Suizidversuch / Alkoholintoxikation

  • Hallo Forum,

    Zitat


    Original von casapietra:
    Ich bin aber irgendwie immer noch der Meinung, dass hier der Suizidversuch zur HD zu machen ist, da dieser zur Aufnahme und zur Überwachung auf der Intensivstation führte.

    Unsere Neurologen schreiben in die Epikrise, wo angemessen:
    Diagnosen:
    1. Suizidversuch mit ... bei depressiver Reaktion
    ...

    Da die X84.9 nicht zu übermitteln ist, wäre dann die F32.9 die HD. Das sieht der MDK so.

    Wir bevorzugen aber die Kodierung der Medikamentenwirkung, z.B. T43.9 (Vergiftung durch psychotrope Substanz, nicht näher bezeichnet).

    Sommerliche Grüße von der Ostsee - I\'d rather be sailing.

    Dr. med. Christoph Bobrowski, M.Sc.

  • Guten Tag,

    Zitat


    Original von Mr. Freundlich:
    behindert hier nicht mal wieder der Datenschutz die tägliche Arbeit und löst unnötige Mehrarbeit aus?
    ...
    Ob hier der Datenschutz (wie an vielen anderen Stellen auch) wirklich Sinn macht?????

    Sie haben ja schon häufiger Ihre eher liberale Einstellung zum Thema Datenschutz deutlich gemacht, z.B. in diesem Thread.
    Nur kurz zur Klarstellung: \"Sinn\" des Datenschutzes ist es nicht, \"Mehrarbeit\" zu vermeiden bzw. Krankenkassen- oder Krankenhausmitarbeitern zu einem pünktlichen Feierabend zu verhelfen.
    Beim Thema Datenschutz oute ich mich gerne als Bürokrat. Siehe auch hier .

    Viele Grüße!

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


    I'd rather have a full bottle in front of me than a full frontal lobotomy

  • Hallo Herr Leonhardt,

    Zitat


    Original von Leonhardt:
    Nur kurz zur Klarstellung: \"Sinn\" des Datenschutzes ist es nicht, \"Mehrarbeit\" zu vermeiden bzw. Krankenkassen- oder Krankenhausmitarbeitern zu einem pünktlichen Feierabend zu verhelfen.

    es geht mir überhaupt nicht um meinen Feierabend, aber ich finde, dass auch über Sinn und Unsinn des Datenschutzes durchaus auch in einem solchen Forum mal diskutiert werden darf.

    Nur zur Klarstellung: Auch die Kassenmitarbeiter unterliegen dem Datenschutz.

    Mir geht es in diesem Fall darum unnötige Belastungen vom Patienten fern zu halten oder wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie nach einem Suizidversuch stationär im Krankenhaus psychisch wieder aufgebaut wurden, entlassen werden und dann den netten Brief von der Kasse vorfinden, wie denn die Schnittverletzungen zustande gekommen sind? Es gibt leider viele Patienten, die psychisch einen Rückschritt machen, wenn Sie darauf nochmals \"angesprochen\" werden.
    Und es geht noch weiter... Wenn der Patient sich nicht meldet wird er erinnert und wenn es ganz dumm läuft wird ein Außendienstler zum Gespräch zum Patienten geschickt, denn es könnte ja ein Regressfall sein, der der Kasse schlicht und ergreifend Geld in die Kasse bringt.

    MFG

    Mr. Freundlich

  • Zitat


    Mir geht es in diesem Fall darum unnötige Belastungen vom Patienten fern zu halten oder wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie nach einem Suizidversuch stationär im Krankenhaus psychisch wieder aufgebaut wurden, entlassen werden und dann den netten Brief von der Kasse vorfinden, wie denn die Schnittverletzungen zustande gekommen sind? Es gibt leider viele Patienten, die psychisch einen Rückschritt machen, wenn Sie darauf nochmals \"angesprochen\" werden.

    Hallo Mr. Freundlich,
    statt den armen Patienten zu nerven, fragen Sie doch im Krankenhaus nach. Der Doktor wird ja mehr oder minder auch dafür bezahlt, dass er Ihre Anfrage beantwortet. Dass Sie primär daran denken, gleich den Patienten zu fragen, stimmt mich nachdenklich.

    Grüße von der Ostsee.

    Dr. med. Christoph Bobrowski, M.Sc.

  • Hallo Herr Bobrowski,

    wieso werden Sie da nachdenklich? Das ist ein normales und in seiner Einfachheit auch nachvollziehbares Standartverfahren.
    Und mit Verlaub: Wieviele mehr oder weniger sinnvolle Anfragen sollen die Kollegen im Krankenhaus denn noch beantworten? Wenn ich die durchschnittliche Reifezeit von MDK-Anfragen, BG-Anfragen, Versorgungsamts-Anfragen und wasweißichdennnoch-Anfragen so betrachte (und mir dann auch die - zum guten Teil durchaus nicht unberechtigten Klagen der Kollegen in den Ohren schalmeien, die zwischen der Beantwortung dieser Anfragen auch mal ein wenig Patientenversorgung betreiben dürfen), sollte doch jeder froh sein, wenn die Krankenkassen einen nicht auch noch damit nerven, sondern direkt beim Patienten eine Vorauswahl treffen.

    Über die heilige Kuh Datenschutz kann man sicher trefflich diskutieren. Aber man sollte m.E. die Kirche auch im Dorf lassen. Ein halbwegs fitter Kassenmitarbeiter kann allein anhand eines gut kodierten Falls auch ohne Akteneinsicht oder Zusatzkodes schon ein recht genaues Bild von Zustand des Patienten gewinnen. Das soll zwar nicht bedeuten, daß man den Datenschutz als solchen in die Tonne treten soll, aber es soll zumiindest sagen, daß Kassenmitarbeiter nicht gierig auf sensible Daten der Patienten sind - weil sie die relevanten Informationen ohnehin schon haben.

    Über die Sinnhaftigkeit Kodes in Handbücher einzubauen, die man dann doch nicht schlüsseln darf, habe ich schon oft genug sinniert. Es stellt sich mir die Frage, ob hier nicht eher der Datenschutz ausgehebelt wird - wenn auch unabsichtlich. Denn nehmen wir mal an, ein unwissender Assistenzarzt schlüsselt den \"Suizid\"-Zusatzkode, dann gibt er strenggenommen eine Information an die Kassen weiter, die er nicht weitergeben dürfte. Entweder sollte man also diese Kodes aus den Handbüchern streichen (für die nichtamtlichen Kodes wird das ja jetzt auch endlich mal angedachtt - lange genug hat es gedauert), oder sie kodierfähig machen.

    Und mal ganz ehrlich: Wo liegt der Unterschied zwischen einer Geschlechtskkrankheit und einem Suizidversuch. Für mich als Arzt ist das eine ein Gesundheitsproblem wie das andere. Ich bin immer ein wenig befremdet, wenn im Zusammenhang mit irgendwelchen Erkrankungen von \"Stigmatisierung\" des Patienten gesprochen wird. Was ist denn an einer Krankheit - zumindest im Bereich derer, die beruflich damit umgehen - stigmatisierend? Ein Arzt / Krankenpfleger / Kassenmitarbeiter, der einen Patienten aufgrund einer bestimmten Störung oder Erkrankung stigmatisiert, hat m.E. seinen Beruf verfehlt.
    Dementsprechend sollte man auch im Bereich der Kodierung dieses Getue schlicht bleiben lassen.
    Das Leben ist - insbesondere unter DRG-Aspekt gesehen - schon kompliziert genug.

    In diesem Sinne herzliche Grüße und ein schönes Wochenende,

    N.

    \"Steinigt ihn, er hat ´Jehova´ gesagt!\"

  • Hallo Herr Bobrowski,

    Zitat


    Original von bobrowski:
    Hallo Mr. Freundlich,
    statt den armen Patienten zu nerven, fragen Sie doch im Krankenhaus nach. Der Doktor wird ja mehr oder minder auch dafür bezahlt, dass er Ihre Anfrage beantwortet. Dass Sie primär daran denken, gleich den Patienten zu fragen, stimmt mich nachdenklich.

    Grüße von der Ostsee.

    genau hier liegt doch das Problem, dass auf Grund des Datenschutzes der ICD X84.9 nicht übermittelt werden darf.
    Ergo wird ein Arzt schon gar nicht Auskünfte hierzu geben dürfen.

    Nur zur Klarstellung: Mir ist schon klar, dass hier der Datenschutz besteht, aber für mich ist er in vielen Fällen einfach unsinnig

    Nachtrag: Ich habe gerade den Beitrag von N. gelesen und stimme ihm in den Ausführungen durchaus zu.

    MFG

    Mr. Freundlich

  • Ich kann mich an dieser Stelle nur anschließen, als Ärztin, Mitarbeiterin und Betroffene innerhalb der Familie.

    Nach einem Suizidversuch innerhalb der Verwandtschaft kam beim ersten mal kurz nach Ende des KH-Aufenthaltes ein solcher Fragebogen. Es war, in dem Fall für die Eltern, sehr belastend und dazu völlig unverständlich, dass die Kasse nicht weiß, dass es sich um einen Suizidversuch handelte. Immerhin konnte ich wenige Jahre später, nachdem der 2. Versuch leider gelang, die Kollegen vorab informieren, so dass sich das ganze nicht wiederholte.

    N. hat an dieser Stelle vollkommen recht. Keine, aber auch gar keine Erkrankung sollte für all die, die mit Diagnosen beruflich (und eigentlich auch für die \"Normalsterblichen\") stigmatisierend sein.

    Und selbst wenn es solche Stigmata gäbe, wer definiert, dass dies für einen Suizidversuch zutrifft, nicht aber für eine Schizophrenie, Suchterkrankungen oder all die anderen für den Nachbarn vielleicht befremdlichen Diagnosen aus dem psychiatrischen Bereich? Ich gehe als Kassenmitarbeiter mit der Diagnose Suizidversuch doch nicht anders um, als mit einer Krebsdiagnose. Nämlich stillschweigend ausserhalb meines Arbeitsplatzes.

    [f2] [c=darkblue][comic]Schönen Gruß vom Möhrle[/comic][/c] :i_wink:[/f2]

  • Hallo N.,

    Für diesen Beitrag mein tief empfundener

    :i_respekt:

    Zumal er nicht aus der \"üblichen Ecke\" der Kassenvertreter kommt, die immer nur böses im Schilde führen, wenn sie hier solche Beiträge verfassen!!!

    @ Herr Bobrowski

    Wer lesen kann, ...

    Wenn Sie die gesamte Diskussion aufmerksam verfolgt haben, sollten Sie feststellen, dass Mr. Freundlich sich eben darüber beschwert, dass er wegen der stringenten Auslegung des Datenschutzes (hier z.B. Herr Leonhardt) erst so verfahren muss. DAS sollte sie nachdenklich machen und nicht die Quitessenz daraus...

    Gruß,


    ToDo

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)