CCL-relevante Nebendiagnosen ?!

  • Hallo miteinander!

    Ich habe die im ersten Halbjahr des Jahres bei uns verschlüsselten Nebendiagnosen mit der CCL-Liste verglichen und folgendes, meiner Meinung nach erschreckendes Ergebnis erhalten: nur 20% der Nebendiagnosen waren CCL-relevant, 10% sind es evtl., enden aber auf .9 oder es fehlt eine Stelle und 70% der Nebendiagnosen sind in der CCL-Liste gar nicht aufgeführt – heisst, beeinflussen die CCL – Einstufung gar nicht??!!!
    Wir haben in unserer Klinik seit Jahresbeginn eine Diagnoseauswertung (Überprüfung der „Formalitäten“: .8 und .9 – Anteil, fehlende Stellen, Anzahl Diagnosen pro Fall etc.), mit der die Ärzte dazu angehalten wurden, „möglichst viel“, also zumindest alle Begleiterkrankungen und Komplikationen des Patienten zu verschlüsseln. Wenn ich mir nun das oben erwähnte Ergebnis anschaue, bekomme ich da meine Zweifel. Ist es denn Sinn und Zweck der Sache, die Patienten so abzubilden, dass man sie in eine möglichst gut bezahlte DRG hineinbekommt, alles, was nicht zu mehr Geld führt, einfach aussen vor lässt? Bin etwas ratlos...
    Gruss
    Simone
    :(

    [ Dieser Beitrag wurde von Simone am 30.07.2001 editiert. ]

  • Hallo Simone, hallo NG

    zunächst mal -hoffentlich zu Deiner Erleichterung- sieht diese Nebendiagnosenanalyse in meiner Klinik ganz ähnlich aus (allerdings hoffe ich, das bessert sich noch ein wenig). Welche Nebendiagnosen zu verschlüsseln sind, ist strenggenommen nicht mehr strategisch zu entscheiden, egal ob erlösmaximierend oder aufwandsminimierend oder wie auch immer, sondern durch die Kodierrichtlinien klar vorgegeben. Weglassen der "ohnehin unrelevanten" ND scheint mir nicht nur deshalb unschlau, zumal auch Du sicher nur mit der *australischen* CCL-Liste gearbeitet hast. Ich denke, bei der Diagnosenverschlüsselung sollte man wirklich versuchen, die Komplexität eines klinischen Falles abzubilden, alles was die Behandlung in irgendeiner Weise beeinflusst gehört rein, alle symptomlosen rein anamnestischen Diagnosen etc nicht. In erster Näherung gilt dabei m.E. tatsächlich: Wer viel codiert, codiert auch viel Relevantes. Wer tief codiert, auch eher.
    Ich glaube nicht, dass man realistisch nach der CCL-Liste das Codieren schulen kann, also "i10" etc immer weglassen, aber an alle relevanten Codes immer denken. Ausserdem ist das theoretisch durch die Kodierrichtlinien verboten (oder wirds ab deren verbindlicher Gültigkeit sein).
    Anders sehe ich das bei der Prozedurenverschlüsselung, hier versuche ich wirklich nach dem Motto "weniger ist mehr" (nach DRG exakter: weniger ist gleichviel) zu schulen, also mit starker Konzentration auf die Hauptprozedur. Hier ist ein realistisches Abbild der von den Dokters geleisteten Arbeit in den Codes m.E. a) aufgrund eines sehr schlechten OPS Katalogs nicht möglich und b) -zumindest bei Erfassung von Hand- nicht zumutbar.
    Ausserdem natürlich c) fast nie DRG relevant, womit wir wieder beim Anfang wären...
    Tja.
    Freundlichen Gruß
    Christian Jacobs

  • Zitat


    Original von cjacobs:
    ...
    Anders sehe ich das bei der Prozedurenverschlüsselung, hier versuche ich wirklich nach dem Motto "weniger ist mehr" (nach DRG exakter: weniger ist gleichviel) zu schulen, also mit starker Konzentration auf die Hauptprozedur. Hier ist ein realistisches Abbild der von den Dokters geleisteten Arbeit in den Codes m.E. a) aufgrund eines sehr schlechten OPS Katalogs nicht möglich und b) -zumindest bei Erfassung von Hand- nicht zumutbar.
    Ausserdem natürlich c) fast nie DRG relevant, womit wir wieder beim Anfang wären...


    Dieses Verfahren ist auch nicht ganz unproblematisch. Alle DRG-Systeme berücksichtigen medizinische Leistungen nur zur Ermittlung des "Schweregrades" der allgemeinen Krankenhausleistungen. Die ärztlichen Leistungen werden separat in Rechnung gestellt (Belegarzt-System), bzw. sind in den Weiterentwicklungen noch nicht ausreichend berücksichtigt.
    Bei uns sollen alle Krankenhausleistungen auch die medizinischen über DRG`s vergütet werden. Das bedeutet, daß gerade die Berücksichtigung zusätzlicher Leistungen in unserem System ausgebaut werden muß. Damit wird sich die "DRG-Relevanz" zusätzlicher OPS-Codes zwangsläufig wesentlich mehr verändern, als die der ICD-Codes.

    Allerdings ist der OPS in der jetzigen Form zu unvollständig und ungenau, um für die medizinische Dokumentation und Kostenermitllung tauglich zu sein - von weitergehenden, wissenschaftlichen Fragestellungen ganz zu schweigen, und zu umfangreich, um sinnvoll für die reine DRG-Ermittlung ohne Überdokumentation einsetzbar zu sein.

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Christoph Rüschemeyer

  • Hallo NG`s

    nach über 5 Jahren glaube ich grundsätzlich nicht an sogenannte unwichtige Diagnosen. Sicher gilt es zunächst die Gegebenheiten einer finanzgesteuerten Kodierung zu adaptieren. Auf der anderen Seite ist jedoch eine Weiterentwicklung des Systems und dessen Nutzung für epidemiologische Zwecke nur mit einer prinzipiellen Freiheit zu erreichen. Wir haben zum Beispiel seit 1995 zu allen codierten Diagnosen auch den ärztlichen Klartext erfasst und waren somit in der Lage ohne grosse Probleme Vergleichswerte auf Vorjahren nach der Umstellung zur ICD 10 zu erlangen. Ausserdem gibt es auch neben der DRG Notwendigkeiten ein Spektrum der Leistungsfähigkeit überblicken zu müssen.
    Grundsätzlich haben aber auch wir die Erfahrung gemacht das es entgelttechnisch eine grosse Zahl an Kodierungen gibt, aber unsere Patienten profitieren von der Tatsache das wir alle ihre Vorerkrankungen kennen. Es gilt also die Regel zunächt die Steigerung der Quantität und darauf aufbauend die Verbesserung der Qualität.

    Gruss
    Michael

    Michael Kilian

  • Es gilt also die Regel zunächt die Steigerung der Quantität und darauf aufbauend die Verbesserung der Qualität.


    Hallo Michael, hallo NG,

    wie wahr... aber mit welchem wirksamen Argument überzeugt man die Ärzte, dass es eben nicht reicht, viel zu kodieren, sondern dass sie sich auch noch die Mühe machen müssen, qualitativ gut zu verschlüsseln?? Eine "Sonstige" oder "n.n.b." Diagnose ist vielleicht recht schnell gefunden, diese aber zu konkretisieren bedeutet u.U. sehr viel mehr Zeitaufwand. Und das für etwas, was leider oft als "Verwaltungssache" betrachtet wird. Ich bin dankbar für jeden Hinweis, wie man der Ärzteschaft klarmacht, dass es um das (Über-)Leben des Krankenhauses geht, in dem auch s i e arbeiten.

    Gruss
    Simone
    :rolleyes:

  • Zitat


    Original von crueschemeyer:
    [quote]
    Dieses Verfahren ist auch nicht ganz unproblematisch. Alle DRG-Systeme berücksichtigen medizinische Leistungen nur zur Ermittlung des "Schweregrades" der allgemeinen Krankenhausleistungen. Die ärztlichen Leistungen werden separat in Rechnung gestellt (Belegarzt-System), bzw. sind in den Weiterentwicklungen noch nicht ausreichend berücksichtigt.

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Christoph Rüschemeyer

    Hallo Herr Rüschemeyer,

    warum wiederholen Sie immerwieder diese Anschauung von nicht berücksichtigten Arztkosten? Die Arztkosten im Krankenhaus betrugen laut statistischem Bundesamt in Deutschland für 1999 14,4 % von 101,6 Mrd. DM.

    In Australien, Casemix 98/99 public sector, betrugen die Arztkosten 10,7 % von 8,95 Mrd AUS $.

    Ich gebe Ihnen Recht, dass die Arztkosten im australischen private sector überwiegend zusätzlich in Rechnung gestellt werden (1,15 % von 2,89 Mrd AUS $). Dies entspricht dann wohl in etwa unserem Belegarztsystem.

    Rein methodisch ist es aber überhaupt kein Problem, Arztkosten in die Kalkulation aufzunehmen.

    Ich verstehe hier nicht ganz Ihr Problem.

    MfG Dr. Bernhard Scholz, Grafenau

    [center] Bernhard Scholz [/center]

  • Zum Thema "Unspezifische ND":
    Wenn man die AR-DRG-relevanten Nebendiagnosen betrachtet, so sind die .9-Diagnosen fast immer mit gleichem Schweregrad vertreten wie die spezifischeren Codes. Eine .9-Statistik ist somit zwar Indikator dafür, wie sehr sich die Kodierer bemühen ("bemühten sich stets..."), mehr aber auch nicht.

    Jan Haberkorn
    Internist/Medizincontroller
    St. Elisabeth-Krankenhaus Köln

    • Offizieller Beitrag
    Zitat


    Original von Hab-StElisabeth:
    Zum Thema "Unspezifische ND":
    Wenn man die AR-DRG-relevanten Nebendiagnosen betrachtet, so sind die .9-Diagnosen fast immer mit gleichem Schweregrad vertreten wie die spezifischeren Codes. Eine .9-Statistik ist somit zwar Indikator dafür, wie sehr sich die Kodierer bemühen ("bemühten sich stets..."), mehr aber auch nicht.

    Hallo ?,
    ich würde es nicht so lapidar sehen! Es ist wichtig die häufigen 8./.9 ND (aber auch HD!) auf ihre Auswirkung hin zu überprüfen und dies dann auch an die Ärzte/innen weitergeben.

    Einfluß von -.8/-.9 Hauptdiagnosen auf DRGs:

    Beispiel:
    I20.8 (Sonstige Formen d. Angina pectoris) und I20.9 (Angina pectoris n.n.b.)
    = F66B (Atherosklerose d. Herzkranzgefäße ohne Begleiterk./Komp.) RG = 0,55

    I20.0 (instabile Angina pectoris)
    I20.1 (Angina pectoris mit nachgew. Koronarspasmus)
    = F72B (Instabile Angina pectoris ohne katas. o. schwerwieg. Begleiterk./Komp.) RG = 0,89

    Hier würde der feine Unterschied doch einiges Geld kosten (häufige HD)!

    In Einzelfällen führt jedoch eine unspezifische Kodierung der Hauptdiagnose zu höher bewerteten DRGs, z.B.:
    (Kodierrichtlinien sind natürlich immer zu beachten....)

    E10.20 (Typ-I-Diab. mell. mit Nierenkomp., nicht entgl.)
    = L67C (Andere diag. Erkrank. d. Niere/Harnwege ohne katas./schwerwieg.Komp./Begleiterk.)
    RG = 0,55

    E10.8 (Typ-I-Diab. mell. mit n.n.b. Komp., nicht entgl.)
    = K60B (Diabetes ohne katas./schwerwieg. Komp./Begleiterk.)
    RG = 0,91
    (Hier ist das „Nieren-DRG“ schlechter bewertet, als das „Diabetes-DRG“)

    -.8/-.9 Nebendiagnosen CCL-Werte
    Beispiel:

    Diab. mell. ohne Komp. (E14.9) = 0
    Diab. mell. mit perip. vask. Komp. (E14.5)= 2-4
    Diab. mell. mit Nierenkomp. (E14.2)= 2-4
    ....
    Diab. mell. mit n.n.b. Komp. (E14.8)= 2

    Gerade der Diabetes ist eine häufige ND und man sieht, dass hier eine unspez. Kodierung sehr „unökonomisch“ ist.

    Hier liegt keinesfalls nur eine Statistik für die Kodierbemühungen vor, hier geht`s an den Klingelbeutel....

    Gruß
    D. D. Selter


    [ Dieser Beitrag wurde von Selter am 31.07.2001 editiert. ]

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo Herr Scholz,

    ich betone das deshalb, weil genau da der größte Anpassungsbedarf besteht. Leistungen (OPS-Codes) werden vom Grouper-Algorithmus praktisch nicht für die Schweregradermittlung herangezogen, sondern lediglich für die Eingruppierung in die operative, sonstige oder die medizinische Partition. Das reicht möglicherweise auch,wenn man bedenkt, daß im Original-System (USA) medizinische Leistungen separat vergütet werden. Es reicht aber nicht für unsere Verhältnisse.
    Es geht auch nicht nur um Arztkosten, sondern auch um Implnatate und teure Medikamente. Versuchen Sie doch einmal einen Patienten zu gruppieren, der im Anschluß an eine Appendektomie einen Schrittmacher braucht - oder allgemeiner, einen Patienten der im Anschluß an einen dringlichen Eingriff aufgrund einer Verschlimmerung einer Begleiterkrankung aufwendig behandelt werden muß. Wie wäre es nach Appendektomie mit Harnverhalt bei Prostataadenom, Verlegung in die Urologie zur TUR? - Alternative interne oder externe Verlegung. Nicht jedes Krankenhaus hat eine eigene Urologie.

    Sicher ist jede dieser Konstellationen für sich nicht häufig. Aber in der Summe machen Verlegungen wegen Komplikationen, Behandlung mehrerer, unabhängiger Erkrankungen usw. eine ganze Menge Fälle aus. Auch diese sollten dem Gesetz entsprechend leistungsgerecht vergütet werden.

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Christoph Rüschemeyer

  • Liebe Simone,

    auch wir in unserer Kinderklinik kennen das Problem: trotz enormem Aufwand scheinbar kein zusätzlicher (finanzieller) Benefit!
    Der Lernprozess, mit wenig relevanten Nebendiagnosen ein Maximum an Vergütung rauszuholen, dauerte in Australien fast 5 Jahre!
    Wir versuchen gerade den Wandel von "Masse" zu "Klasse" zu vollziehen, indem wir für die DRGs, mit denen wir 80% unseres Umsatzes machen (goldene Regel der Betriebswirtschaft), typische umgruppierungsrelevante ND heraussuchen und somit hausinterne Kodierrichtlinien erstellen (instrenger Beachtung der offiziellen Richtlinien):
    Beispiel: 12 jähriger Junge mit Epilepsie (HD) und infantiler Cerebralparese (ND). Der Junge ist obendrein wegen seiner schweren Behinderung stuhl- und harninkontinent. Allein diese beiden ND reichen für den Schritt in die nächste Vergütungsstufe aus!
    Anhand dieses Beispiels wurde für uns deutlich, wie wichtig es ist, die Pflege in die Diagnosenfindung mit einzubeziehen: "Inkontinenz" oder "Dekubitus" sind typische "Pflegediagnosen". Auch für unsere Schwestern halten wir spezielle Fortbildungen.
    Ein weiterer interessanter Ansatz ist der Vergleich der hauseigenen Liegedauern mit denen der Australier in den einzelnen DRGs. Eine deutlich höhere Liegedauer kann bedeuten, dass der Patient als "nicht krank genug" verschlüsselt wurde, die also tatsächlich dokumentierten Diagnosen nicht in der Lage waren, den realen Schweregrad der Erkrankung adäquat abzubilden.

    Viele Grüße aus dem hochsommerlichen Mannheim aus einem relativ ruhigen Spätdienst

    Dr. med. M. Teich
    Betriebswirt für KH- und Sozialmanagement

  • Hallo Herr Teich!

    Auf ein solches Vorgehen haben wir uns mittlerweile in unserem Haus auch verständigt. Ich sehe da allerdings die Gefahr, auf diese Weise "Standards" zu schaffen, die dann wiederum als gegeben betrachtet werden und dazu führen, dass eben nur das verschlüsselt wird, was zur "Auswahl" steht und nichts darüber hinaus. Aber es ist wohl schon mal ein weiterer kleiner Schritt, um etwas Klarheit in dieses System zu bringen.

    Gruss
    Simone

    [ Dieser Beitrag wurde von Simone am 01.08.2001 editiert. ]

    [ Dieser Beitrag wurde von Simone am 17.08.2001 editiert. ]