• Hallo,

    wird nicht bei \"septischem Krankheitsbild\" nach wie vor die Verdachtsdiagnose einer (beginnenden) Sepsis spezifisch anbehandelt und kann daher auch als solche kodiert werden - unabhängig davon, ob Blutkulturen abgenommen wurden, oder nicht ?

    DIMDI und DSG mögen Kriterien zur Diagnosesicherung einer Sepsis veröffentlichen, Sie können aber keine Vorgaben zur Kodierbarkeit von Verdachtsdiagnosen machen.

    Dieses ist den DKR vorbehalten und dort lese ich noch immer:
    \"Wenn eine Behandlung eingeleitet wurde, und die Untersuchungsergebnisse nicht eindeutig waren, ist die Verdachtsdiagnose zu kodieren.\"

    Wer kann sich dieser Auffassung anschließen (unser MDK tut sich damit zugegebenermaßen schwer) ?

    mfG

    C. Hirschberg

  • Hallo,

    mal andersherum betrachtet: Wenn ich etwas als Verdachtsdiagnose angebe, muss ich doch mindestens versucht haben, die Diagnose auch zu stellen. Wenn ich dann beim Verdacht auf eine Sepsis nicht einmal die Mindestkriterien erfülle, die nun mal die Abnahme von mindestens zwei BK-Pärchen fordern, komme ich doch in argumentative Schwierigkeiten, oder?

    Oder andersrum: Wenn die Untersuchungsergebnisse nur deshalb nicht eindeutig waren, weil gar nicht (richtig) untersucht wurde, kann ich dem MDK hier nur zustimmen.

    Der Grund für die Präzisierung der Kriterien war ja der, dass die \"alten\" Sepsiskriterien es ermöglicht haben, so ziemlich jeden banalen Harnwegsinfekt als Sepsis zu verschlüsseln, was manche halt gemacht haben.

    Viele Grüße
    Tim Pietzcker

    Prof. Dr. Tim Pietzcker, MBA
    Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie
    Technische Hochschule Ulm

  • Schönen guten Tag Herr Hirschberg,

    ich habe schon etwas Schwierigkeiten mit Ihrer Argumentation. Ich frage mich, wie Sie eine Sepsis spezifisch behandeln, im Gegensatz beispielsweise zu sonstigem hohen Fieber oder nicht-septischen Infektionen. Insbesondere können Sie ja ohne Erreger keine spezifische Antibiose durchführen.

    Im Übrigen können Sie eine Verdachtsdiagnose nur dann in den Raum Stellen und ggf. verschlüsseln, wenn die Untersuchungsergebnisse nicht eindeutig sind. Die Sepsiskriterien sind aber sehr harte Kriterien und die Definition sagt, wenn die Kriterien erfüllt sind, liegt eine Sepsis vor, sonst nicht.

    Und da die Kriterien nicht vom Dimdi, sondern von der Fachgesellschaft kommen, gilt dies nicht nur für die Verschlüsselung, sondern auch für die medizinische Definition.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo zusammen,
    @Schaffert: Die spezifische Behandlung ist doch auch heute noch oft genug unspezifisch - es ist aber auch nirgends gefordert, dass eine Behandlung \"spezifisch\" sein muss. Und auch ohne positive Blutkultur hat man längst eine \"kalkulierte\" Antibiose angefangen, wenn man nachher daneben liegt, nicht gut, aber nicht immer zu vermeiden. Dies aber würde bei den sonstigen Erfüllung der Kriterien die Kodierung doch nicht verbieten!

    Auch die Gabe von Flüssigkeit, Katecholaminen, die Beatmung, Hydrocortison und was das Lehrbuch sonst noch so hergibt, sind doch nicht \"spezifisch\" für die Sepsis.

    Beispiel Niereninsuffizienz: Der Pat. hat hohes Krea bei Exsikkose und Gastroenteritis. Man gibt Infusionen und die Symptome incl. der Niereninsuff. bessern sich. \"Spezifisch\"? Exsikkose ist zu kodieren, Niereninsuff.?? Doch wohl auch, selbst wenn kein Furo gegeben wurde.

    Was die Kriterien angeht: Wenn DIMDI die Kriterien von Fachgesellschaften akzeptiert und vertritt, dann wird man wenig dagegen sagen können- siehe auch die Intensivmed. Komplexbehandlung.

    Viele Grüße
    P. Dietz

  • Schönen guten Tag Herr Dietz,

    in der DKR D008b, um die es hier geht, ist zumindest in den Beispielen sehr wohl von einer \"spezifischen Behandlung\" die Rede.

    Unabhängig davon gehört im Falle der Sepsis gehört die Blutkultur eben per Definition zur Diagnosestellung. Das kann man dann auch nicht mehr mit \"Verdacht auf...\" argumentieren.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo Herr Schaffert,
    mit der Definition einer Diagnose sollte man m. E. vorsichtig sein, dies obliegt m. E. nicht einer Fachgesellschaft allein. Die Problematik wird insbesondere deutlich, wenn sich mehrere Fachgesellschaft um eine Erkrankung streiten, dann finden Sie durchaus recht unterschiedliche Anforderungen an die Diagnostik. Gut bekannt ist auch die die in meinen Augen irrige Auffassung des MDK, das RKI definiere, was ein Harnwegsinfekt sei und was nicht, hierzu vergleiche man beispielsweise die Leitlinien der Urologen bzw. Allgemeinmediziner und auch der Gynäkologen.

    Im Fall der Sepsis wurde die Definition der DSG aus ökonomischen Gründen adhoc umgeworfen (s. hierzu auch die entsprechenden Ausführungen der Gesellschaft). Entsprechende Studien, ob die neuen Anforderungen nun in der Tat schwerere Fälle abgrenzen und daher medizinische überhaupt sinnvoller sein könnten, sind mir nicht bekannt. Bei einem Vortrag zum Thema aus berufenem Mund blieb die Antwort auf meine diesbezügliche Frage vage.

    Ich halte es daher für zumindest bedenklich, wenn bspw. solche nicht ausreichend validierten Kriterien nun eine ökonomische Relevanz entfalten, die uns alle treffen.

    Viele Grüße,

    V. Blaschke

    _____________________
    Dr. med. Volker Blaschke

  • Schönen guten Tag Herr Blaschke,

    ich stimme Ihnen inhaltlich voll zu. Ich fand es bereits bei der Veröffentlichung der neuen Kriterien bemerkenswert, dass eine Fachgesellschaft aus Kodierungsgründen eine medizinische Definition ändert.

    Allerdings bezieht sich in diesem Fall ja auch das Dimdi in Bezug auf die Verschlüsselung der Diagnose ausdrücklich auf diese Definition, so dass man zumindest bei der Kodierung wohl nicht darum herum kommt, auch wenn ein medizinische gschulter Blick in die Kurve bereits aus dem Temperaturverlauf des Patienten von einem septischen Krankheitsbild sprechen würde.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo zusammen, Hallo Herr Schaffert,
    die D008b mit der \"spezifischen Behandlung\" ist doch windelweich wie ein großer Teil dieses Werkes. Dies \"spezifisch\" ist nur im Beispiel und da bei Menigitis. Hier reicht doch schon die Gabe des Antibiotikums - ob dies dann das richtige (\"spezifische\") war, spielt doch keine Rolle (für die Kodierung).

    Oder ein etwas exotisches Beispiel: Pat. mit V.a. Knollenblätterpilz-Vergiftung. Das Antidot = spezifische Behandlung findet sich im Zentrum n km entfernt. Während man die Verlegung organisiert, gibt man Infusionen, Kohle, Glaubersalz (unspezifisch...). Trotzdem wurde behandelt, und man hat einen Verdacht, also wird kodiert.

    Viele Grüße
    P. Dietz

  • Hallo zusammen,

    unabhängig von der Frage, ob die Kriterien der allseits bekannten Leitlinien nun der Weisheit letzter Schluss sind ( bzw. ob nicht doch dem behandelnden Arzt das letzte Wort gegeben ist ), habe ich ein kleines Excel-Tool entwickelt, das bei der Frage der Sepsis/SIRS-Kodierung zuweilen ganz hilfreich sein kann.

    Zur fröhlich freien Nutzung finden Sie es hier angefügt.

    Für Rückmeldung (auch zu möglicherweise noch verborgenen Fehlern ) bin ich dankbar.

    W. Hellekamps

    Leiter Medizincontrolling
    St.Josefs Krankenhaus Balserische Stiftung
    Gießen

    "..die Schwierigkeit ist das Problem..." (Dr.Helmut Kohl) 8)

  • Hallo Herr Hellekamps,

    eine ganz tolle Sache, welche Sie hier der Allgemeinheit zur Verfügung stellen.
    Absolut Spitze auch der Doku-Bogen-Ausdruck für Akte und Nachweis.
    Vielen herzlichen Dank dafür.

    Mit frdl. Grüßen
    [c=blue]Mikka[/c]

    :d_zwinker:
    Das Leben ist die Suche des Nichts aus dem Etwas.
    (Chr. Morgenstern)

  • Hallo Kollegen,

    die Diskussion läuft sich wieder warm.
    Problem bei den Streitereien ist eigentlich nicht die Sepsis, sondern das Sepsis-Syndrom (SIRS).
    Letzteres wurde eigentlich dazu erfunden, eine Arbeitsdiagnose zu haben, solange die Sepsis-Diagnose (wegen verzögerten Antibiogrammen) noch nicht gesichert war. Diese Definition war aber sehr weich und weitgehend, und von Anfang an nicht unumstritten. Zudem gibt es ja bekanntlich die Sepsis auch ohne bakt. Nachweis trotz heftiger Versuche (\"kulturnegative\" Sepsis). Das SIRS wurde zur Definition der Sepsis schließlich hinzugenommen.
    Das Problem begann damit, als die Kodierregel eingeführt wurde (2005), dass das SIRS bei der SEPSIS zusätzlich zu kodieren sei.
    In Wirklichkeit machen aber die Infektion zusammen mit dem SIRS die Sepsis-Diagnose aus. Wenn die Sepsis-Diagnose steht, dann ist das SIRS als Vorstufe und Teilaspekt aber überflüssig.
    Da das SIRS so windelweich definiert war, und deshalb auch wirklich häufig vorliegt (besser vorlag), wurde es natürlich tapfer kodiert. Als Folge wird nun merkwürdigerweise die SIRS-Definition verändert. Um ein Syndrom zu \"diagnostizieren\", müssen wir also nun 2 Blutkulturen machen!
    Anstatt die Kodierregel so zu ändern, dass bei nicht ausreichendem Infektionsnachweis das SIRS allein kodiert wird; bei (klinischer oder gesicherter) Diagnose einer Sepsis aber wiederum nur diese. Denn letztere ist eine Diagnose und nicht nur ein Syndrom, und ist weitgehender. Das SIRS als Teilaspekt u/o Vorstufe ist dann überflüssig.

    Die ganzen Kodierregeln helfen nichts, wenn die Begriffe gar nicht klar sind.

    Viele Grüße von

    Mautner