Uni stellt Rechnung für Kollegialgespräch

    • Offizieller Beitrag

    Hallo in das abendliche Forum,

    Zur Vorgeschichte:

    Der kleine, verschrumpelte Mann da, der in dem weißen Kittel, das ist der Dr. Möhlmann. Der Dr. Möhlmann ist ein Arzt. Das ist so einer, der immer sagt: Gleich gibt\'s mal nen klitzekleinen Piecks... und wo ihr danach immer heult. Der Dr. Möhlmann, der ist ein ganz Fauler: Der greift sich den Telefonhörer und ruft einen an.... Es bimmelt, kling-ling. Und da ist auch schon einer dran. Und das ist der da mit den fettigen, braunen Krollen und dem doofen Gesicht. Der heißt Dr. Hansel. Und jetzt, liebe Kinder, wird\'s richtig spannend:

    <Sachverhalt an:>
    Dr. M. ruft aus einem KH der Grund-/Regelversorgung (KH A) in der Uni (KH B) an wegen der Planung einer Verlegung in die Uni (schwerkranker Pat.), um zu klären, ob der Pat. dorthin verlegt werden kann. Er schildert die Anamnese und die aktuellen Probleme. Lt. Dr. H. kann der Pat. in die Uni verlegt werden. Aus med. Gründen erfolgt die Verlegung einige Tage später.

    Nach 3 Wochen erhält das KH A eine Rechnung vom KH B über 18,90 EUR nach DKG-NT Ziffer 4 Spalte 7 (sinngemäß: \"Erhebung Fremdanamnese durch Bezugsperson - bei Behandlung des Pat.\", habe den genauen Wortlaut z. Zt. nicht zur Hand).

    <Sachverhalt aus.>

    Meine Fragen an Sie:
    1. Ist das zulässig?
    2. Ist das üblich?
    3. Wussten Sie das?

    Ich habe dieses Vorgehen erstmalig mitbekommen und war recht empört. Auf der anderen Seite kann sich so natürlich jedes KH weitere Einnahmequellen erschließen, da so etwas nahezu täglich in beide Richtungen vorkommt. Wie ist die Meinungs-/Wissenslage?

    Vielen Dank schon einmal und ebensoviele Grüße
    sendet
    B. Sommerhäuser

    Falls noch weitere Informationen nötig, bitte posten.

    • Offizieller Beitrag

    Guten Abend Burkhard,
    guten Abend ins Forum


    Zitat


    Original von Admin:
    Nach 3 Wochen erhält das KH A eine Rechnung vom KH B über 18,90 EUR nach DKG-NT Ziffer 4 Spalte 7 (sinngemäß: \"Erhebung Fremdanamnese durch Bezugsperson - bei Behandlung des Pat.\",


    21216 Zuschlag Fremdanamnese

    Beschreibung
    Fremdanamnese und/oder Anleitung bzw. Betreuung von Bezugspersonen schwer psychisch erkrankter Patienten mit dadurch gestörter Kommunikationsfähigkeit,


    Siehe hierzu:

    „Nach Nr 19 EBM-Ä ist ua die Erhebung der Fremdanamnese, ggf bei mehreren Personen, über einen psychisch, hirnorganisch oder krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörten Kranken (zB Taubheit, Sprachverlust) einmal im Behandlungsfall berechnungsfähig. Die Fremdanamnese iS dieser Position des Leistungsverzeichnisses umfasst die Erhebung der lebensgeschichtlichen und sozialen Daten des betroffenen Patienten durch Befragung anderer Personen aus seinem Interaktionsfeld unter Einbeziehung der Erfahrungen und Beobachtungen, die die Befragten mit dem Kranken gemacht haben (Kölner Kommentar zum EBM, Anmerkung zu Nr 19, S 183).
    …

    Deshalb ist der Kreis der Personen, bei denen die Fremdanamnese erhoben werden kann, auf solche aus dem Interaktionsfeld des Patienten begrenzt. In Betracht kommen Ehepartner bzw Angehörige (\"Familienanamnese\", vgl Wezel/Liebold, Handkommentar, BMÄ, E-GO und GOÄ, S 9 B-70/2).“


    http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechts…ked=urt&Frame=2


    Gruß

    Eberhard Rembs

  • Hallo,
    davon mal ab, dass die EBM-Nr. offensichtlich die falsche ist - ist das ein ziemlich merkwürdiges Verhalten. Vielleicht müssen die Ärzte an den Unikliniken die Tariferhöhung dazuverdienen :erschreck: ....
    Ich würde die Rechnung nicht bezahlen.
    Vielleicht sollte KH A in Zukunft die Patienten einfach ohne Vorwarnung mit dem RTW als Notfall vorbeischicken....

    Viele Grüße aus Sachsen
    D.Zierold

  • Hallo Admin, Hallo Forum,

    dies ist mir bislang noch nicht untergekommen. Ein solches verhalten empfinde ich als unverschämt und dreist.
    Zum Sachverhalt: mit der Übernahme ist ein solche Gespräch auch abgegolten und die EBM gilt doch nur im Ambulanten Bereich :d_gutefrage: . Oder weiten wir nun auch diesen Bereich jetzt aus, dann teile ich dieses vorgehen umgehend auch unseren Fachabteilungen mit die auch schonmal einen Patienten aus der Uni übernehmen- gleiches Recht für alle! :d_zwinker:

    Gruß aus Aachen

    8) Stefan Schulz, Med. Controlling

  • Hallo Herr Sommerhäuser,
    dass dieses Vorgehen äußerst unüblich und im vorliegenden Fall auch ungerechtfertigt ist, haben ja nun mehrere Leute schon festgestellt. Vielleicht genügt auch ein netter Brief mit dem Hinweis, solche eigenartigen Dinge in Zukunft zu unterlassen, wenn man weiterhin Patienten zugewiesen haben möchte.
    Ich arbeite an einem universitären Schmerzzentrum, wo wir praktisch täglich telefonische Beratungen für Kollegen (niedergelassen wie Kliniken erbringen), und zwar auch für Patienten, die wir nie zu sehen bekommen. Wir machen das grundsätzlich kostenlos, auch wenn es eine halbe Stunde dauert (was durchaus der Fall sein kann, wenn Rückfragen, Literaturübermittlung, suche nach wohnortnahen Kollegen u.s.w. beteiligt ist).
    Allerdings kann ich es schon verstehen, wenn manche Kliniken da versuchen, die Notbremse zu ziehen: Je nach regionaler Situation wird man nämlich mit solchen Anfrage überhäuft, und wenn in einer Uni in jeder Klinik täglich etliche Stunden unentgeltliche Telefonseelsorge erbraucht werden, geht das ja schon ins Geld. Manche niedergelassen Kollegen kalkulieren offenbar, dass ein Anruf in der Klinik schneller geht als selber nachzuschlagen (und sich ausserdem noch als Konsil abrechnen läßt). Ich erinnere mich noch an die Frage eines Allgemeinarztes \"Herr Kollege, was würden Sie denn bei einer opioidinduzierten Atemdepression tun?\" (glücklicherweise hatte der Patient was ganz anderes...).

    Bei Anrufen aus Kliniken sind die Fragen allerdings in der Regel fundierter ;)
    Und der Versuch, eine telefonische Patientenübergabe abzurechenen, ist in der Tat etwas dreist...

    Sonnige Grüße

    MDK-Opfer

  • Lieber Herr Sommerhäuser, liebe Forumsteilnehmer,

    ich, als OA in einer Uniklinik, der schon hunderte solcher Übernahmegespräche geführt hat, halte diese Vorgehen der Kollegen für unverschämt, unkollegial und unzulässig.
    Vielleicht sollte Herr Sommerhäuser im Gegenzug den Verlegungsabschlag, um den der DRG-Erlös seines Hauses wegen der Verlegung in die Uniklinik gekürzt worden ist, dieser Uni in Zukunft in Rechnung stellen (sozusagen als Zuweiser-Entlohnung).

    Im Ernst: Es ist ja ok, wenn Ärzte nicht mehr von Kollegen unentgeltlich behandelt werden, so wie das früher einmal üblich war, aber diese Verhalten unter Kollegen hier geht entschieden zu weit.

    Beste Grüße aus einer Uniklinik

    Dr. Stefan Stern :sterne:
    Klinik für Anästhesiologie
    Klinikum der Universität München

    • Offizieller Beitrag

    Hallo liebe Diskutierende,

    es ist schon so, dass der DKG-NT, nicht (oder möglicherweise auch) der EBM, der von Eberhard ja nur beispielhaft zur Ergänzung des genauen Wortlautes zitiert wurde, in den einleitenden Worten vorsieht, dass er zur Anwendung käme, wenn ein KH-Arzt einem anderen KH-Arzt etwas in Rechnung stellen will. Eigentlich ging es mir darum auch nicht (möglicherweise habe ich unpräzise formuliert). Es ging um den Sachverhalt an sich, dass nämlich ein vollkommen übliches Kollegialgespräch im Nachhinein in Rechnung gestellt werden soll, obwohl der anrufende Arzt dies nicht wusste oder hätte erkennen können. Und das finde ich eben auch \"unverschämt, unkollegial und unzulässig\". Aus dem Wortlaut des DKG-NT scheint es aber rechtens zu sein. Ist es aber möglicherweise Bestandteil der (Verlegungs-) DRG, ergo dieser immanent?

    @ Herrn Dr. Stern: Der Gedanke kam mir auch. Im Text der o.g. Ziffer steht etwas von \"bei Behandlung\". Darauf werde ich vorerst vermutlich abstellen, da der Kollege Dr. Hansel (s. Vorgeschichte) ja eben noch nicht behandelte. Alternativ wird darüber nachgedacht, ob es eine abrechenbare Ziffer gibt, die sinngemäß beinhaltet: \"Übermittlung relevanter Patienteninformationen an weiterbehandelnen Arzt, mit ausführlicher Inkenntnissetzung desselben, telefonisch\"... Zielgebiet des Falles ist übrigens eine n. näh. bez. hessische Metropole.

    Vielen Dank für die bisherigen Antworten.
    Viele Grüße und ein schönes WE
    sendet
    B. Sommerhäuser

  • Hallo Kollege Stern,
    gehört zwar nicht zum Thema aber ich finde es nicht ok, dass wir uns nicht mehr unentgeltlich gegenseitig behandeln. Früher gabs mal bei der PKV günstige Ärztetarife wegen Kollegialbehandlung. Die Zeiten sind vorbei. Sind jetzt alle in der GKV?
    Gruß

    Dr.Gerhard Fischer
    Medizincontroller/Frauenarzt

  • Guten Morgen,

    genaugenommen stellen sich für mich hier zwei Fragen, nämlich danach, ob ein solches Vorgehen rechtens ist (ich vermute mal, daß man den Leistungsaustausch zwischen KH und KH i.S. eines Konsils auch zumindest juristisch auf den geschilderten Fall übertragen kann) und ob man dieses Vorgehen für gerechtfertigt, sinnvoll, geschmackvoll, akzeptabel hält.
    Zu diesem Aspekt habe ich auch in der Tat so meine Bedenken. Man sollte sich aber vor Augen halten, daß schon nach Murphy \"alles, was schiefgehen kann, auch schiefgehen wird\" und daß dann auch alles, was juristisch zulässig ist, auch Eingang in die Praxis finden wird, zumal in der aktuell angespannten Lage. Ich weiß auch, daß in großen Anwaltssozietäten bei Klientengesprächen und Gesprächen mit Bezug zu einem Klienten per Telefon grundsätzlich ein Code eingetippt wird, der dafür sorgt, daß dieser Aufwand sorgfältig auf den Fall gebucht wird. Ich wage mir zwar nicht vorzustellen, daß so etwas Eingang in die Medizin findet, aber wer richtet sich schon nach meinen Wünschen??

    Gruß aus DU
    Dr. med. Andreas Sander
    Evangelisches und Johanniter
    Klinikum Niederrhein

  • Zitat


    Zielgebiet des Falles ist übrigens eine n. näh. bez. hessische Metropole.
    B. Sommerhäuser

    Hallo Herr Sommerhäuser,

    wie schon die ärztlichen Vorredner äußerten, ein sehr fragwürdiges Unterfangen der Uniklinik aus einer (offensichtlich süd-) hessischen Metropole. Auch wenn der DKG-NT diese konsiliarische Abrechnung zulässt, bleibt eben ein \"Geschmäckle\" ... da auf \"rechtlichem\" Wege nichts einzuwenden ist, würde ich doch den marktwirtschaftlichen Weg beschreiten.

    Denn zu teure Kooperationspartner sind - pragmatisch gedacht - keine Kooperationspartner mehr ... und der (ich bleibe bei süd-) hessische Raum bietet doch noch genügend Ausweichmöglichkeiten zu anderen Maximalversorgern, und wenn es z.B. über die Rheinseite ins liebliche Rheinland-Pfalz oder gar in die Landeshauptstadt (zwar keine Uniklinik, aber mit ähnlichem Niveau und Ansehen) wäre ... und vielleicht sind ja noch andere Verlegungsaspiranten, sprich \"kleinere Häuser\" im Umkreis des besagten Uniklinikums, froh darüber, dass Sie ihnen das \"neue Abrechnungsverfahren\" mitteilen und daher die Verlegungspraxis in dieses Krankenhaus überdacht werden sollte.

    Würde mich nicht wundern, wenn eine solche \"konzertierte Aktion der Davids\" nicht ein Umdenken des \"Riesen Goliath\" erzielen würde.

    Weiter viel \"Spaß\" mit dem Hause aus Schilda wünscht
    Markus Stein

    Markus Stein [Dipl.-Dok. (FH)]

    RZV GmbH
    Strategisches Produktmanagement Krankenhaus

  • Wertes Forum,
    also Oberarzt einer konservativen Klinik mußte ich bedauerlicherweise die Erfahrung machen, daß eine operative Klinik der Maximalversorgung zu verlegende Patienten grundsätzlich zunächst ambulant sehen wollte und mir diese, wie auch die Beurteilung des von uns angefertigten Bildmaterials postwendend in Rechnung stellte. Der Patient wurde dann zumeist wenige Tage später übernommen. So hatte ich auch noch die Transportkosten zu realisieren. In einem klärenden Gespräch meinten die Kollegen, ihre Verwaltung habe das so angeordnet.
    Mittlerweilen haben wir einen guten -freundschaftlichen- Kontakt zu der operativen Klinik der Universität aufgebaut. Die glauben uns auch ohne Konsil, dass wir OP-Indikationen stellen können und bedanken sich für unser Bildmaterial per eMail mit Terminvergabe.
    Während früher Patienten eine halbe Stunde nach Norden fuhren, fahren sie jetzt eine halbe Stunde nach Süden.
    tempora mutamur et nos mutamur in ilis ( Die Zeiten wandeln sich und wir mit ihnen )
    Ein schönes Wochenende aus dem nicht sonnigen Hessen.
    Eckardt