stationäre Behandlungsnotwendigkeit?

  • Hallo nochmals Herr Seyer,

    da fällt mir noch was ein und ich habe meinen Beitrag nicht editiert, damit folgende Frage nicht untergeht:

    Sie schrieben zu Recht, dass es sich bei meinem Fall um einen Einzelfall handelt. Wie würden Sie diesen Einzelfall denn bewerten, wenn er so abgelaufen wäre wie ursprünglich geplant (3 Belegungstage, meinetwegen auch 2) und im Rahmen einer MDK-Prüfung mit der Forderung nach Kürzung auf einen Belegungstag bei Ihnen aufgelaufen wäre?

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)

  • Schönen guten Tag ToDo,

    da wir so schön beim Nachhaken sind:

    Wie hätten Sie (oder Ihre Angehörige) denn reagiert, wenn der Zug der Drainage eine latente Blutung ausgelöst hätte und Se in der Nacht (vorübergehend) aufgewacht wären, weil Sie keine Luft mehr bekommen?

    Zwei Anmerkungen:

    1. Wenn 95% einer Behandlung problemlos verläuft, bedeutet das umgekehrt, dass es bei 5% Probleme gibt. Der Arzt oder das Krankenhaus werden für diese 5% verantwortlich gemacht. Da man meist vorher nicht weiß, wer zu diesen 5% gehören wird, müssen alle so behandelt werden, dass zumindest die häufigsten Probleme für die Patienten (und den Arzt) folgenlos bleiben.

    2. Ich gebe Ihnen Recht, dass bei Ihnen die präoperative Vorbereitung vermutlich in den meisten Fällen ambulant laufen kann. Leider gehen Politiker und Krankenkassen jedoch in der Regel von jungen, mobilen, informierten und gesundheitlich aufgeklärten Patienten aus. Dies entspricht leider nicht immer dem tatsächlichen Spektrum unserer Patienten.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo ToDo,
    hatte so im \"versteckten\" Text herausgelesen, das es sich in Ihrem Fall evtl. um medizinisches Personal gehandelt hat. In diesem Falle hinkt Ihr Beispiel wirklich,
    da ein Laie nicht die Risiken und Komplikationen kennt und der behandelnte Arzt einer Entlassung in diesem Falle auf keinem Fall zugestimmt hätte.

    Mit frdl. Grüßen
    [c=blue]Mikka[/c]

    :d_zwinker:
    Das Leben ist die Suche des Nichts aus dem Etwas.
    (Chr. Morgenstern)

  • Hello again,

    @ Herr Schaffert

    zu 1.: Was ist denn mit den zweifelsfrei ambulant durchführbaren Operationen? Warum kann ich nach einer Arthroskopie mit der Reddon nach Hause, kriege sie am nächsten Tag beim Arzt gezogen und kann danach auch direkt wieder nach Hause? Ihrer (aus ärztlicher Fürsorge und Sorgfaltspflicht heraus durchaus nachvollziehbaren) Begründung folgend dürfte es doch eigentlich keine ambulanten Eingriffe geben, oder?

    zu 2.: absolute Zustimmung zur Einschätzung der Politik - aber Sie erwarten von den jungen Hüpfern in Berlin doch hoffentlich nicht etwa Verständnis für die Älteren in unserem Land!? Wobei ich dem eben entgegen halten muss, dass ich viele Prätage gestrichen kriege, weil es eben manche Häuser nicht verstehen (wollen), die wirklich jungen, mobilen Patienten ambulant vorzubereiten.


    @ mikka

    Es ging um mich selbst - und mich als medizinisches Personal zu bezeichnen, wäre schon frech.... :d_zwinker:

    Freundliche Grüße


    ToDo

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    (Mark Twain)

  • Guten Tag zusammen,
    gerade die SD-Operationen sind mit ihrer Nachblutungsgefahr nicht so ganz ohne. Wenn Sie sich einmal die Strafprozesse wegen Oraganisationsverschulden etc. anschauen, dann drehte es sich sehr häufig um die Frage, warum denn den SD-Patienten nicht die nötige \"Sorgfalt\" zugekommen ist.
    Eine Arthroskopie mit einer SD-Op zu vergelichen ist denn aus medizinischer sicht in meinen Augen nicht seh hilfreich.
    Und das Ganze unabhängig von der Diskussion um Verweildauern. Der Prä-Op-Tag ist dabei wahrscheinlich unnötig, aber die Nachbeobachtung sollte auch unter haftungsrechlichen Aspekten gesehen werden. Analog haben wir ja auch den Fall, dass immer wieder lebensbedrohliche Komplikationen bei ambulanten TEs auftreten.
    Dies nur als Versuch zur Versachlichung der Diskussion.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo ToDo,

    zugegeben, da der Fall ja offenbar gleich zwei Problembereiche anspricht, haben wir ggf. etwas aneinander vorbeigeredet. Zur Dauer der Behandlung bzw. Zeitpunkt der Entlassung haben die Kollegen ja bereits einige Meinungen dargelegt. Im Zusammenhang mit der bisherigen Diskussion spielen Sie jedoch wohl vor allem darauf an, dass die anästhesiologische Aufklärung auch prästationär erfolgen sollte, so dass es ggf. gar nicht erst um die Frage stationär oder vorstationär geht, fall die OP verschoben werden muss. Das ist so ohne weiteres nicht zu verleugnen. Die Frage was ein Arzt voher alles zu prüfen hat, bis er einen Patienten stationär aufzunehmen hat bleibt indes ungeklärt. Auch in Ihrem Fall hätte am Montag noch festgestellt werden können, dass Sie unerwartet nicht OP-tauglich sind. Was nun? Stationär oder vorstationär?

    Immer wieder geht es in Fällen darum die Grenzen bestimmter Abrechnungsarten ein wenig zu seinen Gunsten zu verschieben. Das kann nicht beliebig erfolgen. In Einzelfällen, vor allem wenn dabei auch grundsätzliche Fragestellungen tangiert werden, kann daher auch eine gerichtliche Klärung sinnvoll sein. Und übrigens kann man es wohl als Idealfall bezeichnen, wenn wirtschaftliches Verhalten mit Unterstützung des Patienten möglich ist. Was wäre, wenn der Patient z. B. nicht ambulant operiert werden will, er zur morgentlichen OP lange nüchtern anreisen muss oder er nach der OP noch nicht nach Hause entlassen werden will. Praktische Probleme, die bei Kostenträgern meist ohne Berücksichtigung bleiben und die das Krankenhaus lösen muss, manchmal sicherlich auch im Sinne des Patienten. Ganz bestimmt jedoch nicht böswillig zu Lasten der Kostenträger.

    Viele Grüße
    Sebastian Seyer

  • Mahlzeit (eher gequält aufgrund der Hitze),

    @ Herr Horndasch

    Falls Sie aufgrund meiner Beiträge die Sachlichkeit vermisst haben, bitte ich um Entschuldigung. Tatsächlich war das in Bezug auf den offensichtlichen Vergleich von Äpfeln (Knie) mit Birnen (SD) die blanke Unwissenheit. Für mich war die Nachblutungsgefahr nach Entfernung einer Drainage unabhängig von der Lokalisation oder durchgeführten OP ein Risiko. Wenn es bei bestimmten Lokalisationen/Operationen eher vertretbar ist als bei anderen, habe ich wieder dazu gelernt. :rotwerd:

    @ Herr Seyer

    es freut mich, dass wir wieder etwas zueinander finden. Ihre Frage, was ein Arzt ambulant kann/können muss, würde ich auf Umwegen beantworten wollen. In einigen Verträgen nach § 112 sind Abklärungsuntersuchungen definiert. Außerdem gibt es Aussagen, wann Krankenhausbehandlung NICHT vorliegt. Beide Passagen zielen in die gleiche Richtung. Über die Notwendigkeit vollstationärer Krankenhausbehandlung kann erst nach der Aufnahmeuntersuchung entschieden werden.

    Wird bei dieser festgestellt, dass Krankenhausbehandlung nicht geboten oder zwar geboten, aber derzeit nicht durchführbar ist oder geboten, aber in einem anderen Krankenhaus durchführbar ist, liegt KEINE Krankenhausbehandlung vor. Es gibt dann - je nach Bundesland eine ambulante Abrechnung, eine vorstationäre Pauschale oder eben die Abklärungsuntersuchung.

    Und konkret die Blutuntersuchung und das Anästhesiegespräch würde ich als Bestandteil der Aufnahmeuntersuchung und noch nicht als vollstationäre Behandlung ansehen. Vom jeweiligen Ergebnis hängt doch oftmals erst ab, ob ein Patient vollstationär aufgeommen werden kann/muss.

    Ihren letzten Absatz kann ich so unterschreiben. Das sind auch oftmals Fälle, wo viele Krankenkassen gar nicht so unbeeindruckt bei ihrer harten Linie bleiben und sehr wohl auch zu (nicht immer medizinisch und formell einwandfreien) individuellen Lösungen zugunsten des Patienten bereit und fähig sind. Ein Problem in unserem System ist vielleicht auch, dass wir in mancher Diskussion das wenige Negative weit höher hängen als das mehrheitlich Positive (erwische ich mich auch \"hin und wieder\" bei) :d_zwinker:

    In diesem Sinne frohes Schwitzen weiterhin

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)

  • Hallo,

    ich möchte an dieser Stelle gerne etwas beitragen. Es wird sich von Kassenseite immer wieder auf die Landesverträge bezogen. Ohne polemisch sein zu wollen- dies geschieht vorwiegend, um stationäre Fälle in den ambulanten Bereich zu \"schieben\" bzw. mit der gering bemessenen vorstationären Pauschale abzugelten.

    Nun steht in unserem (Niedersachsen) Landesvertrag allerdings folgendes:
    (9) Die Aufnahmeuntersuchung ist Bestandteil der Krankenhausbehandlung. Ergibt die Aufnahmeuntersuchung, daß nach Einweisung durch einen Kassenarzt
    a) keine Krankenhausbehandlung erforderlich ist oder
    b) die Krankenhausbehandlung erst zu einem späteren Zeitpunkt erforderlich ist oder
    c) die Krankenhausbehandlung in einem anderen Krankenhaus durchzuführen ist,
    handelt es sich um einen stationären Behandlungsfall. Ist eine stationäre Aufnahme nicht erforderlich, soll der einweisende Arzt hierüber unterrichtet
    werden.

    Was meinen Sie, wie die Reaktionen der Kostenträger bei Verweis auf den §112 ausfallen?

    N. Richter
    medCo, DRGB, DSB

    \"Haben Sie jemals darunter gelitten, dass sie trotz Ihrer enormen Intelligenz
    von Menschen abhängig sind, um Ihre Aufgaben ausführen zu können?\"
    - \"Nicht im geringsten. Ich arbeite gerne mit Menschen.\"

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag,

    Zitat


    Original von ToDo:

    Am Montag kam ich also zur stationären Aufnahme, wurde am gleichen Tag operiert und bekam Dienstags um 12.00 Uhr die Drainage entfernt.


    Drainage in der Schilddrüsenchirurgie:

    „Patienten ohne Drainagen verließen das Krankenhaus signifikant früher (3,9 vs. 4,6 Tage)
    ....
    Weder unsere Zahlen noch die Literaturangaben können bisher belegen, daß relevante Nachblutungen durch eine Drainage schneller erkannt und behandelt werden.
    Daher ist eine generelle Drainageeinlage nach unkomplizierter Resektion einer euthyreoten Struma nicht zu empfehlen.“


    Prophylaktische Drainage in der Schilddrüsenchirurgie?
    Eine Effizienzüberprüfung anhand klinischer und sonographischer Parameter
    Zentralbl Chir 2001; 126: 960-963


    Gruß

    E Rembs

  • Schönen guten Tag allerseits,

    unabhängig von der Sinnhaftigkeit einer Drainage überhaupt (was ich durchaus auch kritisch sehe), würde ich auch nicht gerne einen Patienten mit einer Drainage im Kniegelenk nach Hause lassen. wenn die Drainage diskonnektiert und der Patient es zu spät merkt, dann haben Sie u. U. einen dicken Infekt im Knie. Etwas anderes ist es bei Weichteildrainagen ... abgesehen von der Schilddrüsenloge. Hier ist die Besonderheit (nur zur Vervollständigung des Lerneffektes bei ToDo), dass es sich erstens um eine hervorragend durchblutete Region handelt (insbesondere bei Schilddrüsenerkrankungen) und zweitens Blutungen und Hämatome hier ganz schnell zu lebensbedrohlichen Situationen werden können, weil die entstehende Schwellung auf die Luftröhre drückt. Und durch den Zug der Drainage kann ganz leicht mal ein bereits verschorftes Gefäß wieder aufgerissen werden, dass dann langsam vor sich hinsickert.... Sie sehen, so ganz unbegründet war das Ansinnen, Sie noch einen Tag nach Drainagezug zu behalten, auch wieder nicht.

    Interessant wäre einmal eine Studie, die ambulante und stationäre Durchführung einer Behandlung bei gleichem Patientenkollektiv vergleicht. Vielleicht wäre der Kompromiss eine Ein-Tageschirurgie, bei der die Patienten noch eine Nacht beobachtet werden können (ohne unbedingt gleich die Kosten einer vollstationären Behandlung zu verursachen) und die unstrittig neben einer ambulanten Chirurgie steht.

    Ich wünsche noch einen schönen Tag,

  • Hallo ToDo,
    ich möchte auch noch meinen \"Senf\" dazugeben, weil ich finde, dass zwei Probleme hier noch nicht angesprochen wurden:
    1. Jeder Mensch hat ein unterschiedliches Risikoverhalten. Während mein Chef zu Zeiten des Selbstkostendeckungsprinzips alle Patienten möglichst früh rausgeschmissen hat (viele Patienten fanden das gar nicht gut) sind andere Kollegen hier sehr risikobewusst und behalten alle Patienten solange unter stat. Kontrolle, bus sie rel. sicher sein können, dass nichts gravierendes mehr passiert.
    Ich kann den HNO-Arzt, der die Tonsillektomie bei Kindern nur stationär macht, gut verstehen, wenn man sich mal die Horrorstories von verbluteten Kindern, die in den Medien kursieren, zu Gemüte führt.
    Da können noch so viele MDK-Kollegen herkommen und behaupten, \"das könne man auch ambulant machen\". Diese tragen im Zweifel nicht die Verantwortung.
    2. der eigentliche Systemfehler aber ist, dass Herr Kollege Dr.Heimig einen sogenannten \"Kurzliegerabschlag\" eingeführt hat und damit ein ganz erhebliches Fehlsteuerungspotential im DRG-System.
    Die DRG-vergütung geht ja von der mittleren Liegedauer aus und vergütet den Aufwand für diese Zeit.
    Jeder, der so gut behandelt oder operiert, dass seine Patienten deutlichkürzer im Krankenhaus liegen, wird mit einem teilweise horrenden Abschlag \"bestraft\". So empfinden es jedenfalls alle behandelnden Kollegen.
    Herr Dr. Heimig behauptet, das sei gerecht, da die Kosten zu zwei Dritteln aus Hotel- und Pflegekosten bestehen und der operative Aufwand (der als eigentliche Leistung empfundene) nur etwa ein Drittel ausmacht.

    Die Folge:
    Jeder behandelnde und wirtschaftlich denkende Arzt wird eine Fallsteuerung versuchen, in dem er die DRG voll bezahlt kriegt. Er empfindet es als seine gute Leistung, wenn der Patient rasch und ohne Komplikationen entlassen werden kann. Andererseits ist es für ihn eine \"Abstrafung\" wenn er für seine gute Leistung Kürzungen hinnehmen muss.

    Die Krankenkasse versucht mit allen erdenklichen Mitteln, die Kurzliegerpauschale mitzunehmen und prüft rigoros jeden Fall, der eine UGVD +1 hat. Hierzu wird manchmal auch der MDK unter Druck gesetzt (durch Kassenwidersprüche, wenns mit dem einen MDK-Kollegen nicht wie erwartet geklappt hat)

    Ich finde, beide Positionen sind verständlich, führen aber durch ihren Fehlanreiz zu etwa der Hälfte aller Fallprüfungen.

    :i_drink:

    mfG
    Thomas Heller
    QMB/Med Co/OA Gyn
    Haßberg-Kliniken
    Haus Haßfurt/Unterfranken