Onkologie: Komplikation oder nicht - Licht am Ende des Tunnels?

  • Hallo allerseits,

    die Frage, was eine Komplikation im Sinne der Fallzusammenführungsregelung nach § 2 Abs. 3 FPV ist und was nicht, insbesondere im Zusammenhang mit onkologischer Behandlung, hat in der Vergangenheit ja schon zu etlichen kontroversen Diskussionen geführt (siehe z.B. hier oder hier).

    Nun gibt es Bewegung in der Sache: das Bundesgesundheitsministerium hat in einem Schreiben an die Partner der Selbstverwaltung selbst Stellung zu der Frage genommen, wann bei onkologischer Behandlung von einer \"Komplikation\" gesprochen werden kann und wann nicht. Für alle diejenigen, die noch keine entsprechende Information durch ihre Krankenhausgesellschaft bzw. Bundesverband erhalten haben, im folgenden der Wortlaut des Schreibens:

    \"Anwendung der Komplikationsregelung in der Onkologie

    Bonn, 02. April 2007
    AZ 215-43546-8

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    dem Bundesministerium für Gesundheit wurden in letzter Zeit für den Bereich der Onkologie vermehrt Probleme im Zusammenhang mit der Anwendung der Komplikationsregelung nach § 2 Abs. 3 der Fallpauschalenvereinbarung zu Kenntnis gebracht.

    Die Problematik besteht darin, dass bei onkologischen Fällen eine trennscharfe Anwendung des Komplikationsbegriffs und damit in der Folge der Fallzusammenführung nach § 2 Abs. 3 FPV derzeit nicht gewährleistet ist. Strittig ist in der Praxis die Abgrenzung zwischen unvermeidbaren oder typischen Nebenwirkungen einer Erkrankung und deren Behandlung einerseits und unerwünschten behandlungsbedingten Komplikationen z. B. bei einer nicht lege artis erfolgenden Behandlung andererseits. Nur bei Letzteren ist eine Fallzusammenführung akzeptabel.

    Auch die Kodierempfehlungen der SEG 4 des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 12. März 2007 lassen eine trennscharfe Abgrenzung zwischen typischen Nebenwirkungen einer Erkrankung und deren Behandlung und unerwünschten behandlungsbedingten Komplikationen nicht zu. Vielmehr tragen sie mutmaßlich in der Praxis sogar zu einer Verschärfung des Problems bei.

    Da es sich um eine grundlegende Frage mit weitreichender Bedeutung handelt, bitte ich Sie, sich dieser Thematik vordringlich anzunehmen. Eine trennschärfere und praxistauglichere Abgrenzung erscheint dringend notwendig. Bitte prüfen Sie dabei auch, inwieweit über die Kodierrichtlinien und/oder die Abrechnungsregeln eine nachhaltige Verbesserung der derzeitigen unbefriedigenden Situation erreicht werden kann.

    Mit freundlichen Grüßen

    Tuschen\"

    Als Anhang beigefügt ist die \"Kodierempfehlung Nr. 59\" der SEG 4 des MDK.

    Ebenfalls freundlich grüßend :sonne:

    Markus Hollerbach

  • Guten Morgen Herr Hollerbach,

    recht vielen dank für diese Information.

    Liebe Grüße aus Bernau !

    Mit frdl. Grüßen
    [c=blue]Mikka[/c]

    :d_zwinker:
    Das Leben ist die Suche des Nichts aus dem Etwas.
    (Chr. Morgenstern)

  • Hallo Forum,

    Zitat

    Strittig ist in der Praxis die Abgrenzung zwischen unvermeidbaren oder typischen Nebenwirkungen einer Erkrankung und deren Behandlung einerseits und unerwünschten behandlungsbedingten Komplikationen z. B. bei einer nicht lege artis erfolgenden Behandlung andererseits. Nur bei Letzteren ist eine Fallzusammenführung akzeptabel.


    Nun haben die Krankenhäuser auch eine Tuschen-Empfehlung. :biggrin:

    Gruß

    merguet

  • Hallo,

    gehört nicht wirklich zu diesem Thema, aber wir hatten auch vorher schon ein \"Tuschen-Schreiben\" zum Thema Verlegung und Wirtschaftlichkeit (Schreiben vom 05.05.2006).
    Quintessenz: Die Wirtschaftlichkeit von Verlegungen ist nicht am Einzelfall zu prüfen, ggf. muß die Selbstverwaltung hier Regelungen (Verlegungsabschläge gibt es ja schon) treffen; \"Eine Entscheidung hierüber steht einer einzelnen Krankenkasse im Rahmen der Abrechnung nicht zu\". Und teurer wird es ggf. aufgrund des (virtuellen) Landesbudgets und der Änderung des Landesbasisfallwertes im Ergebnis auch nicht.

    Gruß, J.Helling

  • Liebe Forumsteilnehmer,

    Zitat

    z. B. bei einer nicht lege artis erfolgenden Behandlung andererseits. Nur bei Letzteren ist eine Fallzusammenführung akzeptabel.

    Jetzt wird es heftig! Ich glaubte bisher, dass unter Komplikation als Behandlungsfolge auch solche Folgen zu verstehen seien, die einen Kausalzusammenhang aufweisen, unabhängig von irgendeiner medikolegalen Fragestellung.

    Wenn wir dieses Zitat zu Ende denken, müssten eigentlich die Krankenhäuser viele ihrer Fallzusammenführungen wieder umbuchen, um jetzt nicht \"sine lege artis\" dazustehen.

    Wie verstehen Sie diesen Passus? Rasche Klärung ist angesagt!

    Gruß murx

  • Guten Tag Frau Murx!

    Zitat


    Original von murx:
    Wenn wir dieses Zitat zu Ende denken, müssten eigentlich die Krankenhäuser viele ihrer Fallzusammenführungen wieder umbuchen, um jetzt nicht \"sine lege artis\" dazustehen.

    Wie verstehen Sie diesen Passus?

    Ganz so wild ist es dann doch nicht.

    Erst ein mal bezieht sich das Schreiben von Herrn Tuschen ausdrücklich auf onkologische Fälle.

    Wenn Sie den von Ihnen zitierten Satz vollständig angegeben hätten so würde man erkennen, dass sich \"Nur bei Letzteren\" nicht auf \"nicht lege artis erfolgte Behandlungen\" bezieht sondern auf \"unerwünschte behandlungsbedingte Komplikationen z.B. bei einer nicht lege artis ...\". Klaro? Das ist ein wesentlicher Unterschied. Also in etwa so:

    \"Strittig ist in der Praxis die Abgrenzung zwischen (unvermeidbaren oder typischen Nebenwirkungen einer Erkrankung und deren Behandlung einerseits) und (unerwünschten behandlungsbedingten Komplikationen z. B. bei einer nicht lege artis erfolgenden Behandlung) andererseits.\"
    Der nachfolgende Satz bezieht sich dann auf die (komplette) zweite Klammer.

    Viele Grüße, Peter Leonhardt

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


    I'd rather have a full bottle in front of me than a full frontal lobotomy

  • Sehr geehrter Herr Leonhardt,

    ich stimme Ihnen zu, dass Ihre Interpretation im Moment die einzig gültige und brauchbare ist, aber: ich erwarte von einer Stellungnahme eines Regierungsvertreters, einer gesetzlichen und vertraglichen Neuregelung in diesem sensiblen Bereich, dass mögliche Missverständnisse durch sprachlichen Feinschliff komplett vermieden werden.

    Ich denke auch nicht, dass ich falsch zitiert habe, sondern diese Formulierung ist einfach angreifbar. Auf nichts anderes wollte ich mit meiner kleinen Provokation hinaus, denn es darf nicht darauf vertraut werden, dass jeder die Klammer so setzt wie Sie, genau so wie Sie meinen \"Galgenhumor\" offensichtlich nicht erkennen können.

    Noch ein Punkt: Ein Behandlungsfehler als eine mögliche Form einer Komplikation wird u.U. keine Fallzusammenführung auslösen, sondern u.U. zu einer Entschädigung veranlassen. Man sollte diese Kategorien nicht vermischen.

    Ihre Einschränkung, es seien ja \"nur\" onkologische Fälle betroffen, hilft solchen Kliniken und Abteilungen nicht, bei denen das Gros der Patienten, die mehrfach wiederkommen, onkologische Grunderkrankungen hat. Nur hier haben wir ja diese Abgrenzungsprobleme und Diskussionen im großen Stil, und es sollten einwandfreie, gleiche Bedingungen für alle gelten!

    Im Ganzen finde ich selbstverständlich die Initiative begrüßenswert, diesen Bereich besser zu regeln, denn die Abgrenzung von \"Behandlungsfehler\", \"(Früh-)Komplikation\", \"Nebenwirkung\" und \"Spätfolge\" ist nicht eben trivial.

    Gruß murx

  • Hallo Forum

    Zitat


    ich erwarte von einer Stellungnahme eines Regierungsvertreters, einer gesetzlichen und vertraglichen Neuregelung in diesem sensiblen Bereich, dass mögliche Missverständnisse durch sprachlichen Feinschliff komplett vermieden werden.

    Verzeihung, aber :totlach:, :laugh:

    merguet

  • Hallo Herr merguet,

    Mag schon sein, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen oder \"des einen Leid, des anderen Freud\"?

    Also: Haben Sie sich schon totgelacht? Warum diese Häme? Warum diskutieren Sie persönlich statt sachlich?

    Wie immer man sich ausdrücken mag: Leider besteht das o.g. Problem seit Herbst 2005 und konnte bisher trotz verschiedenster Schreiben noch vor Inkrafttreten der FPV 2006, Kodierempfehlungen usw. bis heute nicht zufriedenstellend gelöst werden. Warum in dem neuen Schreiben dieses wenig hilfreiche Beispiel zur Erläuterung auftauchen musste, weiß ich nicht - ich finde, es führt auf Abwege, weil hier Kategorien unerwünschter Ereignisse vermischt werden und es so nicht weiterhilft, die Grauzonen auch nur ansatzweise zu verkleinern.

    Aber gut! Vielleicht gehören Sie zu denjeinigen, die diese Diskussion gar nicht führen müssen, weil Sie selbst entweder wenig entsprechende Fälle haben oder die Angelegenheit an Ihre Beauftragten weiterreichen können.

    Schönes Wochenende und behalten Sie auf jeden Fall Ihren tollen Humor!

    Gruß murx

  • Hallo murx,

    habe Ihren Beitrag jetzt erst gesehen.
    Also:
    Ich lache nicht über Ihre Ansicht, sondern über die Diskrepanz zwischen der von Ihnen formulierten Idealvorstellung und der Realität.
    Wir kämpfen hier im Forum zu einem großen Teil um Aspekte des FP-Systems, die eben nicht mögliche Missverständnisse durch sprachlichen Feinschliff komplett vermeiden.
    Statt dessen lassen eine Fülle von Regelungen eben diesen Feinschliff vermissen, was in der Praxis dazu führt, daß sich Tausende von Menschen mit dem Streit um die Details beschäftigen (seien Sie verichert, ich bin einer davon), statt in der gleichen Zeit etwa Strukturarbeit zu leisten.

    Und in jeder neuen Runde finden sich wieder handwerkliche Details, die den Streit nähren (vgl GKV-WSG).

    Das hat nichts mit Häme zu tun, schon garn nicht Ihnen gegenüber, sondern eher mit Galgenhumor.

    Gruß

    Merguet

  • Hallo merguet,

    vielen Dank für Ihre Erklärung.

    Nun ja, ich habe bezüglich der DRG auch Galgenhumor, denn sonst hätte ich mir für dieses Forum sicher nicht genau diesen Namen zugelegt. Habe allerdings auch anderswo schon erfahren, dass das oft nicht gut ankommt, und dass manche Leute hier halt die Polemik lieben.

    Allerdings: \"die Hoffnung stirbt zuletzt\" und deswegen muss ein bisschen Idealismus schon noch sein, denn sonst könnte man doch diese Unvollkommenheit der Abläufe und auch eine gewisse Defensive, schon gar nicht mehr ertragen. In diesem Sinne hoffe ich auf weitere sachliche Diskussion in diesem Forum, das nicht nur der Profilierung und der netten Unterhaltung dienen sollte, sondern auch indirekt zu Lösungsansätzen beitragen könnte.

    Gruß murx