MDK-Prüfung, Eingreifen in die ärztliche Behandlung

  • Guten Tag werte Forumisten (und innen),

    wich wärme den etwas älteren Beitrag auf, da meine Frage genau in diesen Beitrag passt und eine für mich erschöpfende Antwort nicht erkennbar ist.
    Problemgestaltung: Patient kommt primär als AOP (Arthroskopie Kniegelenk), aufgrund eines ausgeprägten Schmerzempfindens wird eine Infusionsbehandlung durchgeführt und der Patient bleibt über Nacht vollstationär. Der MDK lehnt eine vollstationäre Behandlung ab, da \"multiple, oral suffizient wirksame Medikamente zum Einsatz kommen können...\".
    Unseren (bzw. der des Chefarztes) Widerspruch mit der Begründung eines patientenindividuellem Schmerzempfinden und einer in diesem Falle entschiedenen Infusionsbehandlung wird vom MDK nicht akzeptiert. Stellt dies schon ein Eingriff in die Therapiefreiheit dar, wenn eine individuelle Entscheidung über die Art der Therapie durch die KH-Ärzte gefällt und im Nachhinein auch weiterhin so vertreten wird? Wie gehen andere KHér mit diesem Problem um?
    MfG di-stei

  • Guten Tag
    ich darf hierzu eine Äusserung unseres Juristen sinngemäss wiedergeben:
    die Therapiefreiheit hat dann Ihre Grenzen, wenn der Facharztstandard nicht mehr eingehalten wird. Und wenn der Facharztstandard nicht eingehalten wird, dann muss auch die Kasse nicht zahlen.
    Ergo muss eine abrechenbare Therapie auch lege artis durchgeführt worden sein.

    Betrachten Sie Ihre Therapie mal unter diesem Licht und rechnen Sie sich dann Ihre Chancen vor dem SG aus. So machen wir das zumindest, wenn sich in diversen Vorgesprächen und Widersprüchen keine Änderung des Gutachtens ergibt.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Guten Morgen,
    was hat denn die Entscheidung orale/intravenöse Schmerztherapie mit dem Facharztstandard zu tun? Die Entscheidung, eine i.v. Schmerztherapie einzuleiten ist allein Sache des behandelnden Arztes und ist zu respektieren.
    Ich rate nur, bleiben Sie standhaft im Dissens.
    Gruß

    Dr.Gerhard Fischer
    Medizincontroller/Frauenarzt

  • Hallo,

    die Auffassung des MDK halte ich für einen gravierenden rückwirkenden Eingriff in die Therapiefreiheit. Trotz bester Dokumentation ist das Schmerzbild eines Patienten nicht auf Papier zu bannen. Gerade in der Schmerztherapie haben sich doch in den meisten Kliniken Standards gebildet, welche von Fachärzten vorgegeben wurden.

    Hier greift meines Erachtens schon die ex ante Bewertung des Arztes vor Ort. Ein Gutachter wird nie in der Lage sein, retrospektiv zu entscheiden, welches Schmerzmedikament ob oral oder i.v. gegeben werden müßte.

    Wir haben bisher noch nicht solche Anfragen erhalten, aber ich würde dies als Einmischung in die Therapiefreiheit ablehnen und ggf. den Rechtsweg einschlagen. Beim nächsten Mal wir uns dann der Gutachter retrospektiv sagen, wir hätten eine andere Endoprothese o.ä. einbauen können.

    Gruß

    Dr. F. Schemmann
    FA f. Orthopädie, Chirurgie, O&U

  • Hallo -

    im konkreten Fall würde mich (jenseits der Grundsatzdebatte) interessieren:

    1. Warum Knie ASK? Gab es evtl. eine lange Vorgeschichte mit chronischen Schmerzen und evtl. nicht funktionierender (oraler) Schmerztherapie.

    2. Was wurde vor Einleitung der Infusionsbehandlung sonst an Schmerztherapie versucht, mit welchem Effekt, bei welcher VAS?

    Ansonsten lassen sich z.B. parenterale Opiate gut in orale Dosen umrechnen (leider gerade ex post). Es sollte eigentlich schon Gründe (jenseits des \"patientenindividuellen Schmerzempfindens\") geben warum nach einer Knie ASK eine Infusionsbehandlung zur Schmerztherapie nötig war (z.B. starkes therapierefraktäres Erbrechen). Nicht zu unterschätzen ist allerdings der kaum meßbare psychologische Effekt einer Infusion vs. äquivalente Dosis oral (in bestimmten Situationen).

    Herzlicher Gruß.

    „Quod non in actis est, non est in mundo.“ (Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt)

  • Ich sehe es genauso hier wird im Nachhinein auf die Therapie Einfluss genommen,
    da aber nichts Gegenteiliges über die Therapiestandards seitens der MDK gesagt wird, bleibt wohl nichts anderes übrig als zu klagen. Sonst wird diese Art von Argumentation immer wieder Missbraucht.

    Grüße an Alle

  • Liebe Kollegen,

    einen rückwirkenden Einfluss auf die Therapie kann es im Einzelfall gar nicht geben. Die Therapie ist gelaufen, der Patient ist geheilt. Was der MDK nun zu den Kosten der Therapie sagt, hat keinen Einfluss auf das, was gewesen ist.
    Wäre das Gegenteil richtig, müßte ja der MDK verboten werden...(Dazu mag man ja geteilter Meinung sein).

    Basis der Beurteilung ist für den MDK §12 SGB V: Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und notwendig sein. Wenn diese bestimmte Art der Schmerztherapie nicht notwendig war, sondern eine wirtschaftlichere Alternative bestand, dann werden Sie mit Ihrem Fall vor dem SG Schwierigkeiten haben. Vor Ihrem Controlling übrigens auch, wenn Sie schon die volle DRG eingefahren haben, aber mit dieser unwirtschaftlichen Maßnahme weitere Verweiltage begründen wollen.
    Bei uns stritt sich letztens der Neurochirurg mit dem MDK und wollte allen Ernstes den stationären Aufenthalt bei Carpaltunnel-OP mit der Flasche NaCl begründen, die er über Nacht hatte hängen lassen.
    So geht das nicht. Der stationäre Aufenthalt muß stichhaltig begründet und alternativlos sein. Dann ist alles gut. Die ersten und die letzten Tage fragt der MDK, die anderen Tage fragt das Controlling (zusätzlich). Und das Controlling fragt im Grunde die gleichen Dinge wie der MDK. Rechenschaft über einen sorgfältigen und wirtschaftlichen Umgang mit den Mitteln ist immer zu geben.

    Gruß

    W.

  • Tag, Willis,

    So sehe ich das nicht.
    Grundsätzlich haben Sie recht, im Einzelfall sit aber heir keine Grenze erreichbar. Heute wird über die asureichedne und zweckmässige Therapie räsoniert, morgen um die Frage, ob der Patient füher hätte extubiert werden können, oder ob man nicht durch eine alternative Therapie schneller zum Behandlungserfolg gekommen wäre.

    Ich hatte unlängst die Konstellation, dass eine medikamentöse antidepressive Therapie und mithin die zugrundeliegende Diagnose gestrichen werden sollte, weil kein nervenheilkundlicher Facharzt hinzugezogen worden war.

    Gerade bei der Schmerztherapie berichten Betroffene (Patienten!) nicht selten, dass diese erheblich zu wünschen übrig lässt. Diesem subjektiven Eindruck kann sich der behandlende Arzt nicht entziehen.

    Die Notwendigkeit einer i.v. Schmerztherapie lässt sich aber nicht immer exakt definieren, ähnlich wie der Schmerz nicht immer exakt beschrieben werden kann. Es muss auch möglich sein, dass der Arzt das spontan entscheidet und es ist zumindest nachvollziehbar, dass die Entscheidungsgründe im Alltag nicht immer epikritisch festgehalten werden. Nicht zuletzt auch deshalb dürfte in der Rechtsprechung immer von der \"frischen Erinnerung des Arztes\" die Rede sein.

    Ich gebe ihnen Recht, dass mancher Kliniker in falsche Abwehrreflexe kommt, um auch unsinnige stationäre Beahdnlungen zu rechtfertigen.

    Ich habe aber Bauchschnmerzen damit, dass Wochen später ein unbeteiligter Dritter äußert, eine ambulante orale Schmerztherapie hätte es auch getan.

    So geht das auch nicht.

    Gruß

    Merguet

  • Zitat


    Original von merguet:
    Es muss auch möglich sein, dass der Arzt das spontan entscheidet

    Hallo, da stimme ich Ihnen zu

    Zitat


    Original von merguet:
    und es ist zumindest nachvollziehbar, dass die Entscheidungsgründe im Alltag nicht immer epikritisch festgehalten werden.

    und genau da liegt das Problem des Hauses.

    Oder um es mal ganz platt und verkürzt zu sagen:

    Wenn keine Doku, dann kein Geld.

    Und das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt eben halt auch für Krankenhäuser.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Moin Her Horndasch,

    Ich dränge hier sehr auf Dokumentation. Ich habe das auch in meiner klinischen Praxis immer so gehalten.
    Andererseits ist eine dokumentierte i.v. SChmerztherpaie auch eine Dokumentation.
    Es führt m.E. zu weit, wenn man verlangt, dass immer auch die individuellen Entscheidungsgründe dokumentiert werden.
    Mir ist durchaus klar, dass die Sache dann angreifbar wird. Dennoch sollte man pauschalen Ablehnungen aus diesem Grunde entgegentreten.

    Gruß

    merguet

  • Tag, merguet,

    ein lieber Kollege führt hier in seinem Haus gerade die Pflicht zur täglichen Begründung ab dem 14. Tag ein. Er will von seinen Ärzten spätestens ab dem 14. Tag jeden Tag in der Akte eine schriftliche Begründung für den weiteren KH-Aufenthalt haben.
    Dem Controlling geht es dabei ums Geld. Aber ich denke, auch der Patient wird davon profitieren, wenn der Doc jeden Tag weiß, was dieser Patient braucht.
    Idealerweise sollte schon am ersten Tag und dann jeden Tag klar (und belegbar) sein, warum der Pat. im KH ist. Und wenn der Pat. Schmerzen hat, dann kann das benannt werden (VAS, Mobilitätseinschränkung etc.) Und wenn die Maßnahmen nur im KH erbringbar sind und es dafür keine ambulante Alternative gibt, dann gibt es für den MDK nichts zu holen und für den Controller nichts zu steuern.


    Gruß

    W.