wie kodieren Anästhesisten???

  • Hallo,

    ich wurde heute gefragt wie Anästhesisten kodieren oder ob sie gar nicht kodieren brauchen und ehrlich gesagt, ich wußte es auch nicht.

    Da ich mir aber ziemlich sicher bin, daß ich hier Rat finde, habe ich folgende Frage:

    wie kodieren eigentlich Anästhesisten?

    Herzlichen Dank für Ihre Antwort.

    Mit freundlichen Grüßen
    Marco

  • Hallo,

    die Uni Münster stellt auf der Seite der DRG-Research-Group (was für ein hochtrabendes Wort - gab es nicht auch einen deutschen Ausdruck dafür...) eine Liste aller Prozeduren bereit, die vielleicht auf einer Intensivstation Anwendung finden könnten:

    OPS 301 V2.1 Prozedurenauswahl für die Anästhesie von Björn Mehlhorn

    Diese Prozeduren sollten die Anästhesisten und/oder Intensivmediziner eingeben.

    Natürlich sollten sie alle Diagnosen eingeben, die sie erheben und als "Nebendiagnosen" im Sinne der DKR erkennen.

    Die Erfassung (Zuständigkeit etc.) ist eine hausinterne Definitionsfrage zwischen den verschiedenen Fachgebieten. Da die Anästhesisten spezifische Diagnosen haben, sollten sie auch eingeben können (Komplikationen, schwierige Intubation (bei Schwangerschaft/Geburtshilfe ein anderer Code als außerhalb dieser Zeit), akute Blutungsanämie, Hypokaliämie etc.pp.).

    Wie kommen den in Ihrem Haus die Kollegen ihrer Pflicht nach?

    Mit interessierten Grüßen :x

    Björn Mehlhorn

  • Hallo Marco,

    die Frage, was und wie die Anästhesisten kodieren, ist sicher von Haus zu Haus unterschiedlich zu beantworten (eigene Intensivstation, konsiliarische Tätigkeiten etc.) Ich kann nur sagen, wie´s bei uns aussieht:

    1. In erster Linie kodieren die Anästhesisten die Fälle der Intensivstation, wobei sie sich die Mühe machen, die Kodierung der zuweisenden Abteilungen zu vervollständigen (Begründung s.u.).

    2. Unser Haus hat viele Beleger, denen die Kodierung nicht besonders nahe liegt (ich bemühe mich hier um eine eher rücksichtsvolle Wortwahl). Glücklicherweise ist der Schaden (= CM-Einbuße) gering, da die Beleger größtenteils in Z-DRGs arbeiten. Mit einer Ausnahme und das sind die Urologen. Hier werden nicht nur alte und oftmals recht kranke Patienten behandelt, sondern es treten auch durchaus relevante Nebendiagnosen und -prozeduren auf (z.B. TUR-Syndrom, Nachblutungen etc.). Hier werden die Anästhesisten darauf hin geschult, auf Kodierungslücken zu achten und diese im Zuge der "Amtshilfe" zu beheben.

    3. Ähnliches gilt im Augenblick auch noch für die Chirurgie. Die Abteilung ist personell seit längerer Zeit total unterbesetzt und die Kollegen sind absolut nicht zu motivieren, sich auch noch in Kodierregeln schulen zu lassen. Außerdem wird die ganze Kodiererei eher als Verwaltungsarbeit und Schikane angesehen :teufel: Um nicht vollkommen unterzugehen, bitte ich die Anästhesisten, im OP erkennbar relevante Nebendiagnosen und Prozeduren zu notieren. Die Kodierung erfolgt bei uns bis jetzt auf Papier und die Kontrolle des Scheines obliegt dem Stationsarzt bei der Entlassung des Patienten, sodaß hier noch eine Überprüfung der anästhesiologischen Kodiererei stattfinden kann. Sehr unbefriedigend bisher aber leider im Augenblick nicht anders zu machen.


    --
    Gruß aus Oberbayern

    Timm Büttner

    Gruß aus Oberbayern

    Timm Büttner

  • Hallo zusammen.

    Zunächst mal vielen Dank für die rasche und ausführliche Antwort.

    @Björn : Unsere Anästhesie codiert lediglich die Diagnosen und Leistungen, die in Zusammenhang mit der Konsilanforderung stehen, d.h. es werden z.B. angeforderte Schmerztherapien codiert.
    Die gesamte EDV-gestützte OP-Dokumentation wird quasi nicht durchgeführt.
    In den anderen Abteilungen ist die Motivation etwas höher.
    Die schneidenden Abteilungen codieren ganz ordentlich und die Inneren fangen so langsam damit an.
    Beleger: No comment ;)


    Gruß
    Marco

  • Hallo Forum,

    bei uns fange ich gerade an, die Anästhesie ins Kodieren einzuarbeiten. Der von mir befürchtete Widerstand gegen die Anforderung als solche blieb bisher aus. (Staun!) Mal sehen, wie es nach der Schulung wird.
    Auf Intensiv kodiert der dortige Anästhesist die operativen Patienten (interdisziplinäre ITS), mehr oder weniger gut; Tendenz steigend.
    Darüberhinaus sollen (z.B. im Op) die Nebendiagnosen, die beim prämedizieren festgestellt wurden, kodiert/eingegeben werden. Unsere EDV bietet die Rubrik "ARB"= Arbeitsdiagnose. Über einen Button "bisherige Diagnosen" kann dann bei Entlassung auf alle Diagnosen zurückgegriffen werden. So kann der Stationsarzt noch auf die Frage "Relevanz" prüfen und entscheiden, welche Diagn. als Entlassungs-Diagn. rausgehen.
    Ich erwarte mir davon schon eine Verbeserung der Kodierung, bzw. des CMI, insbes. in der Orthopädie. (Nette Kollegen, kennen aber nur das, was durch eine Endoprothese ersetzt werden kann...:rolleyes: )

    :chirurg: aus Köln freundliche Grüße, zum Glück jetzt wieder ohne fliegende Bäume

    :smokin: Conny

  • hallo marco

    als referent für gebührenfragen und krankenhausmanagement beim berufsverband deutscher anästhesisten ist dies eigentlich mein schwerpunktthema. es gibt allerdings dazu ziemlich viel zu schreiben, daher möchte ich auf den fachkommentar DRG anästhesiologie verweisen, der über den BDA, Roritzer Str. 27, Nürnberg fax.: 0911-3938195 für rund 5 Euro zu beziehen ist. er erscheint jetzt bald (im dezember) als 2. auflage und bietet das aktuelle wissen zum thema DRGs in der anästehsie und intensivmedizin. Nebenbei gibt es dort viele kodierbeispiele, kodierlisten etc.

    gruß
    schleppers

  • Es kann zum Abgrenzungsproblem kommen, wenn sich die Anästhesisten weigern, sich als Kodiertrottel für die operativen Fächer mißbrauchen zu lassen.
    Unser Ansatz: die Anästhesie kodiert die Diagnosen, welche im Rahmen von Prämedikation, OP-Überwachung und Intensivaufenthalt zu einem Ressourcenverbrauch geführt haben.
    Hier ist ein gutsortierter Auszug aus dem ICD10 für die Kitteltasche(ohne Tularämie, Gingivahyperplasie und Singultus) von großem Nutzen.

    Im Zusammenspiel mit der Pflege sind dann sogar HNO-Patienten (Arzt:"Was unter der Bettdecke ist, interessiert mich nicht") meist recht gut abgebildet.
    --
    Jan Haberkorn
    Arzt/Medizincontroller
    St. Elisabeth-Krankenhaus Köln

    Jan Haberkorn
    Internist/Medizincontroller
    St. Elisabeth-Krankenhaus Köln

  • Ausgesprochen praktisch ist eine Kurzliste mit ca. 200 häufigen klassischen Nebendiagnosen mit CCL, nach organsystemen geordnet, für die Kitteltasche bestens geeignet (..ohne Tularämie:p ).
    Gruß
    Patricia
    --
    Patricia Klein

    Patricia Klein

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von PatKlein:
    Ausgesprochen praktisch ist eine Kurzliste mit ca. 200 häufigen klassischen Nebendiagnosen mit CCL, nach organsystemen geordnet, für die Kitteltasche bestens geeignet (..ohne Tularämie:p ).

    Guten Morgen Frau Klein,

    ich (und auch die DKR) habe immer ein Problem damit, wenn nur AR-DRG-CCL-Diagnosen in irgendwelchen Listen auftauchen!
    Eine Liste ist gut, aber bitte auch mit den "Nuller-Diagnosen". Es geht hier nämlich nicht darum, die australische CCL-Definitionen zu bestätigen, sondern unsere Daten zu erheben. Das ist der 1. Schritt zum eigenen System, auf eigene Verhältnisse beruhend.

    Schönen Tag!


    --
    D. D. Selter
    Arzt, Med. Cont. BGU-Murnau

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Lieber Herr Dr. Selter,

    Zitat


    Original von Selter:


    ich (und auch die DKR) habe immer ein Problem damit, wenn nur AR-DRG-CCL-Diagnosen in irgendwelchen Listen auftauchen!
    Eine Liste ist gut, aber bitte auch mit den "Nuller-Diagnosen". Es geht hier nämlich nicht darum, die australische CCL-Definitionen zu bestätigen, sondern unsere Daten zu erheben. Das ist der 1. Schritt zum eigenen System, auf eigene Verhältnisse beruhend.

    Mein Reden - sogar auf dem Thüringer Controller-Treffen hat mein Einwand mit diesen Worten noch ein Raunen und Erstaunen ausgelöst.

    Auch ich denke, daß wir nicht australische Medizin machen sollen und nicht ein System festklopfen/bestätigen, was in D sich ganz anders in der Realität darstellt. Auch "nicht-au-CCL-Diagnosen" könnten in Deutschland dennoch "g-CCL-Diagnosen" werden! Besonders im Bereich der teuren Antibiotika und der Halbseitenlämungen (Schlaff und spastisch ist für die Australier wahrscheinlich nicht aufwandsrelevant ?( - wie pflegen die denn ?( ?( Da möchte ich nicht krank werden... :( ) ändert sich hoffentlich noch was...


    In theory there is no difference between theory and practice, but in practice there is!!! ;)

    --
    Gruß:x

    Björn Mehlhorn

  • :D Nur kurz zur Richtigstellung: in unserer Liste waren einfach aus der australischen CCL-Liste für Anästhesisten relevante Diagnosen plus für jeden Anästhesisten beim Prämedizieren relevante Diagnosen unabhängig von CCL´s.:x

    Ich glaube, wir sind uns alle einig darüber: wichtig ist, den Patienten so zu kodieren, wie er nun mal "krank" ist, wobei nur die Dinge kodiert werden, die während des aktuellen Aufenthaltes Ressourcen verbraucht haben. Dies kann man sich aber meiner Meinung nach "schwer" oder "einfach" machen. Ich finde persönlich, die Kodierkombination: "gesunder Menschenverstand plus Medizinkenntnisse plus Kodierkenntnisse (ICD-OPS-Regeln)" würden ausreichen (ja, ich weiß, das müßten wir erst mal bei allen haben!). Das DRG-System in seiner gesamten Komplexität müssen meiner Meinung nach nur ein paar Leute pro Haus wirklich kennen. Und die australischen häufigsten Schlüssel, Kombinationen etc. die müssen überhaupt nur noch die "Systemweiterentwickler" kennen, wenn überhaupt (da wären mir Übersichten über die deutschen Kodierhäufigkeiten lieber, am besten öffentlich zugänglich).

    Mit schönem Kodiergruß
    Patricia

    Patklein