Kardiversion immer stationär?

  • Liebes Forum,
    ich habe gerade den Fall eines 52-jährigen Patienten vorliegen, der zu einer stationären Kardioversion kam. Der MDK meint, man hätte die ambulant machen können. Er hat dann zuerst einen Widerspruch einer unserer Ärzte bekommen, dass eine Kardioversion in der Regel stationär durchgeführt wird, weil im Anschluss ein Zurückspringen ins VHF oder eine Kreislaufinstabilität zu befürchten ist. Der MDK hat den Widerspruch abgelehnt. Dann habe ich noch angemerkt, dass die Kardioversion als in der Regel stationär zu erbringen gilt und daher nicht im Katalog der ambulant zu erbringenden Operationen/Prozeduren steht. Der MDK geht in seiner Antwort darauf nicht ein und schreibt weiterhin, dass aus MEDIZINISCHER Sicht eine ambulante Erbringung möglich gewesen wäre. Dem ist vielleicht rückblickend so, aber im Vorfeld konnten wir doch gar nicht wissen, dass es zu einem komplikationslosen Verlauf kommt.
    Dazu meine Frage: Was meinen Sie: Kann eine medizinische Sicht gesetliche Vorgaben und Vereinbarungen aushebeln? In wieweit muss eine Prozedur, die ab und zu, selten oder vereinzelt grundsätzlich ambulant durchführbar wäre auch tatsächlich ambulant erbracht werden - mit erhöhtem Risiko für den Patienten, auch wenn sie nicht im Katalog der ambulant erbringbaren Prozeduren steht?
    Vielen Dank und viele Grüße von
    A. Loßin

    Dr. A. Loßin
    Medizincontrolling
    DSK Bad Münder

  • Hallo,
    Ist der Pat. einiger Wochen vorher marcumarisiert worden? (Marcumarkontrolle 8 Stunden später). Hat der Pat. anschliessend eine LZ-EKG über 12 Stunden bekommen?. Oder Vielleicht Monitorbeobachtung?. Hat der Pat. keine weiteren Erkrankungen?. Wenn Sie wirklich \"nur im Schockraum kardiovertiert haben\", denn sieht es nicht gut aus. Es sei denn der Pat. ist notfallmässig aufgenommen worden.
    Der MDK wird bei jeder Prozedur, die ambulant durchführbar wäre, für eine ambulante Abrechnung plädieren. In einigen Bundesländern kann man aber noch einen stationären Tag von der Kasse bezahlt bekommen.

    mit freundlichen Grüßen

    Alaa Eddine

  • Hallo Herr Eddine,
    wir haben ein Langzeit-EKG und eine TÈE am Tag der Kardioversion (die TEE vorher) durchgeführt und am Tag nach der Kardiversion (dem Entlassungstag) noch ein Belastungs-EKG. Marcumarisiert war der Patient auch. Er hatte außerdem eine KHK.

    Mit freundlichen Grüßen
    A. Loßin

    Dr. A. Loßin
    Medizincontrolling
    DSK Bad Münder

  • Hallo \"Masterin\"!
    An Ihrer Stelle würde ich darauf pochen, den stationären Tag bezahlt zu bekommen. Die Maßnahmen könnten zwar jede für sich ambulant durchgeführt werden, sie hängen aber an einer wichtigen Prozedur, die eine Beobachtung von mindestens 8-12 Stunden nach sich zieht. Vieleicht kann man auch mit dem Tagesplan argumentieren : 08:00 Aufnahme, 10:00 TEE ; 12:00 elektro.Card. usw. wo die Entlassung aus sozialen Gründen nicht um 20:00 Uhr erfolgen konnte (Keine Einkaufsmöglichkeiten, Keine Busverbindungen, usw.) Bei uns haben die Kassen von sich aus bei ähnlichen Fällen ein Tag angeboten.

    mit freundlichen Grüßen

    Alaa Eddine

  • Aaaarghhh....lassen Sie bloß die Finger von der Argumentation mit \"sozialen Gründen\". Die Standartantwort des MDK in unserer Gegend war da immer nur ein: \"Das ist ein organisatorisches und kein medizinisches Problem\". Ich freue mich für Sie, AlaaEddine, daß Sie mit dem Hinweis auf fehlende Einkaufsmöglichkeiten noch den ein oder anderen Tag herausholen können (konnten?), aber ich wage sehr zu bezweifeln, daß das generell ein guter Tipp ist.
    Zumindest in dem Haus, in dem ich bis vor kurzem noch gearbeitet habe, ist der ein oder andere MDK-Gutachter nach mehrfachen Versuchen der Chefärzte, über die \"soziale Indikation\" doch noch ein paar stationäre Tage herauszuholen, dann langsam etwas verärgert gewesen - und das ist keine günstige Ausgangsposition.

    Unabhängig davon klingt - zumindest aus der Ferne - der vorliegende Fall nicht nach \"das machen wir mal eben im Schockraum nebenher\". Forsten Sie doch mal die Leitlinien der fachgesellschaften durch und fragen Sie Ihre Fachärzte. Da sollte sich doch eine medizinische Argumentation finden lassen.

    Herzlichen Gruß,

    N.

    \"Steinigt ihn, er hat ´Jehova´ gesagt!\"

  • Hallo N.,
    danke für Ihren Beitrag. Ganz unabhängig von der medizinischen Rechtfertigung frage ich mich aber, wozu es den Katalog ambulant zu erbringender OPs überhaupt gibt, wenn man sich gar nicht darauf berufen kann, dass beispielsweise die Kardioversion da nicht drinsteht. Ich dachte, so ein Katalog wird herausgegeben, damit wir nicht darüber diskutieren müssen, was stationär zu erbringen ist und was nicht. Jetzt müssen wir das wohl aber doch?! Der besagte Katalog ist dann wohl eher redundante Makulatur, zumindest hält der MDK ihn nicht für bindend.
    Ratlose Grüße von
    A. Loßin

    Dr. A. Loßin
    Medizincontrolling
    DSK Bad Münder

  • Hallo Master-of-ICD-10-Desaster,

    der Katalog ambulante Eingriffe ist m.E. mittlerweile immer mehr zur Farce verkommen. Ich sehe ja durchaus noch eine Sinnhaftigkeit darin festzulegen, welche Eingriffe obligat (bis auf eben medizinisch begründbare Ausnahmen) ambulant durchgeführt werden können / sollen. Der Unsinn beginnt m.E. aber schlicht mit den Kategorie-2-kann-man-ambulant-machen-Eingriffen. Der tiefere Sinn einer solchen Klassifikation hat sich mir nie erschlossen, denn wenn ich es nicht ambulant mache, brauche ich ja ohnehin wieder eine medizinische Begründung.

    Natürlich mag es im Einzelfall auch mal stichhaltige soziale Gründe geben, die selbst der miesgelaunteste MDK-Gutachter noch anerkennt. Leider fühlen sich die Macher der Regeln absolut nicht dafür zuständig, in allgemeinen Streitfällen (und sei es auch nur über Definitionen in diversen Regelwerken) mal für Klarheit zu sorgen. Insofern schwimmen die Kollegen vom MDK genauso wie die Vertreter der Krankenhäuser. Blöd ist halt nur, daß Kleinvieh für die Kassen durchaus Mist macht (und relativ leicht zu bekommen ist), andererseits ein Krankenhaus wohl eher weniger Lust hat, für vergleichsweise popelige Beträge einen jahrelangen Prozeß vom Rand zu treten.

    Erfahrungsgemäß beeindruckt man den MDK am ehesten mit sachlicher, fundierter Argumentation. Und da bieten sich die Leitlinien bzw. Stellungnahmen diverser Fachgesellschaften an, weil diese in aller Regel den State of the art wiedergeben. Darüber hinaus habe ich die Erfahrung gemacht, daß die Fachgesellschaften auch sehr hilfsbereit sind, wenn man mal freundlich anmailt oder anruft.

    Ich wünsche Ihnen viel Erfolg,

    N.

    \"Steinigt ihn, er hat ´Jehova´ gesagt!\"

  • Hallo Forum, hallo MasterIn,

    neben den bereits erwähnten Argumenten und Anregeungen sollte auch die fehlende ambulante Abrechenbarkeit diskutiert werden. M. E. muss die Krankenkasse eine konkrete Alternative - auch zur Abrechnungsmöglichkeit - aufzeigen. Im AOP-Katalog ist sie ebensowenig enthalten, wie im EBM2000+.
    Des Weiteren sind die möglichen Risiken der CV derart gravierend, dass es nur wenige Kardiologen gibt, die ex-ante eine \"rein-ambulante\" Versorgung prognostizieren würden. Potentiell ist bei Komplikationen nach CV die Infrastruktur des Krankenhauses erforderlich.
    Für mich sind (auch elektive) CV vollstationäre Tagesfälle, sofern sich kein längerer Aufenthalt ergibt.

    Mit freundlichen Grüßen aus Mittelhessen

    M. Müller

    M. Müller
    Controller
    Kerckhoff-Klinik

  • Hallo allerseits,

    Zitat

    N: Der Unsinn beginnt m.E. aber schlicht mit den Kategorie-2-kann-man-ambulant-machen-Eingriffen. Der tiefere Sinn einer solchen Klassifikation hat sich mir nie erschlossen, denn wenn ich es nicht ambulant mache, brauche ich ja ohnehin wieder eine medizinische Begründung.

    mit Verlaub: das stimmt so nicht!

    Der Katalog nach § 115b regelt nicht abschließend, welche Leistungen ambulant erbringbar sind (und welche stationär), sondern er listet die Eingriffe auf, die im Rahmen des Vertrages nach § 115 b Abs. 1 SGB V als ambulante Operationen abgerechnet werden dürfen - das ist ein wesentlicher Unterschied!

    Daraus folgt einerseits:
    - Kategorie 1 stellt Eingriffe dar, die nach Übereinstimmung der Vertragspartner im Regelfall ambulant erbracht werden können; daher müssen sie als Krankenhaus medizinisch begründen, warum im Einzelfall eine solche Leistung stationär erbracht wurde.
    - Kategorie 2 dagegen umfasst Eingriffe, die eben nicht \"in der Regel ambulant\", sondern vielmehr normalerweise stationär durchgeführt werden, welche aber (bei geeigneten Patienten) ambulant erbracht und nach den Maßgaben dieses Vertrages abgerechnet werden können! Somit ist eine medizinische Begründung bei stationärer Durchführung auch nicht erforderlich.

    Andererseits bedeutet dies:
    Nicht alle Leistungen, die ambulant erbracht werden können, sind auch im Katalog enthalten (beispielsweise Abtragung von Kondylomen). Sie können sich daher bei entsprechenden Forderungen des MDK nicht einfach auf die Linie \"nicht im Katalog enthalten, daher nicht ambulant zu erbringen\" zurückziehen.

    In der hier diskutierten Konstellation sehe ich allerdings den Gutachter in der Pflicht, seine Behauptung auch argumentativ zu untermauern. Die bloße Behauptung, der Eingriff sei auch ambulant durchführbar gewesen, stellt m.E. keine sachliche Grundlage für ein Gutachten dar.

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach

  • Hallo Herr Hollerbach,

    daß die stationäre Erbringung von Kategorie 2-Eingriffen nicht begründet werden müsse, erlebe ich anders. De facto macht es kaum einen Unterschied, in welcher Kategorie der Eingriff steht, eine Differenzierung bei der Begutachtung finden nicht wirklich erkennbar statt.

    Welche Erfahrungen haben die anderen Kollegen?
    V. Blaschke

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    Dr. med. Volker Blaschke