UNGLAUBLICH - KK will jetzt 2004er Fälle prüfen lassen

  • Hallo liebes Forum,

    ich bin entsetzt.

    Ein kleine KK hat jetzt (im Mai 2007) festgestellt, dass angeblich zwei Fälle aus dem Jahr 2004 Kodierauffälligkeiten aufweisen, daher bitten sie darum relevante Krankenunterlagen an den MDK zu schicken.

    Ich bin aus allen Wolken gefallen. Die wollen nach 3 Jahren noch eine Prüfung einleiten. Ich habe natürlich einen entsprechenden Brief zurück geschrieben. Auch vor Inkrafttreten des Abs. 1c § 275 SGB V bestand schon eine rechtlich fundierte grundsätzliche Verpflichtung zur zeitnahen Prüfung (zahlreiche Sozialgerichtsurteile sind ja auch hier im Forum schon zitiert worden)

    Daraufhin schreibt die KK zurück: \"Wir wollen ja nicht die Notwendigkeit und DAuer des Aufenthaltes anzweifeln - wir wollen lediglich die Kodierung anhand der Krankenunterlagen überprüfen lassen\" - Dazu werde ich noch einmal aufgefordert die Krankenunterlagen an den MDK zu schicken,....
    SO - UND JETZT KOMMTS!!! .... anderfalls hält sich die Kasse die Verrechnung des Gesamterlösbetrages für die abgerechnete DRG vor.

    Ich bin platt. Wer hat denn so etwas schon erlebt? Wie soll man denn darauf reagieren?

    MfG

    Willm :)

    Moin, moin!

    \"Ick bün al weer dor\" :b_wink:

  • Hallo Willm,

    wir antworten auf solche Fragen wie folgt (Empfehlung der Bay. Krankenhausgesellschaft):


    <Standardschreiben Beginn>
    Sehr geehrte X.Y.,

    die mit Schreiben vom TT.MM.JJJJ (Eingang hier: TT.MM.JJJJ) geltend gemachten Einwände bezüglich unserer Rechnung Nr. ###### vom TT.MM.JJJJ über #.###,## € erkennen wir nicht an.

    Ohne uns inhaltlich mit Ihren Feststellungen und Forderungen auseinandersetzen zu wollen, verweisen wir auf das BSG-Urteil vom 13.12.2001, B 3 KR 11/01 R, und stellen fest, dass Sie aufgrund der Zeitschiene nach Treu und Glauben Ihre Rechte verwirkt haben. Wir betrachten damit Ihre Forderung als gegenstandslos.

    Mit freundlichen Grüßen

    i. A.
    Thomas Rauner
    med. Controlling


    =========================== Fußnote ===========================
    BUNDESSOZIALGERICHT: Urteil vom 13.12.2001, B 3 KR 11/01 R, Abs. 21
    „Die Einleitung des Verfahrens unter Einschaltung des MDK ist deshalb spätestens dann notwendig, wenn die KK nach Vorlage der Rechnung und dem Fälligwerden der geforderten Vergütung (§ 12 Abs 4 KBV: 14 Kalendertage nach Rechnungseingang) Zweifel an der Behandlungsnotwendigkeit hat. Unterlässt sie dies, so ist sie nach Treu und Glauben mit solchen Einwendungen endgültig ausgeschlossen, die bis dahin geltend gemacht werden konnten“.

    Das Pendant zum Berliner Landesvertrag findet sich in der Pflegesatzvereinbarung vom 27.08.04 (Anmerkung: Hier entweder relevante Passage des Landesvertrages oder - wie in Bayern der Musterpflegesatzvereinbarung - einfügen)
    §12 Zahlungs- und andere Abrechnungsbestimmungen
    1. Die Rechnung des Krankenhauses ist durch Überweisung innerhalb von drei Wochen nach Rechnungseingang zu zahlen. Als Tag der Zahlung gilt der Tag der Gutschrift auf dem Konto des Krankenhauses, das in der Rechnung angegeben wurde. Ab Überschreitung der Zahlungsfrist sind Verzugszinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu entrichten.
    2. Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art können auch nach Begleichung der Rechnung geltend gemacht werden. Stellt sich im nachhinein heraus, dass durch das Krankenhaus eine unberechtigte Rechnungslegung erfolgte, storniert das Krankenhaus die ursprüngliche Rechnung, stellt eine neue Rechnung aus und zahlt den zuviel erhaltenen Betrag innerhalb von drei Wochen zurück. Im Falle einer gerichtlicher Auseinandersetzung beträgt die Rückzahlungsfrist des zuviel erhaltenen Betrages drei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung. Ab Überschreitung der Zahlungsfrist sind Verzugszinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu entrichten.
    <Standardschreiben Ende>

    Anmerkung zur Regelung, dass auch nachträglich (Verjährungsfrist 4 Jahre) Rechnungen geändert werden können:
    Nur wenn eindeutige sachliche Fehler vorliegen (z. B. versäumter Ansatz eines Verlegungsabschlages trotz Verlegung) kann die KK eine Korrektur verlangen. Die eigentliche Rechnungsprüfung ist an das Prinzip der Zeitnähe gebunden. Eine derartige \"Nachprüfung\" ist damit wider der ständigen Rechtsprechung des BSG und damit abzulehnen.
    Im Übrigen ist die KK nicht berechtigt, Unterlagen im Namen des MDK anzufordern; siehe § 276 Abs. 2 SGB V:
    Der Medizinische Dienst darf Sozialdaten nur erheben und speichern, soweit dies für die Prüfungen, Beratungen und gutachtlichen Stellungnahmen nach § 275 und für die Modellvorhaben nach § 275a erforderlich ist;
    <Jetzt kommt\'s>
    haben die Krankenkassen nach § 275 Abs. 1 bis 3 eine gutachtliche Stellungnahme oder Prüfung durch den Medizinischen Dienst veranlasst, sind die Leistungserbringer verpflichtet, Sozialdaten auf Anforderung des Medizinischen Dienstes unmittelbar an diesen zu übermitteln, soweit dies für die gutachtliche Stellungnahme und Prüfung erforderlich ist.
    </Jetzt kommt\'s>

    Hier hat weder der MDK angefordert, noch ist die Übersendung \"für die gutachtliche Stellungnahme und Prüfung erforderlich\", da - wie oben beschrieben - überhaupt keine Rechtsgrundlage besteht.

    Informieren Sie Ihre Geschäftsführung über diese Lage, versichern Sie sich deren Unterstützung, suchen Sie sich schon mal einen Anwalt und drohen Sie unverhohlen mit sofortiger Klage im Falle der Aufrechnung. Die wollen offensichtlich Stunk. Kein Sozialgericht in Deutschland wird diese KK gewähren lassen. Principiis obsta!

    Thomas Rauner

    Thomas Rauner
    Allgemeinarzt
    med. Controlling

  • Zitat


    Original von t.rauner:
    Kein Sozialgericht in Deutschland wird diese KK gewähren lassen. Principiis obsta!

    Guten Morgen!

    Ich wäre mir da nicht so sicher.
    Man muss differenzieren ob der Prüfgegenstand nach vier Jahren realistischerweise noch beurteilt werden kann oder nicht:

    http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechts…875&pos=0&anz=1

    Viele Grüße!

    Dr. Peter Leonhardt
    Neurologe
    Arzt für Med. Informatik
    Med. Controlling


    I'd rather have a full bottle in front of me than a full frontal lobotomy

  • Hallo Willm, Hallo Herr Rauner,

    die Überprüfung sollte Zeitnah stattfinden und die \"Treu und Glauben\" Regel hilft so recht nicht wenn es sich um eine Veränderung der DRG handeln kann. Das Prozedere einer solchen KK haben wir auch bei den \"großen\" feststellen müssen.
    Diese berufen sich auf die Verjährungsfrist von vier Jahren und dagegen gibt es wenig. :sterne:
    Denn es wird ja nicht die Rechnung sondern \"nur\" die Diagnosen und die Prozeduren geprüft und das muss mann hinnehmen. :sterne:
    :erschreck: Das sich hieraus etwas ergeben kann ... bleibt dem Betrachter nicht verborgen, aber ist nicht Grund der Anforderung der Unterlagen.

    8) Stefan Schulz, Med. Controlling

  • Guten Morgen,

    gerade habe ich den neuen KU-NEWSLETTER erhalten und dort befindet sich eine kurze Kommentierung (von Herrn RA Mohr) zum Urteil des BSG vom 28.02.2007 (B 3 KR 12/06 R), auf welches Herr Dr. Leonhardt ja schon aufmerksam gemacht hat. Der Hinweis auf eine mögliche Konsequenz der BSG-Rechtsprechnung, \"Vorläufigkeit der Erlösausgleiche\", scheint mir recht interessant.

    Gruß

    Der Systemlernende

  • Schönen guten Tag allerseits!

    Das zititerte BSG-Urteil bezieht sich ausdrücklich auf die Behandlungsnotwendigkeit. Ob es auch auf die Überprüfung der Kodierung anwendbar ist, sei einmal dahingestellt.

    Wenn Sie jedoch die Prüfung der Fälle grundsätzlich ablehnen, würde ich zunächst einmal formale \"Einrede\" gegen eine eventuelle Aufrechnung (bzw. die zugrundeliegende Forderung) einlegen, dann darf nämlich (eigentlich) keine Aufrechnung mehr durchgeführt werden (§ 390 BGB).

    Dann müsste näcmlich die Krankenkasse die Klage erheben, auf Herausgabe der Unterlagen. Rechnet die Krankenkasse einfach auf, müssten Sie Klage erheben gegen die rechtmäßigkeit der Forderung.

    Auf jeden Fall sollten Sie sich bei einer solchen Auseinandersetzung eines qualifizierten und kompetenten Rechtsbeitsandes versichern!

    Unabhägig davon ist die Prüfung nach Inkrafttreten des GKV-WSG eingeleitet worden, so dass Sie für jeden nicht rechnungsmindernd geprüften Fall 100 € nachberechnen dürfen.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Guten Morgen, Forum!

    Auch bei uns gehen diese Anfragen ein, von \"mit mehr als 630.000 Kunden einer der größten betrieblichen Krankenversicherer Deutschlands\" laut Eigendarstellung...

    Wir antworten mit Standardschreiben unter Zitat der entsprechenden Urteile und werden dann auf das wohl eintrudelnde Schreiben (s. Hr. Schulz) so antworten, wie Hr. Schaffert empfiehlt.

    Mal abwarten ...
    Gruß

    T. Flöser

  • Zitat


    Original von R. Schaffert:

    Unabhägig davon ist die Prüfung nach Inkrafttreten des GKV-WSG eingeleitet worden, so dass Sie für jeden nicht rechnungsmindernd geprüften Fall 100 € nachberechnen dürfen.

    Guten morgen,

    auch wenn ich jetzt Spielverderber bin:

    Würde die 100€ Regelung greifen, würde ich die Prüfung unter Hinweis auf die deutlich überschrittene Prüffrist ablehnen.

    Zählt also m.E. nicht.

    Viele Grüße

    Gruß
    papiertiger

    Sport: eine Methode, Krankheiten durch Unfälle zu ersetzen.

  • Schönen guten Tag Papiertieger,

    die 100 € Regelung greift auf jeden Fall, den sie gilt mit Inkrafttreten des Gesetzes (etwas anderes ist im Gesetz nicht festgelegt!). Da die Prüfung nach Beginn des Inkrafttretens des Gesetzes eingeleitet wurde, gilt diese Regelung.

    Anders sieht es mit der Prüffrist aus, denn die diese bezieht sich auf den Eingang der Rechnung. Somit kann sie erst auf Rechnungen angewendet werden, die nach dem Inkrafttreten eingegangen sind.

    So wurde dies auch in einem Rundschreiben unserer Krankenhausgesellschaft beschrieben und so ist es mit meinen (zugegeben nicht professionellen) juristischen Kenntnissen und Erfahrungen aus juristischer Sicht relativ eindeutig zu interpretieren.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo an alle Beteiligten,

    vielen Dank für Ihre Stellungnahmen. Mein Vorgehen ist jetzt klar.

    Da sich die Kasse auf § 275 SGB V bezieht - sie will ja die Art und Schwere der Erkrankung (Kodierung) vom MDK prüfen lassen - soll sie sich auch an die zeitnahe Einleitungsverpflichtung halten, die ja schließlich aus gutem Grund im § 275 SGB V ergänzt wurde.

    Damit betrachte ich die Forderung weiterhin als gegenstandslos. Da wir mit einer Verrechnung nicht einverstanden sind, schließlich haben wir eine ordnungsgemäße Rechnung erstellt und an der Leistungserbringung besteht ja auch kein Zweifel, verweisen wir im Verrechungsfall auf § 390 BGB.

    Mal sehen wie die Kasse reagiert. Wir werden uns nicht scheuen Klage zu erheben.

    MfG

    Willm

    Moin, moin!

    \"Ick bün al weer dor\" :b_wink:

  • Guten Morgen Herr Schaffert,

    ich finde es interessant, dass Ihre Krankenhausgesellschaft sich auf den Prüfungsbeginn bezieht und unsere (KGNW) sich auf den Eingang des Rechnungsdatensatzes.

    Ich habe unser Rundschreiben mal angehängt (hoffen wir mal das es klappt)


    Auf Seite 9 steht \"...§275 Abs. 1c SGB V ergibt, dass die Aufwandspauschale in Höhe von 100 € nur in den Fällen verlangt werden, kann, in denen die \"fruchtlose\" MDK-Prüfung auf einer Krankenhausrechung (Rechnungsdatensatz) beruht, die ab dem 01.04.2007 bei der Krankenkasse eingeht.\"


    Wir werden die 100€ nur dann berechnen, wenn die MDK-Prüfung \"fruchtlos\" war und der Rechnungseingang größer gleich 01.04.2007.


    Wer hat jezt recht? Wie sehen Sie das?

    Freundliche Grüße

    Sven Lindenau