kratzen, beinahe automatisch geprüft wird nd sich dann dei Notwendigkeit zur einer schwierigen Argumentation ergibt, während die Fälle, die 2 -3 Tage über der Grenze sind, durch das Prüfraster fallen.

    Dies könnte tatsächlich ein Fehlanreiz zur Erhöhung der Verweildauer werden.

    Kassenvertreter sind auf diesem Ohr allerdings taub. Erst bei Annäherung an die UGVD auf einen Tag wird mit einem Mal die Notwendigkeit eines präop. Tages in Zweifel gezogen.

    Dabei gibt es kaum ein greifbares und auch stichhaltig dokumentierbares Argument, warum ein Patient für so gut befunden wurde, daß er eben doch zeitig gehen konnte. Hier würde man im Übrigen auch wieder damit anfangen zu dokumnetieren, warum man etwas nicht gemacht hat :( .

    Ich halte hier auch den MDK für wenig hilfreich, da dieser vermehrt zur Aberkennung neigt, aber auch keine besseren Argumente hat.

    Gruß

    merguet

  • Hallo Herr Merguet,

    das DRG-System ist ein lernendes System!
    Wo bleibt Ihr? :baby:
    Wenn Ihr Patienten nahe der UGV entlasst, ist es doch klar dass die Kasse versucht Euch darunter zu drücken um Abschläge zu erwirken!
    Und das gelingt denen auch immer dann wenn anstatt prästationärer Untersuchung ein ganzer Tag Krankenhausaufenthalt verballert wurde.

    Gruß
    S.Helfenstein

    S.Helfenstein


    Wer den Teufel an die Wand malt, spart Tapete :t_teufelboese:

  • Guten Tag Forum,

    Sehr geehrter Herr Dr. Selter,

    grds. stimme ich Ihren Einwänden ja zu, n u r

    ein pauschalisierendes Symstem heißt nicht, das es einer KK nicht erlaubt sein, darf nachzufragen, warum eine Entlassung morgens um 8:00 Uhr oder auch 9:oo Uhr erfolgt,womöglich noch an einem Montag, [c=#f50000]wenn [/code]dadurch die UGVD erreicht wird!
    Der provokante Kostenverweis einer Nachtschwester sollte nur drastisch verdeutlichen, welcher Sinn und Kostenfaktor hinter einer solchen Anfrage steht.

    Es soll ja sogar KK geben, diese in diesen Fällen,den Abschlag [c=#f50000]ohne [/code]nachzufragen, direkt abziehen. Das halte ich zwar für unzulässig und
    [c=#c80000]nicht im Sinne einer guten Zusammenarbeit[/code], a b e r das Recht nachzufragen, lasse ich mir nicht nehmen.

    Und sich immer hinter dem Datenschutz zu verstecken, ist in diesen Fällen doch auch nur Schutzverhalten. Bzgl. der Mehrarbeit, wenn die Fälle dann doch beim MdK landen, ist es doch ganz einfach, eine diesbezügliche DTA-Anfrage der Kasse durch die Patientenverwaltung beantworten zu lassen:
    aussagefähige Unterlagen gehen zum MdK.

    Mit diesen 5 Worten sind beide Seiten Sie und wir dann auf der abgesicherten Seite und müssen das MdK-Ergebnis dann akzeptieren, egal zu wessen Gunsten.

    Im übrigen sind Kassenmitarbeiter und deren Angehörige ja durchaus auch mal in stationärer Behandlung, vielleicht sind es dabei gesammelte schlechte oder zumindest \"aufschlußreiche\" Erfahrungen, die dann die Sichtweise bei der Arbeit verschärfen?!

    Gruß
    Sambu

  • Hallo Herr Sambu, hallo Forum,
    habe ein Anschreiben mit fast dem gleichen Text wie Herr Balling bekommen, nur betraf es die Überwachung eines Schädel-Hirn-Traumas.
    Da bei diesem mindestens 48 h Monitoring vorgeschrieben sind, verstehe ich ehrlich gesagt, die Anfrage der KK nicht.
    Ich halte es dann sogar für eine Unverschämtheit, zu unterstellen, wir behielten den Patienten nur, um keinen Abschlag zu bekommen.
    Wozu gibt es dann Richtlinien und sind diese den KKn nicht bekannt? Oder sollte es nur mal ein Test sein, ob wir uns einschüchtern lassen?
    Eígentlich bin ich ja für vernünftige und gleichberechtigte Zusammenarbeit, aber so etwas macht mich nur wütend.
    Trotzdem allen einen schönen Tag und gute Woche noch
    wünscht Anne

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag Sambu,

    selbstverständlich dürfen Sie nachfragen und selbstverständlich wird es auch immer Fälle geben, wo es dann zu Ihren Gunsten ausgeht. Nur die Argumentation mit den Kosten haut da aus oben genannten Gründen nicht hin. Hier zählt einzig die Notwendigkeit der weiteren stationären Behandlung. Argumente eines Krankenhauses, dass die DRG in Fall X nicht kostendeckend war und deswegen bitte noch der Differenzbetrag zu begleichen ist, wäre auch kein Grund für eine Kasse mehr zu bezahlen.....

    Es wäre mir neu, wenn die Kassen oder KH sich an die Ergebnisse der MDK-Gutachten halten müssen. Gerde wenn man erkennen muss, mit welchem offensichtlicht mangelnden Sachverstand (oder unter Negierung des eigenen Wissens um die ICD-/OPS-Systematik und DKR) mache Gutachten erstellt werden.
    Ich will hier auch gar nicht Fronten zementieren, warum sollte ich. Ich prüfe selber für Kostenträger die DRG-Rechnungen von anderen Krankenhäusern. Wenn es nicht Fälle geben würde, die falsch abgerechnet werden (auch im Sinne der Fehlbelegung), würde sich dieser Aufwand nicht lohnen. Ich erhebe aber den Anspruch, dass ich nicht gegen offensichtliche Regelungen meine Gutachten erstelle. Das kann ich leider bei den MDK-Gutachten nicht durchgängig beobachten. Nach dem Ziel \"In den Wald schießen, irgendwas fällt schon runter\" zu verfahren, senkt nun mal keinesfalls den administrativen Aufwand in den KH.

    Der Datenschutz wurde von mir ja explizit nicht thematisiert, deswegen ist Ihre Argumentation wohl nicht auf eine von mir nicht dargestellte Aussage bezogen.

    Wenn die unsinnigen Prüfungen reduziert werden, offensichtliche Regelungen auch dann akzeptiert werden, wenn es für die Kasse eine teurere DRG bedeutet, wir man den Groll gegen Anfragen auch zurückschrauben.

    Letztlich kommt keiner ohne den anderen aus und man kann sich gegenseitig das (berufliche) Leben einfacher machen.

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,


    Zitat


    Original von Sambu:
    Mit diesen 5 Worten sind beide Seiten Sie und wir dann auf der abgesicherten Seite und müssen das MdK-Ergebnis dann akzeptieren, egal zu wessen Gunsten.


    Zitat


    Original von Selter:
    Es wäre mir neu, wenn die Kassen oder KH sich an die Ergebnisse der MDK-Gutachten halten müssen.


    Weder die Krankenkasse noch das Krankenhaus muß die MDK Stellungnahme
    akzeptieren.

    Der MDK ist keine Entscheidungsinstanz, sondern nur eine Begutachtungsstelle. Die gutachterlichen Äußerungen sind widerlegbar und unterliegen bei strittigen Fällen der gerichtlichen Beweiswürdigung.


    Gruß

    Eberhard Rembs