AP oder "Thoraxschmerz"?

  • Hallo,
    folgende Fallkonstellation:
    Pat mit bek. KHK (z.n. Stenting) kommt mit thorakalen Schmerzen. EKG und Labor sind bei Aufnahme o.B., Pat wird bzgl. der KHK und Hypertonie wie üblich weiterbehandelt (ß-Blocker, Statin, ACE-Hemmer, ASS). Vermutet wird eine vertebragen Ursache.

    Nun die Frage an die Kardiologen unter den Codern: Was ist hier die HD?
    Thoraxschmerz? Das ist eine R-Diagnose, gegen die alle DKRs sprechen.
    KHK? Das finde ich auch nicht so recht passend.
    AP? Könnte sein, schliesslich muß die AP ja keine EKG oder Laborveränderungen machen und denkbar ist es allemal.
    BWS-Syndrom: Könnte man nehmen, wenn NSAR die Symptomatik gebessert haben, oder als Verdachtsdiagnose?

    Was ist zu tun?

    Vielen Dank!
    P. Dietz

  • Guten Tag,
    wenn die vertebragene Ursache vermutet, aber nicht weiter abgeklärt wird, kodieren wir in diesen Fällen den Thoraxschmerz als HD. Warum sollten \"alle DKRs\" dagegen sprechen ?

    Viele Grüße!

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


    I'd rather have a full bottle in front of me than a full frontal lobotomy

  • Guten Morgen Herr Dietz!

    Ich bin kein Kardiologe, möchte aber trotzdem meinen Senf dazugeben.

    Warum sprechen alle DKRs gegen eine R-Diagnose? Manchmal sind Sie regelrecht gezwungen, eine zu nehmen (DKR D002d Beispiel 4: Aszites ist R18).

    So ist es auch in Ihrem Fall möglich. Finden Sie keine bessere HD, bleibt \"nur\" die R07.X übrig.
    Waren es \"richtige\" Stenokardien oder führen Sie die Schmerzen auf die KHK zurück mit entsprechender Therapie, dann nehmen Sie die I20.8 als HD.
    Die KHK scheidet als HD aus, da die Schmerzen in diesem Fall wohl als Angina zu werten wären und Sie bei Vorliegen einer Angina pectoris bei KHK die AP als HD nehmen müssen (DKR 0901e).
    Haben Sie hinsichtlich der vertebragenen Ursache eine spezifische Therapie eingeleitet, so ist die Kodierung als HD möglich, auch wenn Sie die Diagnose weder bestätigt noch ausgeschlossen haben. Reine Diagnostik reicht in dem Fall leider nicht (DKR D008b).

    Entscheidend ist letztlich, was Sie in diesem Fall vorrangig bzw. spezifisch therapiert haben: die Angina pectoris oder den Schmerz.

  • Hallo,
    vielen Dank mal.
    Die R finde ich deshalb nicht korrekt, weil ich denke, dass 2 Regeln bei diesem Pat dagegen sprechen.
    1. Verdachtsdiagnose: wird kodiert, wenn Behandlung durchgeführt wurde - nun kann hier AP wegen der Medikation oder eben BWS in Frage kommen (sofern behandelt, weiß ich im konkreten Fall -noch- nicht).
    2. Wird als HD kodiert, wenn nur das Symptom behandelt wird. Das ist hier aber auch nicht der Fall (Grundkrankheit KHK wird behandelt und ist bekannt).

    Genau da liegt doch bei diesen Fällen das Problem: Diese Pat. haben ihre KHK und immer wieder mal Beschwerden \"schlimmer als sonst\" und kommen ins Krankenhaus. EKG, Labor normal, eine AP kann es aber trotzdem gewesen sein, und Nitro/Aspisol/Heparin bekommen sie auf Verdacht hin allemal zunächst.
    Hier ist R einfach nicht korrekt.

    Der Hinweis auf die 0901 ist richtig, glatt vergessen.

    Viele Grüße
    P. Dietz

  • Hallo nochmal,

    ad 1. D\'accord, aber wenn es beides nicht gewesen ist, bleibt R07.4.
    ad 2. In diesem Falle ist nicht die KHK Grunderkrankung der Thoraxschmerzen, sonst wäre es eine AP!

    Für den Großteil der Fälle wie Sie sie schildern ist es gut nachvollziehbar, wenn Sie so argumentieren und die AP als HD setzen. Nur für den Fall, dass Sie sowohl die AP ausschließen können, als auch eine BWS-Genese nicht spezifisch therapieren, bleiben Ihnen die Thoraxschmerzen als HD übrig. Das hat dann primär nichts mit der KHK zu tun.

  • Hallo Herr Dietz,

    für mich wäre die AP die korrekte Kodierung.Behandlung getan als ob: mit Nitro/Aspisol und Heparin somit wäre für mich auf alle Fälle die spezifischere Kodierung die AP. Für die vertebragene Ursache wurde keine weitere Diagnostik und Therapie eingeleitet, also nicht kodierbar.
    Wäre eine Behandlung des Thoraxschmerzes mit Diclofenac,Ibuprofen, Morphin oder dergleichen erfolgt, wäre für mich R07.4 korrekt.

    MFG Lacessere

  • Hallo Herr Dietz,
    sogar gemäß den Kodierempfehlungen der SEG4 (MDK) \"dürfen\" Sie bei unklarem Thoraxschmerz jetzt die AP als HD kodieren, sofern eine KHK bekannt ist - und Sie dies auch wollen: denn bei den unkomplizierten \"Ein-Tages-Notfällen z.A. ACS\" ohne bekannte KHK ist weiterhin die R07.- besser gewichtet.

    Mit freundlichem Gruß

    Dr. Lars Nagel
    Leiter Medizincontrolling
    Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg
    [Groß-Umstadt | Seeheim-Jugenheim]

  • Guten Tag, insbesondere Herr Nagel.

    Zitat


    Original von Nagel:
    sogar gemäß den Kodierempfehlungen der SEG4 (MDK) ...

    Zu den Kodierempfehlungen des MDK wurde ja hier im Forum schon sehr viel geschrieben.
    http://dedi694.your-server.de/mydrgj/apboard…ser=&sepost=SEG
    http://dedi694.your-server.de/mydrgj/apboard…ser=&sepost=SEG

    Es ist auf Seiten der Krankenhauscontroller weitgehend Konsens, dass es sich um unverbindliche Empfehlungen handelt (die ja z.T. noch nicht ein mal innerhalb des MDK konsentiert sind). Insbesondere die Anonymität und die fehlenden EBM-Quellenangaben disqualifizieren die MDK-Empfehlungen. Es ist nun sicher nicht hilfreich, in Einzelfällen, in denen es gerade \"passt\", die Empfehlungen heranzuziehen (oder kodieren Sie auch sonst immer streng nach SEG4 ;) ).

    Wenn Sie schon die SEG zitieren, sollten Sie dies auch vollständig tun.

    Zitat


    Original von Nagel:
    ... \"dürfen\" Sie bei unklarem Thoraxschmerz jetzt die AP als HD kodieren, sofern eine KHK bekannt ist ...

    Die SEG-Empfehlung lautet vollständig:

    Zitat


    Problem/Erläuterung
    Patient mit bekannter KHK und Zustand nach Bypass-Operation kommt ins
    Krankenhaus, da er nach körperlicher Arbeit Brustschmerzen verspürte. Troponintest negativ, EKG und Belastungs-EKG o.B., CK 744 U/l, Myoglobin maximal 518 U/l. Was ist die Hauptdiagnose?

    Kodierempfehlung
    Obwohl es sich eher um einen muskulären Schmerz zu handeln scheint (R07.3
    Sonstige Brustschmerzen), ist eine Angina pectoris aufgrund der Anamnese nicht sicher ausgeschlossen und kann somit als Hauptdiagnose kodiert werden, insofern sie behandelt wurde (DKR D008b Verdachtsdiagnose).

    Im von Herrn Dietz beschriebenen Fall liegt weder ein Z.n. Bypass-OP vor, noch Laborveränderungen, noch wurde eine Angina pectoris behandelt. Aus diesem Grund ist auch das Argument von lacessere in diesem Fall unzutreffend.

    Zitat


    Original von Nagel:
    - und Sie dies auch wollen: denn bei den unkomplizierten \"Ein-Tages-Notfällen z.A. ACS\" ohne bekannte KHK ist weiterhin die R07.- besser gewichtet.

    Nun hat die Festlegung der Hauptdiagnose leider weder etwas mit \"wollen\" noch mit \"besser gewichtet\" zu tun. Im geschilderten Fall ist nach DKR die Hauptdiagnose Thoraxschmerz zu kodieren.

    Viele Grüße!

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


    I'd rather have a full bottle in front of me than a full frontal lobotomy

  • Hallo,

    auch hier als Ergänzung der Hinweis, dass ein ungezielter Schuss ins Blaue nicht die Kodierung aller Tauben erwähnt, die möglicherweise davon hätten getroffen werden können, sofern sie nicht nachweisen können, dass auch konkret welche da waren! Will sagen: für das Kodieren einer Verdachtsdiagnose reicht die Angabe der Zielstellung einer therapeutischen Maßnahme alleine sicher nicht aus.

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach

  • Schönen guten Abend,

    selbstverständlich versuchen wir stets, uns an die gültigen Definitionen und Richtlinien zu halten (und im Übrigen interessieren uns die SEG-Empfehlungen nur als Beobachtung der \"anderen Seite\", aber lassen wir dieses Thema...). Nur ist es in dem Fall des von Hr. Dietz beschriebenen Pat. so:

    Zitat


    Original von P_Dietz:
    Pat mit bek. KHK (z.n. Stenting) kommt mit thorakalen Schmerzen. EKG und Labor sind bei Aufnahme o.B., Pat wird bzgl. der KHK und Hypertonie wie üblich weiterbehandelt (ß-Blocker, Statin, ACE-Hemmer, ASS)...


    1. Es lag eine schon einmal behandlungsbedürftige stenosierende KHK vor.
    2. Der Pat. hat thorakale Schmerzen.
    3. I.d.R. gibt es damit zuerst einmal den Verdacht auf das Vorliegen einer \"Angina-pectoris\"-Symptomatik.
    4. Ich gehe davon aus, daß bei dem V.a. auf AP erst einmal Nitro-Spray verabreicht wird.
    Daraus habe ich geschlossen, daß es legitim ist, die zur Aufnahme führende Situation als AP zu bezeichnen, da ich a) den begründeten Verdacht hatte und b) therapiert habe. Eine vertebragene Ursache wurde vermutet, ob sie behandelt wurde (Analgetika) kann ich nicht sagen (genausowenig vielleicht wie das Nitro-Spray, aber dort hoffte ich zumindest auf den Einsatz); Es bleiben als Möglichkeit also das Symptom Thoraxschmerz als HD oder eben die AP. Da in diesem Fall die Kodierung der AP aufgrund der Vorgeschichte des Pat. durchaus gerechtfertigt erscheint, würde ich so handeln.

    Zitat

    Nun hat die Festlegung der Hauptdiagnose leider weder etwas mit \"wollen\" noch mit \"besser gewichtet\" zu tun.

    Ich beziehe mich dabei auf die Art von Fällen, die äußerst schwierig zuzuordnen sind und die aber doch häufiger auftauchen, als einem lieb ist:
    Wenn also der o.g. Pat. von Hr. Dietz im Haus bekannt ist, aber z.B. bei einem früheren Aufenthalt eine stenosierende KHK interventionell ausgeschlossen werden konnte, und \"nur\" eine ausgeprägte Koronarsklerose aufgezeigt wurde, dann habe ich zunächst keine fundierte Grundlage für den Verdacht AP, da ja eine Stenose kürzlich ausgeschlossen wurde. Aber kann ich wirklich ausschließen, daß die ausgeprägte Koronarsklerose für die thorakalen Beschwerden verantwortlich ist?
    Ich hoffe, Sie können jetzt vielleicht meine Gedankengänge etwas besser nachvollziehen.
    Ich wünsche eine gute Nacht!

    Dr. Lars Nagel
    Leiter Medizincontrolling
    Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg
    [Groß-Umstadt | Seeheim-Jugenheim]