Sinusitis und Harnwegsinfekt, welche HD ?

  • Liebes Forum,

    hier mal eine Variante, die ich beim Suchen nach \"Sinusitis\" so noch nicht gefunden habe:

    Ein Pat., der in der Vorwoche eine Chemotherapie bei Malignom erhalten hatte, stellt sich in der internistischen Notaufnahme mit T=>39°C vor.

    Klinisch: eitriges Sekret aus der Nase, Pulmo o.B; Nierenlager bds. frei, Miktion unauffällig.

    Paraklinisch: Urinstix positiv, Leucos 500.

    Therapie: Antibiotisch mit Gyrasehemmer (Levofloxacin), Flüssigkeitszufuhr intravenös, Sekretolyse mit ACC.

    Kodierung ?: Die Kasse bzw. der MDK möchten die Sinusitis mit dem (falschen) Argument, dass klinisch in der Aufnahmesituation die Sinusitis imponiert habe. Unstrittig dürfte dann allerdings sein, dass beide Diagnosen das Fieber erklären und für die Pat. hochgradig relevant sind. Die Antibiose ist für beide Krankheitsbilder indiziert bzw. vertretbar. Der Ressourcenverbrauch ist für beide Krankheitsbilder praktisch idem, er unterscheidet sich nur durch Urinstix (bei HWI) vs. ACC (bei Sinusitis).

    Für die Praxis folgt aber hier m.E., dass beide HD möglich sind und dass der Ressourcenverbrauch nicht mehr meßbar unterschiedlich ist.

    Hat jemand eine Idee, wie in so einem Fall zu verfahren ist ? Mir fällt als salomonische Lösung gerade noch ein, dass man diejenige Diagnose als HD nehmen sollte, die im Arztbrief erstgenannt ist.

    Grüße von der Ostsee.

    Dr. med. Christoph Bobrowski, M.Sc.

  • Hallo Herr Bobrowski,
    würde die Diagnose als HD nehmen, die hauptsächlich zur stationären Aufnahme geführt hat.
    Wenn nur Sinusitis vorgelegen hätte, wäre doch sicher eine ambulante Behandlung ausreichend gewesen.
    Wozu wurde die iv-Flüssigkeit zugeführt? War der Patient ausgetrocknet? Wurde ein Keim im Urin gefunden? Das deutet auf den Harnwegsinfekt als HD hin.
    Viele Grüße aus dem grauen Sachsen
    Anne

  • Hallo Anne,

    Ihre wäre eine elegante Lösung, aber bei einem Chemotherapierten sollte eine Sinusitis mit Fieber schon zu einer stationären Aufnahme führen, denn allein das Fieber reicht ja schon.

    Grüße von der Ostsee, ebenfalls sehr grau.

    Dr. med. Christoph Bobrowski, M.Sc.

  • Hallo Herr Bobrowski,

    die unauffälige - also anscheinend beschwerdefreie- Miktion
    stellt hier das Problem dar! Wenn hier tatsächlcih eine klinisch manifeste Infektion der Harnwege vorgelegen hätte, würde ich auch
    als HD dies in Betracht ziehen. Aber in diesem Fall erfolgte wohl
    nur eine prophylaktische Mitbehandlung des Urinbefunds. Die klinisch
    führenden Beschwerden bestimmen in diesem Fall die HD-->
    Also Rhinitis/Sinusitis, die im Falle dieses Pat. natürlich stat. zu behandeln sind.

    Gruß
    Ordu

  • Hallo Herr Ordu,

    das kann ich nicht ganz so sehen wie Sie. Es gibt gelegentlich asymptomatische Verläufe, so dass ein Fall nach Aktenlage so aussehen kann, dass man Laborwerte behandelt. D.h. die klinische Präsentation ist ein indirekt, z.B.nur als Fieber.

    Grüße von der Ostsee.

    Dr. med. Christoph Bobrowski, M.Sc.

  • Hallo Herr Bobrowski,
    wenn ich das lese, denke ich, Ihr Problem ist unlösbar. Ich glaube nicht, dass Sie ohne weitere, dokumentierte Fakten argumentieren können.
    Die Diagnose als HD zu nehmen, die im Arztbrief ganz oben steht, ist wohl indiskutabel.
    Trotzdem schönen Abend noch
    Anne

  • Hallo,

    so wie Sie den Fall schildern, würde ich die Sinusitis als HD wählen. Da möchte ich (erwiesenermaßen kein Fan des MDK) dem MDK mal recht geben. Die Notwendigkeit der stat. Aufn. sollte durch die zusätzliche Kodierung des Malignoms sowie evtl. auch eine Immun-Suppressions-Codes dokumentiert werden, sonst gibts noch zusätzlich einen Ärger wegen stat. Behandlung überhaupt...

    M.Rost

  • Guten Morgen alle zusammen,

    so ganz abwegig finde ich in diesem speziellen Fall die Idee mit der ersten Diagnose im Arztbrief gar nicht. Ich würde allerdings einen Blick in den Aufnahmebogen werfen (oder noch besser - Rücksprache mit dem aufnehmenden Arzt halten), was denn in der Aufnahmesituation für Ihn der Aufnahmegrund war.

    Hmmm, wahrscheinlich das Fieber, und dann :erschreck:

    Kann man aus dem Arztbrief eine \'führende\' Diagnose erkennen ?

    Viele Grüße aus Melle
    Dr. Th. Wagner 8)
    Facharzt für Chirurgie
    Leiter Medizincontrolling
    christl. Klinikum Melle

  • Hallo Herr Wagner,

    es kann natürlich nicht schaden, auch den Aufnahmebogen zu Rate zu ziehen. Aber damit bekommt man nur schwache Argumente, denn was in der Aufnahmesituation für richtig oder führend gehalten wurden, muss nicht mehr nach retrospektiver Analyse so sein. Natürlich kann man - die Systematik der Kodierrichtlinien durchbrechend - in so einem Grenzfall dann die Aufnahmesituation zu Rate ziehen. Das tut der MDK auch; ich halte dies nur für ein ziemlich schwaches Argument.

    Die führende Diagnose aus dem Arztbrief (in so einem m.E. ansonsten nicht entscheidbaren Fall) zu nehmen, hat bei unserer Organisation auch noch den Charme, dass die führende Diagnose unbeeinflußt von Kodiererwägungen geschrieben wird, weil die Arztbriefe praktisch immer vor der Kodierung geschrieben werden. (Kodiert wird zeitnah von Kodierern, die mit Hilfe von Akte und (vorläufigem oder endgültigem) Arztbrief kodieren.)

    Grüße von der Ostsee.

    Dr. med. Christoph Bobrowski, M.Sc.

  • Hallo,

    meiner Meinung nach ist die Situation klar. HD Sinusitis, ND HWI 30.0.
    Folgende Gründe habe ich dafür:
    1.Die Klinik spricht dagegen.
    Ein fieberhafter HWI ohne schmerzhafte Nierenlager glaube ich nicht. Der Patient hatte nicht einmal die übliche Drangsymptomatik und kein Brennen beim Wasserlassen. Ohne Fieber und ohne Sinusitis hätten Sie den Patienten nach Hause geschickt. Ich gehe sogar davon aus, dass sie gar keine Urinuntersuchung veranlaßt hätten.
    2. Das Handeln der behandelnden Ärzte spricht dagegen.
    Der von Ihnen als eventuell zu kodierende HWI als Aufnahmegrund wurde überhaupt nicht weiter abgeklärt. In einer solchen Situation wie der Ihrigen hätte nach meiner Meinung als Urologe gehört: 1. die unbedingte bakteriologische Austestung des Urins (gerade bei onkologischen Patienten) und 2. eine Ultraschalluntersuchung, ob Steine oder eine Harnstauung vorgelegen hat. Hätte eine Harnstauung vorgelegen, könnte die Leukozyturie erklärt werden. Auch ein fieberhafter HWI könnte so diskutiert werden. Das hätte aber insgesamt ein völlig anderes Vorgehen verlangt. Evtl auch Aufnahme in der Urologie.
    3. Der Verlauf spricht gegen urologisch bedingte Komplikationen. Offensichtlich ist ohne urologisches Zutun klinisch alles gut gegangen. Zum Glück
    4. Der HWI steht durchaus zur Diskussion.
    Streng genommen lag \"nur\" eine symptomlose Leukozyturie vor- zu kodieren evtl mit R39.8. Nach der CDC-Definition liegt eigentlich kein HWI vor ( ok, die Definition gilt für nosokomiale Harnwegsinfektionen, was bei ambulanter Vorstellung nicht unbedingt sein muß). Für die CDC-Definition fehlt Ihnen aber als Argument ein wichtiger Bestandteil der Definition: der kulturelle Nachweis von Bakterien. Das ist versäumt worden. Aber, da nur für nosokomiale Infektionen diese Definition gilt und die therapeutische Absicht vorlag, den vermuteten HWI gleich mit zu therapieren, meine ich, dass der HWI kodiert werden muß und mit N30.0 richtig verschlüsselt ist.

    Unter Berücksichtigung der oben genannten Argumente spricht auch die DKR dagegen: \"HD -... die Diagnose, die nach Analse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Aufenthaltes verantwortlich ist.\"
    Facit: somit ist die Sinusitis die HD. Der MDK/die KK haben recht.

    Am Rande sei noch vermerkt, dass der Arztbrief die HD nicht an erster Stelle nennen muß; denn er ist kein Instrument für die Rechnungslegung und schon gar nicht kann der Umkehrschluß gelten, dass, wenn nicht an erster Stelle, dann nicht HD.

    Gruß

    bdomurath
    Bad Wildungen

    B.D.

  • Zitat


    Original von Th. Wagner:
    so ganz abwegig finde ich in diesem speziellen Fall die Idee mit der ersten Diagnose im Arztbrief gar nicht.
    Kann man aus dem Arztbrief eine \'führende\' Diagnose erkennen ?

    Als MDK-Arzt würde ich auf die Reihenfolge der Diagnosen im Arztbrief absolut keinen Wert legen! Es zählen nur Beschwerden, die hauptsächlich
    die stat. Behandlung veranlasst haben. Darus wird die HD gemäß DKR abgeleitet. In den Arztbriefen kann man höchstens in 50% der Fälle die
    HD ausgehend von der Reihenfolge der Diagnosen erraten. Der Arzt schreibt
    ja seinen Brief, sowie er Akten vor sich liegen hat, und nicht für die Abrechnung. Zumindest kenne ich nicht soviele Kollegen, die ihren Brief
    für die Abrechnung oder für ein event. MDK-Prüfung verfassen.

    Gruß
    Ordu