Zweimal allergische Reaktion

  • Hallo Forum,
    folgender Fall ist aufgetreten.
    Ein Patient kommt mit allergischer Reaktion und Atemnot ins Krhs. Nach Cortison und antiallergischer Behandlung kann er noch am gleichen Tag entlassen werden. Symptome sind abgeklungen. Auslöser war vermutlich so ein synthetisches Getränk, das er zum esrten Mal zu sich genommen hatte.
    Kodiert wurde T78.0 (anaphylaktischer Schock durch Nahrungsmittelunverträglichkeit) und 8-930 (Monitoring)was in die DRG X60Z führt.

    Am nächsten Tag wiederholt sich das Spielchen nach Genuss von italienischem Eis. Diesmal wird von einem anderen Kollegen L50.0 (Urtikaria)als HD und T62.9 (Toxische Wirkung: Schädliche Substanz, die mit der Nahrung aufgenommen wurde)als ND sowie T78.4 (Allergie) als ND kodiert. Dies führt in die DRG J68Z.

    Der MDK-Kollege zweifelt nicht etwa die Kodierung an, sondern schreibt:
    \"Aus gutachterlicher Sicht ist der stationäre Krankenhausaufenthalt in beiden Fällen als medizinisch notwendig zu beurteilen. Es ist jedoch aus gutachterlicher Sicht davon auszugehen, dass hier eine Zunahme des exanthems im Rahmen der Erstmanifestation vorgelegen hat. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der vermuteten Einnehme einer italienischen Speise ist hier nicht eindeutig belegt. Am ehesten ist von einer Verschlechterung der klinischen Symptomatik auszugehen. Insofern ist hier ein Komplikationszusammenhang erkennbar.\"

    Ich finde die Argumentation reichlich an den Haaren herbeigezogen. Oder??
    An der HD herumzumäkeln und beide Male die gleiche HD zu verlangen wäre stilvoller gewesen. Dann hätte man die Fälle ja zusammenführen können. Aber so reizt mich doch der Widerspruch. :t_teufelboese:

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken

  • Zitat


    Original von Thomas_Heller:

    Am nächsten Tag wiederholt sich das Spielchen ...


    Guten Abend,

    na, wenn sich das Spielchen wiederholt, warum wurde dann nicht auch die Kodierung wiederholt? Die Kampfeslust, die Sie derzeit packt, geht insofern ins Leere, als Sie eigentlich die Fälle in jedem Fall werden zusammenführen müssen. Nach welcher Regel der FPV Sie schließlich vorgehen, ist m.E. vollkommen egal.

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Hallo Herr Sander,
    vielen Dank für Ihre Antwort aber es ist nicht die \"Kampfeslust\" sondern eher das \"Prinzip\". :d_neinnein:
    Wir lassen halt immer noch von unseren Stationsärzten kodieren und da passiert es halt, dass der eine die allergische Reaktion so kodiert und der andere halt anders, je nachdem ob für den einen die Urtikaria im Vordergrund stand und für den anderen die Kreislaufsituation.
    Dass hier zwei unterschiedliche DRGs herauskommen, dafür können wir ja nichts. Und für die Regeln der Fallzusammenführung können wir auch nichts. das liegt alles nicht in unserer Macht. Wenn wir aber alle Regeln einhalten und keine Regelverletzung nachgewiesen werden kann, dann sollten die Spielregeln auch gelten.
    Beim Monopoly bekomme ich mein Geld auch nur wenn ich bestimmte Bedingungen erfülle und nicht, wenn ich sie theoretisch erfüllen könnte oder würde.
    Jetzt im konkreten Fall die Regeln zu beugen, indem ich aus zwei voneinander unabhängigen Ereignissen ein \"Komplikation\" konstruiere, das reizt mich halt zum Widerspruch.
    Ich versuche meinen Mitarbeitern \"Right Coding\" beizubringen, m.a.Worten wir versuchen weitgehend die Erlösrelevanz des Codierens auszublenden. Dafür muss ich allerdings ein plausibles und stringentes Verfahren installieren, das nicht in besonderen Fällen sagt: \"Im Prinzip haben sie Recht, aber das machen wir jetzt im konkreten Fall mal so und so\" :sterne:
    Ich hoffe, ich habe mich jetzt klarer ausgedrückt. :d_gutefrage:

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken

  • Hallo,
    ich finde, hier geht es nicht nur um das \"richtig\" kodieren - hier ist viel mehr das MDK-Gutachten so was von dünn, dünner geht\'s kaum!

    Wie Hr. Heller richtig schreibt, kann es mal ein \"anaphylaktischer Schock\" i.S. e. Kreislaufreaktion oder eben mal eine Urtikaria sein, man kann sicherlich in diesen Fälle auch um die HD rumdiskutieren. Dies kann der MDK gerne auch machen und sich auf die DKR und ICD-Systematik beziehen.

    Was hier aber be\"gut\"achtet wurde, spottet jeder Beschreibung - nebenbei mal wieder die Frage, die noch NIE von den Kassenfürsten in diesem Forum beantwortet wurde - QS beim MDK??
    \"Zunahme des Exanthems...im Rahmen der Erstmanifestation\": Ein allergisches Exanthem wird nach der Akut-Phase in aller Regel kaum mehr vorhanden sein - und wenn der Pat. noch immer puterrot wäre, würde man ihn kaum entlassen. Und wenn der Pat am Tag drauf mit Urtikaria aufgenommen wird - dann ist das eben was anderes als ein allergisches Exanthem. Punkt.

    \"Ein ursächlicher Zusammenhang mit der vermuteten Einnehme einer italienischen Speise ist hier nicht eindeutig belegt\" Ja und wenn schon? Juckt doch keinen (ausser den Patient am Integument), denn dann wäre allenfalls die ND T62.9 (passt eh nicht so recht - Eis=schädliche Substanz? ) falsch. Aus eigener juckender Erfahrung kann ich berichten, dass auch ein Tiramisu (eine italienische Speise, zur Info für den MDK) mal eine Urtikaria verursachen kann - und zwar reproduzierbar (zum Glück für mich war das nur zweimal beim Genuß von der gleichen Charge, alle weiteren Gegenproben waren seither negativ).

    \"Am ehesten ist von einer Verschlechterung der klinischen Symptomatik auszugehen. Insofern ist hier ein Komplikationszusammenhang erkennbar.\" Lottospieler haben eine besser Trefferquote. Wenn hier die Zusammenlegung wegen einer Komplikation im Zusammenhang mit einer erbrachten Leistung (Monitoring-Ziffer! ) gefordert wird, kann man noch nicht mal mehr drüber lachen. Sticht mich heute eine Wespe und ich werde rot, bekomme Cortison, gehe wieder nach hause, morgen sticht mich wieder eine, dann ist das höchstens eine Komplikation meines Garten-Aufenthalts.

    Die Fallzusammenlegung kommt hier allenfalls in Frage, wenn man in die gleiche Basis-DRG fällt - was ja nun auch nicht schlimm wäre.

    Und an Herrn Sander: Bei solchen Fällen packt auch mich ein heiliger Zorn, der in einen oder auch mehrere Widersprüche einfließt. Oder mal zu einem Post in mydrg führt...

    Schönen Sonntag noch!
    P. Dietz

  • Zitat


    Original von P_Dietz:

    Bei solchen Fällen packt auch mich ein heiliger Zorn, ...


    Guten Tag,

    mit dem \"heilig\" wäre ich am Sonntag und in diesem Zusammenhang deutlich zurückhaltender.

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Zitat


    Original von Thomas_Heller:

    ... aus zwei voneinander unabhängigen Ereignissen ...

    Guten Tag,

    und das meinen Sie medizinisch wirklich ernst?? Ich kann Sie zwar im Hinblick auf Ihre Einschätzung der Begutachtungslogik des MDK verstehen, würde aber grundsätzlich eher am Sachverhalt orientiert bleiben. Meinen Sie, daß man mit einer ganz ausgefeilten, sophisticated aufgemachten Auslegung Ihrer Fälle, so wie Sie sie vorschlagen, nicht unnötige Kraft vergeudet?

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Hallo,
    @Sander:
    ich vermute, Heller und ich \"bereuen\" angesichts Ihres Arbeitgebers den \"heiligen Zorn\" und die \"Kampfeslust\" - aber sonst sind wir nicht ihrer Meinung.

    Warum sollten die Ereignisse nicht unabhängig sein? Der Zusammenhang in diesem Fall liegt im gleichen Pat. - die Ereignisse selber können nun mal doch verschiedene Ursachen (synthetisches Getränk - verleiht es vielleicht Flügel? auf der einen, ein Eis auf der anderen Seite) und verschiedene Symptomatiken.

    Nochmals: Heute fall\' ich vom Fahrrad und verletze mir die Hand (ok, ambulantes Potential), und morgen stolpere ich auf der Treppe und habe eine Commotio.
    Und wo ist da die Komplikation? Mit Verlaub, das ist doch Humbug!

    Und unsere Kraft vergeudet in diesen Fällen der MDK mit seinen hanebüchenen Versuchen, Geld für die Kassen zu sparen.

    Schönen Abend noch
    P. Dietz

  • Liebe Kollegen,

    hier muß man doch einmal die medizinische Seite näher betrachten. Im ersten Fall wurde eine \"allergische Reaktion\" mit \"Atemnot\" beschreiben, ohne näher auf die Klinik einzugehen. Die \"allergische\" Reaktion muß schon spezifisch codiert werden (Urticaria, sonstiges Exanthem (L27), Quincke-Ödem etc.), als Ursache wurde auf das synthetische Getränk getippt. Aus allergologischer Sicht sehr unwahrscheinliche, wenn auch nicht völlig ausgeschlossen. Im zweiten Aufenthalt wurde eine Urticaria codiert, als Ursache wurde das Eis angeschuldigt. Ebenfalls allergologisch sehr unwahrscheinlich.

    Ohne weiterführende Diagnostik wird die Frage der Zusammenführung wohl kaum zu klären sein. Je nach Auslöser kann sehr wohl das zweite Ereignis Folge einer vorschnellen Entlassung sein. Mit Soforttypreaktionen, v. a. mit Atemnot, ist nicht zu spaßen. Je nach Auslöser, und hier kommen eben nicht nur allergische bzw. pseudoallergische Reaktionen in Betracht, kann es nach Abklingen der Steroidwirkung wieder zu einem Aufflammen kommen. Insofern würde ich die Einlassung des MDK nicht von vorneherein völlig vom Tisch wischen. Es wäre also zunächst eine weitergehende Klärung des Krankheitsbildes angebracht. Soviel aus allergologischer Sicht.

    Da bei Ihnen eine weitergehende allergologische Aufarbeitung wohl nicht möglich ist, könnten Sie sich auf die behandelte Verdachtsdiagnose berufen, aber es ist nicht abwegig anzunehmen, daß es sich um ein einziges, zwischenzeitlich kupiertes, Ereignis handelt.

    Viele Grüße,

    V. Blaschke

    _____________________
    Dr. med. Volker Blaschke

  • Besten Dank Herr Kollege Blaschke,
    als Gynäkologe war mir so eine differenzierte Betrachtungsweise der Pathophysiologie der allergischen Reaktion nicht geläufig. Aber man lernt ja immer noch was dazu! :i_respekt:

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken

  • Hallo Herr Heller,

    vielen Dank für die Blumen, bei der Allergologie handelt es sich in der Tat um ein sehr komplexes und differenziertes Gebiet... Die Frage ist allerdings, was Ihre Kollegen codieren können, ohne eine weiterführende allergologische Auseinandersetzung mit dem Fall.

    Es ist schon wahrscheinlich, daß es sich um ein und dasselbe Ereignis handelt, kupiert durch Steroide und ggf. Antihistaminika. Für die Codierung ist entscheidend, daß nicht eine \"Soforttypallergie\" codiert werden kann, sondern jeweils nur die Symptome.

    Wenn im ersten Fall die Luftnot im Vordergrund stand, müßte etwas aus dem Bereich Asthma oder Quincke-Ödem verschlüsselt werden können. Wenn im zweiten Fall die Urticaria zur Aufnahme führte, müßte diese HD werden. Rein formal landen Sie dann in zwei unterschiedlichen Basis-DRGs. Eine Komplikation \"im Zusammenhang mit einer durchgeführten Leistung\" kann Ihnen der Kollege nicht wirklich vorwerfen, denn ein solcher kausaler Zusammenhang mit der Urticaria ist nicht anzunehmen.

    Somit wären Sie rein formal bei zwei Fällen, medizinisch ist der Kollege vom MDK jedoch wahrscheinlich im Recht. Bitte berichten Sie doch, wie Sie sich mit der Kasse haben einigen können.

    Viele Grüße,

    V. Blaschke

    _____________________
    Dr. med. Volker Blaschke